Biotechnologische Leckerbissen || Mein TV-Herzinfarkt (3)

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190 Aber was ist nun FABP? Im Jahre 1991 nach Christi Geburt, im Jahr zwei nach der deutschen Wiedervereingung,wurde der Verfasser als Ossi zum Abteilungsleiter an ein Fraunhofer Institut im westlichen Teil unseres Vaterlandes berufen. Damals ein etwas ungewöhnlicher Weg und ein mutiger Schritt meiner westdeutschen Kollegen! Inzwischen ist immer- hin meine DDR-Akademie-Kollegin Andschie an der Staats- spitze und der Rostocker Pfarrer Joachim Gauck unser aller Präsident. Wer hätte das vor 20 Jahren für möglich gehalten? In Münster nun traf ich Jan Glatz aus dem niederländischen Maastricht. Er hielt im Institut einen Vortrag zur »Biochemie des Transports und der Bindung von Fettsäuren durch Proteine im Herzmuskel«. Der Titel ließ Gähnattacken befürchten. Doch der lebhafte Jan zerstreute unsere Bedenken sofort: Das sogenannte Fett- säure-Bindungsprotein (FABP) trägt entscheidend zur Energie- versorgung des Herzmuskels bei. 20 Prozent der Herz- muskeleiweiße sind FABP. Eines elek- trisierte mich – die Kleinheit des Moleküls! Es hat ein Molekulargewicht von nur 15 000 Dalton. Die dort ebenfalls vorkommenden Herzproteine Troponin und Creatin-Kinase sind doppelt bzw. mehr als dreimal so groß! Ich stellte Glatz eine simple Frage: »Wenn das FABP so klein ist, was passiert mit ihm nach einem Herzinfarkt?« Seine Ant- wort: »Sehr gute Frage! Es ist schnell im Blut! Es sollte das schnellste Protein sein.« Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Creatin-Kinasen und Troponine waren damals die klassi- schen Biomarker in Herzinfarkt-Tests. Allerdings konnte man diese »dicken Dinger« erst eine geschlagene Stunde nach dem Mein TV-Herzinfarkt (3) 01.09.12 R. Renneberg, V. Berkling, Biotechnologische Leckerbissen, DOI 10.1007/978-3-642-37111-0_61, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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Aber was ist nun FABP?Im Jahre 1991 nachChristi Geburt, im Jahrzwei nach der deutschenWiedervereingung,wurde

der Verfasser als Ossi zum Abteilungsleiter an ein FraunhoferInstitut im westlichen Teil unseres Vaterlandes berufen.

Damals ein etwas ungewöhnlicher Weg und ein mutigerSchritt meiner westdeutschen Kollegen! Inzwischen ist immer-hin meine DDR-Akademie-Kollegin Andschie an der Staats-spitze und der Rostocker Pfarrer Joachim Gauck unser allerPräsident. Wer hätte das vor 20 Jahren für möglich gehalten?

In Münster nun traf ich Jan Glatz aus dem niederländischenMaastricht. Er hielt im Institut einen Vortrag zur »Biochemiedes Transports und der Bindung von Fettsäuren durch Proteineim Herzmuskel«.

Der Titel ließ Gähnattacken befürchten. Doch der lebhafteJan zerstreute unsere Bedenken sofort: Das sogenannte Fett-säure-Bindungsprotein (FABP) trägt entscheidend zur Energie-versorgung des Herzmuskels bei.

20 Prozent der Herz- muskeleiweiße sind FABP. Eines elek-trisierte mich – die Kleinheit des Moleküls!

Es hat ein Molekulargewicht von nur 15 000 Dalton. Diedort ebenfalls vorkommenden Herzproteine Troponin und Creatin-Kinase sind doppelt bzw. mehr als dreimal so groß!

Ich stellte Glatz eine simple Frage: »Wenn das FABP so kleinist, was passiert mit ihm nach einem Herzinfarkt?« Seine Ant-wort: »Sehr gute Frage! Es ist schnell im Blut! Es sollte dasschnellste Protein sein.«

Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.Creatin-Kinasen und Troponine waren damals die klassi-

schen Biomarker in Herzinfarkt-Tests. Allerdings konnte mandiese »dicken Dinger« erst eine geschlagene Stunde nach dem

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R. Renneberg, V. Berkling, Biotechnologische Leckerbissen,DOI 10.1007/978-3-642-37111-0_61, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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AMI (Akuter Myocardinfarkt) im Blut nachweisen. Zuverläs-sig, aber schneckengleich; viel zu langsam!

Die Aussage war bestenfalls: Vor einer Stunde hatte icheinen AMI! Oder: gestern! Das FABP war dagegen schon etwazehn Minuten nach dem AMI nachweisbar. Eine Rakete!

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Also entwickelten wir in Münster Antikörper und einenSchnelltest für FABP.

Jan Glatz startete dann mit uns ein EU-Projekt (EUROCARDI)und machte damit das FABP langsam bekannt.

In Hongkong begannen wir die FABP-Testentwicklung ab demJahr 2000.

Das längst in die Serienfertigung überführte Produkt trägt dieBezeichnung CardioCheck h-FABP ®. Ärzte, Labors und Ret-tungsdienste können den Test in Deutschland kaufen.

Patienten mit einem erhöhten Infarkt-Risiko empfehlen wir,ihren Arzt zu konsultieren.