BIPOLARE STÖRUNGEN: NEUES AUS DER FORSCHUNG 2016/2017 · Systematischer Review zur Aktivierung bei...

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BIPOLARE STÖRUNGEN: NEUES AUS DER FORSCHUNG 2016/2017 Bauer, Michael, Bauer, Rita, Donix, Katharina, Haußmann, Robert, Lewitzka, Ute, Mayer-Pelinski, René, Mühlbauer, Esther, Petzold, Johannes, Pfennig, Andrea, Pilhatsch, Maximilian, Ritter, Dirk, Ritter, Philipp, Severus, Emanuel, Soltmann, Bettina Aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Technische Universität Dresden Fetscherstraße 74 01307 Dresden Inhaltsverzeichnis Diagnostik und Verlauf Diagnostische Konversion zur bipolaren Störung in Studien mit unipolar depressiven Patienten, die an Studien mit Antidepressiva teilnehmen Systematischer Review zur Aktivierung bei bipolar affektiv Erkrankten Neurobiologie und Genetik Strukturelle Gehirnveränderungen bei Patienten mit einer bipolaren Erkrankung: Befunde des ENIGMA Consortiums Genomweite Assoziationsstudie bei 40.000 Personen identifiziert zwei mit der bipolaren Störung assoziierte neue Risikoregionen Genetische Varianten assoziiert mit Therapieansprache auf Lithium bei bipolarer Störung: eine genomweite Assoziationsstudie Epidemiologie Krebsrisiko bei Patienten mit bipolarer Störung: bevölkerungs-repräsentative Kohortenstudie Einfluss von Stimmungsstabilisierern auf selbstverletzendes Verhalten, unbeabsichtigte Verletzungen und Suizide bei bipolaren Patienten: Auswertung elektronischer Patientenakten aus UK Mortalitätsdaten bei US-Veteranen mit psychiatrischen Erkrankungen bei Lithium und Valproat Behandlung Verordnungs- und Einnahmemuster von Psychopharmaka bei schwangeren Frauen mit einer bipolar affektiven Erkrankung – eine landesweite registerbasierte Studie aus Dänemark Pharmakotherapie: Wirkungen Monotherapie mit Lithium, Valproat, Olanzapin oder Quetiapin als Langzeitbehandlung für bipolare Erkrankungen – welche Substanz ist im klinischen Alltag am besten? Stufenweiser antidepressiver Wirksamkeitsverlust bei wiederholtem Einsatz von Antidepressiva in Studien bei Bipolar-II-Störung Wirksamkeit und Sicherheit einer Quetiapin Retard Monotherapie in der Behandlung depressiver Episoden bei bipolarer Störung: eine multizentrische, Placebo-kontrollierte Studie Add-on Behandlung mit Armodafinil bei Bipolar-I-Störung Einzelinfusion von Ketamin bzw. anderen NMDA-Rezeptor- Antagonisten zur Behandlung der unipolaren und bipolaren Depression: eine Meta- Analyse der Effektivität, Sicherheit und des Verlaufes

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BIPOLARE STÖRUNGEN: NEUES AUS DER FORSCHUNG 2016/2017

Bauer, Michael, Bauer, Rita, Donix, Katharina, Haußmann, Robert, Lewitzka, Ute, Mayer-Pelinski, René, Mühlbauer, Esther, Petzold, Johannes, Pfennig, Andrea, Pilhatsch, Maximilian, Ritter, Dirk, Ritter, Philipp, Severus, Emanuel, Soltmann, Bettina Aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Technische Universität Dresden Fetscherstraße 74 01307 Dresden Inhaltsverzeichnis Diagnostik und Verlauf Diagnostische Konversion zur bipolaren Störung in Studien mit unipolar

depressiven Patienten, die an Studien mit Antidepressiva teilnehmen Systematischer Review zur Aktivierung bei bipolar affektiv Erkrankten Neurobiologie und Genetik Strukturelle Gehirnveränderungen bei Patienten mit einer bipolaren

Erkrankung: Befunde des ENIGMA Consortiums Genomweite Assoziationsstudie bei 40.000 Personen identifiziert zwei mit der

bipolaren Störung assoziierte neue Risikoregionen Genetische Varianten assoziiert mit Therapieansprache auf Lithium bei

bipolarer Störung: eine genomweite Assoziationsstudie Epidemiologie Krebsrisiko bei Patienten mit bipolarer Störung: bevölkerungs-repräsentative

Kohortenstudie Einfluss von Stimmungsstabilisierern auf selbstverletzendes Verhalten,

unbeabsichtigte Verletzungen und Suizide bei bipolaren Patienten: Auswertung elektronischer Patientenakten aus UK

Mortalitätsdaten bei US-Veteranen mit psychiatrischen Erkrankungen bei Lithium und Valproat Behandlung

Verordnungs- und Einnahmemuster von Psychopharmaka bei schwangeren Frauen mit einer bipolar affektiven Erkrankung – eine landesweite registerbasierte Studie aus Dänemark

Pharmakotherapie: Wirkungen Monotherapie mit Lithium, Valproat, Olanzapin oder Quetiapin als

Langzeitbehandlung für bipolare Erkrankungen – welche Substanz ist im klinischen Alltag am besten?

Stufenweiser antidepressiver Wirksamkeitsverlust bei wiederholtem Einsatz von Antidepressiva in Studien bei Bipolar-II-Störung

Wirksamkeit und Sicherheit einer Quetiapin Retard Monotherapie in der Behandlung depressiver Episoden bei bipolarer Störung: eine multizentrische, Placebo-kontrollierte Studie

Add-on Behandlung mit Armodafinil bei Bipolar-I-Störung Einzelinfusion von Ketamin bzw. anderen NMDA-Rezeptor- Antagonisten zur

Behandlung der unipolaren und bipolaren Depression: eine Meta-Analyse der Effektivität, Sicherheit und des Verlaufes

Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Cariprazin bei Patienten mit bipolarer Depression

Lurasidon zur Behandlung von depressiven Episoden mit gemischten Merkmalen: eine Doppel-Blind, randomisiert, Placebo-kontrollierte Studie

Randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie einer Zusatztherapie mit Agomelatin bei Depression im Rahmen einer Bipolar-I-Störung

Randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie einer Zusatztherapie mit Pioglitazon bei depressiver Episode im Rahmen einer Bipolar-I-Störung

Pharmakotherapie: Nebenwirkungen Wesentliche Nebenwirkungen der häufig eingesetzten Stimmungsstabilisierer

bei bipolaren Störungen Digitale Medien Die Verfügbarkeit verschreibungspflichtiger Medikamente für bipolare

Erkrankungen in Online-Apotheken Internet-Nutzung durch Patienten mit bipolarer Erkrankung: Ergebnisse einer

internationalen multizentrischen Studie Online-Informationssuche von Patienten mit bipolarer Erkrankung: Ergebnisse

einer internationalen multizentrischen Studie Literatur

Diagnostik und Verlauf

Diagnostische Konversion zur bipolaren Störung in Studien mit unipolar depressiven Patienten, die an Studien mit Antidepressiva teilnehmen

Ziel dieser dänischen Studie (1) war die Identifikation klinischer Prädiktoren für die Konversion von einer unipolar-depressiven Störung zu einer bipolaren Störung. Die Identifikation dieser Prädiktoren ist von größter klinischer Relevanz, da Patienten mit einem erhöhten Konversionsrisiko engmaschigerer klinischer Befundkontrollen bedürfen und entsprechend aufgeklärt werden sollten. Neben bestimmten klinischen Charakteristika der bipolaren Depression wurden bisher beispielsweise nicht Diagnose-relevante hypomane Symptome als Risikofaktoren für eine Konversion beschrieben. Das Konversionsrisiko wird aktuell mit 0,5-1,0 % pro Jahr geschätzt. Die Autoren untersuchten eine Population von 290 unipolar depressiven Patienten, die zwischen 1985 und 1994 an insgesamt 3 verschiedenen medikamentösen Interventionsstudien mit unterschiedlichen Antidepressiva teilgenommen hatten. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 50,8 Jahre (48,1 Jahre für Männer und 51,5 Jahre für Frauen) und der durchschnittliche Nachbeobachtungszeitraum pro Patient betrug 15,2 Jahre. Die Autoren analysierten, welche klinischen Charakteristika bei Studieneinschluss mit einer späteren Konversion assoziiert waren. Innerhalb des Nachbeobachtungszeitraumes von 15,2 Jahren fanden die Autoren ein Gesamt-Konversionsrisiko von 20,7 %. Dabei war eine hohe Anzahl vorheriger depressiver Episoden bei Studieneinschluss mit einem erhöhten Konversionsrisiko vergesellschaftet (HR 1,18, 95%-CI (1,10-1,26)), wohingegen kein Zusammenhang mit Geschlecht, Alter, Alter bei Erstmanifestation, Dauer der baseline-Episode oder Subtyp der Depression gefunden wurde.

Kommentar: Diese Daten machen deutlich, dass unipolar depressive Patienten mittleren Alters mit zahlreichen Episoden besonderer Beobachtung und engmaschiger klinischer Betreuung bedürfen. Darüber hinaus sollten diese Patienten über das erhöhte Konversionsrisiko aufgeklärt werden.

