Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser...

25
46 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U mus aus dessen Genomsequenz heraus ist es überaus hilfreich, auch die in Spezialda- tenbanken zusammengetragene Informati- on über Stoffwechselwege einzubeziehen (Bsp. EcoCyc Datenbank (Pangea Systems) oder Kyoto Encyclopedia of Genes and Ge- nomes, KEGG, www.tokyo-center.genome. ad.jp/kegg/). Bei einem gezielten Genomanalysean- satz zur Suche nach biotechnologisch wert- vollen neuen Enzymen ist es nicht von In- teresse, die Sequenz jedes Gens im Genom zu vervollständigen – die 20. Kopie eines ribosomalen Proteins oder eines Transkrip- tionsfaktors ist hier irrelevant. Nur die für weitere funktionelle Analysen ausgewähl- ten Gene müssen vollständig aufgeklärt werden. Die Komplettierung dieser Gene aus Sequenzfragmenten ist meist einfach, da aus der shotgun-Sequenzierungsphase zahlreiche Plasmide vorliegen, welche die Sequenzlücken abdecken. Durch Sequen- zierung mit spezifischen aus den bekann- ten Sequenzbruchstücken abgeleiteten Pri- mern lassen sich die potenziell wertvollen Gene rasch und preiswert vervollständigen. Die Konstruktion einer Bibliothek mit gro- ßen DNA-Inserts (Cosmide oder BACs) – für die Vollsequenzierung von Genomen meist unverzichtbar – ist hier nicht erforder- lich. Zwar kann man die Anordnung der Gene im partialsequenzierten Genom über Contigreihen nur bedingt und meist in über hundert Fragmenten bestimmen, doch ist die Information über großräumige Zusam- menhänge der Genanordnung nur bedingt von Interesse, wenn ein Projekt primär die möglichst kostengünstige und rasche Iden- tifizierung neuer enzymcodierender Gene zum Ziel hat, wie z.B. beim DBU-Projekt „Kohlenhydrat-prozessierende Enzyme aus dem thermoalkaliphilen Bakterium Anero- branca gottschalkii “. Bei Anwendung einer partiellen Genomanalyse zur Suche nach einem definierten Set interessanter Gene kann man also zu einem Bruchteil der Ko- sten einer Genomvollsequenzierung einen großen Teil aller interessanten Gene erfas- sen und einer raschen weiteren Verwertung zuführen. Nach partieller Sequenzierung des Genoms von Anaerobranca gottschalkii werden zur Zeit die Gene für die α-Amyla- se, das Verzweigungsenzym, die Pullulana- se und die CGTase in den mesophilen Wirtsorganismen E. coli, B. subtilis und S. carnosus kloniert. Sekretion von Enzymen in Gram-positiven Wirtsorganismen Die Sekretion rekombinanter Enzyme in das Kulturmedium bakterieller Wirtsorganis- men ist eine attraktive Alternative zur intra- zellulären Überproduktion, da auf diesem Wege die Bildung von „inclusion bodies“, wie sie in E. coli beobachtet werden, stark reduziert werden kann. Darüber hinaus wird durch die Sekretion des Enzyms eine signi- fikante Produktanreicherung erzielt und eine kontinuierliche Herstellung ermöglicht. Aufgrund des Fehlens einer äußeren Membran sind Gram-positive Bakterien in der Lage, homologe und (einige) heterolo- ge Proteine in großen Mengen direkt in den Kulturüberstand auszuscheiden und stellen daher potenziell vielversprechende meso- phile Wirtsorganismen für die heterologe Ex- pression von Enzymen aus dem thermoal- kaliphilen Bakterium Anaerobranca gottschal- kii dar. In den letzten Jahren wurden signifikan- te Fortschritte bei der Aufklärung des Me- chanismus der Proteinsekretion bei Gram- positiven Bakterien (insbesonders bei Bacil- lus subtilis als Gram-positivem Modellorga- nismus) erzielt (van Wely et al., 2001). Die Identifizierung und funktionelle Charakte- risierung der Komponenten des generellen Proteinexportapparats (der sogenannten Sec-Translokase; Abb. 5 ) bei verschiedenen Gram-positiven Bakterien ergab, dass der Mechanismus der Proteintranslokation über die Cytoplasmamembran dieser Bakterien- klasse weitgehend dem des am besten un- tersuchten Gram-negativen Modellbakteri- ums Escherichia coli (Manting und Driessen, 2000) entspricht: Sekretorische Proteine werden als höhermolekulare Vorläuferprotei- ne mit einem aminoterminalen Signalpep- tid synthetisiert. Während oder kurz nach ihrer Synthese werden die Vorläuferprotei- ne durch spezifische Faktoren (wie zum Beispiel dem aus dem Ffh-Protein und der scRNA bestehenden bakteriellen Signaler- kennungspartikel) erkannt und, vermittelt durch die Wechselwirkung mit einem Mem- branrezeptor (Srb), an die aus verschiedenen Sec-Proteinen aufgebaute Translokase her- angeführt. Der membranintegrale Teil des Proteinexportapparats besteht aus fünf Pro- teinen (SecY, SecE, SecG, SecDF und YajC), die zusammen das Translokase-Holoenzym bilden. SecY und SecE stellen hierbei den Kernkomplex eines hydrophilen Kanals dar, durch den die Exportproteine über die Membran gelangen. SecG, SecDF sowie YajC stimulieren die Proteintranslokation am Kernkomplex. Eine weitere Untereinheit des Proteinexportapparats ist das SecA-Pro- tein, welches als sogenannte Translokations- ATPase die Energie der ATP-Bindung und –Hydrolyse an die Translokation der Poly- peptidkette über die Membran koppelt. Bei diesem Vorgang durchläuft SecA wiederholt Zyklen von ATP-getriebener Membranin- sertion und –deinsertion, wobei bei jedem Zyklus etwa 20 bis 30 Aminosäuren der Po- lypeptidkette durch die Membran gefädelt werden (Nähnadelmodell). Während bzw. kurz nach der Translokation des Exportpro- teins über die Membran wird das Signalpep- tid durch spezifische Signalpeptidasen ab- gespalten und das reife Protein auf der trans- Seite der Membran freigesetzt. Über die Vorgänge, die sich an den eigentlichen Mem- brantransport anschließen und die letztlich zur Freisetzung der korrekt gefalteten Pro- teine in den Kulturüberstand führen, ist bis- her nur relativ wenig bekannt. Die Isolie- rung von B. subtilis -Mutanten, die eine re- duzierte Sekretion einer überproduzierten α-Amylase aufwiesen, führte zur Identifizie- rung des PrsA-Proteins. PrsA ist ein an der Außenseite der Plasmamembran veranker- tes Lipoprotein, das eine gewisse Ähnlich- keit zur Parvulin-Klasse von Peptidyl-pro- lyl-cis/trans-Isomerasen aufweist. PrsA ist vermutlich an der extracytosolischen Fal- tung von Exportproteinen beteiligt und stellt, vor allem unter Überproduktionsbe- dingungen, einen limitierenden Faktor bei der Proteinsekretion in Gram-positiven Bak- terien dar. So konnte gezeigt werden, dass die gleichzeitige Überexpression von sekre- torischen Proteinen und PrsA zu einer signi- fikanten Steigerung der Ausbeute an korrekt gefalteten Proteinen im Überstand führen kann (Kontinen und Sarvas, 1993). Die Fähigkeit Gram-positiver Bakterien (zum Beispiel verschiedener Bacillus-Arten) zur effizienten Sekretion von Proteinen wird Abb.3: Elektronenmikro- skopische Aufnahme des thermoalkaliphilen Bakteriums Anaerobranca gottschalkii Biokatalyse

Transcript of Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser...

Page 1: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

46 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

mus aus dessen Genomsequenz heraus istes überaus hilfreich, auch die in Spezialda-tenbanken zusammengetragene Informati-on über Stoffwechselwege einzubeziehen(Bsp. EcoCyc Datenbank (Pangea Systems)oder Kyoto Encyclopedia of Genes and Ge-nomes, KEGG, www.tokyo-center.genome.ad.jp/kegg/).

Bei einem gezielten Genomanalysean-satz zur Suche nach biotechnologisch wert-vollen neuen Enzymen ist es nicht von In-teresse, die Sequenz jedes Gens im Genomzu vervollständigen – die 20. Kopie einesribosomalen Proteins oder eines Transkrip-tionsfaktors ist hier irrelevant. Nur die fürweitere funktionelle Analysen ausgewähl-ten Gene müssen vollständig aufgeklärtwerden. Die Komplettierung dieser Geneaus Sequenzfragmenten ist meist einfach,da aus der shotgun-Sequenzierungsphasezahlreiche Plasmide vorliegen, welche dieSequenzlücken abdecken. Durch Sequen-zierung mit spezifischen aus den bekann-ten Sequenzbruchstücken abgeleiteten Pri-mern lassen sich die potenziell wertvollenGene rasch und preiswert vervollständigen.Die Konstruktion einer Bibliothek mit gro-ßen DNA-Inserts (Cosmide oder BACs) –für die Vollsequenzierung von Genomenmeist unverzichtbar – ist hier nicht erforder-lich. Zwar kann man die Anordnung derGene im partialsequenzierten Genom überContigreihen nur bedingt und meist in überhundert Fragmenten bestimmen, doch istdie Information über großräumige Zusam-menhänge der Genanordnung nur bedingtvon Interesse, wenn ein Projekt primär diemöglichst kostengünstige und rasche Iden-tifizierung neuer enzymcodierender Genezum Ziel hat, wie z.B. beim DBU-Projekt„Kohlenhydrat-prozessierende Enzyme ausdem thermoalkaliphilen Bakterium Anero-branca gottschalkii “. Bei Anwendung einerpartiellen Genomanalyse zur Suche nacheinem definierten Set interessanter Genekann man also zu einem Bruchteil der Ko-sten einer Genomvollsequenzierung einengroßen Teil aller interessanten Gene erfas-

sen und einer raschen weiteren Verwertungzuführen. Nach partieller Sequenzierungdes Genoms von Anaerobranca gottschalkiiwerden zur Zeit die Gene für die α-Amyla-se, das Verzweigungsenzym, die Pullulana-se und die CGTase in den mesophilenWirtsorganismen E. coli, B. subtilis und S.carnosus kloniert.

Sekretion von Enzymen in Gram-positivenWirtsorganismen

Die Sekretion rekombinanter Enzyme indas Kulturmedium bakterieller Wirtsorganis-men ist eine attraktive Alternative zur intra-zellulären Überproduktion, da auf diesemWege die Bildung von „inclusion bodies“,wie sie in E. coli beobachtet werden, starkreduziert werden kann. Darüber hinaus wirddurch die Sekretion des Enzyms eine signi-fikante Produktanreicherung erzielt undeine kontinuierliche Herstellung ermöglicht.

Aufgrund des Fehlens einer äußerenMembran sind Gram-positive Bakterien inder Lage, homologe und (einige) heterolo-ge Proteine in großen Mengen direkt in denKulturüberstand auszuscheiden und stellendaher potenziell vielversprechende meso-phile Wirtsorganismen für die heterologe Ex-pression von Enzymen aus dem thermoal-kaliphilen Bakterium Anaerobranca gottschal-kii dar.

In den letzten Jahren wurden signifikan-te Fortschritte bei der Aufklärung des Me-chanismus der Proteinsekretion bei Gram-positiven Bakterien (insbesonders bei Bacil-lus subtilis als Gram-positivem Modellorga-nismus) erzielt (van Wely et al., 2001). DieIdentifizierung und funktionelle Charakte-risierung der Komponenten des generellenProteinexportapparats (der sogenanntenSec-Translokase; Abb. 5 ) bei verschiedenenGram-positiven Bakterien ergab, dass derMechanismus der Proteintranslokation überdie Cytoplasmamembran dieser Bakterien-klasse weitgehend dem des am besten un-tersuchten Gram-negativen Modellbakteri-ums Escherichia coli (Manting und Driessen,

2000) entspricht: Sekretorische Proteinewerden als höhermolekulare Vorläuferprotei-ne mit einem aminoterminalen Signalpep-tid synthetisiert. Während oder kurz nachihrer Synthese werden die Vorläuferprotei-ne durch spezifische Faktoren (wie zumBeispiel dem aus dem Ffh-Protein und derscRNA bestehenden bakteriellen Signaler-kennungspartikel) erkannt und, vermitteltdurch die Wechselwirkung mit einem Mem-branrezeptor (Srb), an die aus verschiedenenSec-Proteinen aufgebaute Translokase her-angeführt. Der membranintegrale Teil desProteinexportapparats besteht aus fünf Pro-teinen (SecY, SecE, SecG, SecDF und YajC),die zusammen das Translokase-Holoenzymbilden. SecY und SecE stellen hierbei denKernkomplex eines hydrophilen Kanals dar,durch den die Exportproteine über dieMembran gelangen. SecG, SecDF sowieYajC stimulieren die Proteintranslokation amKernkomplex. Eine weitere Untereinheitdes Proteinexportapparats ist das SecA-Pro-tein, welches als sogenannte Translokations-ATPase die Energie der ATP-Bindung und–Hydrolyse an die Translokation der Poly-peptidkette über die Membran koppelt. Beidiesem Vorgang durchläuft SecA wiederholtZyklen von ATP-getriebener Membranin-sertion und –deinsertion, wobei bei jedemZyklus etwa 20 bis 30 Aminosäuren der Po-lypeptidkette durch die Membran gefädeltwerden (Nähnadelmodell). Während bzw.kurz nach der Translokation des Exportpro-teins über die Membran wird das Signalpep-tid durch spezifische Signalpeptidasen ab-gespalten und das reife Protein auf der trans-Seite der Membran freigesetzt. Über dieVorgänge, die sich an den eigentlichen Mem-brantransport anschließen und die letztlichzur Freisetzung der korrekt gefalteten Pro-teine in den Kulturüberstand führen, ist bis-her nur relativ wenig bekannt. Die Isolie-rung von B. subtilis -Mutanten, die eine re-duzierte Sekretion einer überproduziertenα-Amylase aufwiesen, führte zur Identifizie-rung des PrsA-Proteins. PrsA ist ein an derAußenseite der Plasmamembran veranker-tes Lipoprotein, das eine gewisse Ähnlich-keit zur Parvulin-Klasse von Peptidyl-pro-lyl-cis/trans-Isomerasen aufweist. PrsA istvermutlich an der extracytosolischen Fal-tung von Exportproteinen beteiligt undstellt, vor allem unter Überproduktionsbe-dingungen, einen limitierenden Faktor beider Proteinsekretion in Gram-positiven Bak-terien dar. So konnte gezeigt werden, dassdie gleichzeitige Überexpression von sekre-torischen Proteinen und PrsA zu einer signi-fikanten Steigerung der Ausbeute an korrektgefalteten Proteinen im Überstand führenkann (Kontinen und Sarvas, 1993).

Die Fähigkeit Gram-positiver Bakterien(zum Beispiel verschiedener Bacillus-Arten)zur effizienten Sekretion von Proteinen wird

Abb.3: Elektronenmikro-skopische Aufnahme desthermoalkaliphilenBakteriumsAnaerobranca gottschalkii

Biokatalyse

Page 2: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

47S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

auch schon seit langem für die industrielleGewinnung einer Vielzahl von Enzymeneingesetzt (Harwood, 1992). Hierbei handeltes sich vor allem um hydrolytische Enzyme(Proteasen, Amylasen, Lipasen), die unteranderem in der Waschmittelindustrie und inder Lebensmittelindustrie zum Einsatzkommen. Die entsprechenden Enzymestammen zumeist aus dem zelleigenen Eny-zmrepertoire der jeweiligen Mikroorganis-men und werden in vielen Fällen in Men-gen von bis zu 20 g/l in das Kulturmediumsekretiert. Diese hohen Ausbeuten werdenjedoch meist nur mit optimierten Produk-tionsstämmen erzielt, die durch mehrereZyklen von ungerichteter Mutagenese undanschließendem Screening auf erhöhte En-zymausbeuten erhalten wurden. DieUrsache(n) für die erhöhten Ausbeuten ansekretiertem Enzym sind jedoch in den al-lermeisten Fällen nicht bekannt.

Im Gegensatz dazu wurde bei Ansätzenzur Verwendung Gram-positiver Bakterienals Wirtsorganismen für die sekretorischeGewinnung von heterologen Proteinen (vorallem bei Proteinen eukaryontischen Ur-sprungs) in vielen Fällen beobachtet, dassdie Mengen der gewünschten Proteine imKulturüberstand deutlich geringer sind alsdie Mengen, die bei der Sekretion wirtsei-gener Enzyme erhalten werden können (Si-monen und Palva, 1993). Für diesen Befundsind mehrere Engpässe im Sekretionswegverantwortlich die, einzeln oder in Kombi-nation, zu einer drastischen Verringerung derAusbeute der gewünschten Proteine imKulturüberstand führen können. Die bei derheterologen Proteinsekretion am häufigstenbeobachteten Probleme sind hierbei (1) einineffizienter Transport des Proteins über dieCytoplasmamembran, (2) eine ineffizienteoder falsche Faltung des Proteins im An-schluss an den Membrantransport, (3) einAbbau des Proteins durch zellwandassoziier-te Proteasen sowie (4) der Abbau des Prote-ins durch lösliche Proteasen im Kulturüber-stand. Der jeweilige Anteil der einzelnenProblemzonen an der Verminderung derMenge an sekretiertem Protein im Kultur-überstand ist dabei sowohl von den spezifi-schen Eigenschaften des heterologen Pro-teins wie auch von der Art des verwendetenWirtsorganismus abhängig. So ist die Sekre-tion großer Mengen von Proteasen durchverschiedene Bacillus-Arten bei der industri-ellen Proteaseproduktion natürlich durchauserwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar. Für die sekretori-sche Gewinnung von proteaselabilen hete-rologen Proteinen bieten sich daher vor al-lem Gram-positive Bakterien als Wirtssyste-me an, die keinerlei (oder nur geringfügige)proteolytische Aktivitäten im Kulturüber-

stand aufweisen. Einer der Organismen, derdiese Voraussetzung erfüllt, ist das ursprüng-lich aus Trockenwurst isolierte BakteriumStaphylococcus carnosus. So erlaubte die Ver-wendung eines auf einer Staphylokokken-Lipase basierenden Sekretionsvektorsy-stems in der Tat die effiziente Sekretion ei-ner Vielzahl von heterologen Proteinen inden Kulturüberstand von S. carnosus (Meenset al., 1997; Sturmfels et al., 2001 und darinenthaltene Referenzen). Am Beispiel eineshumanen Calcitonin-Vorläuferproteins wur-de darüber hinaus gezeigt, dass mit diesemWirtssystem Ausbeuten von bis zu 2 g se-kretiertes Protein pro Liter Kulturmediumerzielt werden können (Dilsen et al., 2000).Basierend auf diesen vielversprechenden Ei-genschaften soll daher bevorzugt S. carnosusals Wirtsorganismus für die sekretorische Ge-winnung von Kohlehydrat-umsetzendenEnzymen aus A. gottschalkii im Rahmen desDBU-Verbundprojekts Biokatalyse einge-setzt werden.

Veränderung der Funktion und Stabilitätvon Enzymen durch rationales Design undgerichtete Evolution

Enzyme katalysieren metabolische Re-aktionen mit hoher Effizienz und Spezifitätund ihre Aktivitäten werden durch eineReihe von Faktoren reguliert. Die ständigeAnpassung der Aktivität, Regulation undStabilität von Enzymen an sich verändern-de Umweltbedingungen ist eine entschei-dende Voraussetzung für das Überleben vonOrganismen. Seit einiger Zeit ist es möglich,die Eigenschaften von Enzymen gezielt imLabor zu verändern. Dies hat zum einen zueinem besseren Verständnis der natürlichenEvolutionsprozesse von Enzymen geführt(Babbitt und Gerlt, 2001). Zum anderen istes möglich geworden, biotechnologisch re-levante Enzymen zu erzeugen, die in indu-striellen Verfahren eingesetzt werden kön-nen (Petrounia und Arnold, 2000). Enzymesind hier konventionellen chemischen Ka-talysatoren oft überlegen, da sie sehr sub-strat- und stereospezifisch sind und Reak-tionen unter umweltschonenderen Bedin-gungen katalysieren (Arnold, 2001; Born-scheuer und Pohl, 2001).

Es gibt zwei prinzipiell unterschiedlicheAnsätze zur Veränderung von Enzymen, ra-tionales Design und gerichtete Evolution(Chen, 2001). Rationales Design setzt diegenaue Kenntnis der Struktur und Funkti-on eines Enzyms voraus. Aufbauend auf die-sem Wissen, werden Aminosäuren an sorg-fältig ausgewählten Positionen durch gerich-tete Mutagenese gezielt ausgetauscht. Dasmutierte Gen wird dann in einem geeigne-ten Wirtsorganismus – häufig Escherichia coli– exprimiert. Anschließend wird das Prote-inprodukt gereinigt und in vitro getestet, ob

die Aminosäureaustausche den gewünsch-ten Effekt hervorgerufen haben. Mit dieserStrategie ist es unter anderem gelungen, dieSubstratspezifitäten von Enzymen zu verän-dern bzw. ihre Thermostabilitäten zu erhö-hen (Chen, 2001; Sterner und Liebl, 2001).In vielen anderen Fällen ist rationales De-sign jedoch gescheitert. Dies liegt vor allemdaran, dass wegen der Komplexität von En-zymen auch bei genauer Kenntnis der Struk-tur die Auswirkung eines Aminosäureaustau-sches auf seine Funktion nicht exakt vorher-gesagt werden kann.

Diesem Problem trägt der Ansatz dergerichteten Evolution Rechnung, der sicham Prozess der natürlichen Evolution orien-tiert. Dabei ist eine genaue Kenntnis derStruktur-Funktionsbeziehung prinzipiellnicht erforderlich. Bei der gerichteten Evo-lution wird durch den zufälligen Einbau vonMutationen in das Wildtyp-Gen zunächst eingroßes Repertoire an Genvarianten herge-stellt. Anschließend werden die Genvarian-

Abb. 4 : Wachstum der in Genbanken abgelegtenSequenzen von 1982 bis Ende März 2001.Informationsquelle GenBank (NCBI). Y-Achse:Anzahl der sequenzierten Basen in Megabasen-paaren. X-Achse: Jahr.