Systematischer Review zur Aktivierung bei bipolar affektiv Erkrankten

Jan Scott und Kollegen (2) haben in diesem systematischen Review untersucht, inwieweit die Aktivierung und somit eine erhöhte Aktivität und Energie bei Patienten mit bipolarer Störung statistisch signifikant und somit abnormal erhöht ist und unabhängig von Stimmungsveränderungen auftritt. Obwohl die Bedeutung der Aktivierung im Rahmen der bipolar affektiven Störung schon sehr lange bekannt ist, wurde dieses Konstrukt bisher zu wenig untersucht. In die hier vorgenommenen Untersuchung wurden 56 Primärstudien (Faktorenanalysen, Erhebungen mittels ecological momentary assessment (EMA), Aktigraphie- und Laborstudien) einbezogen, die die Dimensionen und Faktorenstruktur der Manie und bipolaren Depression untersuchte sowie vergleichende Langzeitmessungen der Tagesaktivität von bipolar Erkrankten und Gesunden bzw. Erkrankten anderer Genese beinhaltete.

Das robusteste Ergebnis dieser Untersuchung ergab, dass aktuell euthyme und depressive Patienten mit bipolarer Störung im Mittelwert weniger aktiv sind als die Kontrollgruppe. Darüber hinaus fand sich in einem Teil der Studien, dass Patienten mit bipolarer Störung ein im Vergleich zu den Probanden der Kontrollgruppe unorganisierteres und somit auch schwerer vorhersagbares Verhalten zeigen, dass darüber hinaus auch noch weniger feste Gewohnheiten

zeigt. Insbesondere in faktoranalytischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Stimmung und Aktivierung zwei unterschiedliche Dimensionen der bipolaren Erkrankung darstellen.

Abb. 1: PRISMA Diagram. Scott et al., (2016) JAMA Psychiatry [Epub ahead of print] (2)

Abb. 2: Netzdiagramm der Faktorenstruktur einer Manie.

Primäre und sekundäre Dimensionen wurden in 13 Studien zur Manie und in 7 Studien zu

gemischten Zuständen und Manie gefunden. Die Einheiten der Messung im Netzdiagramm

entsprechen der Anzahl der Studien. Scott et al., (2016) JAMA Psychiatry [Epub ahead of

print] (2)

Kommentar: Die Ergebnisse dieser Untersuchung unterstützen somit die Aufnahme des Symptoms „Aktivierung“ als A-Kriterium der bipolar affektiven Störung im DSM-5 und sollten darüber hinaus Anlass sein, diesem Konstrukt höhere Aufmerksamkeit zu schenken und zu überprüfen, ob die Aktivierung bei der frühen Erkennung einlaufender Episoden hilfreich sein kann.

Neurobiologie und Genetik

Strukturelle Gehirnveränderungen bei Patienten mit einer bipolaren Erkrankung: Befunde des ENIGMA Consortiums

Strukturell-morphologische Veränderungen basierend auf strukturellen Magnetresonanz-tomographie (MRT) Befunden wurden bei Patienten mit bipolarer Störung wiederholt in der Literatur beschrieben, allerdings waren die Befunde häufig widersprüchlich bzw. kleinen Fallzahlen erhoben. Das internationale (globale) Neuroimaging/Neurogenetics Konsortium ENIGMA (http://enigma.ini.usc.edu/) (ENIGMA steht für Enhancing Neuroimaging Genetics through Meta-Analysis, ENIGMA) mit Sitz in Kalifornien vereint Wissenschaftler, um Gehirnfunktionen und pathologische Hirnprozesse an großen Stichproben zu untersuchen. In der vorliegenden Studie von Hibar et al. (3) wurden strukturelle Magnetresonanztomographie (MRT) Daten aus 20 Zentren von 1.710 bipolaren Patienten und von 2.594 korrespondierenden gesunden Kontrollpersonen auf Volumenunterschiede in 9 Regionen untersucht: Nucleus accumbens, Amygdala, Kaudatus, Hippocampus, Pallidum, Putamen, Thalamus, Seitenventrikel und intrakranielles Volumen. Alter, Geschlecht, und Unterschiede in der Kopfgröße wurden als Co-Variaten in die Analysen einbezogen.

Die Analyse zeigte, sich dass die Gruppe der bipolaren Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen signifikante Volumenreduktionen in den folgenden Regionen aufwiesen: Hippocampus, Thalamus und Amygdala. Des Weiteren zeigte sich, dass bipolare Patienten signifikant größere Ventrikel aufweisen. Bei den übrigen 5 Strukturen fanden sich keine signifikanten Veränderungen im Vergleich zu den Kontrollen.

Abb. 3: Subkortikales Hirnvolumen bei Bipolarer Störung im Vergleich zu Kontrollpersonen.

Angepasste Cohen’s d Schätzungen aller bipolarer Patienten im Vergleich zu Kontrollen.

Die Effektstärke der Änderung im Volumen zwischen Fällen von Bipolarer Störung und

Kontrollwerten nach Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, und intrakraniellem Volumen in

allen hier wichtigen Hirnregionen. Hibar et al., (2016) Mol Psychiat 21:1710-1716. (3)

Abb. 4: Vergleich von Imagingbiomarkern der beiden Bipolar Typen I und II.

Angepasste Cohen’s d Schätzungen bipolar erkrankter Patienten, unterteilt in Diagnose Typ

I oder Typ II im Vergleich zu Kontrollwerten. Effektstärke der Volumenänderung zwischen

Typ I und Kontrollwerten in rot dargestellt und Ergebnis von Typ II im Vergleich zu

Kontrollwerten in grün. Alle Effektstärken werden kontrolliert für Alter, Geschlecht, und

intrakraniellem Volumen. Hibar et al., (2016) Mol Psychiat 21:1710-1716. (3)

Kommentar: Diese weltweit bislang größte Untersuchung von einzelnen MRT Befunden belegt strukturelle Gehirnveränderungen bei Patienten mit bipolarer Störung. Da diese Unterschiede allerdings nur bei solch großen Stichproben deutlich werden und diese Veränderungen relativ unspezifisch sind, können diese Studienbefunde für die klinische Routine (noch) nicht verwertet werden. Sie geben aber wichtige Signale und Hinweise für die künftige Forschung.

Genomweite Assoziationsstudie bei 40.000 Personen identifiziert zwei mit der bipolaren Störung assoziierte neue Risikoregionen

Genomweite Assoziationsstudien (GWAS) konnten bisher mehrere Risikoregionen identifizieren, die zusammen einen kleinen Teil der Vererbung der bipolaren Störung erklären könnten. Um weitere Risikoregionen aufzudecken, wurden in dieser großangelegten Multicenter-Studie (4) mehr als 9 Millionen Einzelnukleotid-Polymorphismen (Single Nucleotide Polymorphisms [SNPs]) bei 9.784 Patienten mit einer bipolaren Störung und 30.471 Personen einer Kontrollgruppe untersucht. Mit neuen analytischen Methoden wurde auch besonders Wert auf die Untersuchung des X-Chromosoms gelegt, da sich

frühere GWAS methodenbedingt nur eingeschränkt damit befassen konnten. Es zeigten sich signifikante genomweite Assoziationen mit SNPs an zwei neuen und vier bereits bekannten autosomalen Risikoregionen. Auf dem X-Chromosom konnten dagegen keine signifikanten SNPs identifiziert werden.

Die Ergebnisse tragen mit der Replikation bereits bekannter sowie der Entdeckung zwei neuer autosomaler Risikoregionen zum besseren Verständnis der Vererbung der bipolaren Störung bei. Die Autoren weisen darauf hin, dass noch umfangreichere GWAS notwendig sind, um SNPs mit kleinen Effektgrößen zu identifizieren, insbesondere wenn sich diese auf dem X-Chromosom befinden.

Kommentar: Die in „Human Molecular Genetics“ veröffentlichte großangelegte Multicenter-Studie konnte zwei neue und vier bereits bekannte mit der bipolaren Störung assoziierte Risikoregionen identifizieren. Einschränkend ist anzumerken, dass es sich aufgrund überlappender Datensätze um keine unabhängige Replikation handelt. Hou et al. tragen jedoch entscheidend dazu bei, die Vererbung der bipolaren Störung weiter zu entschlüsseln und damit die molekularen Mechanismen der Krankheitsentstehung besser zu verstehen.

Genetische Varianten assoziiert mit Therapieansprache auf Lithium bei bipolarer Störung: eine genomweite Assoziationsstudie

Lithium ist der Goldstandard in der Therapie der bipolaren Störung, jedoch spricht ein Teil der Patienten nicht auf Lithium an. Frühere Studien deuten darauf hin, dass genetische Varianten die unterschiedliche Lithium-Response erklären könnten.

In dieser von der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Lithium-Genetik (The International Consortium on Lithium Genetics [ConLiGen]) durchgeführten genomweiten Assoziationsstudie (5) wurde in einem ersten Schritt die Lithium-Response bei 2.563 Patienten mittels der etablierten Alda-Skala erfasst. In einem zweiten Schritt wurden mehr als 6 Millionen Einzelnukleotid-Polymorphismen (Single Nucleotide Polymorphisms [SNPs]) auf Assoziationen mit dem Rating der Lithium-Response untersucht. Vier SNPs auf Chromosom 21 waren dabei signifikant mit der Lithium-Response assoziiert.

In einer unabhängigen, prospektiven Studie mit 73 Patienten, die mit einer Lithium-Monotherapie bis zu 2 Jahre behandelt wurden, zeigten Träger der Response-assoziierten Allele signifikant weniger Rückfälle als Träger der alternierenden Allele (p=0,03268; Hazard Ratio 3,8; 95%-Konfidenzintervall 1,1-13,0). Die identifizierte Risikoregion enthält zwei Gene für lange, nicht-kodierende RNAs, die als wichtige Regulatoren der Genexpression, insbesondere im ZNS, vermutet werden. Diese Risikoregion könnte damit einen Biomarker darstellen, der bei Identifizierung zusätzlicher Marker, die Therapie der bipolaren Störung perspektivisch deutlich verbessern könnte. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um die Ergebnisse zu replizieren und den Nutzen für die klinische Praxis zu belegen.