Biokatalyse

ten in Plasmide kloniert, die ihre Expressi-on in einem passenden Wirtsorganismus er-möglichen; nach Transformation und Plat-tierung der Wirtszellen, werden diese nachden neuen Eigenschaften selektiert odergescreent. Unter Selektion versteht mandabei die Kopplung des Überlebens derWirtszelle an die Produktion des verbesser-ten Enzyms. In einem Screeningverfahrenwerden dagegen Wirtszellen, die ein Plas-mid aufgenommen haben, einzeln auf dieneue enzymatische Eigenschaft hin unter-sucht. Screening ist somit allgemeiner an-wendbar als Selektion, jedoch in der Regelexperimentell aufwändiger. Der Prozess vonMutation und Selektion/Screening kannüber mehrere Runden durchgeführt und solange wiederholt werden, bis weitere Verbes-serungen nicht mehr möglich sind bzw. nichtmehr detektiert werden können. So können

Page 3: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

48 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

durch schrittweise Erzeugung kleiner Ver-besserungen über viele Generationen hin-weg erhebliche Änderungen in Funktionund Stabilität von Enzymen erreicht werden.Während die Techniken zum zufälligen Ein-bau von Mutationen recht einheitlich sind –meist wird eine Polymerasekettenreaktionunter Bedingungen durchgeführt, die zumgehäuften Falscheinbau von Nukleotidenführen –, sind die verwendeten Screening-und Selektionssysteme spezifisch für dasjeweilige Enzym und die zu veränderndeEigenschaft. Durch gerichtete Evolutionwurden in jüngster Zeit die Löslichkeitenvon Enzymen verbessert, Enantioselektivi-täten gesteigert und erhöhte Stabilitätengegenüber thermischer Inaktivierung erzielt(Petrounia und Arnold, 2001; Bornscheuerund Pohl, 2001; Sterner und Liebl, 2001).

Als besonders erfolgreich bei der gerich-teten Evolution neuer enzymatischer Eigen-schaften hat sich der Einsatz kombinatori-scher Methoden erwiesen, wie z.B. „DNA-Shuffling“ (Stemmer, 1994) oder „Staggeredextension process“ (Zhao et al., 1998). Hier-bei werden vorteilhafte Mutationen, die sichin verschiedenen Mitgliedern des Genreper-toires angesammelt haben, auf einem einzi-gen Gen miteinander kombiniert. Dies kannzu einer sehr schnellen und drastischen Ver-besserung der Eigenschaften der gewünsch-ten enzymatischen Eigenschaften führen(Ness et al., 2000). Unter Family-Shufflingversteht man eine vielversprechende Modi-fikation des ursprünglichen DNA-Shuffling-Ansatzes (Crameri et al., 1998). Dabei wer-den Gene, die in unterschiedlichen Speziesfür das gleiche Enzym kodieren, miteinan-der kombiniert. Auf diese Weise entstehenHybridenzyme, die positive Eigenschaftenverschiedener Eltern-Enzyme in sich verei-nigen (Ness et al., 1999).

Besonders instruktiv wird gerichteteEvolution dann, wenn die erzielte Verände-rung einer enzymatischen Eigenschaft aufder Basis einer hochaufgelösten Struktur desEnzyms analysiert wird. Dies wurde kürz-lich beispielhaft an der Verbesserung derkatalytischen Aktivität eines thermostabilenEnzyms bei niedrigen Temperaturen gezeigt(Merz et al., 2000).

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dassdie Eigenschaften von Enzymen sowohldurch rationales Design als auch durch ge-richtete Evolution in gewünschter Weiseverändert werden können. Während Designgenaue Kenntnisse der Struktur und Funk-tion eines Enzyms voraussetzt, ist der Er-folg gerichteter Evolution an die Existenzeines effizienten Screening- oder Selektions-systems gebunden. Mit beiden Ansätzenwurden in der Vergangenheit beeindrucken-de Ergebnisse erzielt. Deshalb muss bei derHerstellung von maßgeschneiderten Enzy-men aus dem extremophilen Mikroorganis-mus A. gottschalkii entschieden werden, wel-che Methode am erfolgversprechendsten istoder ob die Kombination beider Ansätzenangeraten scheint.

Literatur

Arnold, F. H. (2001): Combinatorial and computationalchallenges for biocatalyst design. Nature 409: 253-257Babbitt, P.C. , Gerlt, J. A. (2001): New functions fromold scaffolds: how nature reengineers enzymes for newfunctions. Adv. Prot. Chem. 55: 1-28Bornscheuer, U.T., Pohl, M. (2001): Improvedbiocatalysts by directed evolution and rational design.Curr. Opin. Chem. Biol. 5: 137-143Chen, R. (2001): Enzyme engineering: rational designversus directed evolution. Trends Biochem. Sci. 19: 13-14Crameri, A., Raillard, S.-A., Bermudez, E. & StemmerW.P.C. (1998): DNA shuffling of a family of genes fromdiverse species accelerates directed evolution. Nature391: 288-291Dilsen, S.; Paul, W.; Sandgathe, A.; Tippe, D.; Freudl,R.; Thömmes, J.; Kula, M.-R.; Takors, R.; Wandrey, C.;

Weuster-Botz, D. (2000): Fed-batch production ofrecombinant human calcitonin precursor fusion proteinusing Staphylococcus carnosus as an expression-secretion system. Appl. Microbiol.Biotechnol. 54 : 361-369Harwood, C. R. (1992): Bacillus subtilis and its relatives:molecular biological and industrial workhorses. TrendsBiotechnol. 10: 247-256Manting, E. H. , Driessen, A. J. M., (2000): Escherichiacoli translocase: the unravelling of a molecularmachine. Mol.Microbiol. 37: 226-238Kontinen, V. P.; Sarvas, M. (1993): The PrsA lipoproteinis essential for protein secretion in Bacillus subtilis andsets a limit for high-level secretion. Mol.Microbiol. 8:727-737Ladenstein, R., Antranikian, G., (1998): Proteins fromhyperthermophiles: stability and enzymatic catalysisclose to the boiling point of water, Adv. Biochem. Eng/Biotechnol. 61: 37-85Meens, J.; Herbort, M.; Klein, M.; Freudl, R. (1997):Use of the pre-pro part of Staphylococcus hyicus lipaseas a carrier for secretion of Escherichia coli outermembrane protein A (OmpA) prevents proteolyticdegradation of OmpA by cell-associated protease(s) intwo different Gram-positive bacteria. Appl. Environ.Microbiol. 63: 2814-2820Merz, A., Yee, M. C., Szadkowski, H., Pappenberger,G., Crameri, A., Stemmer, W. P., Yanofsky, C., andKirschner, K. (2000): Improving the catalytic activity of athermophilic enzyme at low temperatures. Biochemistry39: 880-889Ness, J.E., Welch, M., Giver, L., Bueno, M., Cherry, J.R.,Borchert, T.V., Stemmer, W.P.C. & Minshull, J. (1999):DNA shuffling of subgenomic sequences of subtilisin.Nature Biotechnology 17: 893-896Ness, J.E., del Cardayre, S.B., Minshull, J., Stemmer,WP.C. (2000): Molecular breeding-the natural approachto enzyme design. Adv. Prot. Chem. 55: 261-292Niehaus, F., Bertoldo, C., Kähler, M., Antranikian, G.,(1999): Extremophiles as a source of novel enzymes forindustrial application, Appl. Microbiol. Biotechnol., 51:711-729Petrounia, I.P., Arnold, F.H. (2000): Designed evolutionof enzymatic properties. Curr. Opin. Biotechnol. 11: 325-330Prowe, S. G., Antranikian, G (2001): Anerobrancagottschalkii sp. nov., a novel thermoalkaliphilicbacterium that grows anerobically at high pH andtemperature, Int. J. Syst. Bacteriol., 51:457-465Prowe, S.G., Characterization of extracellular amylolyticenzymes and sodium coupled energy transduction of anewly isolated, thermoalkaliphilic bacterium Anaero-branca gottschalkii, Dissertationsarbeit TU-Hamburg-HarburgSimonen, M.; Palva, I. (1993): Protein secretion inBacillus species. Microbiol.Rev. 57: 109-137Stemmer, W.P.C. (1994): Rapid evolution of a protein invitro by DNA shuffling. Nature 370: 89-391Sturmfels, A. ; Götz, F. ; Peschel, A. (2001): Secretionof human growth hormone by the food grade bacteriumStaphylococcus carnosus requires a propeptideirrespective of the signal peptide used. Arch.Microbiol.175: 295-300Sterner, R., Liebl, W. (2001): Thermophilic adaptation ofproteins. Crit. Rev. Biochem. Mol. Biol. 36: 39-106van Wely, K. H. M.; Swaving, J.; Freudl, R.; Driessen, A.J. M.. (2001):Translocation of proteins across the cellenvelope of Gram-positive bacteria. FEMS Microbiol.Rev.25, “in press”Zhao, H., Giver, L., Shao, Z., Affholter, J.A., Arnold, F.H.(1998): Molecular evolution by staggered extensionprocess (StEP) in vitro recombination. NatureBiotechnology 16: 258-261

Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. Garabed AntranikianTU Hamburg-HarburgTechnische MikrobiologieKasernenstraße 1221073 HamburgTel.: 040-42878 3117Fax: 040-42878 2582eMail: [email protected]

Abb. 5 Sec-abhängiger Protein-export bei Gram-positiven Bak-terien. An Ribosomen im Cyto-sol synthetisierte Vorläuferpro-teine werden anhand ihres Si-gnalpeptids als Exportproteinerkannt und an die Exportstel-len in der Membran herange-führt. Das aus den Sec-Protei-nen aufgebaute Translokase-Holoenzym katalysiert den en-ergieverbrauchenden (ATP undMembranpotential) Transportdurch die Plasmamembran.β-SRP: bakterielles Signaler-kennungspartikel bestehendaus scRNA und Ffh-Protein; Srb:membranassoziierter Rezeptorfür β-SRP; SPase: Signalpepti-dase; PrsA: an der Faltung ex-portierter Proteine beteiligtesLipoprotein. Weitere Detailssiehe Text.

Biokatalyse

Page 4: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

49S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

Oxidative Enzyme in der Textilindustrie

Dr. Elisabeth Heine1, Dr. Eva Schuh1,Dipl.-Chem. Nabil Daâloul1, Prof. Dr.Hartwig Höcker1, Rudi Breier2, Dipl.-Ing.Michael Schmidt2, Dr. Anke Apitz3, Dipl.-Chem. Andrea Brünner3, Prof. Dr. Karl-Heinz van Pée3, Dr. Katrin Scheibner41Deutsches Wollforschungsinstitut an derRWTH Aachen e.V. (DWI)2Textilchemie Dr. Petry GmbH, Reutlingen3Institut für Biochemie, TU Dresden4JenaBios GmbH, Jena

Ziel des Verbundvorhabens ist die Entwick-lung und industrielle Umsetzung alternati-ver Verfahren zur Carbonisur von Wolleund zur Baumwollbleiche unter Verwen-dung oxidativer Enzyme, die im Rahmendes Projektes für diese beiden Anwen-dungsbereiche produziert und optimiertwerden. Konventionell kommen sowohl beider Carbonisur als auch bei der Baumwoll-bleiche Chemikalien zum Einsatz, dieAbwasser und Maschinenteile belasten.Das Ziel des 1. Teilbereichs ist es, mit Hilfeder enzymkatalysierten Oxidation vonVegetabilien in Wolle die bei der klassi-schen Carbonisur eingesetzten Chemikali-enmengen zu reduzieren / zu ersetzen unddie Schädigung der Wolle zu minimieren.Durch die Anwendung von Oxidoredukta-sen soll ein in der Papierherstellungerprobtes Verfahren für die Wollindustrienutzbar gemacht werden. Ziel des 2.Teilbereichs ist es, mit Hilfe von Oxidore-duktasen die farbigen Begleitstoffe derBaumwolle zu zerstören. Durch dieenzymatische Bleiche sollen die Menge anLauge, die bei der Peroxid-Bleiche benötigtwird und damit die Salzfracht im Abwasserreduziert werden. Weiterhin sollte dadurcheine Energie- und Chemikalieneinsparungerreicht werden.

Einleitung und Fragestellung

� Im Rahmen des Verbundvorhabens wer-den alternative Verfahren zur Carbonisur vonWolle und zur Bleiche von Baumwolle un-ter Einsatz oxidativer Enzyme entwickeltund im Pilotmaßstab etabliert. Obwohl die-se beiden Verfahren gänzlich unterschiedli-che textile Schwerpunkte darstellen, kom-men in beiden Fällen die gleichen Enzymezum Einsatz. Die Kombination dieser un-terschiedlichen Themenkomplexe zu einemVerbund bietet daher den Vorteil, dass dienotwendigen Entwicklungsarbeiten im Hin-blick auf Enzymproduktion und -optimie-rung für beide Bereiche zum überwiegen-den Teil durch den biotechnologisch orien-tierten Verbundpartner (JenaBios GmbH,Laccase, Mangan-Peroxidase) übernommenwerden und ein Teilbereich (Peroxidase)durch das Forschungsinstitut (TU Dresden)

abgedeckt wird. Die Realisierung der Ver-fahren im Labormaßstab erfolgt durch dieForschungsinstitute (DWI, Wollveredlungund TU Dresden, Baumwollveredlung) unddie Umsetzung der Verfahren in den Pilot-maßstab im Hinblick auf den Transfer in dieTextilveredlungsbetriebe durch den Hilfs-mittelhersteller (Textilchemie Dr. Petry),der sowohl auf dem Sektor der Woll- als auchder Baumwollveredlung Expertise aufweist.

Enzymkatalysierte Oxidation vegetabilerBestandteile in Wolle als Alternative zurCarbonisur

Als Vegetabilien werden pflanzlicheÜberreste in Wolle bezeichnet. Die Konta-mination von Wolle mit Vegetabilien ist aufdie Weidebedingungen und die Bedingun-gen, unter denen die Schafe gehalten wer-den, zurückzuführen. Menge und Art derVegetabilien sind Faktoren, die zu Preismin-derungen der Ware führen. Bei den Pflan-zenresten handelt es sich um die klettenför-migen Verbreitungseinheiten bestimmterFutterpflanzen sowie Heu, Stroh und be-grannte Grassamen. Die verholzten spiral-bandigen Kletten der Pflanzengattung Me-dicago können bis zu 30% des Vegetabilien-gehaltes von Waschwolle ausmachen [1](Abb. 1). Im allgemeinen sind Kletten, ins-besondere Ringelkletten, vorzugsweise beiAustralwollen zu finden, Steinkletten beiCapwollen; bei beiden Provenienzen aberauch bestimmte Gräserarten (Ringelkletten:Xanthium spinosum, Medicago denticulata;Gräser: Barley grass (Hordeum lepinorum)[2]. Europäische Wollen sind weniger durchKletten als durch Gräser und Stroh verun-reinigt. Einige Kletten werden durch Krem-peln und Kämmen erfolgreich entfernt, an-dere können so feinfaserig vorliegen, dasssie sich wie die Wollfasern selbst verhalten

Abb. 1: Vegetabilien-belastete Rohwolle, Wollgewebe aus nicht-carbonisierter Wolle, aus Rohwolleisolierte Ringelkletten und Grassamen.

Biokatalyse

Page 5: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

50 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

und mit gekämmt werden. Diese Vegetabi-lien können bei der Verarbeitung und Ver-edlung der belasteten Wolle zu Problemenführen, z.B. verursachen Klettenfragmentebeim Spinnen Fadenrisse oder unerwünsch-

te Verdickungen im Faden. Bereits kleineAnteile an Vegetabilien in Tuchen verändernden Griff bzw. das Aussehen, da sie zu Fehl-färbungen führen. Krempel, Kämme undSpinnstrecken werden bei der Wollverarbei-

tung durch Vegetabilien mechanisch bela-stet [3]. Die chemische Methode zur Ent-fernung der Vegetabilien ist die Carbonisur.Hierbei wird die gewaschene Wolle in einBad mit 6-8% Schwefelsäure gegeben, ab-gequetscht, vorgetrocknet und dann beiTemperaturen von über 100°C „gebrannt“.Die durch die Trocknung hervorgerufeneKonzentrierung der Säure bewirkt eine De-hydratisierung (Verkohlung) der Cellulose.Die Reste der carbonisierten Vegetabilienkönnen durch Walzen zerkleinert, der Klet-tenstaub anschließend ausgeklopft und dieWolle neutralisiert und gespült werden. Vonharten Schalenteilen wird die Säure jedochnicht gut aufgenommen, daher sind dieseStücke auch nach der Carbonisur kaum zuzertrümmern. Die Carbonisur ist nicht un-problematisch für die Wolle selbst. Nebenden Vegetabilien kann auch die Wolle durchdie Säure geschädigt werden. Die gesamtenWollverluste können je nach vorliegenderRohwolle 12% und mehr betragen.

Bleichen von Baumwolle

Die Baumwollfaser ist ein einzelliges,bandartig flaches Gebilde mit meist kräfti-ger Zellwand. Sie besteht zu 90-95% aus rei-ner Cellulose und erscheint unter dem Mi-kroskop als flaches Band mit korkenzieher-artigen Drehungen. Diese Windungen grei-fen beim Verspinnen scharnierartig ineinan-der, so dass die Fasern gut im Garn haften.Baumwolle enthält außerdem Baumwollfet-te und –wachse, Ligninreste, Proteine, Pek-tine und Mineralstoffe [4]. Je nach Her-kunftsland ist Rohbaumwolle weiß (Peru),gelb oder braun (ägyptische Baumwolle)gefärbt.

Besonders die gelb- und braungefärbteBaumwolle, deren Farbe in erster Liniedurch die anhaftenden Ligninreste verur-sacht wird, muss in der Vorbehandlung desTextilgutes gebleicht werden, um nachfol-gend eine einheitliche Färbung der Garneerreichen zu können. Lange Zeit wurdeHypochlorit als bleichendes Agens einge-setzt. Aus Gründen der Umweltverträglich-keit ist es heute in Deutschland überwie-gend durch Wasserstoffperoxid ersetzt [5].Wasserstoffperoxid-Lösungen reagierenschwach sauer ud zerfallen allmählich inWasser und Sauerstoff. Wird dieser wässri-gen Lösung Alkali zugesetzt, entstehen Per-hydroxidanionen, die als das wirksameAgens bei der Bleiche mit Peroxid angese-hen werden. Die Zersetzung des Wasser-stoffperoxids steigt mit zunehmender Tem-peratur, zunehmendem pH-Wert und wirddurch Schwermetalle und leicht oxidierba-re Substanzen katalysiert. Schwermetallemüssen daher vor dem Bleichprozess mas-kiert und die Eigenzersetzung bei der Do-sierung des Wasserstoffperoxids unter Pro-

Abb. 3: Fermentation vonBacillus sphaericus, demProduzenten einer neuenintrazellulären Peroxidasemit ungewöhnlichenEigenschaften

Biokatalyse

Abb. 2: Reaktionsmechanismus für den mikrobiellen Ligninabbau durch Manganperoxidase ausNematoloma frowardii.

Page 6: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

51S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

zessbedingungen berücksichtigt werden.Einen optimalen Bleicheffekt erzielt manbei pH 11, der mit einem Minimum an Fa-serschädigung zusammenfällt und dahermeist zur Anwendung kommt. Andere ein-gesetzte Bleichmittel sind z.B. Peressigsäu-re als mildes oxidierendes Agens und Natri-umdithionit als reduzierendes Bleichmittel[6]. Es ist günstig, vor der Bleiche die Faseralkalisch abzukochen. Dabei kommt ge-wöhnlich Natronlauge zum Einsatz. Durchjedes Bleichverfahren wird die Cellulosemehr oder weniger abgebaut, was sich in ei-ner Abnahme des Durchschnittspolymerisa-tionsgrades äußert. Es ist daher nicht belie-big oft zu wiederholen.

Das Ziel einer guten Bleiche ist es, ei-nen hohen Weißgrad, eine gute Haltbarkeitdes Weiß und eine gute Saugfähigkeit derWare mit geringstmöglicher Faserschädi-gung und einer hohen Wirtschaftlichkeit zuerreichen. Trotzdem erhält man mit der Blei-che allein in keinem Fall ein genügend rei-nes Weiß, sondern die Faser besitzt nochimmer einen gelblichen Stich. Daherschließt sich gewöhnlich an den Bleichpro-zess das optische Aufhellen an.

Der mikrobielle Ligninabbau

Der mikrobielle Ligninabbau ist ein ge-nerell aerober, oxidativer Prozess. Eine Rei-he von Mikroorganismen, sowohl Pilze alsauch Bakterien (Actinomyceten), besitzendie Fähigkeit, die Struktur des Lignins che-misch zu modifizieren [7]; ein substantiel-ler Abbau des Lignins verbunden mit sei-ner Mineralisierung ist allerdings auf eineeinzige Gruppe von Mikroorganismen be-schränkt - die Basidiomyceten (Ständerpil-ze). Innerhalb dieser artenreichen Pilzklas-se haben sich im Laufe der Evolution zweiökophysiologische Lebensweisen entwik-kelt (Holzabbau und Streuzersetzung), dieeinen effektiven Angriff auf das Ligninpo-lymer außerhalb der Zelle (extrazellulär)gewährleisten [8]. Holzabbau und Streuzer-setzung können zur sogenannten Weißfäu-le von Lignozellulosen führen, d.h. zu einemselektiven Verlust des Lignins, unter Zu-rücklassung weißgefärbter Zellulosefibril-len. Ander und Eriksson [9] wiesen nach,dass die Oxidation phenolischer Verbindun-gen durch holzabbauende Weißfäulepilzeauf extrazelluläre Oxidoreduktasen (Lacca-sen, Peroxidasen) zurückzuführen ist. AusUntersuchungen zur Spaltung von Modell-verbindungen und zur Depolymerisationvon Ligninpräparaten wurde deutlich, dassdiese Enzyme verschiedene Bindungstypenim Lignin unspezifisch durch Radikalbil-dung (Ein-Elektron-Oxidationen) zu spaltenvermögen; sie wurden deshalb als ligninoly-tische (oder Lignin modifizierende) Enzy-me bezeichnet.

LaccaseDie Laccase (p-Benzendiol: O2-Oxido-

reduktase, EC 1.10.3.2) ist eine Kupfer-Oxidase [10] und das verbreitetste Ligninmodifizierende Enzym, das von fast allenWeißfäulepilzen sowie einer Reihe vonSchimmelpilzen (Asco- und Deuteromyce-ten) und den höheren Pflanzen gebildet wird[11].

Laccasen sind glykosylierte Proteine miteinem Polysaccharidgehalt von 11-80% undMolekulargewichten zwischen 59 und 110kDa, wobei dimere und tetramere Laccasenmit Molekulargewichten bis 390 kDa auf-treten können [11]. Das katalytische Zen-trum der Laccase enthält vier Kupferatome.Die Laccase katalysiert Ein-Elektron-Oxi-

Unterschied zur Meerrettich-Peroxidasevermag die LiP auch nicht-phenolischenSubstraten mit hohem Redox-Potential (+1,5V in Bezug auf die Standard-Wasserstoff-Elektrode) ein Elektron zu entziehen, waszur Bildung von Arylkation-Radikalen undnachfolgend zu spontanem Einbau von Sau-erstoff (O2) sowie Bindungsspaltungen führt[14]. Voraussetzung für die Wirksamkeit derLiP sind sehr niedrige pH-Werte; das Opti-mum des Enzyms liegt um pH 2,5 und be-reits pH-Werte größer 4,5 unterbinden dieEnzymaktivität vollständig.