Abb. 5: Ergebnisse einer Metaanalyse zu dichotomen und kontinuierlichen Lithium-

Response Phänotypen aller Studienteilnehmer. Hou et al., (2016) Lancet 387(10023):1085-

1093. (5)

Abb. 6: Regionaler Assoziationsplot in der Region von Chromosom 21, in dem die für das

gesamte Genom wichtigen SNPs verortet wurden.

Assoziation p Werte werden in Punktform dargestellt; die Farben induzieren den Grad der

Verbindung zwischen Ungleichgewicht und Index SNP. Die lokale Rekombinationsrate wird

als durchgehende blaue Linie dargestellt. Die Gene als gerade blaue Linie mit Beschriftung

der Genbezeichnungen. Hou et al., (2016) Lancet 387(10023):1085-1093. (5)

Kommentar: Die in The Lancet veröffentlichte großangelegte Multicenter-Studie (5) trägt dazu bei, die molekularen Mechanismen der unterschiedlichen Lithium-Response besser zu verstehen. Die gefundene Risikoregion auf Chromosom 21 könnte perspektivisch ein Biomarker von mehreren sein, mit Hilfe derer man die Lithium-Response voraussagen und damit personalisierte Therapien entwickeln könnte. Die große Herausforderung dürfte jedoch vorerst darin bestehen, dieses Ergebnis zu replizieren, da dies bei anderen Kandidatengenen – in jedoch deutlich kleineren Studien – bisher nicht gelang.

Epidemiologie

Krebsrisiko bei Patienten mit bipolarer Störung: bevölkerungs-repräsentative Kohortenstudie

Bei Patienten mit bipolaren Störungen war in Studien eine erhöhte Tumorinzidenz gefunden worden. Fallberichte und einzelne Studien hatten ein möglicherweise erhöhtes Risiko für das Auftreten von Tumorerkrankungen bei Patienten unter einer therapeutischen Lithiumbehandlung vermutet.

Ziel der Studie von Huang und Kollegen (6) war es, einen möglichen Zusammenhang bei Patienten mit bipolaren Störungen mittels einer kontrollierten Beobachtungsstudie zu untersuchen und die Dosis-Effekt-Beziehung abzuschätzen. Dazu führten die Autoren retrospektive Analysen mit Nutzung von Daten der National Health Insurance Research Database Taiwans durch. In der longitudinalen Unter-Datenbank von 2005 sind Daten von einer Million bevölkerungs-repräsentativer Versicherter vorhanden. Patienten mit bipolarer Störung wurden zwei Gruppen zugeteilt: solche, die Lithium verordnet bekommen hatten, der Indexgruppe und solche, die Antikonvulsiva erhalten hatten, der Kontrollgruppe. Die Daten wurden mit einer zeitabhängigen Cox-Regression statistisch analysiert. Im Ergebnis war bei Patienten mit Lithiumeinnahme ein signifikant geringeres Risiko für Tumorerkrankungen zu verzeichnen als bei den Kontrollpatienten (die Hazard Ratio betrug 0,735 mit einem Konfidenzintervall von 0,554 bis 0,974). Es zeigte sich ein Trend dahingehend, dass die Risikoreduktion mit steigender kumulativer Lithiumdosis zunahm.

Limitationen, welche die Autoren auch angemessen diskutieren, und welche für die Interpretation der Studienergebnisse wichtig sind, stellt unter anderem die sekundäre Datenbasis dar (es wurden Krankenkassen-Abrechnungsdaten genutzt und Daten nicht direkt am Patienten erhoben). So konnten Diagnosen und die Verschreibungsindikationen nur über Sensitivitätsanalysen überprüft werden. Und auch weitere Risikofaktoren für Tumorerkrankungen wurden daher nicht strukturiert erhoben. Drittens wird die Dauer der Entstehung von Tumorerkrankungen lang sein und die Beobachtungszeit im Rahmen dieser Analyse nicht lang genug, dies betrifft jedoch gleichermaßen Index- und Kontrollgruppe.

Kommentar: Diese bevölkerungs-basierte retrospektive Kohortenstudie findet bei bipolaren Patienten ein geringeres Risiko für Tumorerkrankungen unter Lithium-Einnahme im Vergleich zur Einnahme von Antikonvulsiva. Dies wird durch den Trend zur weiteren Risikoreduktion mit steigender kumulativer Lithiumdosis unterstützt. Weitere Studien sind nötig, um diese Ergebnisse zu bestätigen und für unterschiedliche Tumorarten zu untersuchen.

Einfluss von Stimmungsstabilisierern auf selbstverletzendes Verhalten, unbeabsichtigte Verletzungen und Suizide bei bipolaren Patienten: Auswertung elektronischer Patientenakten aus UK

Menschen mit bipolaren Störungen weisen ein erhöhtes Suizidrisiko auf. Deshalb besteht ein großes Interesse, neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen dieser affektiven Störung und dem Auftreten von Suizidalität zu erfahren. Im Mittelpunkt der Forschung stehen hierbei Risikofaktoren, wie zum Beispiel neurobiologische Parameter, aber auch der Einfluss therapeutischer Strategien auf die Verhinderung bzw. auch auf das Entstehen suizidalen Verhaltens. Die Anwendung verschiedener Arzneimittel

und deren Einfluss werden hierbei besonders untersucht. Epidemiologische Daten zeigen, dass Menschen mit bipolarer Störung gegenüber der Allgemeinbevölkerung ein jährlich 10fach erhöhtes Suizidrisiko aufweisen. Wiederum ist auch bekannt, dass Betroffene mit selbstverletzendem Verhalten ein erhöhtes Risiko aufweisen, im Verlauf ihrer Erkrankung durch Suizid zu versterben.

Eine neue Arbeit von Hayes et al. (7) aus Großbritannien (UK) hat diese Frage zum Anlass genommen, eine Studie zu konzipieren, bei der untersucht wurde, ob verschiedene Medikamente einen Einfluss auf das Auftreten von Selbstverletzung, unbeabsichtigte Verletzungen/Unfälle und Suizide haben können. Hintergrund dieser Arbeit sind Daten aus früheren Untersuchungen, die gezeigt haben, dass Patienten, die im Langzeitverlauf mit Lithium behandelt waren weniger Suizide verübten verglichen mit anderen Substanzen, jedoch nur in Beobachtungsstudien, ein positiver Effekt hinsichtlich selbstverletzendem Verhalten nachgewiesen werden konnte.

Ziel der Studie war es, herauszufinden, ob Lithium, Valproat, Olanzapin und Quetiapin einen Einfluss auf die Häufigkeit des Auftretens von selbstverletzendem Verhalten, unbeabsichtigte Verletzungen/Unfälle sowie Suizide hat. Dazu wurden Daten eines elektronischen Erfassungssystems in Großbritannien in einem Zeitraum von Januar 1995 bis Dezember 2013 erfasst. Diese Datenbank erfasst Diagnosen, Verschreibungen von Medikamenten, Überweisungen, Untersuchungsergebnisse etc.. Patienten mit der Diagnose einer bipolaren Störung (älter als 16 Jahre) wurden dann in die Analyse eingeschlossen, wenn sie mehr als 2 Verschreibungen (Behandlungsdauer von mindestens 28 Tagen oder länger) entweder von Lithium, Valproat, Olanzapin oder Quetiapin erhalten hatten.

Zielpunkte der Studie waren die Erfassung ärztlicher Behandlungen (ambulant) bzw. stationäre Behandlungen aufgrund von selbstverletzendem Verhalten für die Dauer der Verschreibung bzw. auch für 3 Monate nach Ende dieser Behandlung. Ebenso wurde erfasst, wenn sich Patienten aufgrund von unbeabsichtigten Unfällen (z. B. Sturz, Autounfall etc.) in Behandlung begaben oder wenn die eingeschlossenen Patienten durch einen dokumentierten Suizid starben.

Insgesamt konnten 14.396 Personen mit der Diagnose einer bipolaren Störung identifiziert werden, von denen letztlich 6.671 in die Auswertung eingeschlossen wurden. Davon wurden 2.148 mit Lithium, 1.670 mit Valproat, 1.477 mit Olanzapin und 1.376 mit Quetiapin behandelt. Die Rate des Auftretens von selbstverletzendem Verhalten war reduziert bei Patienten, welche Lithium verschrieben bekommen hatten, verglichen mit den Patienten, die mit den anderen Substanzen behandelt worden. Bezüglich der unbeabsichtigten Unfälle zeigten Lithiumbehandelte Patienten weniger Ereignisse im Vergleich zu Valproat oder Quetiapin behandelten Patienten, nicht aber im Vergleich zu Olanzapin. Aufgrund der zu geringen Anzahl der Suizide konnte keine sinnvolle statistische Analyse bezüglich Unterschiede zwischen den Medikamentengruppen vorgenommen werden.

Die Autoren bemerken, dass in dieser Studie deutliche Hinweise dafür gefunden werden konnten, dass die Verschreibung von Lithium einen Einfluss auf die Häufigkeit selbstverletzendes Verhalten hat. Die Verringerung des Auftretens dieses Verhaltens unter einer Lithiumtherapie wird als Folge einer besseren Stimmungsstabilisierung oder als spezifischer Effekt auf Impulsivität und Aggressivität gewertet. Auch die Hypothese einer besseren Beeinflussung von depressiven Symptomen unter einer Lithiumtherapie wird als mögliche

Ursache dieses Befundes, aber vor allem des geringeren Auftretens von unbeabsichtigten Verletzungen/Unfällen diskutiert.

Die Abbildung demonstriert das niedrigere Auftreten von Selbstverletzungen in der Lithiumgruppe verglichen mit der Gruppe der Patienten, die Valproat, Quetiapin oder Olanzapin erhalten hatten. Schließlich weisen die Autoren noch darauf hin, dass die Ergebnisse dieser Studie nicht bestätigten, dass die Behandlung mit Valproat in der Erhaltungstherapie zu einer höheren Rate an selbstverletzenden Verhalten führt.

Abb. 7: Flussdiagramm der Patientenauswahl.

Stimmungsstabilisatoren wurden definiert als antipsychotische oder antikonvulsive

Medikation. Hayes et al., (2016) JAMA Psychiatry 73(6):630-637. (7)

Abb. 8: Kumulative Rate der Selbstverletzung bei Patienten mit Lithiumbehandlung im

Vergleich zu solchen mit Valproat-, Olanzapin-, oder Quetiapinbehandlung.

Gezeigt werden unangepasste Kaplan-Meier Schätzungen kumulativer Selbstverletzung in

schattierten Streifen mit 95%-Cls. Hayes et al., (2016) JAMA Psychiatry 73(6):630-637. (7)

Kommentar: Lithium als Goldstandard in der Behandlung der bipolaren Störungen hat einen suizidprotektiven Effekt. Dies wurde in zahlreichen Studien bestätigt. Die hier vorliegende Arbeit bestätigt nun auch eine weitere klinische Erfahrung: Lithium-behandelte Patienten weisen ein geringeres Auftreten von selbstverletzendem Verhalten auf. Dies sollte aus klinischer Sicht bei der Behandlungsplanung für die Betroffenen berücksichtigt werden. Zukünftige Forschung sollte untersuchen, ob dieser Effekt auch bei anderen Erkrankungsgruppen (z. B. emotional-instabile Persönlichkeitsstörung) nachzu-weisen ist.

Mortalitätsdaten bei US-Veteranen mit psychiatrischen Erkrankungen bei Lithium und Valproat Behandlung

Viele Studien stimmen darin überein, dass Lithium das Suizidrisiko bei psychiatrischen Patienten verringert. Lithium produziert jedoch verschiedene physiologische Effekte in den Organsystemen. Einige dieser Effekte sind potentiell vorteilhaft, andere potentiell von Nachteil. Dies wirft die Frage auf, welche Auswirkungen Lithium im Gegensatz zu anderen in der Wirkung vergleichbaren Medikamenten auf die nicht suizidbedingte Mortalität hat. Deshalb führten die Autoren Smith et al. (8) eine Kohortenstudie mit 42.576 US Veteranen über 365 Tage durch. Verglichen wurden Probanden die eine Behandlung mit Lithium vs. Valproat begannen.

Um möglichst an die methodische Qualität eines randomisierten Kontrollversuches anzuknüpfen, verwendeten die Autoren die Methode eines ‚propensity score-matching‘. Im Einzelnen wurde unter Verwendung von 984 Kontrollvariablen eine Untermenge von Probanden ausgewählt, in der die Ähnlichkeit zwischen der Lithium- und der Valproat-Gruppe in Bezug auf gemessene Kontrollvariablen möglichst groß ist. Ferner wurde eine „intent-to-treat“ Analyse vorgestellt, d. h. es wurden die Daten aller Probanden analysiert, unabhängig davon, ob diese die Behandlung fortgesetzt haben oder nicht.

Die Autoren zeigen bei der Betrachtung aller Probanden („intent-to-treat“ Kohorte), dass Lithium im Vergleich zu Valproat zu einer signifikanten Verringerung der nicht-suizidalen Sterblichkeit führte, jedoch nur in den ersten 90 Tagen nach Behandlungsbeginn.

Bezieht man aber den Behandlungsabbruch durch den Patienten in die Analyse mit ein, zeigt sich, dass über die gesamte Studiendauer von 365 Tagen diejenigen Patienten, welche Lithium kontinuierlich einnahmen (as-treated) eine geringere nicht suizidbedingte Mortalität aufwiesen als Patienten mit kontinuierlicher Valproat-Einnahme.

Im Gegensatz dazu war jedoch die Sterblichkeit in der Lithiumgruppe gegenüber der Valproatgruppe derer Patienten erhöht, die das Medikament ab 180 Tagen nicht länger einnahmen.

Aufgrund dieser Ergebnisse kommen die Autoren zu den folgenden Empfehlungen: 1. Wurde eine Behandlung mit Lithium einmal begonnen, so sollte sie nach Möglichkeit fortgesetzt werden. 2. Wenn eine einmal begonnene Behandlung mit Lithium abgebrochen wurde, dann sollten die entsprechenden Patienten möglichst weiter medizinisch beobachtet werden.

Abb. 9: Graph zur Veranschaulichung des Überlebens von (a) der „intent-to-treat“ Kohorte

und (b) der behandelten Patienten. Smith et al., (2015) Br J Psychiatry 207:55-63. (8)

Kommentar: In den ersten drei Monaten nach Behandlungsbeginn weisen mit Lithium behandelte Patienten im Vergleich zu mit Valproat behandelten Personen eine niedrigere, nicht-suizidbedingte Mortalität auf. Wie die Autoren andeuten, bleibt unklar, welchen möglichen Selektionseffekt eine Gruppe von US Veteranen haben kann.

Verordnungs- und Einnahmemuster von Psychopharmaka bei schwangeren Frauen mit einer bipolar affektiven Erkrankung – eine landesweite registerbasierte Studie aus Dänemark

Bei dieser Studie (9) handelt es sich um die erste, die umfassend die Verordnung von Psychopharmaka bei schwangeren Frauen mit einer bipolaren Erkrankung beschreibt, angelegt als retrospektive Kohortenstudie. Dabei wurden die Verordnungs- und Einnahmemuster von Psychopharmaka bei Frauen mit einer bipolar affektiven Erkrankung zwölf Monate vor Eintritt einer ersten Schwangerschaft bis zwölf Monate nach der ersten Entbindung anhand nationaler Register (u. a. Geburtenregister, medizinisches Register, Verschreibungs-Register) in Dänemark untersucht. Dafür wurden die Daten aller Frauen mit der Diagnose einer bipolaren Erkrankung im Alter von 15-55 Jahren, welche im Zeitraum zwischen 1997 bis 2012 ihr erstes Kind gebaren, untersucht. Es konnten insgesamt 336 Frauen eingeschlossen werden.

Die Autoren fanden, dass zwölf Monate vor Eintritt der Schwangerschaft 72,6 % der Frauen mindestens eine Verordnung psychotroper Medikation

erhielten. Drei Monate vor Beginn der Schwangerschaft erhielten nur noch 54,8 % der Frauen eine Verordnung über Psychopharmaka, dies sank im dritten Schwangerschaftstrimenon auf 36,6 %. Nach dem Ende der Schwangerschaft erhöhte sich der Anteil an verordneten Psychopharmaka wieder, war allerdings niedriger als vor Eintritt der Schwangerschaft. Die Frauen, welche vor der Schwangerschaft keine psychiatrische Medikation erhielten, blieben während der Schwangerschaft meist auch ohne diese Medikation. 22,8 % dieser Frauen begannen im ersten Jahr nach der Entbindung eine Psychopharmakotherapie. Unter den verordneten Psychopharmaka während der Schwangerschaft fand sich bei Monotherapie (43,1 %) in 41,2 % der Fälle eine Monotherapie mit Antidepressiva. Unter Polypharmazie fanden sich am häufigsten Kombinationen von Antidepressiva mit einem Antikonvulsivum, atypischen Antipsychotikum oder einem Lithiumpräparat. Bei der Verordnung von Lithium in der Schwangerschaft zeigte sich eine Dosiserhöhung während der Schwangerschaft.

Abb. 10: Fortführung oder Unterbrechung angesetzter Rezeptverordnungen. Fortführung (grün) und Unterbrechung (rot) der angesetzten Rezeptverordung für psychotrope Medikamente während einer Schwangerschaft und bis zu einem Jahr danach. Broeks et al., (2016) J Affect Disord 210:158-165. (9)

Abb. 11: Anteil der Frauen mit bipolarer Störung, die psychotrope Medikamente 12 Monate

vor Befruchtung und bis zu 12 Monate nach der Entbindung verschrieben bekommen

haben. Broeks et al., (2016) J Affect Disord 210:158-165. (9)

Kommentar: Während der Schwangerschaft sank die Anzahl der Frauen mit einer Verordnung über Psychopharmaka um fast ein Drittel, nach der Geburt stieg diese wieder, aber nicht auf das vor der Schwangerschaft bestehende Niveau. Als mögliche Ursachen wurden eine Stabilisierung der Erkrankung in der Schwangerschaft sowie die Angst vor teratogenen Effekten diskutiert. Interessant ist, dass entgegen der aktuellen Leitlinien ein hoher Anteil der Frauen mit einer antidepressiven Monotherapie ohne Stimmungsstabilisierer behandelt wurde, und nur wenige Frauen vor dem Eintritt einer Schwangerschaft Lithium erhielten (ca. 11 %); offen bleibt in der Studie, ob der Einsatz einer antidepressiven Monotherapie ein erhöhtes Switch-Risiko für hypomane oder manische Episoden mit sich bringt. Bezüglich einer Lithiummedikation in der Schwangerschaft werden kardiale teratogene Effekte kontrovers diskutiert. Auch wenn neuere Daten nahelegen, dass dieses Risiko in der Vergangenheit überbewertet wurde, reflektieren die in dieser Studie gesehenen geringen Verordnungszahlen möglicherweise eine weiterhin bestehende Skepsis aufgrund der ethisch limitierten Studiendesigns zur Erfassung eventueller fruchtschädigender Effekte.