Die LiP ist ein wichtiges, jedoch nichtunbedingt erforderliches ligninolytischesEnzym, da es eine Reihe von Weißfäulepil-zen gibt, denen die LiP fehlt und die eine

dationen einer Vielzahl phenolischer Sub-strate; gleichzeitig wird molekularer Sauer-stoff (O2) durch Übertragung von vier Elek-tronen zu Wasser reduziert. Es kommt zurBildung von Phenoxy-Radikalen, die nicht-enzymatischen Folgereaktionen unterliegen(Chinonbildung, Polymerisation, Bindungs-spaltung). In Gegenwart geeigneter Redox-Mediatoren (niedermolekulare Vermittlervon Oxidationsreaktionen) ist die Laccaseauch in der Lage, besonders persistentenicht-phenolische Ligninstrukturen anzu-greifen. Unter Verwendung synthetischerMediatoren gelang es Call und Mücke [12]erstmals, native Lignozellulose in einemzellfreien System (in vitro) mittels Laccasezu delignifizieren.

Lignin-Peroxidase (LiP)Die LiP (EC 1.11.1.14) ist ein H2O2-ab-

hängiges Glykoprotein mit ProtoporphyrinIX (Häm) im katalytischen Zentrum [13].Der vermutlich am intensivsten untersuch-te Weißfäulepilz Phanerochaete chrysosporiumbildet das Enzym in multiplen Formen (ma-ximal 15), die Molekulargewichte von 38 kD- 43 kD und isoelektrische Punkte (pI) von3,2-4,7 besitzen. Die LiP ist eine echte Per-oxidase (Donor: H2O2 Oxidoreduktase), diein ihrer Funktionsweise große Ähnlichkeitmit der Meerrettich-Peroxidase aufweist. Im

andere Möglichkeit zur Spaltung nicht-phe-nolischer Ligninstrukturen entwickelt ha-ben (z.B. Lentinus edodes, Ceriporiopsis subver-mispora, Panus tigrinus [15]). Bei Vorhanden-sein der LiP hat diese wahrscheinlich dieAufgabe, bereits gebildete Ligninbruchstük-ke weiter abzubauen. Der primäre Angriffdes Ligninmoleküls wird jedoch mit großerSicherheit nicht durch die LiP katalysiert,da ein effektives Mediatorsystem bishernicht nachgewiesen werden konnte und dasEnzym selbst zu groß ist, um in den kom-pakten Lignozellulose-Komplex zu diffun-dieren. Diese Aufgabe kommt bei vielenLignin abbauenden Pilzen der nachfolgendbeschriebenen Mangan-Peroxidase zu.

Mangan-Peroxidase (MnP)Die MnP (EC 1.11.1.13) ist extrazellu-

lär, glykosyliert (10-39%), enthält Häm alsprosthetische Gruppe im katalytischen Zen-trum, besitzt Molekulargewichte von 40 - 54kDa und pI-Werte zwischen 2,8 und 7,0 [16].Im Unterschied zur LiP ist das Vorkommender MnP nicht auf holzabbauende Pilze wieTrametes versicolor beschränkt, sondern siewird auch von streuzersetzenden Basidio-myceten wie Agaricus bisporus gebildet. Re-guliert wird die MnP-Bildung von der Kon-zentration der Mn(II)-Ionen des umgeben-den Mediums [17].

A B

Abb. 4: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen A) von Grassamen und B) Ringelkletten, denAusgangssubstraten für die Inkubation mit den Oxidoreduktasen.

Biokatalyse

Page 7: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

52 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

Die „klassische“ MnP ist katalytischabhängig von Mn(II)-Ionen und chelatisie-renden organischen Säuren (Abb. 2); in jün-gerer Zeit sind jedoch auch Mn-Peroxidasenbeschrieben worden, die eine Mn-unabhän-gige Aktivtät besitzen und Übergangsformenzur LiP darstellen. Die MnP ist wie die LiPausschließlich in sauren Medien wirksam, ihrpH-Optimum ist jedoch nicht so niedrig undliegt für die meisten Mn-Peroxidasen zwi-schen 4,0 und 4,5. Der pH-Bereich, in demdas Enzym arbeitet ist breiter als der der LiPund bewegt sich zwischen pH 2,0 und 7,5.

Die entstandenen Radikale unterliegenverschiedenen Folgereaktionen, bei denenes u.a. zur Addition von Sauerstoff und zuBindungsspaltungen innerhalb des Mole-küls kommt. Bevorzugte Substrate derMn(III)-Ionen sind Phenole, jedoch werdenauch nicht-phenolische Aromaten (z.B. Me-thoxybenzole, Veratrylalkohol) und alipha-tische Carbonsäuren umgesetzt.

Voraussetzung für die Wirksamkeit derMn(III)-Ionen ist ihre Stabilisierung durchchelatisierende organische Säuren, andern-falls kommt es innerhalb weniger Sekundenzur Disproportionierung des Mn(III) und zurBildung von Mn(II) und Mn(IV), wobei letz-teres zu unlöslichem Braunstein (MnO2) rea-giert und somit Mangan dem Redox-Zyklusentzogen wird. Geeignete Chelatoren derMn(III)-Ionen sind Dicarbonsäuren (u.a.Malonat, Oxalat) oder α-Hydroxycarbonsäu-ren (u.a. Lactat, Tartrat). Die durch Chelati-sierung stabilisierten Mn(III)-Ionen sind daseigentliche oxidative Agens während MnP-katalysierter Reaktionen und übertragen alsniedermolekularer, diffundibler Redox-Me-diator die Oxidationskraft des Enzyms aufdie Folgesubstrate (Abb. 2). Auch die Che-latisierung der Mn(II)-Ionen ist für dasFunktionieren der MnP notwendig, da nurin dieser Form eine hohe Affinität des Sub-strates zum Enzym besteht. Chelatisieren-de organische Säuren werden durch Pilze inFlüssigkultur ausgeschieden (u.a. Malat).

Enzymproduktion und –optimierung

Die von Pilzen sekretierten Enzymehaben ihr pH-Optimum nahezu ausschließ-lich im sauren Bereich. Bleichprozesse mitWasserstoffperoxid müssen dagegen im al-kalischen Milieu bei 95°C durchgeführtwerden, weil nur dann eine ausreichendeStabilität des bleichenden Agens H2O2 ge-währleistet ist. Eine enzymatisch unterstütz-te Bleiche mit Peroxidasen (Donor: H2O2

Oxidoreduktasen) sollte daher ebenfalls imalkalischen Milieu und bei höheren Tempe-raturen durchführbar sein. Bisher bekanntePeroxidasen sind unter diesen Bedingungenallerdings nicht stabil oder nicht aktiv. Ausdiesem Grund wurde am Institut für Bioche-mie ein Screening auf neue intrazellulärePeroxidasen mit guter Stabilität unterBleichbedingungen durchgeführt. Dabeiwurde ein für den Einsatz in Bleichprozes-sen potenziell sehr interessantes Enzym ge-funden. Die Peroxidase ist temperaturstabilbis 100°C und besitzt gute Aktivität bis zupH 11,0. Das Enzym ist in der Lage, eineReihe von Farbstoffen unterschiedlicherStruktur zu bleichen. Von besonderer Be-deutung ist hier, dass es gelungen ist, durcheine proteolytische Teilverdauung die Grö-ße des noch immer aktiven Enzyms auf 6,5kDa zu reduzieren [19]. Damit scheint die

Peroxidase prinzipiell gut in der Lage zusein, die zu bleichenden Substanzen zwi-schen den Zellstofffasern direkt anzugreifen.In der ersten Projektphase muss nun die Eig-nung dieses Enzyms für die Bleiche vonBaumwolle unter den Bedingungen destechnischen Prozesses überprüft werden.Bei Eignung des Enzyms für die Baumwoll-bleiche muss die Produktion des Enzymsoptimiert werden. Bisher wird die Peroxid-ase aus dem Wildstamm eines Bodenbakte-riums nach aufwändiger Reinigung gewon-nen (Abb. 3). Es ist vorgesehen, durch Über-expression und Ausschleusen des Enzymsmit Hilfe eines geeigneten Wirtsstammesgroße Mengen der Peroxidase einfach zu-gänglich zu machen, so dass auf weitere An-reicherungsverfahren verzichtet werdenkann und die Enzymlösung nach einfacheroder eventuell sogar ohne Vorbehandlung fürdie Bleiche einsetzbar ist.

Gleichzeitig soll ein Screening nach neu-en Peroxidasen durchgeführt werden. Da-bei ist es schwierig, direkt nach Peroxidasenzu selektieren. Bei Zugabe von Wasserstoff-peroxid zum Züchtungsmedium für Mikro-organismen muss in erster Linie mit einererhöhten Produktion von Katalasen gerech-net werden. Diese stören die Aktivitätstestsauf Peroxidasen erheblich und müssen da-her abgetrennt werden. Ein einfaches Ver-fahren ist die Inaktivierung durch Hitze, einweiteres die Abtrennung in einer nativenPolyacrylamidgelelektrophorese.

Es hat sich bewährt, Bodenproben ge-eigneter Standorte für das Screening einzu-setzen. Die autochthone Bodenflora enthältein umfangreiches Spektrum interessanterMikroorganismen, in denen gezielt nachEnzymen gesucht werden kann, die für dievorliegende Anwendung in Frage kommen.Es ist Wert zu legen auf eine gute Enzym-aktivität im Alkalischen, gute Temperatur-stabilität, Bleichvermögen und Verträglich-keit mit Bleichhilfsmitteln, so diese benö-tigt werden.

Enzymkatalysierter Abbauvon Vegetabilien in Wolle

Es ist das Ziel dieses Teilbereichs, mitHilfe der enzymkatalysierten Oxidation vonVegetabilien in Wolle, die bei der klassischenCarbonisur eingesetzten Chemikalienmen-gen zu reduzieren bzw. vollständig zu erset-zen.

Durch die Anwendung von Oxidoreduk-tasen (vorwiegend Manganperoxidasen undLaccasen) wird ein bereits in der Papierher-stellung erprobtes Verfahren für die Wollin-dustrie nutzbar gemacht. UnterschiedlicheVegetabilienarten (Grassamen und Ringel-kletten) werden mit definierten Enzymenbzw. Enzymcocktails isoliert behandelt, umden Abbaugrad der einzelnen Vegetabilien

Alle scheinbar unspezifischen Reaktio-nen der MnP werden durch die primär ge-bildeten Mn(III)-Ionen katalysiert. Bei die-sen handelt es sich um ein starkes Oxidati-onsmittel (Standardpotential 1,54 V), daseine große Zahl organischer Verbindungenanzugreifen vermag. Grundlage für dieseReaktionen ist der Entzug eines Elektronsoder die radikalische Abstraktion eines Was-serstoffatoms [18].

A

B

Abb.5: A) Lichtmikroskopische Aufnahmen einesQuerschnitts von Grassamen (Stärke- und Anteilemit I2/KI angefärbt) undB) eines Ausschnitts einer Ringelklette (Ligninan-teile mittels Phloroglucin/HCl angefärbt).

Biokatalyse

Page 8: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

53S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

unter festgelegten Reaktionsbedingungengenau zu bestimmen.

Vegetabilienbelastete Wollen und voneiner Wollkämmstrecke stammende Vege-tabilien wurden sortiert. Sowohl die anteil-mäßig am stärksten vertretenen Grassamenals auch die Ringelkletten wurden als ho-mogenes Ausgangssubstrat eingesetzt (Abb.4).

Im ersten Projektabschnitt kamen zumAbbau der Vegetabilien sowohl oxidativeEnzyme der Projektpartner JenaBios GmbHund TU Dresden als auch kommerziell er-hältliche hydrolytische Enzyme zum Ein-satz. Die unterschiedlichen Enzyme wurdenin einigen Fällen nacheinander bzw. in Kom-bination eingesetzt.

Zur Beurteilung des enzymkatalytischbewirkten Modifizierungsgrades der Vege-tabilien wurden unterschiedliche analyti-sche Methoden angewendet. Nach Inkuba-tion der Vegetabilien mit hydrolytischen En-zymen wurde die Menge der in die Flottefreigesetzten reduzierenden Zucker [20]sowie der Gewichtsverlust der Vegetabilienund somit deren Abbaugrad bestimmt.Durch die kombinierte Anwendung vonMnP und Xylanase wird eine Steigerung desAbbaugrades erzielt. Im Vergleich zur Puf-fer-vorbehandelten Referenz ist die Zugäng-lichkeit des Substrates nach MnP-Einwir-kung für das hydrolytische Enzym höher.

Die Morphologie der Quer- und Längs-schnitte unterschiedlich behandelter Gras-samen und Ringelkletten wurde mit Hilferasterelektronen- und lichtmikroskopischerAufnahmen dokumentiert. Die Zuordnungder morphologischen Komponenten wurdebei den mit Hilfe des Lichtmikroskops un-tersuchten Proben durch verschiedene An-färbetechniken erleichtert. In Abb. 5 sinddie lichtmikroskopischen Aufnahmen vonGrassamen und Ringelkletten gezeigt. DieLigninanteile in den Vegetabilien wurdenmittels Phloroglucin/HCl-Anfärbung sicht-bar gemacht, Stärkeanteile mit I2/KI ange-färbt.

Enzymkatalysierte Baumwollbleiche

Ziel dieses Teilbereiches ist es, die Eig-nung von Oxidoreduktasen für die Blei-chung von Baumwolle zu testen. Dabei sol-len sowohl kommerziell erhältliche, als auchneu isolierte Enzyme mit ungewöhnlichenStabilitäten zum Einsatz kommen.

Als erstes wurde die technische Bleicheunter Laborbedingungen durchgeführt alsVergleich für die Untersuchungen. Vor undnach der Behandlung wurden der Weißgradund der Massenverlust bestimmt. Dann er-folgte die Modifizierung der Bleichbedin-gungen auf die Anforderungen der enzyma-tischen Behandlung. Stabilisatoren oder Be-netzungsmittel können die Aktivität und

Stabilität der Enzyme beeinflussen, daherwurde deren Einsatz im Bleichansatz ver-mieden. Statt dessen wurden die Stoffe vordem enzymatischen Prozess so behandelt,dass eine gute Benetzbarkeit gewährleistetwar. Erste Versuche zur enzymatischen Blei-chung wurden mit isolierten Enzymen beimjeweiligen pH-Optimum durchgeführt. ZumEinsatz kamen die von der TU Dresden iso-lierte Peroxidase aus Bacillus sphaericus unddie Perhydrolase aus Pseudomonas pyrrociniasowie die von JenaBios zur Verfügung ge-stellten Manganperoxidasen aus Nematolo-ma frowardii und Clitobula sp. b1 und dieLaccase aus Trametes versicolor TG1. Weiter-hin kamen die kommerziell erhältlichenPeroxidasen aus Arthromyces ramosus undMeerrettich (HRP), Xylanase von Trichoder-ma viride und Cytochrom c aus Rinderherzund Cellulase (Perizym GBL, Fa. Dr. Pe-try) zum Einsatz.

Es erwies sich als schwierig, mit isolier-ten Enzymen ein mit der industriellen Was-serstoffperoxidbleiche vergleichbares Ergeb-nis zu erreichen. Daher wurden anschlie-ßend mehrere Enzyme in Kombination ein-gesetzt. So kann ein Zusammenwirken vonCellulose abbauender Enzymaktivität undbleichender Enzymaktivität weit größereEffekte ergeben, als jedes der Enzyme al-lein. Mit diesen Kombinationen konnten beipassenden pH-Werten erste günstige Effek-te erreicht werden.

Gefördert durch die Deutsche Bundesstif-tung Umwelt

Literaturverzeichnis

[1] Milnthorpe, E.J., 1943 Aust. Cent. WoolCommittee Testing Ho.[2] Nitschke, G., 1977, Textilpraxis 32: 24-28.[3] Schiecke, H.E.: Wolle als textiler Rohstoff, Schiele

& Schön GMBH, Berlin, 1979[4] Bredereck,K., Gruber,M., Otterbach, A., Schulz,F.1996, Die Hydrogelstruktur von Cellulosefasern undihre Bedeutung für Fasereigenschaften undTextilveredlung, Textilveredlung 31: 194-200[5] Stöhr, R., 1995, Enzyme – Biokatalysatoren in derTextilveredlung. Melliand Textilberichte 11: 1010.[6] Denter, U., Poulakis, K., Schollmeyer, E.,1996,Peressigsäure in der Textilveredlung. Teil 2: Einsatzvon Peressigsäure in der kombinierten Vorbehand-lung von cellulosehaltigem Textilgut. Textilveredlung31: 50-55

[7] Eriksson, K.-E. L., Enzyme application in fiberprocessing, ACS symposium series, ISSN 0097-6156;

687, San Francisco 1997, 2 - 14[8] Tanesaka, E., Masuda, H., Kinugawa, K. 1993.Wood degrading ability of basidiomycetes that arewood decomposers, litter decomposers or mycorrhi-zal symbionts. Mycologia 85: 347-354.[9] Ander, P., Eriksson K-E. 1976. The importance ofphenol oxidase activity in lignin degradation by thewhite-rot fungus Sporotrichum pulverulentum. Arch.

Microbiol. 109: 1-8.

Biokatalyse

[10] Rydén, L.G., Hunt, L.T. 1993. Evolution ofprotein complexity: the blue copper-containingoxidases and related proteins. J. Mol. Evol. 36: 41-66.

[11] Thurston, C.F. 1994. The structure and functionof fungal laccases. Microbiol. 140: 19-26.

[12] Call, H.P., Mücke, I. 1995. The laccase-mediatorsystem (LMS) – a new concept. In: Abstr. 6th

International Conference on Biotechnology in thePulp and Paper Industry, Vienna, Austria, p.38.

[13] Tien, M., Kirk, T.K. 1984. Lignin-degradingenzyme from Phanerochaete chrysosporium:Purification, characterization, and catalytic propertiesof a unique H2O2-requiring oxygenase. Proc. Natl.

Acad. Sci. USA 81: 2280-2284.[14] Lundell, T., Wever, R., Floris, R., Harvey, P.,Hatakka, A., Brunow, G. 1993. Lignin peroxidase L3from Phlebia radiata. Pre-steady-state and steady-state studies with veratryl alcohol and a non-phenoliclignin model compound 1-(3,4-dimethoxyphenyl)-2-(2-methoxyphenoxy)propane-1,3-diol. Eur. J.Biochem. 211: 391-402.

[15] Akthar, M., Blanchette, R.A., Kirk, T.K. 1997.Fungal delignification and biomechanical pulping ofwood. In: Eriksson, K.-E.L. (ed.) Biotechnology in thepulp and paper industry. Springer-Verlag, Berlin.

[16] Vares, T. 1996. Ligninolytic enzymes and lignin-degrading activity of taxonomically different white-rotfungi. PhD Thesis, Department of Applied Chemistryand Microbiology, University of Helsinki, Finland.[17] Hofrichter, M., Fritsche, W. 1997. Depolymeriza-tion of low-rank coal by extracellular fungal enzymesystems. II. The ligninolytic enzymes of the coal-humic-acid-depolymerizing fungus Nematoloma

frowardii b19. Appl. Microbiol. Biotechnol. 47: 419-424.

[18] Hofrichter, M., Vares, T., Ziegenhagen, D.,Friedrich, M., Jäger, M.G., Fritsche, W., Hatakka, A.1998.Oxidative decomposition of malonic acid asbasis for the action of Mn-peroxidase in the absenceof hydrogen peroxide. FEBS Lett. 434: 362-366.[19] Apitz, A., van Pée, K. H. (2001). Isolation andcharactization of a thermostable intracellular enzymewith peroxidase activity from Bacillus sphaericus.Arch. Microbiol. 175: 405-412[20] Analytische Bestimmungsmethode: Betriebsin-terner Nachweis reduzierender Zucker derFirma Extrakt Chemie GmbH & Co, Stadthagen.

Korrespondenzadresse

Dr. Elisabeth HeineDeutsches Wollforschungsinstitutan der RWTH Aachen e.V.Veltmanplatz 8D-52062 AachenTel: +49 241 4469 129Fax: +49 241 4469 100e-mail: [email protected]: http://www.dwi.rwth-aachen.de

Page 9: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

54 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

Biokatalyse

Screening von Biokatalysatoren mit

Sauerstoff- und pH-Mikrotiterplatten

Svenja Weiß1, Gernot T. John1,5, ElmarHeinzle1,7, Eva Schultheiss2, Joachim Jose2,Sarina Arain, Christian Krause, IngoKlimant6, Harald Waltenberger3, Josef Maier3,Thomas Räbiger4, 1Technische Biochemie,Universität des Saarlandes, 2Pharmazeutischeund Medizinische Chemie, Universität desSaarlandes, Institut für Analytische Chemie,Chemo- und Biosensorik, Universität Regens-burg, 3Microcoat, Bernried, 4BMG Labtechnolo-gies, Offenburg, 5derzeitige Adresse: PresensGmbH, Regensburg, 6derzeitige Adresse:Institut für Analytische Chemie, Mikro- undRadiochemie, Technische Universität Graz,7Korrespondenzadresse

Ziel des vorgestellten Projektes ist dieEntwicklung einer neuen Screeningmetho-de für Esterasen und Oxidasen mittelsintegrierter Mikrotiterplatten. Das neuent-wickelte System soll anhand eines Bei-spiels auf Tauglichkeit für das Hoch-Durchsatz-Screening geprüft werden. AlsBeispiel dient eine Esterase, die durchAutodisplay an der Zelloberfläche expri-miert wird. Bisher wurden 96er Rundbo-denplatten mit integrierten Sauerstoff- undpH-Sensoren entwickelt. Die pH-Plattenkönnen in einem pH-Bereich von 5 bis 8eingesetzt werden. Die Routinemessungbenötigt keine Kalibrierung jedes Wells.Die bisher entwickelten Sauerstoffplattenzeigen reproduzierbar die aktuelleSauerstoffkonzentration an. Die technischeHerstellung der Mikrotiterplatten wird zurZeit etabliert. Die pHdyn-Methode zurBestimmung von Enzymkinetiken istetabliert und modelliert worden. DieKinetikkonstanten stimmen gut mit denenmittels konventioneller Tests ermitteltenüberein. In Hinblick auf Einsatz einerpHstat-Methode wurde das Mischverhaltenbei Zugabe kleiner Mengen Natronlaugeexperimentell untersucht und nach derEntwicklung geeigneter Modelle simuliert.Die Translokation einer Esterase mittelsdes Autotransportersystems AIDA-I istdurchgeführt worden. DifferentielleZellfraktionierung und Enzymaktivitätsbe-stimmungen belegen die Oberflächenex-pression der Esterase in E. coli.