Pharmakotherapie: Wirkungen

Monotherapie mit Lithium, Valproat, Olanzapin oder Quetiapin als Langzeitbehandlung für bipolare Erkrankungen – welche Substanz ist im klinischen Alltag am besten?

Die Frage, welche der in der Überschrift genannten Substanzen sich im klinischen Alltag am meisten bewährt, war bisher nicht einfach zu beantworten. Zum einen sind aussagekräftige „head-to-head“ Vergleiche der oben genannten Substanzen im Rahmen randomisierter klinischer Studien dünn

gesät, zum anderen sind die Ergebnisse zudem nur bedingt aussagekräftig, weil die Ergebnisse auf Grund verschiedenster Limitierungen nicht ohne weiteres auf den klinischen Alltag übertragen werden können.

Die vorliegende Studie von Hayes et al. (10) versucht nun etwas Licht in das Dunkel zu bringen, indem sie mithilfe einer in Großbritannien lokalisierten Populations-basierten Kohortenstudie diese Frage unter Verwendung von elektronischen Gesundheitsakten von Patienten mit bipolarer Erkrankung versucht zu beantworten. Eingeschlossen wurden insgesamt 5.089 Patienten mit der Diagnose einer bipolaren Erkrankung, das Versagen einer Behandlung wurde definiert über die Zeit bis zur Beendigung der Medikation (definiert über das Verschreiben der entsprechenden Substanz, Mindestdauer hierbei für Studieneinschluss 28 Tage) bzw. über die Zeit bis zur Zugabe einer anderen stimmungsstabilisierenden Substanz, einem Antipsychotikum, Antidepressivum oder einem Benzodiazepin. Hierbei erwies sich Lithium nun allen anderen Substanzen überlegen. So hatte Lithium in 75 % derjenigen, die diese Substanz verschrieben bekommen hatten, nach 2,05 Jahren versagt, verglichen mit 0,76 Jahren für Quetiapin, 0,98 Jahren für Valproat sowie 1,13 Jahren für Olanzapin. Olanzapin war hierbei Quetiapin statistisch überlegen. Die Ergebnisse unterschieden sich nicht signifikant, wenn das Outcome dahingehend verändert wurde, dass lediglich die Zeit bis zur Beendigung der Medikation bzw. die Zeit bis zu der Zugabe eines Antipsychotikums bzw. einer stimmungsstabilisierenden Substanz als relevant angesehen wurde, oder wenn mindestens eine Einnahme der Substanz von mindestens 3 Monaten vorgelegen haben musste, bevor von einem Versagen der Therapie gesprochen werden konnte. Auch schienen Unterschiede Gesundheits-variablen betreffend nicht für das Ergebnis verantwortlich zu sein, des Weiteren fanden Geschlecht, Alter sowie BMI ebenfalls in die Analysen Eingang, ohne dass sich das Ergebnis signifikant geändert hätte. Auch war das Ergebnis nicht durch individuelle Präferenzen für die eine oder andere Substanz seitens der verschreibenden „General Practitioner“ zu erklären.

Abb. 12: Misserfolg der Behandlung im Verlauf der Zeit (ausgeschlossen

Behandlungsmisserfolge in den ersten drei Monaten der Behandlung). Hayes et al., (2016)

World Psychiatry 15:53-58. (10)

Kommentar: Das Ergebnis der vorliegenden Studie legt nahe, dass Lithium im klinischen Alltag Vorteile gegenüber anderen häufig zum Einsatz kommenden Substanzen in der Langzeitbehandlung bipolarer Erkrankungen hat. Damit sind die Ergebnisse im Einklang mit 2 aktuellen Meta-Analysen randomisierter klinischer Studien, die zu ähnlichen Ergebnissen kamen. Einschränkend für die Interpretation der aktuellen Studie muss jedoch angemerkt werden, dass für potentiell konfundierende Variablen, wie z. B. Unterschiede in der Patientenpopulation nicht kontrolliert werden konnte. Auch bleibt das ernüchternde Ergebnis, dass bei 75 % der Patienten mit bipolaren Erkrankungen im klinischen Alltag selbst unter Lithium nach gut 2 Jahren ein Wechsel bzw. eine Veränderung der Medikation notwendig wurde.

Stufenweiser antidepressiver Wirksamkeitsverlust bei wiederholtem Einsatz von Antidepressiva in Studien bei Bipolar-II-Störung

Diese Arbeit (11) untersucht den Zusammenhang zwischen der Anzahl vorheriger, antidepressiver Behandlungsversuche bei Patienten mit Bipolar-II-Depression und der Wahrscheinlichkeit des Therapieansprechens vor dem Hintergrund des bekannten Phänomens der stufenweisen Toleranzentwicklung gegenüber Antidepressiva. Die Autoren untersuchten einen Datensatz aus ihrer eigenen randomisierten, doppelblinden, kontrollierten Vergleichsstudie von 2015, die die Venlafaxin-Monotherapie der Lithium-Monotherapie in der Behandlung der Bipolar-II-Depression gegenüberstellte. Hierbei wurden 129 Patienten (> 18 Jahre) in die Behandlungsarme randomisiert. Die Akutbehandlung erfolgte 12 Wochen. Bei Therapierespondern (n=59) wurde die entsprechende Monotherapie für weitere 6 Monate fortgeführt. Die Auswertung der Daten ergab, dass in beiden Behandlungsarmen jeder zusätzliche vorherige antidepressive Behandlungsversuch zu einer Reduktion des Therapieansprechens um 25 % (OR=0,75) und zu einer Reduktion der Remissionswahrscheinlichkeit um 32 % (OR=0,68) führt. Insbesondere die Vorbehandlung mit einem SSRI schien hierbei die pharmakodynamische Toleranzentwicklung zu begünstigen. Bezüglich der Rückfallwahrscheinlichkeit während der Erhaltungstherapie wurde kein Zusammenhang zur Anzahl vorheriger antidepressiver Behandlungsversuche bzw. vorheriger SSRI- oder mood stabilizer-Behandlungen gefunden.

Abb. 13: Wahrscheinlichkeit der Response und Remission auf eine Behandlung in

Abhängigkeit von der Zahl der bislang (in der aktuellen Episode) verordneten

Antidepressiva. Amsterdam et al., (2016) Bipolar Disord 18:563-570. (11)

Kommentar: Diese Daten stützen die Annahme, dass das Therapieansprechen bei Patienten mit Bipolar-II-Depression nach wiederholten vorherigen Behandlungsversuchen mit Antidepressiva abnimmt. Physiologische Anpassungsprozesse zentraler Neurotransmittersysteme werden hierbei als ursächlich diskutiert.

Wirksamkeit und Sicherheit einer Quetiapin Retard Monotherapie in der Behandlung depressiver Episoden bei bipolarer Störung: eine multizentrische, Placebo-kontrollierte Studie

Quetiapin retard stellt in vielen Ländern einen wichtigen Bestandteil in der Behandlung bipolarer Störungen (insbesondere depressiver Episoden) dar, dessen Wirksamkeit in dieser Indikation in mehreren Placebo-Kontrollierten Akutstudien sehr gut belegt ist (siehe S3-Leitlinie bipolare Störungen der DGPPN/DGBS). In China ist es das bisher einzige Neuroleptikum, welches zur Behandlung depressiver Episoden bei dieser Erkrankung zugelassen ist. Zur Überprüfung der Wirksamkeit und Effizienz führten Li et al. (12) in dieser (chinesischen) Population eine multizentrische, doppelblind randomisierte, placebo-kontrollierte Studie durch. Es handelt sich dabei um eine nicht von einem Pharmaunternehmen geplante oder durchgeführte Studie in dieser Indikation.

Von insgesamt 296 eingeschlossenen, ambulanten Probanden wurden 147 nach einer kurzen Eindosierungsphase mit Quetiapin retard 300 mg/d und 147 mit Placebo über einen Zeitraum von 8 Wochen behandelt, wobei der Anteil an Patienten mit einer Bipolar-II-Störung von ca. 50 %, nach Einschätzung der Autoren deutlich höher als bei früheren Untersuchungen war. Als primärer Endpunkt der Studie wurde die Reduktion des MADRS-Score im Behandlungszeitraum definiert, welche in der Verum-Gruppe signifikant höher als in der Placebo-Gruppe ausfiel (−19,00±7,88 vs. −16,20±9,32; p=0,004). Die Häufigkeit unerwünschter Nebenwirkungen und das Auftreten maniformer Symptome wiesen hingegen keinen relevanten Unterschied auf.

Die Ergebnisse weisen auf eine gute antidepressive Wirkung der Monotherapie mit Quetiapin ret. hin, ohne dass ein substantielles Switch-Risiko besteht. Betroffene mit einer Bipolar-I-Störung scheinen in besonderem Maße von dieser Therapie zu profitieren. Bei guter Verträglichkeit konnte eine hohe Compliance festgestellt werden.

Abb. 14: Quetiapin retard vs Placebo Monotherapie in der Behandlung depressiver

Episoden bei bipolarer Störung Patienten. Der Mittelwert verändert sich in der MADRS (Montgomery-Asberger Depressionsskala)

Punkteskala von Beginn bis hin zur achten Woche weitaus mehr in der Quetiapin XR

Gruppe, als in der Plazebo Gruppe (p=0,007). Li et al., (2016) Psychopharmacol

233:1289-1297. (12)

Kommentar: In Deutschland stellt die Therapie mit Quetiapin ret. zur Behandlung depressiver Episoden bei einer bipolaren Störung bereits eine praktikable und vielfach eingesetzte Option dar, die sich auch in der S3-Leitlinie bipolare Störungen widerspiegelt. Li et al. bestätigten mit ihrer vom Hersteller-weitestgehend unabhängigen Untersuchung die Erkenntnisse früherer RCT-Studien und zeigten, dass sich der Einsatz dieser Substanz durch eine gute Wirkung, Verträglichkeit und Compliance auszeichnet. Neben den klassischen Mood Stabilizern steht hierbei eine weitere und vergleichsweise unkompliziert anzuwendende Therapieoption zur Verfügung.

Add-on Behandlung mit Armodafinil bei Bipolar-I-Störung

Armodafinil (R-Modafinil) ist ein Arzneimittel aus der Gruppe der Psychostimulanzien, der sich in der Molekülstruktur von den Amphetamin-artigen Stimulanzien allerdings deutlich unterscheidet. Es ist das (R)-Enantiomer des Racemats Modafinil und wurde 2007 von der Food and Drug Administration (FDA) in den USA zugelassen. Armodafinil (R-Modafinil) ist dort zur Behandlung starker Schläfrigkeit bei Schichtarbeitern, Narkolepsie und als Zusatztherapie bei obstruktiver Schlafapnoe zugelassen. In einer ersten Proof-of-Concept-Study (Phase II) hatten Calabrese und Mitarbeiter 2010 gezeigt, dass die Zugabe von Armodafinil eine signifikante Verbesserung depressiver Symptome bei Patienten mit Bipolar-I-Erkrankung im Vergleich zu Placebo brachte. Bestätigt wurde das signifikante Ergebnis 2014 in einer Phase-III-Studie, in einer weiteren in 2015 jedoch nicht.

Bei dieser neuen Arbeit von Ketter et al. (13) handelt es sich somit bereits um die 4. randomisierte, Placebo-kontrollierte, multizentrische Studie zu Wirksamkeit und Sicherheit einer zusätzlichen Gabe von Armodafinil (Tagesdosis 150 mg oder 200 mg) bei Patienten, die im Rahmen einer Bipolar-I-Störung eine depressive Episode hatten. Primärer Endpunkt war die durchschnittliche Änderung vom Ausgangswert bis Woche 8 in dem 30-Item Inventar des „Depressive Symptomatology Clinician rated total score“ (IDS-C30).

934 Patienten wurden gescreent, davon 492 Patienten randomisiert (n = 230 Placebo, n=232 Armodafinil 150 mg: nur für eine Sicherheitsanalyse randomisiert n=30 Armodafinil 200 mg). In Woche 8 erzielte die 150-mg-Gruppe Armodafinil im Vergleich zu Placebo nur eine (statistisch nicht signifikante) leichte Abnahme des mittleren IDS-C30 Gesamtscore (−20,9 vs. −18,8; p=0,13). Der Anteil der Patienten mit Remission und Response zeigte zu keinem Studienzeitpunk keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Insgesamt war die Verträglichkeit der Behandlung gut.

Abb. 15: Wirksamkeit: IDS-C30 Gesamtscoreveränderung seit Beginn. Ketter et al., (2015) J

Affect Disord 181:87-91. (13)

Kommentar: Da zugelassene Behandlungsoptionen für bipolare Depressionen rar sind, sind zusätzliche Therapiemöglichkeiten erwünscht. Die zusätzliche Gabe von Armodafinil verbesserte (bei allgemein guter Verträglichkeit) die Symptome der bipolaren Depression in dieser Studie nur leicht im Vergleich zu Placebo. Insgesamt muss die Datenlage (nach 4 RCTs) für Armodafinil in der Indikation bipolare Depression damit als relativ moderat wirksam gewertet werden. Eine Option der 1. Wahl ist die Substanz in dieser Indikation nicht.

Einzelinfusion von Ketamin bzw. anderen NMDA-Rezeptor- Antagonisten zur Behandlung der unipolaren und bipolaren Depression: eine Meta-Analyse der Effektivität, Sicherheit und des Verlaufes

Für Ketamin und andere NMDA-Rezeptor Antagonisten konnte in den vergangenen Jahren eine antidepressive Wirksamkeit nachgewiesen werden. Über die Effektstärken und Verläufe besteht jedoch weiterhin Unklarheit.

Es wurde von Kishimoto und Kollegen (14) eine systematische Literaturrecherche und Metaanalyse der Studien durchgeführt, die bis zum 25. August 2015 publiziert worden waren. Randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien (RCT) in Patienten mit einer unipolar depressiven oder bipolar depressiven Episode wurden in die Analyse eingeschlossen.

Insgesamt konnten 14 RCTs (neun Ketamin-Studien mit n=234 & fünf nicht-Ketamin-Studien mit n=354) ausgewertet werden. Kumulativ wurden 554 unipolar depressive und 34 Patienten mit einer bipolaren Störung analysiert.

Ketamin war der Placebo Bedingung bei der Reduktion depressiver Symptome nach 40 Minuten und am ausgeprägtesten nach 24 Stunden signifikant überlegen (Hedges g = −1,00; 95%-Konfidenzintervall −1,28-0,73; p<0,001). Der Effekt erlosch am Tag 10-12 nach Infusion. Andere NMDA-Rezeptor-Antagonisten waren lediglich an den Tagen 5-8 der Placebo-Bedingung überlegen. (Hedges g=−0,37, 95%-Konfidenzintervall −0,66-0,09; p=0,01). Ketamin führte zu signifikant höheren Response- und Remissionsraten, während andere NMDA-Rezeptor-Antagonisten nur an den Tagen 2 bzw. 3-5 eine signifikant höhere Response hervorriefen. Die Nebenwirkungen wurden in allen Gruppen gut toleriert und waren in klinischer Hinsicht zu vernachlässigen.

Kommentar: Einzelinfusionen von Ketamin und anderen NMDA-Rezeptor-Antagonisten haben einen raschen antidepressiven Effekt, wobei dieser für Ketamin deutlich ausgeprägter ist und bis zu 1 Woche anhält.

Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Cariprazin bei Patienten mit bipolarer Depression

Ziel dieser 8-wöchigen, doppelblinden Placebo-kontrollierten Phase-II-Studie (15) war die Bewertung des neuen atypischen Antipsychotikums Cariprazin hinsichtlich seiner Wirksamkeit und Verträglichkeit bei bipolarer Depression. Hierzu wurden insgesamt 571 Patienten randomisiert in 4 verschiedenen Gruppen aufgeteilt (Placebogruppe, Cariprazin 0,75 mg/Tag, 1,5 mg/Tag, und 3,0 mg/Tag Gruppen).

Hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit erwies sich der partielle D3-/ D2-Rezeptoragonist Cariprazin in der Dosierung von 1,5 mg/ Tag gegenüber Placebo um 4 Punkte auf der MADRS Skala als überlegen. Eine ähnliche Überlegenheit hatten in früheren Studien die mittlerweile für bipolare Depression zugelassenen Antipsychotika Lurasidon und Quetiapin gezeigt. In einer täglichen Dosierung von 0,75 mg fand sich keine gegenüber Placebo signifikant erhöhte Wirksamkeit. Für den Studienarm der mit 3,0 mg/Tag behandelten Patienten fand sich aufgrund einer erhöhten Abbruchrate insgesamt keine ggü. Placebo überlegene Wirksamkeit. Die Verträglichkeiten von Cariprazin 0,75 mg/Tag und 1,5 mg/Tag waren dagegen bis auf ein etwas gehäuftes Auftreten von Akathisie und Schlafstörungen ähnlich gut wie Placebo.

Die Autoren schlussfolgerten, dass es sich bei Cariprazin um eine insgesamt gut verträgliche und effektive, neuartige pharmakologische Behandlungs-möglichkeit für Patienten mit bipolarer Depression handelt.

Abb. 16: Flussdiagramm einer Studie über die Behandlung mit Cariprazin bei Patienten mit

bipolarer Depression Typ I. Durgam et al., Am J Psychiatry 173(3):271-281. (15)

Kommentar: Neben einigen kleineren Limitationen, wie z. B. der Tatsache, dass die Einschlusskriterien recht eng gefasst wurden, so dass eine Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf naturalistische Populationen schwierig erscheint, sollten die Ergebnisse durch eine unabhängige Studie repliziert werden, da der Hersteller des Präparates zugleich Unterstützer der Studie war. Dennoch handelt es sich mit der partalagonistischen Wirkung am D3-Rezeptor um einen neuartigen und innovativen Wirkmechanismus in einer Indikation, für die bisher kaum zugelassene Therapieoptionen existieren.

Lurasidon zur Behandlung von depressiven Episoden mit gemischten Merkmalen: eine Doppel-Blind, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie

Lurasidon ist ein relativ neues atypisches Antipsychotikum, das von der ameri-kanischen Arzneimittelbehörde FDA zur Behandlung der Schizophrenie und bipolaren Depression zugelassen wurde, von der europäischen Zulassungsbehörde bislang nur zur Behandlung der Schizophrenie. Die Effektivität und das Sicherheitsprofil von Lurasidon bei der Behandlung von Patienten mit einer depressiven Episode bei Bipolar-I-Störung wurde in zwei großen Placebo-kontrollierten Studien demonstriert (Studie 1: Monotherapie; Referenz 30; Studie 2: als add-on Therapie bei Therapie mit Lithium oder Valproat). Es ergeben sich zunehmend Hinweise darauf, dass unterschwellige manische Symptome auch im Rahmen depressiver Episoden zu beobachten sind. Diese Form der Depression ist häufig schwer und mit einem erhöhten Risiko von Rezidiven, Suizidversuchen, Substanzkonsum und einer Reduktion des sozialen Funktionsniveaus assoziiert.

Die von Suppes und Kollegen (16) durchgeführte Studie hat die Wirksamkeit und Sicherheit von Lurasidon zur Behandlung dieser Form der Depression evaluiert.