� Zunehmender Wettbewerb und gleich-zeitig steigende Anforderungen bezüglich desUmweltschutzes erfordern die Entwicklungneuer Prozesse und Produkte. Durch denEinsatz von chemischen und biochemischenKatalysatoren wird versucht Produktionspro-zesse effizienter und nachhaltiger zu gestal-ten. Die moderne Molekularbiologie stellteine Vielzahl von Werkzeugen zur Verfügungum kostengünstige Biokatalysatoren herzu-stellen (Schäfer und Dalboge, 1999) und ihreEigenschaften durch evolutive und/oder ra-tionale Variation zu optimieren (Arnold, 1996).

Das Ziel dieses Projektes ist die Ent-wicklung einer neuen Methode zum quan-titativen Screening von biokatalytischen Pro-zessen in Mikrotiterplatten und die Erpro-bung der Methode anhand evolutiv und ra-tional veränderter Esterasevarianten, diemittels Autodisplay an die Oberfläche vonE. coli transloziert werden. Die zu entwik-kelnden Platten ermöglichen die kontinu-ierliche Messung der Sauerstoffkonzentra-tion bzw. des pH-Wertes in jedem Welldurch die Verwendung von immobilisiertenFluoreszenzoptoden. Dadurch wird auch dieeinfache Messung biokatalytischer Prozes-se möglich, bei denen die Umsetzung nichtanhand der Produkte oder Edukte bestimmtwerden kann. Sauerstoff und Protonen wer-den bei sehr vielen biokatalytischen Reak-tionen umgesetzt und sind ebenso Indika-toren vieler Stoffwechselaktivitäten. Da-durch ergibt sich zukünftig ein breites An-wendungsgebiet für die beschichteten Mi-krotiterplatten. Nach der Entwicklung undOptimierung der Sensorcocktails ist die Eta-blierung der technischen Beschichtung derMikrotiterplatten geplant. Dafür ist der Auf-

bau der dazu nötigen Produktionsstraßennötig.

Für die Mikrotiterplatten mit integrier-ten Optoden werden im Verlauf des Projek-tes Screeningmethoden für Enzymkinetikenentwickelt. Der Produktumsatz wird anhandder Änderung der Sauerstoffkonzentrationbzw. der pH-Wertänderung (pHdyn-Metho-de) bestimmt. Als zweite Variante zur Be-stimmung der Enzymkinetiken mittels derpH-Platten soll die pHstat-Methode eta-bliert werden. Dabei wird der pH-Wert kon-stant gehalten durch die Zugabe von Laugebzw. Säure. Die Umsatzrate wird anhand desSäure- bzw. Laugeverbrauchs ermittelt. ZurpH-Regelung während der Messung in ei-nem Reader ist der Einbau einer piezoelek-trischen Nanoliterpumpe vorgesehen.Kenntnisse über das Mischverhalten beiZugabe kleiner Volumina in Zusammenhangmit der pHstat-Methode sind interessant, daes durch örtlich hohe Konzentrationen zureversiblen oder auch irreversiblen Schädenan Enzymen und Zellen kommen könnte.

In einem weiteren Teilprojekt wird eineEsterase mit Hilfe des Autodisplay-Systemsin aktiver Form an der Oberfläche von E.coli exprimiert und evolutiv an eine vorge-gebene, enantioselektive Reaktion ange-passt. Der Vorteil der Oberflächenexpressi-on liegt darin, dass man mit ganzen Zellenarbeiten kann, d.h. dass zur Bereitstellungdes Enzyms keine weitere Zellaufarbeitungnotwendig ist und die Membrangängigkeitdes verwendeten Substrates bei der Enzym-messung keine Rolle spielt. Das Screeningder für den evolutiven Ansatz erzeugtenZufallsvarianten soll mit Hilfe der pH-sen-sitiven Mikrotiterplatten erfolgen.

Beschichtete Mikrotiterplatten – Entwick-lung und Charakterisierung

OptodenDie bisher entwickelten Mikrotiterplattensind handelsübliche 96er Rundbodenplattenaus Polystyren (Greiner, Frickenhausen,Deutschland), die am Boden mit pH- bzw.Sauerstoffsensoren beschichtet sind. Bei deneingesetzten Sensoren handelt es sich um

Abb. 1: Mikrotiterplatte mit integriertemoptischen pH-Sensor

Page 10: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

55S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

Karl Cammann (Hrsg.)

Instrumentelle analytische Chemie Nach einer neuen Erhebung des angesehenen Londoner „Laboratory of theGovernment Chemists“ werden – bedingt durch die Zunahme der High-Tech-Produkte – inzwischen ca. 10% des Bruttosozialproduktes der führendenIndustrienationen für das Messen und Prüfen im Rahmen einer Qualitätssi-cherung ausgegeben! Eine Entwicklung, die auch für die Chemiker-Ausbil-dung an den deutschen Hochschulen nicht ohne Folgen bleiben wird. Dasneuartige Lehrbuch Instrumentelle analytische Chemie stellt sich den neuenHerausforderungen. Der Schwerpunkt dieses Buches liegt daher auf der Qua-litätssicherung, der in diesem Buch klar und aktuell wie in keinem anderenAnalytik-Lehrbuch eine wichtige Bedeutung zukommt.2000, 604 S., 300 Abb., geb.DM 159,90 · ISBN 3-8274-0057-0

Prof. Dr. Karl Cammannist Dozent an der

Universität Münster undLeiter des Instituts für

Chemo- und Biosensorikin Münster.

N E U

Technische Qualitätssicherung– von der Probenahme bis zum Ergebnis!

Telefon 07071-935369

Fax 07071-935393 e-mail: [email protected], http://www.spektrum-verlag.de

Zeit sparen - bequem bestellen

sogenannte Optoden. Vermessen werdenoptische Parameter, wodurch Licht zum Trä-ger der Information wird. Im Rahmen desProjektes wurde die Messung der Fluores-zenz gegenüber der Absorptionsmessungfavorisiert, da diese Methode eine hoheEmpfindlichkeit aufweist und eine Reihevon Variationen (Messung der Intensität,Abklingzeit, Polarisation) gestattet. Bei derMessung der Fluoreszenzintensität bereitenSchwankungen der Intensität der Lichtquel-le und der Empfindlichkeit des Detektors,ungleichmäßige Spots, Lichtstreuung in trü-ben Proben und eine eventuell auftretendeEigenfluoreszenz der Probe Probleme. Umdiese Nachteile zu vermeiden wird in denPlatten das ratiometrische Prinzip genutztund die Sensorschicht optisch isoliert. Fürdas ratiometrische Prinzip wird eine Mi-schung aus zwei Fluorophoren eingesetzt,deren Emissionen bei verschiedenen Wel-lenlängen vermessen werden. Der Indika-tor ändert die Fluoreszenzintensität in Ab-hängigkeit vom pH-Wert bzw. in Abhängig-keit von der Änderung der Sauerstoffkon-zentration, der Referenzfarbstoff ist inertgegenüber dem jeweiligen Analyten. Durchdie Messung des Intensitätsverhältnisses

erhält man relativ stabile und kalibrations-freie Signale (IR). Über eine Kalibrierungkann man von dem gemessenen Intensitäts-verhältnis auf den jeweiligen pH-Wert bzw.die jeweilige Sauerstoffkonzentration schlie-ßen. Das Sensorsignal ist von der Tempera-tur abhängig, insbesondere der pH-Sensor,so dass die Temperatur während der Mes-sung konstant gehalten werden muss.

Die zu entwickelnden Optoden müssenverschiedenen Ansprüchen genügen. Gefor-dert sind ein schnelles Ansprechverhalten,ein dynamischer Messbereich, die Kalibrier-freiheit der Einzelsensoren, hohe Präzision,Sterilisierbarkeit, Stabilität, möglichst ein-fache und reproduzierbare Herstellung derPlatten und die Möglichkeit des Auslesensder Platte mit herkömmlichen handelsübli-chen Mikrotiterplattenreadern. Durch die

Variation der Sensorzusammensetzung und–eigenschaften (Schichtdicke, usw.) erfolgtdie Optimierung von Optoden für Mikroti-terplatten. Die verschiedenen Platten wur-den hinsichtlich der Ansprechzeiten, derReproduzierbarkeit und der Querempfind-lichkeiten miteinander verglichen. Die Be-sonderheiten der verschiedenen bisher ent-wickelten integrierten Platten werden imFolgenden kurz besprochen.

pH-PlattenOptische Sensoren zur pH-Messung bietengegenüber den herkömmlichen Elektrodeneine Reihe von Vorzügen. Sie sind einfachzu handhaben und besitzen eine schnellereAnsprechzeit. Bei Lichtleitern gibt es dieMöglichkeit viele Informationen gleichzei-tig zu übertragen und somit eine Mehrkom-

Abb. 2: Modellreaktion der pHdyn-Methode, Hydrolyse von p-Nitrophenylacetat durch Penicillinacylase

Biokatalyse

Page 11: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

56 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

Biokatalyse

Einbindung des Fluorophors in das Polymerermöglicht. Als Referenzsubstanzen wurdenein Ruthenium-Komplex bzw. LissaminTM

eingesetzt. Beide wurden entweder einge-bettet oder kovalent an ein Polymer gekop-pelt.

Die zur Zeit verwendeten Platten (Abb.1) sind im Bereich von pH 5-8 einsetzbar.Durch die Verwendung des ratiometrischenPrinzips beträgt die durchschnittliche Ab-weichung 0.03 pH-Einheiten zwischen deneinzelnen Wells. Zur Beschreibung der sig-moidalen Abhängigkeit der Fluoreszenzin-tensität vom pH-Wert eignet sich die Boltz-mann-Näherung.

(1)

Der pH-Wert pH entspricht dabei demx-Wert und das gemessene Intenstitätsver-hältnis IR (Verhältnis zwischen Indikator-und Referenzintensität) dem y-Wert. A1 undA2 beschreiben die Intensitätswerte bei sehrniedrigen und sehr hohen pH-Werten, x0 istder pH-Wert am Wendepunkt der Kurve, derungefähr dem pKs-Wert entspricht. dx ist einMaß für die Steigung der Kurve am Wende-punkt. Zur Kalibrierung verwendet manPuffer verschiedener pH-Werte in einempH-Bereich, der die ganze Kurve umfasst.Eine umfassende Kalibrierung mit minde-stens fünf Puffern ist nur zur Kalibrierungauf das Gerät nötig, zur weiteren Verwen-dung der Platte reicht die Kontrolle durchein bis zwei Pufferlösungen pro Platte aus.

SauerstoffplattenDas Prinzip der Messung mittels der integrier-ten Mikrotiterplatten ist das der dynamischenLumineszenzlöschung. Dabei nimmt dieFluoreszenzintensität in Abhängigkeit vonder Zunahme der Sauerstoffkonzentration ab.Der im Grundzustand als Triplett vorliegen-de Sauerstoff wird durch strahlungslosen En-ergietransfer von dem fluoreszierenden Mo-lekül auf das Sauerstoffmolekül in den ener-giereicheren Singulett-Zustand überführt.Das sensitive Fluorophor fällt dadurch in denGrundzustand zurück. Verwendet wurdenverschiedene Ruthenium-Komplexe undPorphyrinderivat-Komplexe als Sauerstoff-sensitive Indikatoren. Als Referenzfluorophorwurden verschiedene Rhodamine und Lissa-minTM verwendet. Der Nachteil der Optodengegenüber der Clark-Elektrode, die in derheutigen Analytik vorwiegend eingesetztwird, ist der nichtlineare Zusammenhangzwischen dem gemessenem Signal und derSauerstoffkonzentration in der darüberstehen-den Lösung. Die Abhängigkeit der Intensi-tät von der Gelöstsauerstoffkonzentrationkann jedoch anhand der Stern-Volmer-Glei-chung beschrieben werden.

(2)

Dabei ist Ir,0 das Intensitätsverhältnis inAbwesenheit von Sauerstoff, IR das Intensi-tätsverhältnis bei der aktuellen Gelöstsau-erstoffkonzentration [O2]aq und KSV dieStern-Volmer-Konstante des Sensors. ZurKalibrierung der Sensorplatten führt maneine Zwei-Punkt-Eichung mit sauerstofffrei-er ([O2]aq=0) und gesättigter Lösung([O2]aq=[O2]*aq) durch.

Technische Herstellung

Die Mikrotiterplatten wurden durchAufbringen eines gelösten Cocktails be-schichtet. Vorteil dieser Methode ist die Ver-wendbarkeit von herkömmlichen Mikroti-terplatten. Ein mögliches Problem stellt je-doch die mangelnde Kompatibilität von Plat-te und Sensormatrix oder des verwendetenLösungsmittels dar.

Der Sensorcocktail, bestehend aus einerMischung aus je zwei Fluorophoren, derSubstanz zur optischen Isolierung und desgelösten Polymer, wird mittels eines Pipet-tierroboters in jedes einzelne Well pipettiert.Zur Herstellung kleiner Spots müssen diePipettiernadeln bei der Auftragung auf denBoden der Wells aufsetzen. Da jede Mikro-titerplatte kleine Unebenheiten aufweist, isteine Federung dieser Nadeln nötig. Weiter-hin kommt es, insbesondere bei den Sauer-stoffplatten, durch Bestandteile des Sensor-cocktails zu Dispensierproblemen. Durcheine Teflonbeschichtung der Pipettiernadelund mehrmaligen Spülen der Nadeln wirddas Anhaften von Cocktailbestandteilen ver-mieden. Eine Sedimentation von Sensorbe-standteilen kann durch ständiges Rühren imVorlagengefäß vermieden werden. Auchwährend des Trocknungsprozesses kann eszu Sedimentationen von Cocktailbestandtei-len kommen. Daher wurde zur Trocknungdes applizierten Spots eine Apparatur ent-wickelt, die eine gleichmäßige und repro-duzierbare Beschichtung der Platten ge-währleistet.

Enzymkinetik: Methoden, Modelle,Simulationen

pHdyn-MethodeEnzymkinetiken können über die Bestim-mung der pH-Änderung in Abhängigkeit vonder Produktumsetzung bestimmt werden.Spektroskopische Methoden zur Bestim-mung von Enzymumsetzungen mittels lösli-cher pH-Indikatoren sind bereits in der Lite-ratur beschrieben worden (Janes et al., 1998).

Als Modellreaktion wurde die Verseifungvon 4-Nitrophenylacetat mittels Penicillina-

Abb. 4: Fließmuster bei Zugabe von 0.1NNatronlauge mittels einer piezoelektrischenNanoliterpumpe

Abb. 3: Bestimmung der Kinetik der Hydrolysevon p-Nitrophenylacetat. A: Gemessene pH-Änderung und mit dem Modell berechneteKonzentration von p-Nitrophenylacetat. B:Vergleich der simulierten mit den gemessenenpH-Werten

ponentenmessung zu ermöglichen. Weiter-hin sind optische Sensoren unempfindlichgegenüber elektromagnetischen Einflüssenund sind gut miniaturisierbar und sterilisier-bar. Nachteile sind vor allem der Störeinflussvon hohen und niedrigen Ionenstärken, or-ganischen Lösungsmitteln und Proteinen,sowie der kleine dynamische Bereich von 2-4 pH-Einheiten im Gegensatz zu der Glas-elektrode.

In der Literatur beschriebene Fluores-zenz-pH-Indikatoren sind 8-Hydroxypyren-3,6,8-trisulfonsäure (HPTS), Acridine,Naphthylderivate, Coumarine und Fluore-sceinderivate. Die pH-abhängige Änderungder Intensität beruht auf den unterschiedli-chen Fluoreszenzeigenschaften der depro-tonierten und der protonierten Form dessensitiven Moleküls. Bei der bisherigenEntwicklung der Platten wurde Carboxy-fluorescein verwendet, welches eine gute

Page 12: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

57S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

Biokatalyse

cylase aus E. coli (EC 3.5.1.11) benutzt (Abb. 2). Zur Bestimmungwurden zum einen gelöster zum anderen immobilisierter Indikatorbenutzt. Bei der Bestimmung mit Hilfe von gelösten Indikator,Bromthymolblau, wird die pH-Änderung mittels Absorptionsmes-sung bestimmt (John und Heinzle, 2001). Bei der Verwendung derbeschichteten Mikrotiterplatten wird die Änderung fluorimetrischverfolgt. Der pH-Wert entspricht bei beiden Methoden einer Funk-tion von Umsetzung, Puffertyp und -konzentration. Der Assay wirdanalog den Küvettenassays mit kleineren Volumina und veränder-ten Pufferkonzentrationen durchgeführt. Mittels geeigneter Ionen-bilanzen werden die aus den Intensitäten ermittelten pH-Werte inProduktkonzentrationen umgerechnet. Die Ergebnisse der Kine-tikstudien stimmen gut mit denen konventioneller Assays überein.

Zur Simulation der dynamischen Umsetzungen wurden Model-le entwickelt und mit Hilfe von MATLAB (Mathworks Software)durchgeführt. Die verwendete Modellreaktion folgt der Michaelis-Menten-Kinetik.

(3)

Ionenbilanzen werden zur Berechnung des pH-Wertes verwen-det. Durch Massenbilanzen und geschätzte Kinetikdaten werdendie Konzentrationsverläufe von Substraten und Produkten berech-net. Bei der Modellierung wurde der Einfluss von Kohlendioxiddurch Verwendung einer entsprechenden Bilanzgleichung berück-sichtigt. Durch Variation von KM, kcat und S0 wird die Abweichungzwischen den experimentellen und den simulierten pH-Werten mi-nimiert (Abb. 3). Die simulierten Kinetikdaten stimmen gut mitmittels klassischer Methoden gemessenen Werten überein (John,2001).

Mischverhalten

Eine weitere Möglichkeit die Enzymaktivität zu bestimmen istdie pHstat-Methode. Zur Konstanthaltung des pH-Wertes müssenLauge oder Säure zugegeben werden. Über die zugegebene Mengean Lauge oder Säure kann die Substratumsetzung ermittelt werden.Der sich nur in engen Grenzen verändernde pH-Wert ist ein Vorteilder pHstat-Methode, da sich die Enzymaktivität in Abhängigkeitvom jeweiligen pH-Wert ändert. Bei konventionellen Enzymassaysist dies nicht von Bedeutung, da dort Pufferkapazitäten eingesetztwerden, die ausreichen um den pH-Wert praktisch konstant zu hal-ten. Zur Regelung des pH-Wertes ist die Zugabe kleiner Voluminanötig. Um die Mischzeiten und das Ansprechverhalten zu bestim-men wurden Vorversuche durchgeführt. Diese zeigten, dass dasMischen länger dauert als zunächst vermutet. Daher wurde dasMischverhalten experimentell untersucht.

Visuell wurde das Mischverhalten mittels einer Videokamerabeobachtet um das qualitative Fließmuster zu bestimmen und dar-aus erste Abschätzungen über örtlich hohe Konzentrationen undMischzeiten zu erhalten. Die Natronlauge wurde hierbei mit Hilfeder piezoelektrischen Nanoliterpumpe zu einer schwach gepuffer-ten Lösung gegeben. Das Muster konnte durch die Verfärbung deszugesetzten Thymolphthalein beobachtet werden. Ein Beispiel ei-nes Fließmusters ist in Abb. 4 zu sehen. Hohe Konzentrationen,angezeigt durch dunkel gefärbte Regionen, konnten nur für wenigeSekunden beobachtet werden. Für den weiteren Verlauf der Vermi-schung waren leicht gefärbte Schlieren charakteristisch.

Zur quantitativen Bestimmung der Mischzeiten wurde die Ver-mischung fluorimetrisch verfolgt. Diese wurden hierbei als t90 er-mittelt und sind definiert als der Zeitpunkt ab dem alle weiterenMesswerte innerhalb des Intervalls 10 % des mittleren Endwertes

Page 13: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

58 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

liegen. Zur Detektion wurde neben der Sen-sorplatte ein gelöster Indikator, Hydroxypy-ren-trisulfonsäure (HPTS), verwendet. DieIntensitätsmessung entspricht bei Verwen-dung von HPTS dem integralen pH-Wertüber das ganze Well, bei Verwendung desSensor entspricht sie dem pH-Wert am Bo-den des Wells. Oft konnte ein Überschwin-gen der Intensitätskurve beobachtet werden,insbesondere unter Verwendung des gelö-sten Indikators. Ein Beispiel für die beob-achteten Intensitätskurven ist in Abb. 5 zusehen. Die ermittelten Mischzeiten t90 hän-gen von der Zugabeart, dem Zugabevolu-men und den Schüttelbedingungen (Fre-quenz und Dauer pro Zyklus) bzw. derNachspülhäufigkeit ab und dauern bis zuüber 10 min. Beobachtete Trends sind dieAbnahme von t90 bei Zunahme der Zyklus-schütteldauer bzw. Zunahme der Nachspül-häufigkeit. Die ermittelten Mischzeiten unddie beobachteten Fließmuster deuten dar-auf hin, dass die pH-Regelung in Mikroti-terplatten bei entsprechend langsamen Pro-zessen möglich ist. Zur Etablierung einesReglers wurde ein Mischmodell entwickelt.

Sauerstofftransfer

Zur Messung von Enzymkinetiken mittelsSauerstoffdetektion ist die Bestimmung desSauerstofftransferkoeffizienten kLa wichtig.Zur Bestimmung der kLa-Werte wurde diedynamische Methode benutzt. Variiert wur-den hierbei das Füllvolumen, die Schüttel-zeit pro Zyklus, die Schüttelfrequenz unddie Schüttelbewegung. Somit war es mög-lich den Massentransportkoeffizienten kL

und die spezifische Austauschfläche a ge-trennt zu bestimmen. Zur Bestimmung derSauerstoffaufnahmerate wird der Sauerstoffmit Hilfe von Natriumdithionit aus der Lö-sung entfernt und danach die Zunahme derSauerstoffkonzentration beobachtet (Abb.6a). Nach Integration der Sauerstoffbilanzie-rung kann man einen linearen Zusammen-hang zwischen dem Logarithmus der Sau-erstoffkonzentration und dem Sauerstof-transferkoeffizienten beobachten:

(4)

Bei der Auftragung von ln ([O2]*aq–[O2]aq) gegen die Zeit t entspricht die Stei-gung dem negativen kLa (Abb. 6b).

Bei der Untersuchung der Abhängigkeitdes kLa-Wertes vom Füllvolumen konntebeobachtet werden, dass der Sauerstoff-transferkoeffizient mit zunehmendem rezi-proken Volumen linear ansteigt. Die Auf-tragung des kLa gegen das reziproke Volu-men zeigt ein direkt proportionales Verhal-ten zwischen Stofftransport und reziprokemVolumen, wie aufgrund der theoretischenÜberlegungen zu erwarten war.

Die Schüttelzeit pro Zyklus wurde va-riiert um den Sauerstoffeintrag bei unun-terbrochenen Schütteln und die für die Kul-tivierung von Zellen wichtige OTRmax

(Oxygen Transfer Rate) abzuschätzen. Dieermittelten OTRmax-Werte betragen bis zu

ca. 7.5 mmol/l/h. Auch der Maximalwertliegt um ein 10- bis 150-faches unterhalbdes in Bioreaktoren üblichen Wertes (Mo-ser, 1988). Die zu erzielende Sauerstoffauf-nahmerate ist nur bedingt ausreichend fürdie Kultivierung von Mikroorganismen. Fürtierische Zellen ist der Sauerstoffeintragausreichend (Eyer et al., 1995).