Depressive Patienten (nach DSM IV), die zugleich zwei oder drei manische Symptome aufwiesen, wurden randomisiert einer sechs wöchigen Behandlung mit Lurasidon 20-60 mg (n=109) oder Placebo (n=100) zugeteilt. Als Outcome wurde die Veränderung des MADRS bzw. des CGI-S ausgewertet.

Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass Lurasidon der Placebo Bedingung bei der Behandlung depressiver Symptome (Effektstärke 0,8) bzw. des allgemeinen Schweregrades der Psychopathologie (Effektstärke 0,6) deutlich überlegen war. Zudem konnte eine signifikante Besserung manischer Symptome, anhand der YMRS, festgestellt werden. Lurasidon wurde im Vergleich zu Placebo gut toleriert mit geringfügig höheren Abbruch und Nebenwirkungsraten.

Abb. 17: Lurasidon zur Behandlung von depressiven Episoden mit gemischten Merkmalen:

Verlauf Lurasidon vs Placebo. Suppes et al., (2016) Am J Psychiatry 173(4):400-407. (16)

Kommentar: Lurasidon erscheint ein effektives Medikament zur Behandlung einer depressiven Episode mit gemischten Symptomen zu sein.

Randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie einer Zusatztherapie mit Agomelatin bei Depression im Rahmen einer Bipolar-I-Störung

Aufgrund der hohen Krankheitslast und der begrenzten Anzahl an wirksamen und tolerablen Therapieoptionen ist die Behandlung der bipolaren Depression eine besondere Herausforderung. Das synthetische Analogon des menschlichen Melatonins, Agomelatin, stellt mit seinem abweichenden Rezeptorbindungsprofil (agonistisch an die Melatonin-Rezeptoren MT1 und MT2 und antagonistisch auf die serotonergen 5-HT2c-Rezeptoren) ein Novum dar. Agomelatin ist seit vielen Jahren für die Behandlung (unipolarer) depressiver Episoden zugelassen und weit verbreitet in klinischer Anwendung.

Yatham et al. (17) untersuchten nun in einer multizentrischen, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie die antidepressive Wirksamkeit und Verträglichkeit einer zusätzlichen Gabe von Agomelatin (25-50 mg/Tag) bei insgesamt 344 bipolaren Patienten, die auch unter einer Lithium- oder

Valproat-Therapie anhaltend depressiv waren. Nach 8 wöchiger Therapie wurde in beiden Therapiearmen eine klinisch relevante Verbesserung der depressiven Symptomatik (MADRS) beobachtet. Es bestand weder in der Verbesserung der depressiven Symptomatik noch im Anteil der Patienten, die auf die Behandlung ansprachen oder Symptomfreiheit erreichten, ein signifikanter Unterschied zwischen der Therapie mit Lithium bzw. Valproat und Agomelatin oder Lithium bzw. Valproat und Placebo. Die Verringerung um 15 Punkte im MADRS-Score konnte auch über einen Zeitraum von weiteren 10 Monaten beibehalten werden, jedoch weiterhin ohne signifikanten Unterschied.

Um die Bedeutung der ungewöhnlich hohen Placebo-Response-Rate von 61 % und deren Einfluss auf das Ergebnis der Studie zu verstehen, wurde eine Posthoc-Analyse durchgeführt. Der sequentielle Ausschluss von Patienten aus Zentren mit hoher Placebo-Response-Rate lieferte Hinweise, die die Wirksamkeit von Agomelatin stützen.

Kommentar: In dieser Studie konnte keine signifikante Verbesserung der depressiven Symptomatik bei einer zusätzlichen Therapie der bipolaren Depression mit Agomelatin im Vergleich zu Placebo aufgezeigt werden.

Randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie einer Zusatztherapie mit Pioglitazon bei depressiver Episode im Rahmen einer Bipolar-I-Störung

Eine Limitation aktuell verfügbarer antidepressiver Behandlungsmöglichkeiten stellt das zeitlich verzögerte Einsetzen der antidepressiven Wirkung dar, welches mit erhöhtem Suizidrisiko einhergeht, so dass neuere Behandlungsmöglichkeiten mit einer früher einsetzenden antidepressiven Wirkung gesucht werden. Zur Behandlung mit Lithium oder Valproat macht zudem die Schwere der Symptomatik oder Therapieresistenz den Einsatz von Add on-Therapien bei akuter (bipolarer) Depression notwendig.

Pioglitazon ist ein synthetischer Arzneistoff aus der Gruppe der sogenannten „Insulin-Sensitizer“, der zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt wird. Das Wirkprinzip ist eine Sensibilisierung des Gewebes auf Insulin, dessen Wirkung bei der typischen Insulinresistenz dieser Diabetesform herabgesetzt ist. Pharmakologisch betrachtet ist die Substanz ein Agonist des PPARγ-Rezeptors (Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptor-gamma), der an der Regulation verschiedener Mechanismen im Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel beteiligt ist. Einige kleinere Pilotstudien wiesen darauf hin, dass Substanzen mit agonistischer Wirkung des PPARγ-Rezeptors antidepressive Wirkungen bei depressiven Patienten mit metabolischem Syndrom haben könnten.

In einer 6-wöchigen multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie aus dem Iran untersuchten Zeinoddini et al. (18) erstmalig die antidepressive Wirksamkeit und Sicherheit einer zusätzlichen Pioglitazongabe (15-30 mg/Tag) bei 44 Patienten, die nicht an metabolischem Syndrom oder Diabetes erkrankt waren und während der aktuellen depressiven Episode nicht auf eine bestehende Behandlung mit Lithium und Antidepressivum ansprachen. In der mit Lithium und Pioglitazon behandelten Gruppe konnte eine signifikante Verbesserung der Symptomatik (HDRS) gegenüber der Lithium-Placebo-Gruppe verzeichnet werden. Zwar trat bereits nach 2 Wochen eine signifikante Verbesserung bei den mit Pioglitazon statt mit Placebo behandelten Patienten ein, die Anzahl der Responder war nach 6 Wochen in beiden Therapiearmen jedoch nicht signifikant unterschiedlich.

Bezüglich Nebenwirkungen zeigten sich keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.

Abb. 18: Placebo-kontrollierte Studie einer 6-wöchigen Zusatztherapie mit Pioglitazon bei

depressiver Episode (Verlauf der Hamilton Depressionsskalenwerte (HDRS). Zeinoddini et al., (2015) Depress Anxiety 32(3):167-173. (18)

Kommentar: Zur Behandlung der bipolaren Depression werden Therapiemöglichkeiten mit einem schnelleren antidepressiven Ansprechen gesucht. Die zusätzliche Gabe von Pioglitazon zu Lithium zeigte ein signifikant früheres Einsetzen antidepressiver Wirkung im Vergleich zu Placebo und Lithium. Weitere Untersuchungen u. a. mit größerer Fallzahl sollten neben einer längeren Follow-up Dauer und höheren Fallzahl jedoch auch metabolische Marker und Insulinresistenz mit berücksichtigen.

Pharmakotherapie: Nebenwirkungen

Wesentliche Nebenwirkungen der häufig eingesetzten Stimmungsstabilisierer bei bipolaren Störungen

In einer britischen Kohortenstudie von Hayes et al. (19) wurde geprüft, mit welchen Nebenwirkungen die am häufigsten eingesetzten Stimmungs-stabilisierer bei bipolaren Störungen einhergehen. Ausgewertet wurde eine repräsentative Stichprobe (n=6.671) mit Hilfe elektronischer Patientenakten der Jahre 1995 bis 2013 aus Großbritannien. Die Verteilung der Stichprobe war wie folgt: Lithium (LI; n=2.148), Valproat (VPA; n=1.670), Olanzapin (OLZ; n=1.477) und Quetiapin (QUE; n=1.367). Der Vergleichbarkeit der Gruppen diente ein Propensity-Score.

Gegenüber mit Lithium behandelten wiesen die übrigen Patienten signifikant (je p<0,001) geringere Raten an Niereninsuffizienz ≥ Grad 3 auf: VPA (Hazard Ratio: 0,56), OLZ (HR: 0,57) und QUE (HR: 0,62). Ein Hypothyreoidismus war ebenfalls seltener mit VPA (HR: 0,60 bzw. 0,24) und OLZ (HR: 0,48 bzw. 0,31), nicht jedoch unter QUE. Im Vergleich zu Lithium traten Hyperkalziämien seltener auf unter VPA (HR: 0,25), OLZ (HR: 0,32) und QUE (HR: 0,23). Eine Gewichtszunahme (≥ 15 %) war dagegen unter VPA (HR: 1,62), OLZ (HR:

1,84) und QUE (HR: 1,67) deutlich wahrscheinlicher (p<0,001) als unter Lithium. Die Hypertonie-Rate war unter OLZ signifikant im Vergleich zu Lithium erhöht (HR: 1,41).

Keine wesentlichen Unterschiede bestanden bei einer Niereninsuffizienz ≥ Grad 4, Typ-2-Diabetes, kardiovaskulären Krankheiten oder Hepatotoxizität.

Kommentar: Daten dieser repräsentativen Studie bestätigen nicht nur die bekannten Nebenwirkungen, sondern quantifizieren auch die relativen Risiken einer Behandlung mit den gängigen Stimmungsstabilisierern. Unter Lithiumbehandlung sind dies vor allem Hypothyreose, Hyperkalziämie und leichte Niereninsuffizienz, bei Valproat, Olanzapin und Quetiapin vor allem Gewichtszunahme, und für Olanzapin arterielle Hypertonie. Besonders bedeutend ist jedoch der Befund, dass ausgeprägte (schwere) Niereninsuffizienz unter Lithium nicht häufiger auftrat im Vergleich zu den übrigen Substanzen.

Digitale Medien

Die Verfügbarkeit verschreibungspflichtiger Medikamente für bipolare Erkrankungen in Online-Apotheken

Ziel dieser in den USA durchgeführten Arbeit (20) war es zu überprüfen, inwiefern fünf bei bipolaren Erkrankungen üblicherweise verschriebene Psychopharmaka in Online-Apotheken verfügbar sind. Hierfür wurden die Merkmale derjenigen Online-Apotheken untersucht, welche auf den ersten zwei Seiten einer Onlinesuche über Google, Yahoo und Bing mit dem Suchbegriff „buy… (Medikament)“ ausfindig zu machen waren. Zu den gesuchten Medikamentennamen zählten Seroquel XR, Abilify, Lamotrigin, Lithium und Bupropion SR. Die Seriosität der Online-Apotheken wurde über Vorhandensein bzw. Echtheit von Gütesiegeln zweier staatlich anerkannter Zertifizierungsstellen eingeschätzt, zum einen über die private Zertifizierungsagentur LegitScript sowie die Canadian International Pharmacy Association (CIPA).

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass von 30 gefundenen Online-Apotheken 57 % als unseriös eingestuft werden, nur 50 % die gesuchten Psychopharmaka ausschließlich auf Rezept verkaufen und nur 60 % der Websites spezifische Datenschutzbestimmungen hinsichtlich der vertraulichen Behandlung medizinischer und finanzieller Daten aufweisen. Von den 70 % als kanadisch deklarierten Online-Apotheken werden etwa 40 % als unseriös eingestuft. Weiterhin finden sich auf den Websites der als betrügerisch eingeordneten Apotheken ebenso viele, für den Betrachter oftmals nur schwer als gefälscht erkennbare Zertifizierungssiegel, Lizenzen und Logos wie auf den als seriös eingestuften Seiten. Alle fünf Psychopharmaka waren online sowohl mit als auch ohne ärztliche Verschreibung zu unterschiedlichen Preisen erhältlich, in 70 % der Fälle wurden dem Käufer weitere finanzielle Anreize angeboten.

Kommentar: Eine Vielzahl an Online-Apotheken in den USA scheint unprofessionell hinsichtlich gesetzlicher Bestimmungen wie Verschreibungs-pflicht, Datenschutz und Verwendung anerkannter Gütesiegel zu operieren. Da hiermit für den Patienten auch das Risiko steigen kann, gefälschte,

minderwertige oder wirkstofffreie Psychopharmaka zu erhalten, geht an Verbraucher, die weiterhin auf Online-Apothekendienste zurückgreifen wollen die Empfehlung 1) solche Seiten zu wählen, die eine Verschreibung fordern sowie 2) vor Bestellung alle Echtheitssiegel und Zertifikate direkt auf den Websites der qualitätssichernden Stellen zu prüfen.

Internet-Nutzung durch Patienten mit bipolarer Erkrankung: Ergebnisse einer internationalen multizentrischen Studie

Obgleich international das Interesse an Online-Wissensvermittlung für Menschen mit bipolaren Erkrankungen beträchtlich hoch ist, gibt es gegenwärtig noch wenig Wissen, wie Patienten das Internet und andere Informationsquellen nutzen. In dieser Studie von Bauer et al. (21) füllten 1.171 Patienten mit gesicherter bipolarer Störung in 17 Ländern einen anonymen Fragenbogen (in Papierform) aus, 81 % dieser Patienten nutzen das Internet, ein Prozentsatz vergleichbar dem der Allgemeinbevölkerung.

Höheres Alter, geringere Schulbildung und Probleme in der Infrastruktur der Telekommunikation vor Ort sowie der Demographie verringern die Wahrscheinlichkeit der Internetnutzung. Ca. 78 % der Internet-Nutzer, bzw. 63 % der gesamten Stichprobe suchen online Informationen über die bipolare Störung. Längere Schulbildung im Vergleich zum Durchschnitt des jeweiligen Landes sowie höhere Zuversicht, das eigene Leben hinzubekommen , reduzieren die Wahrscheinlichkeit online nach Informationen zur bipolaren Erkrankung zu suchen, die Teilnahme an einer Betroffenengruppe erhöht dagegen die Wahrscheinlichkeit.

Patienten, welche online nach Informationen zu ihrer bipolaren Erkrankung suchen, konsultieren medizinische Fachkräfte durchschnittlich 2,3-mal häufiger als andere Informationsquellen wie Bücher, Unterlagen von Ärzten oder anderen bipolar Erkrankten. Patienten, welche nicht das Internet nutzen konsultieren Fachkräfte durchschnittlich 1,6-mal häufiger als andere Informationsquellen. Der Prozentsatz der Patienten mit bipolarer Erkrankung, welche das Internet nutzt, entspricht in etwa dem der Allgemeinbevölkerung. Andere Informationsquellen bleiben weiterhin wichtig.

Kommentar: Das Internet stellt für bipolare Patienten eine wichtige Informationsquelle bzgl. ihrer Erkrankung dar. Das persönliche Gespräch mit dem Arzt/Therapeuten erfährt dadurch jedoch keine Minderung, sondern Fachkräfte sollten ihren Patienten Hilfestellung geben, welche Internetseiten, Online-Programme oder Internet-Foren nachgewiesenermaßen valides Wissen und Unterstützung bieten können.

Online-Informationssuche von Patienten mit bipolarer Erkrankung: Ergebnisse einer internationalen multizentrischen Studie

Zu den wichtigen Krankheitsbewältigungsstrategien gehört bei chronischen Erkrankungen die Erarbeitung von Krankheitswissen. Obgleich eine wachsende Zahl von Webseiten zu psychischen Gesundheit existiert, gibt es wenig Wissen darüber, wie Patienten mit bipolarer Erkrankung das Internet zur Informationssuche nutzen. 1.222 Patienten in 17 Ländern füllten zwischen März 2014 und Januar 2016 einen anonymen Fragebogen in Papierform aus, dessen 39 Fragen in zwölf Sprachen übersetzt worden war. Alle Patienten hatten eine durch einen Psychiater bestätigte Diagnose einer bipolaren Störung. Die Datenauswertung beinhaltet deskriptive Statistik sowie verallgemeinerten Schätzgleichungen (GEE) für korrelierte Daten (22).

976 Patienten (= 81 % von 1.212 valide ausgefüllten Fragebögen) nutzen das Internet und von diesen suchten 750 (77 %) nach Informationen zur bipolaren Erkrankung. In ihrer Online-Suche nutzen dabei 89 % eher einen Computer als ein Smartphone und 79 % beginnen ihre Suche über eine allgemeine Suchmaschine. Die häufigsten Beweggründe für eine Suche sind Nebenwirkungen von Medikamenten (51 %), die Möglichkeit zur anonymen Wissensermittlung/-vergrößerung (43 %) und der Wunsch nach Hilfe zur Krankheitsbewältigung (39 %). Circa ein Drittel schätzen sich in der Suche als Experte ein, 2/3 sehen sich im mittleren Bereich bzw. mit vorhandenem Basiswissen. 59 % bevorzugen spezifische Webseiten zur psychischen Erkrankung und 33 % bevorzugen Wikipedia. Nur 20 % lesen in Online-Foren von Betroffenen oder beteiligen sich aktiv daran. Die meisten Patienten (62 %) suchen ein paar Mal im Jahr. Die Online-Informationssuche hilft ca. 2/3 in der Krankheitsbewältigung (41 % der Gesamtstichprobe). Circa 2/3 der Patienten besprechen die Ergebnisse ihrer Internetrecherche nicht mit ihrem Arzt.

Kommentar: Online-Informationssuche hilft vielen Patienten in der Krankheitsbewältigung, obgleich auch alternative Informationsquellen weiterhin wichtig sind. Die meisten Patienten besprechen die Ergebnisse ihrer Recherchen nicht mit ihrem Arzt und es bestehen Bedenken hinsichtlich der Qualität der Online-Informationen, insbesondere hinsichtlich Beschreibungen zu Medikamenten. Patienten können ferner möglicherweise ihre Fähigkeiten in der Suche nicht gut einschätzen und gefährden ihre Privatsphäre. Es bedarf einer besseren Vermittlung von Wissen zur Online-Informationssuche. Ärzte sollten spezifische Websites mit guter Qualität empfehlen.

Literatur

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2. Scott et al. (2016) Activation in Bipolar Disorders: A Systematic Review. JAMA Psychiatry Dec 21. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2016.3459. [Epub ahead of print]

3. Hibar et al. (2016) Subcortical volumetric abnormalities in bipolar disorder. Mol Psychiat 21:1710–1716

4. Hou et al. (2016) Genome-wide association study of 40,000 individuals identifies two novel loci associated with bipolar disorder. Hum Mol Genet 25(15):3383–3394

5. Hou et al. (2016) Genetic variants associated with response to lithium treatment in bipolar disorder: a genome-wide association study. Lancet 387(10023):1085-1093

6. Huang et al. (2016) Use of lithium and cancer risk in patients with bipolar disorder: population-based cohort study. Br J Psychiatry 209(5):393-399

7. Hayes et al. (2016) Self-harm, Unintentional Injury, and Suicide in Bipolar Disorder During Maintenance Mood Stabilizer Treatment. A UK Population-Based Electronic Health Records Study. JAMA Psychiatry 73(6):630-637

8. Smith et al. (2015) Mortality associated with lithium and valproate treatment of US Veterans Health Administration patients with mental disorders. Br J Psychiatry 207:55–63.

9. Broeks et al. (2016) Psychopharmacological drug utilization patterns in pregnant women with bipolar disorder – A nationwide register-based study. J Affect Disord 210:158-165

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