Autodisplay

In diesem Teilprojekt wird mit Hilfe ei-nes neuen, sehr effizienten Surface-Display-Systems in Escherichia coli („Autodisplay„)eine bereits charakterisierte und kloniertvorliegende Esterase aus Burkholderia gladio-li (Schlacher et al., 1998) evolutiv an einegewünschte, enantioselektive Reaktion an-gepasst. Der evolutive Ansatz (Abb. 7) be-steht darin, dass das Enzym in dem Bereich,der für die Substratspezifität verantwortlichist, zufallsvariiert wird (Variation) und an-schließend aus der Vielzahl an entstandenenVarianten diejenigen identifiziert werden,die eine vorgegebene Reaktion durchzufüh-ren in der Lage sind (Selektion). Der inno-vative Ansatz besteht darin, diese Variationdes Enzyms an der Oberfläche von Bakteri-enzellen durchzuführen, wobei jede Zelleeine definierte Variante in hoher Kopienzahlträgt. Dadurch ergibt sich der Vorteil, mit derkorrekten Enzymvariante deren klonalenProduzenten zu isolieren, was u.a. ermög-licht über das entsprechende Gen Auf-schluss über die Struktur zu erhalten. Einweiterer Vorteil ist, dass man mit ganzenZellen arbeiten kann. Dadurch entfällt zumeinen die Präparation des Enzyms (also einbis mehrere aufwändige Zwischenschritte)und zum anderen wird man unabhängig vonder Membrangängigkeit des eingesetztenartifiziellen Substrates. Darüber hinaus bie-tet das hier angewendete Autodisplay Sy-stem die zusätzliche Option, die neu erzeug-te Variante anschließend durch Sekretion insehr reiner Form produzieren zu können(Maurer et al., 1997).

Eine besonders elegante Lösung zumSurface-Display und zur Sekretion von Pro-teinen in Gram-negativen Bakterien bietetdie Familie der sogenannten Autotranspor-ter Proteine (Jose et al., 1995). Es handeltsich dabei um sogenannte Ein-Komponen-ten-Transporter, d.h. diese Proteine werdenvon der Zelle als Vorläufermoleküle synthe-tisiert, denen alle Information zur Sekreti-on mitgegeben sind. Der Vorläufer bestehtaus einem N-terminalen Signalpeptid, dasbeim Transport über die innere Membranabgespalten wird, dem natürlichen Passa-gier, einer Verbindungsregion („Linker„)und am C-Terminus aus der eigentlichenAutotransporterdomäne. Diese faltet sichals Porin-ähnliche Struktur, als sogenann-tes β-Fass in die äußere Membran ein und

Abb. 6: Bestimmung des Sauerstoffeintrages in Mikrotiterplatten, links: Verlauf der Sauerstoffkonzentra-tion nach Zugabe von Natriumthiosulfat, rechtes Bild: Auftragung der integrierten Sauerstoffbilanz:ln([O2] * aq – [O2]aq) gegen die Zeit, hierbei entspricht die Steigung der Geraden dem Sauerstofftransfer-koeffizienten kLa

Abb. 5: Beispiel für die Intensitätskurven beiZugabe kleiner Mengen Natronlauge undDetektion mittels gelösten und immobilisiertenIndikator

Biokatalyse

Page 14: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

59S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

Biokatalyse

Abb. 7: Directed Evolution von Enzymen unterVerwendung des Autodisplay Systems

entlässt dadurch den Passagier an die Ober-fläche (Abb. 8). Durch Ersatz der kodieren-den Region für den natürlichen Passagiermit der für ein anderes Protein, kann die-ses rekombinante Protein mit Hilfe des glei-chen Mechanismus an die Zelloberflächegebracht werden (Maurer et al., 1997, Lat-temann et al., 2000, Jose et al., 2001). InAbhängigkeit des Protease-Repertoires derWirtszelle wird dieser rekombinante Passa-gier dann in den Überstand entlassen (Se-kretion) oder bleibt mit der Oberfläche ver-haftet, was wir als „Autodisplay“ bezeich-net haben (Jose et al., 1996, Maurer et al.,1997). Besonders effizient – mit einem An-teil von bis zu 5 % des rekombinanten Pro-teins am Gesamtzellprotein oder mehr als100.000 Kopien pro Zelle – funktioniert die-ses System, wenn man zum Transport eineE. coli-Autotransporterdomäne in E. coli-Wirtsstämmen verwendet (Maurer et al.,1997, Jose et al., 2001). Darüber hinausscheint die Größe des rekombinanten Pas-sagiers keinen Einfluss auf die Effizienz derOberflächenexpression zu haben, was einVorteil des „Autodisplays“ gegenüber demfür ähnliche Fragestellungen eingesetzten„Phage-Display“ sein kann. Erklärlich wirddies dadurch, dass es sich bei den natürli-chen Passagieren von Autotransporterpro-teinen in der Regel um große Proteine (>60 kDa) handelt (Jose et al., 1995).

Im vorliegenden Projekt wird die kodie-rende Region für die Esterase aus B. gla-dioli über PCR mit denen für das Autodis-play notwendigen Genregionen verknüpft.Anschließend wird der Transport des da-durch kodierten Fusionsproteins an dieZelloberfläche von E. coli verfolgt und un-tersucht, ob die oberflächenständigen En-zymmoleküle katalytisch aktiv sind undihre typischen Parameter zeigen. Im An-schluss daran wird über „error-prone“-PCReine Zufallsvariation der oberflächenstän-digen Esterase durchgeführt. Die so ent-standenen Enzymvarianten werden mit denentwickelten pH-sensitiven Mikrotiterplat-ten auf die Katalyse einer vorgegebenenReaktion getestet. Der Vorteil der in unse-rem Fall eingesetzten Esterase ist zum ei-nen ihre hohe Stabilität und zum anderendas schon von Natur aus breite Substrat-spektrum. Als Modellreaktionen dienen dieEsterhydrolyse von Linalylacetat und dieAcetatabspaltung von Cephalosporin C. Beider Hydrolyse von Cephalosporin C ent-steht das Ausgangsprodukt für semisynthe-tische Antibiotika.

Ist diese Strategie zur „directed evolu-tion“ eines Biokatalysators unter Vorgabe ei-ner bestimmten Reaktion wie in dem vor-liegenden Beispiel erfolgreich, so bietet sichdie Option, sie generell und in vielfältigerWeise für ähnliche Problemlösungen ein-zusetzen.

Ausblick

Im weiteren Verlauf des Projektes solldie Produktion der Mikrotiterplatten auf dieBeschichtung von Flachbodenplaten und384er Mikrotiterplatten erweitert werden.Die pH-Regelung innerhalb eines Readerswird etabliert. Die bisher entwickeltenScreeningmethoden werden erweitert undoptimiert. Weiterhin steht die Optimierungdes Autotransportersystems und der Model-lesterase an.

Literatur

Arnold F. H. (1996): Directed Evolution. CreatingBiocatalysis for the Future. Chem. Eng. Sci., 51:5091-5102Eyer K., Oeggerli A., Heinzle, E. (1995): On-LineGas Analysis in Animal Cell Cultivation: II. Methodsfor Oxygen Uptake Rate Estimation and istApplication to Controlled Feeding of Glutamine.Biotechnol. Bioeng., 45(1): 54-62Janes L.E., Löwendahl C., Kazlauskas R. J. (1998):Quantitative Screening of Hydrolase Libraries UsingpH Indicators: Identifying Active and EnantioselectiveHydrolases. Chem. Eur. J., 4: 2324-2331John, G. T. (2001): Mikrotiterplatten mit integrierterpH- und Sauerstoffsensorik: Charakterisierung undbiotechnologische Anwendungen. Diss., Universitätdes SaarlandesJohn G. T., Heinzle E. (2001): QuantitativeScreening Method for Hydrolases in MicrotiterplatesUsing pH Indicators: Determination of KineticParameters by Dynamic pH Monitoring. Biotechnol.Bioeng., 72(6): 620-627Maurer J., Jose J., Meyer T.F. (1997): Autodisplay:One-component-system for efficient surface diaplayand release of soluble recombinant proteins fromEscherichia coli. J. Bacteriol., 179: 794-804Maurer J., Jose J., Meyer T.F. (1999): Characterizati-on of the Essential Transport Function of the AIDA-IAutotransporter and Evidence Supporting StructuralPredictions. J. Bacteriol., 181(22): 7014-7020Moser A.: Bioprocess Technology – Kinetics andReactors. Springer-Verlag: New York, Wien, 1988, 1.AuflagePetersen E.I., Valinger G., Stubenrauch G., SchwabH. (2001): A novel esterase from Burkholderiagladioli which shows high deacetylation activity on

Abb. 8: Surface Display mit Hilfe des Autotransporter Sekretionsmechanismus

cephalosporins is related to β-lactamases and DD-peptidases. J. Biotechnol., 89: 11-25.Schäfer T., Dalboge H. (1999): Perspectives forIndustrial Enzymes – The Key to SustainableSolutions. In: Heiden S., Bock A.-K., Antanikian G.(Hrsg.) Industrielle Nutzung von Biokatalysatoren.Erich Schmidt Verlag, Berlin.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. E. HeinzleUniversität des SaarlandesTechnische BiochemieIm Stadtwald, Geb. 2D-66123 SaarbrückenTel.: 0681-302 2905Fax: 0681-302 4572eMail: [email protected];http://www.uni-saarland.de/fak8/heinzle/

Page 15: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

60 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

Biokatalyse

Einsatz von DNA-Chips zur Optimierung

biotechnologischer Prozesse

Tino Polen, Doris Rittmann, Dr. Volker F.Wendisch, Prof. Dr. Hermann Sahm, IBT I,Forschungszentrum JülichDaniel Weber, Dr. Kerstin Sahm, Prof. Dr.Garabed Antranikian, Technische Mikrobiolo-gie, TU Hamburg-HarburgProf. Dr. Jörg Müller, Mikrosystemtechnik,TU Hamburg-Harburg

Das hier beschriebene Projekt im VerbundBiokatalyse besteht aus vier Partnern, diees sich zum Ziel gesetzt haben, den Einsatzvon DNA-Chips als unterstützendesInstrument zur Optimierung und Qualitäts-kontrolle biotechnologischer Prozesse zuetablieren. Als Modell für die Optimierungvon Fermentationsprozessen mittelsgenomweiter Expressionsanalyse wurdeder Acetat-Überflussmetabolismus inEscherichia coli ausgewählt, der sichstörend auf alle biotechnologischenProzesse mit E. coli auswirkt. Nacherfolgreicher Herstellung eines Genom-Chips für E. coli wurde dieser zur Validie-rung für die Untersuchung der Genexpres-sion bei Phosphatmangel eingesetzt. Eszeigte sich, dass alle als phosphate-starvation-inducible beschriebenen Geneauch ein erhöhtes Signal auf dem Chipaufwiesen. Mit dem validierten Genomchipwurde weiterhin der Einfluss einer erhöh-ten Acetat-Konzentration auf das Genom-expressionsmuster bestimmt. Darüberhinaus wird eine Oligonukleotid-Chip-Hybridisierung zur Identifizierung vonBakterien etabliert und eine elektronischeKontrolleinheit zur Stringenzkontrolle derHybridisierung entwickelt. Die Entwicklungeines kostengünstigen Druckers, der eineon-chip-Oligonukleotidsynthese erlaubt,soll die DNA-Chiptechnologie für einembreiten Kreis von Anwendern attraktivmachen.

Einleitung und Fragestellung

� Die DNA-Chip-Technologie steht nocham Anfang ihrer Entwicklung, aber schonheute wird prognostiziert, dass sie als Tech-nik ähnlich revolutionäre Veränderungenbringen wird, wie z.B. die PCR-Technolo-gie. DNA-Chips bieten mit der Parallelisie-rung, Miniaturisierung und Automation derfür die Gentechnologie klassischen Hybri-disierungsmethoden (Johnston, 1998) eineVielzahl von Anwendungsmöglichkeiten.Mit DNA-Chips können in der für eine klas-sische Hybridisierungsanalyse benötigtenZeit parallel bis zu 10.000 solcher Analysendurchgeführt werden.

Insbesondere die in immer kürzerer Zeitbereitgestellten Genomsequenzen schaffeneinen hohen Bedarf an weiterführendenHybridisierungsanalysen. Derzeit sind dieGenome von mindestens 51 Mikroorganis-men sequenziert (GenBank www.ncbi.nlm.nih.gov/PMGifs/Genomes/micr.html,Stand Mai 2001), darunter das Genom desbakteriellen Modellorganismus Escherichiacoli. Die Genom-Sequenzierungsprojektevervielfältigen das Wissen über die geneti-sche Information von biotechnologisch re-levanten Organismen rasant (Watson, 1993),lassen jedoch gleichzeitig einen erheblichenBedarf an der funktionellen Charakterisie-rung der Gene entstehen, da aus der Struk-tur eines Gens in der Regel nicht auf des-sen Funktion geschlossen werden kann. Diefunktionelle Genom-Analyse ist eine Auf-gabe für die Zukunft, zu deren Bewältigunges der Entwicklung und des Einsatzes vonTechnologien bedarf, die einen hohenDurchsatz und paralleles Arbeiten erlauben,Eigenschaften wie sie insbesondere von derDNA-Chip-Technologie geboten werden(Johnston, 1998).

Neben den durch die Parallelisierungund Miniaturisierung bedingten rein quan-titativen Vorteilen eröffnen die DNA-Chip-Analysen auch qualitativ eine neue Ebenebei der funktionellen Charakterisierung vonGenen. Die Expression der Gene eines Or-ganismus hängt auch von den Umweltein-flüssen, bei Mikroorganismen z. B. vomNährstoffangebot, pH oder der Temperatur,ab. Während sich klassische Genexpressi-onsstudien modellhaft auf ein oder wenigeGene konzentriert haben, ermöglicht derEinsatz von DNA-Chips die Gewinnung vonGenexpressionsdaten für das gesamte zel-luläre Genom. Durch die ganzheitliche Ana-lyse der Genexpression eines Organismusergibt sich ein neues, im reduktionistischenAnsatz nicht erfassbares Verständnis der Re-gulation der Genexpression. Für biotechno-logische Prozesse, in denen Zellen als Bio-katalysatoren wirksam sind, vertieft der Ein-satz der neuen DNA-Chip-Technik das Wis-sen über zelluläre Zusammenhänge und bie-tet damit ein großes Potenzial zur Optimie-rung dieser biotechnologischen Prozesse.

Auch für andere Anwendungsbereichebieten DNA-Chips entscheidende Vorteile.So wurden sie für Sequenzierungen, dieGenotypisierung von Organismen und Gen-expressionsversuche im F&E-Bereich sowiefür ausgewählte Anwendungen im Bereichder medizinischen Diagnostik bzw. für dasScreening nach neuen pharmazeutischenWirkstoffen, für on-chip-PCR und zur Un-tersuchung von Biodiversität genutzt (Drma-nac et al., 1998; Vahey et al., 1999; Holstegeet al., 1998, Brandstetter et al., 2001, Guschinet al., 1997). Exemplarisch konnte damit dieEignung der DNA-Chips für verschieden-ste Einsatzfelder gezeigt werden. Das gro-ße Potenzial dieses Hochdurchsatz-Scree-ning-Instruments liegt jedoch besonders inder Routineanwendung. So bleibt es eineHerausforderung für die Zukunft, denDNA-Chip als Routineinstrument in bio-technologische Prozesse zu integrieren.

Es gibt zwei verschiedene Arten vonDNA-Chips, die Oligonukleotid-Chips unddie DNA-Fragment-Chips. Beiden gemeinist die mikroskopische, feldförmige Anord-nung von DNA-Molekülen auf inertenOberflächen (z.B. Glas oder Plastik). JedesDNA-Molekül leitet sich von einem Gen ab.Sind die auf dem Chip immobilisiertenDNA-Moleküle kurz (15 bis 60 Nukleotide)und einzelsträngig, so spricht man von ei-nem Oligonukleotid-Chip, wohingegenChips mit langen, doppelsträngigen DNA-Molekülen (100 bis 4.000 Basenpaare) alsDNA-Fragment-Chips bezeichnet werden.Die Herstellung von Oligonukleotid-Chipskann über zwei Verfahren erfolgen, denDruck bereits synthetisierter Oligonukleo-tide auf die vorbereitete Glasoberfläche oderdurch in situ -Synthese direkt auf dem Chip.

Page 16: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

61S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

sitzt. Für ein Drittel davon lässt sich kein Funktionsvorschlag ma-chen (Blattner et al.,1997). DNA-Chip-Analysen erlauben nun den Ex-pressionsstatus all dieser Gene parallel zu bestimmen. Die Arbeits-gruppe von Prof Dr. F. Blattner hat Primer-Paare zur PCR-Amplifika-tion aller Gene von E. coli entworfen (kommerziell erhältlich bei Sig-ma-Genosys). In der Jülicher Arbeitsgruppe wurden die Gene des E.coli-Genoms mittels PCR amplifiziert. Für ca. 96% der Gene wurdenin der sich anschließenden Gelelektrophorese Identität, Reinheits-grad und eine für die DNA-Chip-Herstellung ausreichende Menge

Abb. 1: Vorgehen bei der genomweiten Expressionsanalyse mit DNA-Chips.Im Beispiel wird RNA aus dem C. glutamicum-Wildstamm isoliert und in einerReversen Transkriptionsreaktion mit Zufallsprimern und grünfluoreszentenNukleotidanaloga markiert. Die RNA aus einem C. glutamicum Lysin-Produk-tionsstamm wird entsprechend rot-fluoreszierend markiert. Nach der Hybridi-sierung mit dem C. glutamicum-Genom-DNA-Chip zeigen rote Hybridisie-rungssignale erhöhte RNA-Spiegel im Lysinproduktionsstamm im Vergleichzum Wildstamm für dieses Gen an. Entsprechend zeigen in diesem Vergleichgrüne Signale verringerte und gelbe Signale unveränderte RNA-Spiegel an.

Abb. 2: Scatter-Plot-Darstellung der Hybridisierungssignale eines Verglei-ches genomischer DNA (a) und einer genomweiten Expressionsanalyse (b).Genomische DNA aus den E. coli-Stämmen MG1655 und LJ110 wurden rot-bzw. grünfluoreszierend markiert und mit dem E. coli-Genom-DNA-Chiphybridisiert (a). Für jedes Gen ist die normierte Rot- und Grün-Fluoreszenzdargestellt (schwarze Punkte). Gene mit gleichen Signalintensitäten findensich auf der Winkelhalbierenden. Die schwarzen Linien zeigen zweifacherhöhte bzw. zweifach verringerte Signalintensitäten an. In einer genom-weiten Expressionsanalyse wurde RNA aus E. coli MG1655 bei Anzucht unterPhosphatmangel isoliert und rotfluoreszierend markiert bzw. bei ausrei-chender Phosphatversorgung isoliert und grünfluoreszierend markiert undanschließend mit dem E. coli-Genom-DNA-Chip hybridisiert. Die Hybridisie-rungssignale (schwarze Rauten) von Genen, deren Expression sich nichtverändert hat, liegen auf der Winkelhalbierenden. Bei mehr als zweifacherhöhtem RNA-Spiegel finden sie sich im rotmarkierten Segment und beimehr als zweifach verringertem RNA-Spiegel im grünmarkierten Segment.

Biokatalyse

Die in situ -Synthese der Oligonukleotide basiert im wesentlichenauf einer Kombination von Festphasen-Chemie, photolabilenSchutzgruppen und photolithographischen Masken (Fodor et al.,1991). Die Herstellung der photolithographischen Masken ist sehrkostenintensiv und dem Vorteil der Replizierbarkeit steht das Feh-len der Flexibilität bei der Umgestaltung von Oligochips gegenüber.Es ergibt sich für die Herstellung von Oligonukleotid-Chips derBedarf an flexibleren und kostengünstigeren Herstellungsverfah-ren, gerade um Anwendungsbereiche außerhalb der Forschung undEntwicklung zu erschließen.

Die Herstellung von DNA-Fragment-Chips umfasst keine in situ-Synthese, die ungefähr 100 bis 4.000 Basenpaare langen DNA-Mo-leküle werden zuerst synthetisiert (in der Regel über PCR) und dannauf die Trägeroberfläche transferiert und immobilisiert. Die Tren-nung des Synthese- vom Immobilisierungsschritt ermöglicht eineflexible Gestaltung der DNA-Fragment-Chips. Allerdings ist die Re-plizierbarkeit des Verfahrens begrenzt, die Herstellung erfolgt imBatch-Verfahren mit Stückzahlen von maximal 500 bis 1000. DNA-Fragment-Chips erlauben eine einfache und spezifische Hybridi-sierung, zu deren Optimierung im Vergleich zu Oligonukleotid-Chipsnur wenig Aufwand betrieben werden muss. Allerdings limitiert dieKreuzhybridisierung sehr ähnlicher DNA-Sequenzen die Anwen-dung in der Genotypisierung z.B. von pathogenen Mikroorganis-men (z.B. unterscheiden sich einige Antibiotika-resistente und -sen-sitive Stämme des Tuberkulose-Erregers Mycobacterium tuberculosisnur durch einzelne Basenpaaraustausche eines Gens; Piatek et al.,1998). Zur funktionellen Analyse eines komplexen Systems wie demGenom einer mikrobiellen Zelle eignet sich der DNA-Fragment-Chip aufgrund von Spezifität und Robustheit sehr gut.

Das hier vorgestellte Projekt wird von vier Partnern bearbeitet.Es widmet sich dem Einsatz von DNA-Chips zur Optimierung bio-technologischer Prozesse hinsichtlich ihrer Raum/Zeit-Ausbeute. Eswerden einerseits DNA-Fragment-Chips für die genomweite Ex-pressionsanalyse biotechnologisch interessanter Mikroorganismeninsbesondere E. coli mit dem Ziel der Optimierung dieser Mikroor-ganismen für die Produktion eingesetzt (Forschungszentrum Jülich)und andererseits Oligonukleotid-Chips für die mikrobiologischeReinheitskontrolle in biotechnologischen Prozessen etabliert (Tech-nische Mikrobiologie, TU Hamburg-Harburg). Des weiteren soll einneuartiges Drucksystem entwickelt werden, um eine kostengünsti-ge in situ-Synthese von Oligonukleotid-Chips zu ermöglichen (Mi-krosystemtechnik, TU Hamburg-Harburg). Der Projektpartner SLSµ-Technologies wird die Industrialisierung des neuentwickeltenDruckers übernehmen.

Genomweite Expressionsanalysen im ModellorganismusEscherichia coli

Escherichia coli ist nicht nur ein bakterieller Modellorganismus,sondern wird auch in biotechnologischen Prozessen zur Produktionvon z.B. Aminosäuren eingesetzt. Die aerobe, unter Überschuss vonKohlenstoff- und Energiequelle stattfindende Aminosäureprodukti-on kann als Überflussmetabolismus bezeichnet werden. Die DNA-Chip-Technik bietet die Möglichkeit, erstmals den Expressionsstatusaller Gene eines Organismus gleichzeitig zu bestimmen (DeRisi et al.,1997; Wodicka et al., 1997). Ein physiologischer Zustand, z.B. der Über-flussmetabolismus, kann damit auch detailliert auf Ebene der Expres-sion beschrieben werden. Solche genomweiten Expressionsanalysen(s. Abb. 1) gewähren neue Einblicke in zelluläre Regulationsvorgängesowie neue Ansätze zur Optimierung biotechnologischer Prozesse.

DNA-Chips für genomweite Expressionsanalysen in E. coli

Die Sequenzierung und Annotation des Genoms von E. coli hatergeben, dass dieser Organismus 4-290 Protein-kodierende Gene be-

Page 17: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

62 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

Abb. 4: Mismatch Diskriminierung auf einemOligonukleotid-Chip. Hybridisierung einesOligonukleotid-Chips (Oligonukleotide jeweils16fach repliziert) spezifisch für Bacteria mitmarkierter cDNA von E. coli. Durch Optimierungder Waschbedingungen konnten Bindungen miteinem Mismatch auf ein Minimum reduziertwerden. 1: Sonde EUB338, 2: EUB338 mit einemzentralen Basenaustausch von G zu T, 3: EUB338mit einem zentralen Basenaustausch von G zu C,4: EUB338 mit einem zentralen Basenaustauschvon G zu A

Biokatalyse

festgestellt. Nach anschließender Konzentra-tion durch Ethanolpräzipitation wurden diePCR-Produkte mit dem Jülicher DNA-Chip-Roboter in feldförmiger Anordnung auf mo-difizierte Glasoberflächen übertragen und im-mobilisiert. Dabei wurde nach dem an derStanford University entwickelten Verfahrenvorgegangen (Schena et al., 1995). Zur Verifi-zierung der E. coli-Genom-Chips wurde ge-nomische DNA der nah verwandten StämmeMG1655 und LJ110 rot- bzw. grünfluoreszentmarkiert und mit dem E. coli-Genom-Chiphybridisiert (Abb. 2a). In dieser Analyse ge-nomischer DNA kann für 96 bis 98% der Geneauf dem DNA-Chip ein Hybridisierungssi-gnal bestimmt werden (Signal-Rausch-Ver-hältnis größer oder gleich 3). Für einige Genewurde ein deutlich erhöhtes Hybridisierungs-

durchgeführt werden. Zur Validierung der ge-nomweiten Expressionsanalyse mit E. coli-Genom-DNA-Chips wurden die Expressions-muster von E. coli MG1655-Zellen bestimmt,die entweder unter ausreichender Phosphat-versorgung oder unter Phosphatmangelbedin-gungen kultiviert wurden (Abb. 2b). In die-ser Analyse konnte für 74% der Gene ein Hy-bridisierungssignal ermittelt werden, dieseGene werden unter den oben genannten Be-dingungen exprimiert. Für 36% der Gene lagdas Signal mehr als dreifach über dem Hin-tergrund und für diese konnte ein Expressi-onsverhältnis quantifiziert werden. Bei Phos-phatmangel wiesen im Vergleich zum Wachs-tum bei ausreichendem Phosphatangebot ca.5% der Gene erhöhte und 6% der Gene ver-ringerte RNA-Spiegel auf (s. Abb 2b). Genebzw. Operons, die für E. coli als phosphate-starvation-inducible (psi) beschrieben wurden(Metcalf et al., 1990), zeigten in dieser Analy-se ausnahmslos erhöhte RNA-Spiegel beiPhosphatmangelbedingungen. Dies wird inder Genome-Map-Image-Analyse der Expres-sionsdaten besonders deutlich (Abb. 3).

Untersuchung differentiellerGenexpression in Anwesenheit desÜberflussmetaboliten Acetat

In aerob wachsenden E. coli-Kulturenkommt es bei ausreichendem Angebot be-züglich der Kohlenstoff- und Energie-Quellehäufig zur Ausscheidung von Intermediatendes Zentralstoffwechsels, vor allem von Ace-tat. Dieser Acetat-Überflussmetabolismuswirkt sich störend auf alle biotechnologi-schen Prozesse mit E. coli aus, bei deneneinerseits niedermolekulare Verbindungenwie die Aminosäure Threonin oder anderer-seits Proteine produziert werden. Der Be-deutung des Überflussmetabolismus in derBiotechnologie steht dessen noch unvoll-ständiges Verständnis gegenüber. Zwar kannÜberflussmetabolismus häufig stoffwechsel-physiologisch erklärt werden, z.B. kann dieAcetat-Produktion von E. coli durch eineLimitation der Tricarbonsäurecyclus-Aktivi-tät erklärt werden. Jedoch bleibt im wesent-lichen unklar, welche Regulationsmechanis-men unter diesen Bedingungen aktiv bzw.außer Kraft gesetzt sind (Tempest & Neijs-sel, 1992). Die genomweite Charakterisie-rung von Veränderungen der Genexpressi-on bei verschiedenen Bedingungen desÜberflussmetabolismus bietet die Möglich-keit, solche Regulationsmechanismen zuidentifizieren, die generell an der Regulati-on des Überflussmetabolismus beteiligtsind, sowie solche, die spezifisch für eineForm des Überflussmetabolismus (z.B. Ace-tat-Produktion bei Glucose-Überschuss undMagnesium-Mangel) sind.

Überflussmetabolismus-Bedingungensollen experimentell gezielt ausgelöst wer-

den. Der Wildstamm von E. coli wird in ei-nem definierten Mineralsalzmedium mitTemperatur- und pH-Statisierung kontinu-ierlich fermentiert. Als Referenzbedingungsoll die Glucose-limitierte Fermentation die-nen. Durch Sulfat-, Stickstoff-, Phosphat-,Magnesium- oder Kalium-Limitierung beiausreichendem Glucose-Angebot sollenÜberflussmetabolismus-Bedingungen aus-gelöst werden. Fermentationsbegleitendwerden Parameter wie Substratverbrauch,Biomassebildung, Produkt- und Nebenpro-duktbildung analytisch bestimmt (u.a. mit-tels NMR). Aus den Kulturen wird RNA iso-liert und DNA-Chip-Analysen werdendurchgeführt. Bei der Auswertung der ge-nomweiten Expressionsdaten werden Geno-me-Map-Image- (s. Abb. 3) und Cluster-Ver-fahren benutzt. Die Analyse der stromauf-wärts der Transkriptionsinitiationssignaleliegenden Sequenzen soll die Identifizie-rung der cis-Elemente ermöglichen, die füreine gemeinsame Regulation maßgeblichsind. In geeigneten Transkriptionsfusions-experimenten soll dann bestimmt werden,ob die identifizierten cis-Elemente für einedurch Überflussmetabolismus regulierte Ex-pression hinreichend sind.

Bei den Genexpressionsanalysen zumÜberflussmetabolismus gilt es zwischen kau-sal für Überflussmetabolismus verantwort-lichen Effekten im Gegensatz zu sekundä-ren oder Folge-Effekten zu differenzieren.Es ist z.B. zu erwarten, dass allein die An-wesenheit des Überflussmetaboliten Acetatzu Veränderungen der Genexpression führt.Aus diesem Grunde wurde E. coli MG1655auf LB-Komplexmedium mit bzw. ohne 20mM Natriumacetat, pH 7, kultiviert, wobeiauf eine Adaptation von mindestens 20 Ge-nerationen geachtet wurde. Außerdem un-terschied sich die Wachstumsrate unter die-sen Bedingungen nicht wesentlich. In ge-nomweiten Expressionsanalysen konnte ge-zeigt werden, dass eine Reihe von Genen inAnwesenheit von Acetat erhöhte RNA-Spie-

Abb. 3: Ausschnitte der Genome-Map-Image-Darstellung einer DNA-Chip-Analyse. DieHybridisierungssignale einer genomweitenExpressionsanalyse von E. coli (Rot-Fluoreszenzbei Phosphat-limitierenden Bedingungen undGrün-Fluoreszenz bei ausreichender Phosphat-versorgung) wurden anhand der Anordnung derGene im Genom rearrangiert (Gene, die nicht aufdem DNA-Chip vorhanden sind, sind graudargestellt). Die Ausschnitte zeigen die Positio-nen auf dem E. coli-Chromosom, die Transkripti-onsrichtung und die Hybridisierungssignale vonOperons, die bei Phosphatmangel verstärktexprimiert werden, und als Kontrolle die desnicht phosphat-abhängig regulierten rpsLG-fusA-tufA Operons.

signal im Stamm MG1655 bestimmt (Abb.2a). Diese Gene sind wahrscheinlich imStamm LJ110 deletiert oder im StammMG1655 amplifiziert (Ochman & Jones, 2000,haben beschrieben, dass 82 Gene im StammMG1655, nicht aber im Stamm W3110 vor-kommen.).

Genomweite Expressionsanalysen mitDNA-Fragment-Chips bzw. DNA microar-rays sind für E. coli etabliert worden (Kho-dursky et al., 2000; Zimmer et al., 2000; Wen-disch et al., 2001) und können auch mit Ny-lonmembranen (Richmond et al., 1999) oderOligonukleotid-Chips (Selinger et al., 2001)

Page 18: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

63S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

gel aufwiesen. Dabei fiel auf, dass besondersGene des Flagellenapparates betroffen wa-ren (Polen et al., Manuskript in Vorberei-tung). Darauf aufbauend wurden Expressi-onsanalysen in Ab- bzw. Anwesenheit vonNatriumpropionat und nach Zugabe vonCarbonyl-Cyanid-3-Chlorophenylhydrazon(CCCP) durchgeführt. Die Anwesenheit vonPropionat führte im wesentlichen zu kongru-enten Expressionsveränderungen wie dieAnwesenheit von Acetat. Die Zugabe vonCCCP, einem Entkoppler des transmembra-nen pH-Gradienten, beeinflusste die Gen-expression kaum. Die Genexpressionsverän-derungen durch Acetat oder Propionat, bei-des Salze schwacher Säuren, scheinen alsonicht auf ihre entkoppelnde Wirkung zu-rückzuführen sein, da die Zugabe des Ent-kopplers CCCP nicht zu diesen Genexpres-sionsveränderungen führt (Polen et al., Ma-nuskript in Vorbereitung).

Etablierung von DNA-Oligonukleotid-Chipsfür die mikrobiologischeQualitätskontrolle

Molekulare Hybridisierungsverfahrenhaben auch in der Identifizierung von Bak-terien ihren festen Platz. Die Hybridisierungvon DNA oder RNA, die direkt aus Umwelt-proben isoliert wird, mit Oligonukleotiden,die gegen diagnostische Bereiche der 16S-rRNA gerichtet sind (Oligonukleotidson-den), erlaubt es heute die Zusammenset-zung prokaryontischer Mischkulturen ohnevorherige Kultivierung zu bestimmen. In derbiotechnologischen Produktion von Protei-nen und niedermolekularen Wirkstoffenspielen mikrobiologische Reinkulturen eineentscheidende Rolle, während in der Le-bensmittelproduktion häufig kontrollierteMischkulturen von großer Bedeutung sind.Pharmazeutische Produkte und Lebensmit-tel werde erst dann zum Verkauf freigege-ben, wenn ihre mikrobiologische Unbedenk-lichkeit bestätigt wurde, solange dies nichtder Fall ist, ist ein häufig großes Kapitalvo-lumen gebunden. Die effiziente und schnel-le Überwachung der mikrobiologischenReinheit von Produktionseinheit und Pro-dukten ist daher nicht nur ein wesentlicherBestandteil der Qualitätssicherung dieserProzesse sondern auch von großer finanziel-ler Bedeutung für den Produzenten.

Etablierte Methoden der mikrobiologi-schen Überwachung beruhen derzeit vor-wiegend auf Kultivierung kombiniert mitphysiologischen und biochemischen Tests.Die Dauer dieser Tests bewegt sich zwi-schen 48 h und 7 Tagen. Neben dem hohenZeitaufwand haben diese Methoden denNachteil, dass ein Teil der Mikroorganismenim Labor nicht kultivierbar ist und daherunerkannt bleibt. Häufig werden daher Kon-taminationen, die einen Prozess stören und

die mit hohem Zeit-, Energie- und Kosten-aufwand hergestellten Produkte unbrauch-bar machen können zu spät oder nicht er-kannt. Ziel des Teilprojektes der Techni-schen Mikrobiologie ist die Etablierung ei-ner Chip Hybridisierung, die es erlaubt,komplexe prokaryontische Mischkulturen,wie sie in biotechnologischen Prozessen vor-kommen können, hinsichtlich ihrer Zusam-mensetzung zügig und umfassend ohne vor-herige Kultivierung zu analysieren. Um ent-scheidende Vorteile gegenüber den klassi-schen Verfahren zu erzielen wird eine hoheSensitivität angestrebt und eine Nachweis-dauer von unter zwölf Stunden.

Die Identifizierung der Bakterien erfolgtauf der Basis der Sequenz ihrer 16S ribos-malen RNA. Oligonukleotide, die gegenspezifische Bereiche der kodierenden Genegerichtet sind (Sonden), werden auf denChip gedruckt, und es erfolgt eine Hybridi-sierung mit fluoreszenzmarkierter RNA bzw.cDNA. Das Vorhandensein des spezifizier-ten Bakteriums wird anhand der nach derHybridisierung auf dem Chip gebundenenFluoreszenz gemessen. Entscheidend füreinen Erfolg der Hybridisierung ist, dass nurZiel-DNA binden kann, die zu 100% kom-plementär zur Sequenz des Oligonukleotidsist, und damit der gesuchten Art entspricht.Ziel DNA, die eine oder mehrere BasenFehlpaarung aufweist, soll von der Bindungweitestgehend ausgeschlossen werden. Er-reicht werden kann dieses durch Verände-rung der Hybridisierungsstringenz, z.B.durch Veränderung der Salzkonzentrationbzw. der Zugabe denaturierender Agenzienim Waschpuffer oder durch Veränderung derWaschtemperatur. Die benötigte Stringenzist jedoch abhängig von der Sequenz desOligonukleotids. Da es das Ziel ist, möglichstviele verschiedene Bakterien mit einemChip zu identifizieren, wird auch bei sorg-fältiger Auswahl der spezifischen Oligonu-kleotide nicht erreicht werden können, dassalle Sonden dieselben Stringenzbedingun-gen benötigen. Es werden daher unter-

schiedliche Verfahren getestet mit denen aufeinem Chip verschiedene Stringenzbedin-gungen eingestellt werden können. Möglichist eine zeitabhängige Stringenzveränderunggekoppelt mit der online-Detektion derFluoreszenzsignale oder eine gleichzeitigelokale Stringenzveränderung mit anschlie-ßender Detektion. Dazu wird in Zusammen-arbeit mit dem Projektpartner aus der Mi-krosystemtechnik ein System entwickelt,das es erlaubt auf einem Chip gleichzeitigverschiedene Waschtemperaturen zu reali-sieren und somit die für jede Sonde erfor-derliche Temperatur einzustellen.

Die hohe geforderte Sensivität machtden Einsatz der reversen Transkriptase PCRbzw. der PCR erforderlich. Hier bieten sichje nach Fragestellung auch spezifische PCR-Amplifikationen an, wenn es um den Nach-weis besonderer Indikatorstämme geht. DasSystem, ebenso wie die Auswahl der Son-den wird auf den jeweiligen Anwender ab-gestimmt.

Da geringe Nachweiszeiten und einemöglichst einfache Durchführung des Nach-weises entscheidende Faktoren für einenEinsatz des hier entwickelten Instrumentssind, wird der Optimierung dieser Parame-ter besonderes Augenmerk geschenkt. Un-tersucht wird derzeit, ob es möglich ist,durch entsprechende Veränderungen der aufdem Chip vorgelegten Oligonukleotide einevorherige Fluoreszenzmarkierung der Pro-be unnötig zu machen.

DNA-Drucksystem

Die in-situ-Synthese von DNA-Oligonu-kleotiden erfordert gegenwärtig noch einenrelativ hohen zeitlichen und apparativenAufwand, insbesondere wenn unterschied-liche Oligonukleotide parallel auf einemChip hergestellt werden sollen. Um diesenAufwand deutlich zu reduzieren und gleich-zeitig ein System zu erzeugen, das sich ohnedie Notwendigkeit, jeweils grundsätzlicheNeuentwicklungen durchzuführen, auf im-

Abb. 5: Aufbau des DNA-Drucksystems

Biokatalyse

Page 19: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

64 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

mer größere Arrayfelder und kleinere Volu-mina übertragen lässt, wird in diesem Teil-vorhaben in Mikrosystemtechnik ein„Druckkopf“ zu örtlich und zeitlich belie-biger Synthese frei wählbarer Sequenzen fürdie vier Komponenten der DNA entwickelt.

Der DNA-Chip selbst kann z.B. aus ei-nem hydrophilen Glassubstrat mit einer hy-drophoben, z.B. teflonartigen Lochmatrixversehen, bestehen, oder aus einem hydro-phoben Polymer, das mit einem hydrophi-len Punktarray versehen wird. Zur Realisie-rung der Chips können je nach erforderlicherStrukturauflösung Druck- oder Dünnschicht-und Lithographieprozesse benutzt werden.

Je nach der erforderlichen Wechselwir-kungszeit für die Bindung wird das Medi-um unmittelbar wieder im Druckkopf auf-genommen oder verbleibt auf dem Chip, ummit einem zweiten Kopf (Abb. 6) wiederentfernt zu werden. Dieser zweite Druck-kopf wird auch für die Aktivierung der näch-sten Bindung sowie die Trocknung desChips genutzt. Der Druckkopf ist eingebet-tet in ein Rechner-gesteuertes System (Abb.7), das sowohl die einzelnen Druckfelder derKöpfe aktiviert als auch die genaue Positio-nierung des Chips und seines Transportssteuert. Transport wie Druckvorgang werdendurch eine in das System integrierte undvom Rechner ausgelesene Kamera über-wacht. Durch Integration einer Heizung undeines ebenfalls Rechner-gesteuerten zeitlichund örtlich variierbaren Temperaturprofilskann die Reaktionszeit zusätzlich beein-flusst werden, so dass ein vollständig auto-matisiertes Drucksystem für DNA-Sequen-zen zunächst bis zu einer Komplexität von30x30 Feldern und bis zu 20 Gliedern ver-fügbar wird. Das Gesamtsystem wird letzt-lich ähnlich wie ein Tintenstrahldrucker

aufgebaut (Abb. 8), wobei sowohl Druckkopfwie Chip gegeneinander bewegt werdenkönnen und so auch größere Arraydimensio-nen als von der Spaltenlänge des Kopfes er-fasst bzw. mehrere DNA-Chips nacheinan-der bedruckt werden können.

Literatur

Blattner, F. R.; Bloch, C. A.; Perna, N. T.; Burland, V.;Riley, M.; Collado-Vides, J.; Glasner, J. D.; Rode, C.K.; Mayhew, G. F.; Gregor, J.; Davis, N. W.;Kirkpatrick, H. A.; Goeden, M. A.; Rose, D. J.; Mau,B.; Shao, Y. (1997): The complete genome sequenceof Escherichia coli K-12. Science 277: 1453-1474Brandstetter, T., Zeltz, P., Pfeifer, D., Toder R. 2001.HLA-Chips – die HLA-Diagnostik der Zukunft.Bioforum 24: 212-213.DeRisi, J. L.; Iyer, V. R.; Brown, P. O. (1997):Exploring the metabolic and genetic control of geneexpression on a genomic scale. Science 278: 680-686Khodursky, A.; Peter, B.; Cozzarelli, N.; Botstein, D.,Brown, P. O.; Yanofsky, C. (2000): DNA microarrayanalysis of gene expression in response to physiolo-gical and genetic changes that affect tryptophanmetabolism in Escherichia coli. Proc. Nat. Acad. Sc.,USA 97: 12170-12175Metcalf, W. W.; Steed, P. M.; Wanner, B. L. (1990):Identification of phosphate-starvation-induciblegenes in Escherichia coli K-12 by DNA sequenceanalysis of psi::lacZ(Mud d1) transcriptional fusions.J. Bacteriol.172: 3191-3200Ochman, H.; Jones, I. B. (2000) Evolutionarydynamics of full genome content in Escherichia coli.EMBO J. 2000 19: 6637-6643Richmond, C. S.; Glasner, J. D.; Mau, R.; Hongfan,J.; Blattner, F. R. (1999): Genome-wide expressionprofiling in Escherichia coli K-12. Nucl. Acids Res. 27:3821-3835Schena, M.; Shalon, D.; Davis, R. W.; Brown, P. O.(1995): Quantitative monitoring of gene expressionpatterns with a complementary cDNA microarray.Science 270: 467-470Selinger, D. W.; Cheung, K. J.; Mei, R.; Johansson,E. M.; Richmond, C. S.; Blattner, F. R.; Lockhart, D.J.; Church, G. M. (2000): RNA expression analysisusing a 30 base pair resolution Escherichia coligenome array. Nature Biotechnol. 18: 1262-1268Tempest, D. W.; Neijssel, O. M. (1992): Physiologicaland energetic aspects of bacterial metaboliteoverproduction. FEMS Microbiol. Lett. 100:169-176Wendisch, V. F.; Zimmer, D. P.; Khodursky, A. B.;Peter, B. J.; Cozzarelli, N.; Kustu, S. (2001): Isolationof Escherichia coli mRNA and comparison ofexpression using mRNA and total RNA on DNA. Anal.Biochem. 290: 205-213Wodicka, L.; Dong, H.; Mittmann, M.; Ho, M.;Lockhart, D. J. (1997): Genome-wide expressionmonitoring in Saccharomyces cerevisiae. NatureBiotechnol. 15: 1359-1367Zimmer, D. P.; Soupene, E.; Lee, H. L.; Wendisch, V.F.; Khodursky, A. B.; Peter, B. J.; Bender, R. A.;Kustu, S. (2000): Nitrogen regulatory protein C-controlled genes of Escherichia coli: Scavenging as adefense against nitrogen limitation. Proc. Nat. Acad.Sc., USA 97: 14674-14679

Korrespondenzadresse:

Dr. Volker F. WendischInstitut für Biotechnologie 1Forschungszentrum Jülich, D-52425 JülichTel.: 02461-615169Fax: [email protected]://www.fz-juelich.de/ibt/genomics/genomics.html

Abb. 6: Reinigungskopf

In der Technologie der Silizium-Glas-Mikro-mechanik werden in vier Reservoirs, diespaltenförmig nebeneinander im Druckkopfangeordnet sind und die jeweils für jedeZeile eine getrennt ansteuerbare Austritts-öffnung enthalten, die Komponenten inKontakt zu dem lokal hydrophilen Träger-substrat gebracht (Abb. 5). Unter Nutzungeiner Kombination von hydrophoben undhydrophilen Oberflächenbereichen imDruckkopf und dem zu bedruckenden Chip,in einem weiteren Entwicklungsschritt zu-sätzlich durch Applikation elektrische Fel-der, wird der Chip lokal kurzzeitig mit demMedium benetzt. Alternativ kann auch einTropfen abgelegt werden. Dazu wird einedünne Glasmembran mit Hilfe eines pixel-weise ansteuerbaren Arrays aus Piezokera-mik über dem Druckreservoir oberhalb derDruckdüse ausgelenkt.

Abb. 7: PC-Steuerelek-tronik

Abb. 8: Prinzip desDNA-Drucksystems

Biokatalyse

Page 20: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

65S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

Die Aminosäure L-Serin stellt ein wirtschaft-lich interessantes Produkt dar, das bisher nurdurch saure Hydrolyse proteinogener Rohstoffeauf relativ umweltunverträgliche Weise herge-stellt werden kann. Ziel ist es, ein neues Ver-fahren zur Produktion von L-Serin auf derGrundlage der Fermentation eines geeignetenBakterienstammes zu entwickeln. DieserStamm soll mittels gentechnischer Methodenhergestellt werden. Integriert in den For-schungs- und Entwicklungsprozess werden dasneue und das herkömmliche Verfahren basie-rend auf einer Ökobilanzierung und Wirtschaft-lichkeitsanalyse bezüglich ihrer ökologischenund ökonomischen Eigenschaften miteinanderverglichen. Als Grundlage des Forschungspro-jektes dient der Wildtyp von Corynebacteriumglutamicum, ein Organismus, der als guter Ami-nosäureproduzent bekannt ist. Um aus diesemeinen L-Serinproduzenten herzustellen, werdenverschiedene Ansätze parallel verfolgt. Nebeneiner Steigerung der Aktivität der L-Serinbio-syntheseenzyme, sowie einer Deregulation desSchlüsselenzyms, soll die Vorstufenbereitstel-lung und der Export von L-Serin erhöht sowieder mögliche Abbau verringert werden. In er-sten Experimenten konnten die Gene serA, serCund serB, die für die L-Serinbiosynheseenzy-me kodieren, aus C. glutamicum isoliert undkloniert werden. Die homologe Überexpressi-on von serA ergab eine ca. 12-fache Steige-rung der spezifischen Aktivität der 3-Phospho-glycerat-Dehydrogenase von 0,2 U/mg Prote-in auf 2,3 U/mg Protein. Das Enzym des Wild-typs wird durch 10 mM L-Serin zu 50 % ge-hemmt. Wurden serC bzw. serB im Wildtyp vonC. glutamicum homolog überexprimiert, konn-ten bereits Spuren von L-Serin im Kulturüber-stand nachgewiesen werden. Über die Arbei-ten zur L-Serinbiosynthese hinaus wurde ge-zeigt, dass sich der L-Serinexport aus der Zel-le, der durch das Exportprotein ThrE vermitteltwird, durch thrE-Überexpression steigern lässt.

Mikrobielle L-Serinproduktion

unter besonderer Berücksichtigung

der Ökobilanzierung

Dr. Petra Peters-Wendisch, Dr. Lothar Eggeling,Dipl.-Biol. Roman Netzer und Prof. Dr.Hermann Sahm, Institut für Biotechnologie 1,Forschungszentrum JülichDipl.-Ök. Henning Serger und Prof. Dr. UdoMüller, Institut für Volkswirtschaftslehre,Universität Hannover,Dr. Birgit Willke und Dr. Robert Faurie,Amino GmbH, Frellstedt

Die Verwendung von L-Serin

� Hauptverwendungsgebiete für Amino-säuren sind die Nahrungsmittel-, Futtermit-tel- und Pharmaindustrie. Während die Ge-samtproduktion an Aminosäuren 1986 welt-weit etwa 650.000 t betrug (Enei et al., 1989)werden derzeit bereits mehr als 1,5 Millionent Aminosäuren produziert (Eggeling et al.2001). Dies zeigt welche wirtschaftliche Be-deutung der Produktion sowohl ökonomischals auch ökologisch zukommt.

Für die Nahrungsmittelindustrie sindAminosäuren interessant, weil viele von ih-nen geschmacksverstärkende Eigenschaftenhaben, wie z. B. das Natriumsalz des L-Glut-amats. Die Futtermittelindustrie stellt Ami-nosäuren als Ergänzung zum Tierfutter her.Ein Teil der Aminosäuren ist für Tiere essen-

tiell. Da in den herkömmlichen Futtermittelnwie Soja und Getreideprodukten einige deressentiellen Aminosäuren aber nicht in aus-reichender Menge vorhanden sind, ist dieZufütterung, insbesondere bei der Schweine-und Geflügelmast, erforderlich. In der phar-mazeutischen Industrie werden Aminosäurenhöchster Reinheit benötigt. Ein sehr wichti-ges Beispiel ist die Verwendung für die prä-und postoperative parenterale Ernährung.Eine Standard-Infusionslösung beinhaltet diefür den Menschen essentiellen Aminosäuren.Zusätzlich enthält sie auch nicht-essentielleAminosäuren, wie das L-Serin, dem hier einebesondere Bedeutung zukommt. Somit mussdiese Aminosäure in ausreichender Mengeund guter Qualität herzustellen sein. Nebendiesem wichtigen Absatzmarkt für L-Serinwird es aber auch bei der Kosmetikherstellungz. B. von Hautschutzpräparaten verwendet.

Die Produktion von L-Serin

Generell finden derzeit vier technischeVerfahren Anwendung zur Produktion vonAminosäuren: die chemische Synthese, dieenzymatische Katalyse, die saure Hydrolysesowie die Fermentation geeigneter Mikroor-ganismen. Die großtechnische Herstellungvon L-Serin erfolgt fast ausschließlich überdie saure Hydrolyse und Extraktion aus Pro-teinhydrolysaten über Ionenaustauschchro-matographie und Kristallisation. Durch dieseMethode lassen sich beinahe alle Aminosäu-ren gewinnen. Rohstoffe hierfür sind prote-inreiche Produkte wie z. B. Keratin, Federnoder Blutmehl aber auch Pflanzenproteine.Ein Nachteil dieses Verfahrens ist, dass hier-bei nicht nur die gewünschten, sondern auchdie anderen im Protein enthaltenen Amino-säuren anfallen. Dadurch entstehen bestimm-te Aminosäuren, wie z. B. L-Alanin, im Über-schuss. Aufgrund aktueller Akzeptanzproble-me tierischer Rohstoffe speziell von Wieder-käuern in Zusammenhang mit der BSE-Dis-kussion scheidet ein Großteil der o.g. Roh-stoffe heute aus. Aus diesem Grund sind nichtmehr alle Aminosäuren (u.a. Prolin) extraktivdarstellbar. Ein weiterer wesentlicher Nach-teil der sauren Hydrolyse ist die durch denAufschluss bedingte hohe Umweltbelastung.Die Hydrolyse erfolgt unter Verwendung gro-ßer Mengen 5,8 M Salzsäure. Dadurch wer-den einige Aminosäuren, wie L-Glutamin, L-Asparagin, L-Cystein und L-Tryptophangrößtenteils zerstört und sind somit nicht zu-gänglich. Nicht verwertbare Hydrolyserück-stände (Faserstoffe, Huminstoffe) müssenmeist als Sondermüll verbrannt oder depo-niert werden. Das flüssige Hydrolysat wird mitNatronlauge neutralisiert und durch Ionen-austauschchromatographie aufgetrennt. Ne-ben der Aminosäurefraktion fallen so zusätz-lich noch eine Salzfraktion sowie eine hoheStickstofffracht an, die wiederum ins Abwas-

Abb. 1: Strategien zur Entwicklung eines L-Serinproduzierenden Bakterienstammes ausgehendvom Wildtyp von C. glutamicum

Biokatalyse

Page 21: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

66 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

ser entsorgt werden müssen und somit zu ei-ner weiteren Belastung der Gewässer führen.Dies ist unter ökologischen Gesichtpunktennicht mehr zeitgemäß.

Fermentative Herstellungsprozesse vonAminosäuren lösen zunehmend die oben be-schriebene Methode der sauren Hydrolyse ab.Das liegt vorallem daran, dass sich auf die-sem Weg die gewünschte L-Aminosäure inenantiomerenreiner Form erzeugen lässt. Dar-überhinaus fallen keine Begleitaminosäurenan, so dass die Aufreinigung wesentlich ver-einfacht, und der Gesamtprozess damit öko-logisch und ökonomisch erheblich verbessertwird.

In der Literatur werden verschiedeneAnsätze zur fermentativen Herstellung von L-Serin beschrieben. Zumeist dient das relativteure Glycin als Ausgangssubstrat in Kombi-nation mit Glukose. So lassen sich z. B. miteinem Brevibacterium Stamm aus 20 g/l Gly-cin und 70 g/l Glukose bis zu 4,4 g/l L-Serinherstellen (Kubota et al. 1971) bzw. mit im-mobilisierten Zellen von Corynebacterium gly-cinophilum können in kontinuierlicher Kultur6 g/l L-Serin aus 30 g/l Glycin und 100 g/lGlukose gewonnen werden. Höhere Ausbeu-ten werden mit dem methylotrophen Hypho-microbium methylovorum aus Methanol undGlycin erzielt. Hier liefern 100 g/l Glycin und48 g/l Methanol rund 33 g/l L-Serin (Izumi etal. 1993). Diese fermentativen Verfahren ha-ben sich aufgrund der hohen Substratkosten(Glycin) als nicht wirtschaftlich erwiesen undwerden nicht großtechnisch eingesetzt.

Für die biotechnologische Aminosäure-produktion ausgehend von kostengünstigerenSubstraten finden hauptsächlich Escherichiacoli- und Corynebacterium glutamicum-Stämme

Verwendung (Eggeling et al. 2001). Mit ihnenwerden die Aminosäuren L-Threonin, L-Phe-nylalanin, L-Lysin und L-Glutamat aus Sac-charose (aus Melasse) oder Glukose (aus Stär-kehydrolysat) hergestellt. Während L-Glut-amat schon mit dem Wildtyp von C. glutami-cum synthetisiert werden kann, werden für dieanderen drei Aminosäuren Stämme verwendet,die durch klassische Mutagenese verändert wur-den (Aida et al. 1986; Eggeling et al. 2001).

Entwicklung eines biotechnologischenVerfahrens zur L-Serin-Produktion mitC. glutamicum im Sinne einesproduktionsintegrierten Umweltschutzes

Unter der Leitung des Forschungszen-trums Jülich, Institut für Biotechnologie 1(Prof. Dr. Sahm) soll in Kooperation mit demmittelständischen Unternehmen AminoGmbH in Frellstedt (Dr. Faurie) und der Ab-teilung Ordnungs- und Prozesspolitik der Uni-versität Hannover (Prof. Dr. Müller) ein neu-es Verfahren zur L-Serin-Produktion mit C.glutamicum erarbeitet werden. Ziel ist es, dasssich dieses durch deutlich verminderte Um-weltbelastungen klar von dem traditionellenHydrolyseverfahren zur Herstellung von L-Serin abhebt und sich auch unter den gege-benen Rahmenbedingungen des Marktes fürAminosäuren zeitnah umsetzen lässt. Im Rah-men des Projektes werden im Forschungszen-trum Jülich und an der Universität Hannoverproblemorientierte wissenschaftliche Lö-sungsansätze erarbeitet. Diese werden bei derAmino GmbH in den Produktionsmassstabumgesetzt. In diesem Zusammenhang kommtder innovationsbegleitenden Betrachtung derökologischen und ökonomischen Wirkungendes neu zu entwickelnden Verfahrens im Ver-gleich zum gegenwärtigen Stand der Technikeine besondere Bedeutung zu. Hierzu erstelltdie Abteilung Ordnungs- und Prozesspolitikfür das neue und das konventionelle Verfah-ren eine Ökobilanz und eine Analyse der Wirt-schaftlichkeit unter den aktuellen Marktge-gebenheiten. Aufgrund umfangreicher Kennt-nisse zur Genetik und Physiologie von C. glut-amicum am Institut für Biotechnologie (Eg-geling et al. 2001) wurde dieses Bakterium alsModellorganismus ausgewählt, um das fer-mentative Verfahren zur Gewinnung derAminosäure L-Serin zu entwickeln. Hierzusoll ausgehend vom Wildtyp von C. glutami-cum durch gezielte gentechnische Verände-rung des Stoffwechsels ein geeigneter L-Se-rin-Produktionsstamm erzeugt werden. Ne-ben der Betrachtung des eigentlichen Biosyn-theseweges liefert die Vorstufenbereitstellungausgehend von Glukose als Substrat, der Ex-port des L-Serins aus der Zelle sowie die Ver-hinderung des Abbaus durch die Serin-De-hydratase weitere Ansatzpunkte, die in dieEntwicklung des Stammes miteinbezogenwerden sollen (Abb. 1)

Abb. 2: Die Reaktionen der Biosynthese und desAbbaus von L-Serin in C. glutamicum

Biokatalyse

Gene der L-Serinbiosynthese inC. glutamicum

In Mikroorganismen sind zwei alternati-ve L-Serinbiosynthesewege bekannt. Diemeisten Bakterien nutzen den Weg überphosphorylierte Zwischenprodukte (Abb. 2),während in methylotrophen Bakterien nicht-phosphorylierte Intermediate vorkommen.Da die weitere Umwandlung von L-Serin zuGlycin in einer reversiblen, durch das EnzymSerinhydroxymethyltransferase katalysiertenReaktion erfolgt (Abb. 2), kann die Umset-zung von Glycin zu L-Serin auch als dritterSyntheseweg von L-Serin aufgefasst werden.

Aus GenBank-Analysen ergab sich, dassC. glutamicum über die Gene serA, serC undserB verfügt. Diese kodieren für die Enzyme3-Phosphoglycerat-Dehydrogenase (serA),Phosphoserinaminotransferase (serC) undPhosphoserinphosphatase (serB).

Die Anwesenheit der Gene serA, serC undserB legt nahe, dass der Weg zur L-Serinbil-dung in C. glutamicum vermutlich, wie in vie-len anderen Organismen auch, über phos-phorylierte Zwischenprodukte erfolgt. Daserste Enzym des L-Serinbiosyntheseweges,die von serA kodierte 3-Phosphoglycerat-De-hydrogenase setzt das Glykolyseintermediat3-Phosphoglycerat zu 3-Phosphohydroxypy-ruvat um. Dabei entsteht NADH. Das serA-Gen von C. glutamicum besteht aus 1590 Ba-sen, und die abgeleitete Peptidsequenz von530 Aminosäuren weist ca. 45 % Ähnlichkeitzu bekannten 3-Phosphoglycerat-Dehydroge-nasen, z. B. aus E. coli oder Hefe auf. Die größ-te Ähnlichkeit mit ca. 75 % besteht zu derputativen 3-Phosphoglycerat-Dehydrogenaseaus dem zu C. glutamicum nahe verwandtenMycobacterium tuberculosis.

Der zweite Schritt der L-Serinbiosynthe-se wird durch die Phosphoserinaminotrans-ferase katalysiert, die durch das Gen serC ko-diert ist. Bei dieser Transaminierung von 3-Phosphohydroxypyruvat zu Phosphoserinfungiert L-Glutamat als Aminodonor und esentsteht Oxalacetat (Abb. 2). Das serC-Genvon C. glutamicum hat eine Länge von 1140Basen und die abgeleitete Peptidsequenz be-trägt 367 Aminosäuren. Die Ähnlichkeit zubekannten Phosphoserinaminotransferasenliegt bei ca. 35 %.

Für den letzten Schritt zum L-Serin istdie durch serB kodierte Phosphoserinphos-phatase verantwortlich. Dieses Enzym hydro-lysiert unter Freisetzung von anorganischemPhosphat Phosphoserin zu L-Serin (Abb. 2).Die von serB abgeleitete Peptidsequenz be-inhaltet 448 Aminosäuren entsprechend einerGenlänge von 1347 Basen. Auffallend ist, dassdas Polypeptid aus C. glutamicum länger ist,als das entsprechende aus den meisten ande-ren Organismen (Abb. 3). Im überlappendenBereich sind die Ähnlichkeiten allerdings mitca. 50 % sehr hoch. Welche Rolle die zusätzli-

Page 22: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

67S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

chen Sequenzen z. B. für die Stabilität desEnzyms spielen ist unklar.

Klonierung und homologe Überexpressiondes serA-Gens und Untersuchungenzur Regulation der 3-Phosphoglycerat-Deydrogenase aus C. glutamicum

Durch PCR wurde das serA-Gen aus chro-mosomaler DNA von C. glutamicum amplifi-ziert, isoliert und zunächst in einen E. coli-Vektor kloniert. Die anschließende Komple-mentation einer E. coli-Mutante, die einenDefekt in dem serA-Gen trägt, zeigte, dass essich bei serA aus C. glutamicum um ein funk-tionelles, auch in E. coli aktives Gen handelt,das für eine aktive 3-Phosphoglycerat-Dehy-drogenase kodiert. Anschließend wurde dasGen in einen Pendelvektor umkloniert, dersich für die homologe Expression von serA inC. glutamicum eignet. Das erhaltene PlasmidpZ1serA wurde in den Wildtyp von C. glut-amicum eingebracht. Im Enzymtest wurde dieÜberexpression von serA bestimmt. Die spe-zifische Aktivität der 3-Phosphoglycerat-De-hydrogenase in dem entsprechenden Stammbetrug 2,3 U/mg Protein und war damit ca.12-fach erhöht gegenüber dem Kontroll-stamm, der nur den Leervektor enthielt (0,2mU/mg Protein).

Mit zellfreien Extrakten des Wildtyps vonC. glutamicum wurden erste Untersuchungenzu den allosterischen Eigenschaften desSchlüsselenzyms 3-Phosphoglycerat-Dehy-drogenase durchgeführt. Es konnte gezeigtwerden, dass die 3-Phosphoglycerat-Dehy-drogenase durch L-Serin „feedback“ ge-hemmt wird (s. Kasten 1), wobei die Zugabevon 10 mM L-Serin nach einer Inkubationvon 5 min die Aktivität um 50 % inhibierte.Aus anderen Arbeiten ist bekannt, dass nachungerichteter Mutagenese ein dereguliertes,nicht mehr Serin-feedback-inhibierbares 3-Phosphoglycerat-Dehydrogenase-Enzym er-halten wurde. Diese Mutation beruhte aufeinem Austausch der Aminosäure Glutamatan Position 325 zu Lysin (Suga et al. 1999).Aufbauend auf diesen Erkenntnissen sollendurch gengerichtete Mutagenese gezielt de-regulierte 3-Phosphoglycerat-Dehydrogena-se-Muteine konstruiert und für die Stamm-entwicklung des L-Serinproduzenten genutztwerden.

Kasten 1: „Feedback“-Hemmung vonEnzymaktivitäten

Das Endprodukt einer Synthesekette hemmt inreversibler Weise die Aktivität des häufig erstenEnzyms des spezifischen Biosyntheseweges, dessog. Schlüsselenzyms. Dadurch ist es der Zellemöglich, die Syntheserate relativ schnell an denBedarf an Endprodukt anzupassen, und so einefür die Zelle unnütze Anreicherung zu vermeiden.

Biokatalyse

Abb. 3: Vergleich der Primärstruk-tur der Phosphoserinphosphatasevon C. glutamicum mit derPrimärstruktur von Phosphoserin-phosphatasen aus anderenOrganismen.

Klonierung und homologe Überexpressionder Gene serB und serC sowie derenBedeutung für die Serinbildung inC. glutamicum

Die Gene serB und serC wurden ebenfallsmittels PCR aus dem Genom von C. glutami-cum amplifiziert, isoliert und kloniert. Die er-haltenen DNA-Fragmente wurden je in ei-nen in C. glutamicum replizierbaren Vektorüberführt und in den Wildtyp von C. glutami-cum eingebracht. Während der Wildtyp keinL-Serin in den Kulturüberstand ausscheidet,führt die Überexpression von serB bzw. serCin C. glutamicum Wildtyp bereits zur Produk-tion geringer Mengen von L-Serin (Peters-Wendisch et al. 2000). In Zukunft soll nun dieserB- und serC-Überexpression mit der Über-expression von serA und den entsprechendenMuteinen von serA kombiniert werden.

Verbesserung der Vorstufenbereitstellungzur L-Serinbildung

Das Glykolysezwischenprodukt 3-Phos-phoglycerat ist direkter Vorläufer der L-Serin-biosynthese und aus diesem Grund soll dieBereitstellung dieses Metaboliten erhöht wer-den. Es ist bekannt, dass eine Pyruvatkinase-mutante von C. glutamicum ssp. lactofermentumbei Wachstum auf Glukose bis zu 4,5 g/l Di-hydroxyaceton bzw. Glycerinaldehyd in denKulturüberstand ausscheidet (Gubler et al.1994). Das deutet darauf hin, dass nicht nurPEP sondern auch frühere Glykolyseinterme-diate, wie z.B. Dihydroxyacetonphosphat undGlycerinaldehydphosphat in der Zelle anstau-en und möglicherweise als nicht-phosphory-lierte Substanzen ausgeschieden werden.Aufgrund dieser Ergebnisse war anzunehmen,dass eine Pyruvatkinasemutante bei Wachs-tum auf Glukose auch 3-Phosphoglycerat alsL-Serin-Vorläufer anstaut, und dass nachÜberexpression und Deregulation der L-Serinbiosynthesegene der Kohlenstoffflussverstärkt in Richtung L-Serin geleitet werdenkann. Es wurde eine definierte Pyruvatkina-semutante von C. glutamicum durch „genge-richtete Integrationsmutagenese“ (Kasten 2)konstruiert und bezüglich ihrer Wachstums-eigenschaften analysiert. Die Mutante wächstzwar auf Glukose, kann aber auf Ribose alsalleiniger Kohlenstoffquelle nicht wachsen.Das zeigt, dass der Pyruvat-generierendeSchritt der Glykolyse wie gewünscht ausge-schaltet ist und das benötigte Pyruvat über

die Reaktionen des Glukose-Aufnahmesy-stems (PTS) geliefert werden muss. DasWachstum auf Substraten, wie Ribose, dienicht über ein solches PTS-System aufge-nommen werden ist demnach nicht möglich.Der Stamm wird in Zukunft auf eine Bereit-stellung vermehrter Glykolyseintermediateuntersucht, und steht dann als Ausgangs-stamm für die Überexpression der L-Serin-biosynthesegene zur Verfügung.

Verbesserung des Transports von L-Serin ausder Zelle

Neben einer erhöhten Bereitstellung vonVorstufen, sowie einem erhöhten Fluss inRichtung L-Serin, ist ein weiterer wesentli-cher Aspekt, dass das intrazellulär gebildeteL-Serin aus der Zelle ausgeschieden wird.Man weiss heute, dass die Ausschleusung dergewünschten Aminosäuren genauso wichtigist wie deren intrazelluläre Synthese (Krämer,1994; Vrljié et al. 1996, Simic et al. 2001).

Kürzlich konnte das Exportprotein für L-Threonin (ThrE) in C. glutamicum identifiziertund das entsprechende Gen isoliert werden(Simic et al., 2001). Aufgrund der strukturel-len Ähnlichkeit von L-Serin und L-Threoninwurde auch der Transport von L-Serin aus derZelle über diesen Exporter untersucht. Hier-zu wurden Stämme von C. glutamicum herge-stellt, die das Exportergen thrE plasmidko-diert überexprimiert bzw. chromosomal inak-tiviert vorliegen hatten. Die Exportraten die-ser Stämme für L-Serin wurden mit denendes Kontrollstamms, der das Leerplasmidträgt, verglichen (Abb. 4). Es zeigte sich, dassdie Überexpression von thrE tatsächlich zueinem erhöhten Export von L-Serin führt,während die Inaktivierung eine Reduktionbewirkt. Die Raten betragen für den, das thrE-Gen überexprimierenden Stamm 1,9 nmolmin-1 (mg Trockengewicht)-1 im Vergleich zumKontrollstamm mit 1,4 und zum Stamm mitinaktiviertem thrE-Gen mit 0.6 nmol min-1

(mg Trockengewicht)-1. Bei diesem Experi-ment betrug die zellinterne L-Serinkonzen-tration mehr als 80 mM, um so eine Sättigungdes Exportproteins sicher zustellen. Somit istklar, dass durch den Exporter ThrE eine be-schleunigte Ausschleusung von L-Serin er-reicht werden kann. Da es auch in der Mu-tante mit inaktiviertem thrE-Gen zu einemExport kommt, gibt es noch weitere Wege fürL-Serin aus der Zelle. Für L-Threonin wur-de gezeigt, dass der Anteil des Exports durch

Page 23: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

68 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

Kasten 4: „Target Costing“

Marktorientierter Kostenmanagementansatz, beidem ausgehend vom Marktpreis zulässigeProduktions- und Entwicklungskosten ermitteltwerden.

ThrE nur 59 % beträgt, und das ein weitererunbekannter Exporter sowie Diffusion eben-falls am Export beteiligt sind (Simic et al.,2001). Damit sind prinzipiell die Wege aufdenen L-Serin die Zelle verlässt bekannt, undes ist das Instrumentarium vorhanden um inZukunft in einem Produzentenstamm zellin-tern synthetisiertes L-Serin auch beschleunigtauschleusen zu können.

Vergleich des herkömmlichen Verfahrens zurL-Serinproduktion mit dem neuen fermenta-tiven Verfahren auf der Basis einer Ökobi-lanzierung und Wirtschaftlichkeitsprüfung

Die ÖkobilanzMit Hilfe von Ökobilanzen sollen über Ver-gleiche umweltrelevanter in- und outputsErkenntnisse über die ökologische Kompati-bilität unterschiedlicher Produkte bzw. Ver-fahren gewonnen werden. Ziel einer Ökobi-lanz ist letztendlich die Identifizierung um-weltverträglicherer Produkte bzw. Verfahrenbei bestehenden Alternativen. Im Rahmendieses Forschungsprojekts wird ein Vergleichzwischen dem gegenwärtigen Stand der Tech-nik in der Form des Verfahrens der saurenHydrolyse und dem neuen fermentativenVerfahren durchgeführt.

Die Grundlage für die umweltökonomi-schen Arbeiten bildet das Umweltinformati-onssystem Ökobilanz in Form des Ansatzesder Lebenszyklusanalyse, wie es von der ISO(1997 und 1998) vorgeschlagen wird (Abb. 5).Als Ziel wurde die Erstellung einer Produkt-ökobilanz für die Herstellung der Aminosäu-

re L-Serin in Pharmaqualität zur Verwendungin Infusionslösungen definiert. Sie soll dasFirmenmanagement bei der Entscheidungs-findung über die Implementierung neuer Pro-duktionsverfahren unterstützen, indem siedas Set konventioneller betriebswirtschaftli-cher Entscheidungsparameter um zusätzlicheInformationen ergänzt, die diese nicht bereit-stellen können. Die Abgrenzung des Bilanz-raums und die Bestimmung der Bilanzgren-zen basiert auf dem „from the cradle to thegate“ Ansatz (Kasten 3). Die Erfassung derDaten für die Sachbilanz als Kernelement derÖkobilanz erfolgt aus einer Kombination vonDatenermittlungen aus realen Produktions-umgebungen, upscales aus Versuchen, Exper-tenbefragungen sowie Literatur- und Inter-netrecherchen. Die Erstellung der Sachbilanzerfolgt mit Unterstützung der speziellen Öko-bilanzsoftware Umberto, die eine integrierteVorgehensweise von der qualitativen Darstel-lung der einzelnen Verfahrensschritte (Model-lierung des Systems und Aufbau eines Stoff-stromnetzes), über die quantitative Erfassungaller Parameter bis zur gegebenenfalls not-wendigen Berechnung noch unbekannterStoffströme in einem Stoffstromnetz ermög-licht. Bei der Wirkungsbilanz und der Bilanz-bewertung kommen Datenbanken und Ex-pertensysteme zum Einsatz, z.T. in Kombi-nation mit Umberto. Die Erstellung der Öko-bilanz erfolgt unmittelbar mit der Entwick-lung der zu bewertenden Teilprozesse, wo-durch eine zeitnahe prozessbegleitende Be-wertung möglich wird, die eventuell ungün-stige Entwicklungen bereits im Frühstadiumerkennen lässt. So konnten erste Ergebnisseökobilanzieller Untersuchungen (z.B. hin-sichtlich des Einsatzes von Antibiotika) be-reits frühzeitig in der Stammentwicklung be-rücksichtigt werden. Die derzeitigen For-schungsergebnisse deuten darauf hin, dass dasneu zu entwickelnde fermentative Verfahrenmit geringeren Umweltbelastungen verbun-den ist als die saure Hydrolyse proteinogenerRohstoffe.

Die Wirtschaftlichkeitsanalyse

Da es das Ziel des Forschungsprojektesist, dass der mittelständische Projektpartner

Amino GmbH erfolgreich als Anbieter von L-Serin am Markt auftreten kann, kommt derkostenrechnerischen Betrachtung eine erheb-liche Bedeutung zu. Im Rahmen des Projek-tes wird der Ansatz verfolgt, die Ökobilanzmit modernen Kostenmanagementsystemenzu verbinden, um eine ökologisch und öko-nomisch fundierte Entscheidungsfindung zuermöglichen. In diesem Zusammenhang stel-len sich besondere Herausforderungen, da essich beim Markt für Aminosäuren um einüberaus intransparentes Marktumfeld han-delt, durch welches Investitionsplanungenerschwert werden. Mit Hilfe von Ansätzen ausder Umweltkostenrechnung und des „TargetCosting“ (Kasten 4) sollen kostenrechnerischeÜberlegungen und Marktparameter frühzei-tig in den Entwicklungsprozess einfließen.Die Integration angepasster Kostenmanage-mentansätze in die Produkt- und Verfahrens-entwicklung hat zum Ziel, die zukünftigeWettbewerbsfähigkeit des Produktes zu ge-

Kasten 2:„Integrationsmutagenese“

Eine Methode zur Geninaktivierung durchIntegration eines Plasmids in das zu mutierendeGen. Da sich das Plasmid, das eine Antibiotikum-resistenz trägt, im Zielorganismus nichtvermehren kann können nur solche Stämmeüberleben, die das Plasmid im Chromosomintegriert haben. Die Integration erfolgt aufgrundhomologer DNA-Sequenzen und natürlicherRekombination. Es kommt daher zu einerUnterbrechung der Gensequenz durch dasPlasmid, und damit zu der gewünschtenGeninaktivierung.

Kasten 3:„From the Cradle to the gate“-Ansatz

Je nach Produkt ist bei einer Produktökobilanzeine unterschiedliche Abgrenzung des zuuntersuchenden Bilanzraums sinnvoll. Beim„from the cradle to the gate“ Ansatz („von derWiege bis zum (Betriebs)Tor“) erfolgt eineDokumentation von der Rohstoffgewinnung überdie Produktvorketten und die Produktion desHauptproduktes bis zur Auslieferung an denAbnehmer. Bei Produkten mit intensiver Nutzungund Notwendigkeit der Entsorgung ist eineAusdehnung des Bilanzraums um Produktver-wendung und -entsorgung erforderlich („fromthe cradle to the grave“ Ansatz).

Biokatalyse

Abb. 4: L-Serin-Exportratenverschiedener C.glutamicum-Stämme nach Zugabe von 1 mML-Serin-Tripeptid

Abb. 5: Aufbau einer Ökobilanz, In Anlehnung an ISO (1997): ISO 14040: Environmental management -Life cycle assessment - Principles and framework, Genève.

Page 24: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

69S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

währleisten und die Informationsbasis für In-vestitionsentscheidungen angesichts einessehr komplexen Marktumfeldes zu verbes-sern. Durch den gewählten Ansatz konnte be-reits frühzeitig ein Kostenmodell für die Pro-dukt- und Verfahrensentwicklung erstellt wer-den. Es unterliegt einer laufenden Optimie-rung hinsichtlich der Projektfortschritte undveränderter Marktbedingungen und bildetdie Basis für eine an den Markt- und Wettbe-werbsbedingungen ausgerichtete Projektar-beit.

Literaturangaben

Aida K. (Hsrg.): Biotechnology of amino acidsproduction. In: Progress in industrial microbiology. Vol.24, Elsevier, Amsterdam, 1986Eggeling, L., Pfefferle W. und Sahm H. (2001): Aminoacids. In: Ratledge, C. und Kristiansen, B. (Hrsg.) BasicBiotechnology. Cambridge University Press, 2001Enei, H., Yokozeki , K. und Akashi , K.: Recent progressin microbial production of amino acids. In: Japanesetechnology reviews Vol. V. Gordon and Breach SciencePublishers, New York, 1989Gubler, M., Jetten M., Lee S. H. und Sinskey A. J.(1994): Cloning of the pyruvate kinase gene (pyk) ofCorynebacterium glutamicum and site-specific inactivation ofpyk in a lysine-producing Corynebacterium lactofermentumstrain. Appl. Env. Microbiol. 60: 2494-2500Hodgson, J. (1994): Bulk amino-acid fermentation:technology and commodity trading. Biotechnology 12:152-155ISO (1997): ISO 14040: Environmental management –Life cycle assessment – Principles and framework,Genève.ISO (1998): ISO 14041: Environmental management –Life cycle assessment – Goal and scope definition andinventory analysis, Genève.Krämer, R. (1994): Secretion of amino acids: Physiologyand mechanism. FEMSMicrobiol. Rev. 13: 75-79.Kubota, K., Kageyama, K., Shiro, T. und Okumura, S.(1971): Fermantative production of L-serine. J. Gen. Appl.Microbiol. 17: 167-168Izumi, Y., Yoshida, T., Miyazaki, S.S., Mitsunaga, T.,Ohshiro, T., Shimao, M., Miyata, A. und Tanabe, T.(1993): L-Serine production by a methylotroph and istrelated enzymes. Appl. Microbiol. Biotechnol. 39: 427-432Peters-Wendisch, P., Eggeling, L. und Sahm, H. (2000):Nukleotidsequenzen kodierend für Proteine beteiligt ander Biosynthese von L-Serin und Verfahren zu dessenHerstellung. Patentanmeldung PT 0.1960Saski, R. und Pizer L. I. (1975): Regulatory properties ofpurified 3-Phosphoglycerat-Dehydrogenase from Bacillussubtilis. Eur. J. Biochem. 51: 415-427Simic, P., Sahm, H., and Eggeling, L. (2001): L-Threonine export: Use of peptides to identify a newtranslocator from Corynebacterium glutamicum. J.Bacteriol. (accepted for publication)Suga, M., Sugimoto M., Osumi T., Nakamatsu T.,Hibino W. und Ito M. (1999): Method of producing L-serine by fermentation, Ajinomoto Co., Inc. PatentVeröffentlichungsnr. EP0931833Tanaka, T., Yamamoto, K., Towprayoon, S., Nakajima,H., Sonomoto, K., Yokozeki, K., Kubota, K. und Tanaka,A. (1989): Continuous production of L-serine byimmobilized growing Corynebacterium glycinophilumcells. Appl. Microbiol. Biotechnol. 30: 564-568Vrljic ,M., Sahm, H., and Eggeling, L. (1996): A newtype of transporter with a new type of cellular function: L-lysine export from Corynebacterium glutamicum. Mol.Microbiol. 22:815-826

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Hermann SahmInstitut für Biotechnologie 1Forschungszentrum Jülich GmbH52425 Jülichemail: [email protected]

Biokatalyse

Entwicklung innovativer Aminosäure-

produktion unter Berücksichtigung des

Umweltkostenmanagements

Prof. Thomas Scheper, Dr. Roland Ulber,Dipl.-Chem. Tanja Koop, Dipl.-Chem. DirkKosemund, Institut für Technische Chemie derUniversität HannoverProf. Udo Müller, Dipl. Ök. SusannaHuebner, Dipl. Ök. Ralf Tostmann, Institutfür Volkswirtschaftslehre Abt. Ordnungs u.ProzesspolitikDr. Robert Faurie, Amino GmbH Frellstedt

Im Rahmen des Projektes werden innovati-ve enzymatische Aufarbeitungsverfahrenfür natürlich vorkommende Proteinekonzipiert, getestet und hinsichtlich ihrerWirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeitgenauer untersucht. Mit Hilfe diesesenzymatischen Verfahrens können ausge-wählte Proteine effizient in ihre Einzelbe-standteile (Aminosäuren, Peptide) zerlegtwerden. Eine prozessintegrierte selektiveAufarbeitung macht die Abtrennungeinzelner Aminosäuren oder Aminosäure-gruppen wirtschaftlich interessant. Diegenaue Abstimmung einzelner Prozess-schritte führt zu einer effizienten Ausbeuteund zu einer Reduktion von möglichenVerlusten. Alle Schritte im Forschungsbe-reich werden durch begleitende Wirtschaft-lichkeitsberechnungen und Ökobilanzierun-gen hinsichtlich ihrer industriellen Verwirk-lichung untersucht.

� Zur Zeit werden Aminosäuren durch Pro-zesse wie saure Hydrolyse, chemische Syn-these oder Produktion mit Hilfe von Mikro-organismen gewonnen. Dabei fallen entwe-der hohe Salzfrachten an, was eine erhöhteUmweltbelastung zur Folge hat, oder die Ver-fahren liefern nur eine Aminosäure mit ent-sprechend hohem technischen Aufwand. Dieenzymatische Hydrolyse proteinhaltiger, in-dustrieller Nebenprodukte oder Abfallstoffebietet die Möglichkeit, unter schonendenBedingungen ein breites Spektrum an Ami-nosäuren aus diesen Reststoffen zu gewinnen.

Nach der Hydrolyse müssen weitereSchritte, wie Ionenaustausch und Umkristal-lisation, zur Reinigung der Aminosäurendurchgeführt werden. Diese Aufreinigungs-schritte verursachen oft zusätzlich hohe En-ergiekosten. Alternativ kann hier die selekti-ve Adsorption von Aminosäuren aus denAminosäuren/Proteingemischen an Zeolithegenutzt werden.

Begleitend zu den geplanten technischenProzessen werden vom Institut für Volkswirt-schaftslehre Kostenaussagen für die einzelnenModule erstellt. Diese Daten liefern betriebs-wirtschaftliche Beurteilungskriterien für be-stimmte Prozessgrößen, wie beispielsweisedie Enzymmenge. Zusätzlich werden nochUmweltaspekte betrachtet, indem basierendauf den functional units der Module eine Öko-bilanz erstellt wird. Ein Vergleich mit her-kömmlichen Verfahren soll klarstellen, ob dergeplante Prozess wirklich umweltschonenderarbeitet.

Enzymatische Hydrolyse und weitereAufarbeitung

A. Die enzymatische HydrolysePflanzliche Proteinkonzentrate wie Mais-oder Kartoffelkleber sind durch ihre Beschaf-fenheit oder durch mindergiftige Inhaltsstof-

Page 25: Biokatalyse - DBU · erwünscht, stellt aber gleichzeitig ein gro-ßes Problem beim Einsatz dieser Bacillus-Stämme als Wirtsorganismen für die hetero-loge Proteinsekretion dar.

70 S O N D E R A U S G A B E D E R D B U

Biokatalyse

fe als menschliche Nahrung oftmals ungeeig-net und werden daher nur als Tierfutter ein-gesetzt. In diesem Projekt werden gerade sol-che Proteinkonzentrate als mögliche Substra-te untersucht. Sie werden durch Hitzedena-turierung gewonnen und sind daher meistschwer lösliche Substanzen. Daher muss dieenzymatische Hydrolyse in zwei Schrittendurchgeführt werden. Im ersten Schritt wirdmit Hilfe einer Endoprotease das Protein ausdem jeweiligen Kleber in Form von Protein-fragmenten und Peptiden gelöst. Subtilisine,Proteasen der Serinklasse, erwiesen sich fürdiesen ersten Hydrolyseschritt als besondersgut geeignet. Die bisher getesteten Protea-sen sind konventionell erhältlich, sollen aberspäter durch Extremozyme ersetzt werden.Der zweite Hydrolyseschritt erfolgt durch dieZugabe einer Exoprotease. Auch hier wurdenkonventionell erhältliche Exoproteasen (vonNovo Nordisk, Röhm u.a. ) verwendet. Dieeingesetzte Substratmenge kann nicht belie-big gewählt werden. Bei den Untersuchun-gen wurde gefunden, dass Substratkonzentra-tionen von 6 Gewichtsprozent als obersteGrenze anzusehen sind, wenn man einen ho-hen Hydrolysegrad erreichen will. Versuchezur Substratabhängigkeit des Prozesses zei-gen, dass bei Enzym zu Proteinverhältnissenvon 1 % für die Endoprotease und 5 % für dieExoprotease, Hydrolysegrade größer als 55 %in 18 Stunden erreichbar sind. Der Einsatz

Abb. 1: Geplanter Hydrolyseprozess für Hydrolysen im Technikum oder Industrie Maßstab.

größerer Mengen an Exoprotease liefert nochhöhere Hydrolysegrade, doch stellen die teu-ren Exoproteasen finanziell einen limitieren-der Faktor für den Prozess da.B. Abtrennung von Aminosäuren und PeptidenDie Aufarbeitung größerer Mengen an Hy-drolysat soll mit industriell üblichen Verfah-ren erfolgen. Den geplanten Prozess zeigtAbbildung 1. Die Umsetzung wird derzeitmit dem Projektpartner Amino GmbH be-arbeitet.

Die der Filtration folgende Ionenaus-schlusschromatographie soll eine Auftren-nung von Peptiden und Aminosäuren liefern.Da bei diesem Verfahren nur Wasser als Elu-ent verwendet wird, zählt es zu umweltscho-nenden Methoden der Aufarbeitung. DiePeptidfraktionen der Ionenausschlusschroma-tographie können als Nahrungsmittelzusätzegenutzt werden. Die Aminosäurefraktion sollals Ausgangslösung für die schnelle Isolierungvon Aminosäuren mit Zeolithen dienen.

Adsorption von L-Aminosäuren an Zeolithen

A. Screening nach geeigneten ZeolithenZum Feinreinigen verschiedener Aminosäu-refraktionen werden Zeolithe verwendet. Inden Versuchen mit den synthetischen Zeoli-then wurden wässrige Lösungen der protei-nogenen L-Aminosäuren mit einer Konzen-tration von 2 g/L angesetzt. Der pH-Wert

wurde auf ca. 0,5 Einheiten unter den isoelek-trischen Punkt der jeweiligen Aminosäureeingestellt. 20 mg des zu untersuchendenZeolithen wurden mit jeweils 1 mL der Ami-nosäurelösungen versetzt und für 24 h bei RTund 1500 rpm geschüttelt. Anschließend wur-de der Zeolith abzentrifugiert und dieAminosäurekonzentration des Überstandeswurde mit Hilfe einer HPLC bestimmt.

Mit einem Zeolith des FAU-Typs konn-ten Adsorptionsgrade von 38 % für L-Phenyl-alanin und von 63 % für L-Tryptophan ge-messen werden. Bei L-Histidin wurden 49%erreicht. L-Histidin kann über eine Änderungdes pH-Wertes von den beiden aromatischenAminosäuren abgetrennt werden. L-Phenyl-alanin und L-Tryptophan können jedoch vondiesem Zeolithen nicht mehr getrennt eluiertwerden (Trennfaktor = 0,6).

Die Auftrennung dieser beiden Amino-säuren kann jedoch mit einem Zeolith desMFI-Typs erreicht werden. Er adsorbiert L-Phenylalanin wesentlich besser (57 %) alsL-Tryptophan (5 %). Dies entspricht einemTrennfaktor von 11,4. Dieser Zeolith ist auchfür die Trennung von L-Leucin und L-Iso-leucin geeignet. L-Leucin wird mit 39 % stär-ker adsorbiert als L-Isoleucin mit 9 %.

B. Aufnahme von Ad- und Desorptionsisother-menEs wurden Ad- und Desorptionsisothermenfür L-Tryptophan und L-Phenylalanin amZeolith des FAU-Typs aufgenommen. Dazuwurden wässrige L-Tryptophan und L-Phe-nylalanin-Lösungen mit Konzentrationenzwischen 5 und 50 mmol/L hergestellt. DieAnsätze wurden 3 h bei RT und 1500 rpmgeschüttelt. Anschließend wurde der Zeolithabzentrifugiert und die Aminosäurekonzen-tration im Überstand mittels HPLC be-stimmt. Die Desorption erfolgte unter glei-chen Bedingungen mit 0,1 M Natronlauge.Auch hier wurde nach der Zentrifugation dieAminosäurekonzentration im Überstand be-stimmt.

In den Versuchen zeigt sich ein linearerZusammenhang zwischen Beladung undKonzentration der Ausgangslösung. Dasweist darauf hin, dass die maximale Bela-dungskapazität noch nicht erreicht ist. Die-ses Ergebnis findet man sowohl für L-Tryp-tophan als auch für L-Phenylalanin. Daswurde auch in weiteren Versuchen bestätigt,in denen die Adsorption von Gemische ausL-Tryptophan und L-Phenylalanin unter-sucht wurde. Dort zeigte sich dann auchkeine Abhängigkeit der Beladung von derKonzentration der jeweils anderen L-Ami-nosäure. Außerdem wurde gezeigt, dass dieDesorption fast quantitativ verläuft.

Aufgrund dieser Ergebnisse ist der Auf-bau folgender Zeolithkaskade zur Abtren-nung von L-Tryptophan und L-Phenylalanindenkbar: Dieser Aufbau würde eine saubere

Abb. 2: Zeolithkaskade zur Abtrennung von L-Tryptophan und L-Phenylalanin aus einemHydrolysegemisch