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Trüffelzeit! Jetzt ist wieder Hochsaison in Piemont. Wir stellen die besten Adressen vor – und die Tricks, mit denen Liebhaber der weißen Knolle

von Alba hinters Licht geführt werden

DER HIMMEL auf Erden TEXT: STEFAN MAIWALD, FOTOS: FRIEDER BLICKLE

Von Diano d‘Alba der Provinz Cuneo schweift

der Blick nach Westen über Weinberge und

aufsteigende Morgennebel, darüber thront die Burg

von Grinzane Cavour. Dort findet alljährlich

eine Trüffel-Auktion für wohltätige Zwecke statt

FEINSCHMECKER REISE

20 Der Feinschmecker 11/2016

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BIT TE MEHRdavon!

Zum Besten nur etwas ganz Einfaches: weiße Trüffeln mit Pasta – herrlich!

„Locanda del Pilone“: „Gratta, gratta!“ –

„Hoble, hoble!“ Wir nehmen gern noch ein paar

Gramm Trüffeln über unsere Pasta mit Butter aus

den Langhe und gereiftem Parmesan aus der

Rohmilch der alten Rinderrasse Vacche Rosse

22 Der Feinschmecker 11/2016

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EIN T ISCH V OLLERSchätze

Die Trophäen der Sammler werden auf dem Trüffelmarkt in Alba fast wie Edelsteine präsentiert

Aufs Gramm genau: Mit der Präzisionswaage

werden die Knollen gewogen, das Gewicht

bestimmt ihren Preis. 100 Gramm kosteten in

der vergangenen Saison 400 Euro

11/2016 Der Feinschmecker 25

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UND DA NN NOC Hdie Weine!

Die Tische sind in Piemont reich gedeckt – zu den Trüffeln

kommen große Weine, Käse, Reis, heimisches Rind, Haselnüsse

Linke Seite: Im „Boscareto“

krönt Trüffel Ei „alla Rossini“.

Rechte Seite: Rotbarbe mit confierten

Tomaten, Apfelessig, Gemüse und

Trüffel im „Cambiocavallo“ in Asti

(o. l.), das Restaurant „Ventuno.1“

in Alba (o. r.), Trüffelhändler Bruno Gallo mit Knollen am Hut (u. l.).

„La Piola“ im Herzen von Alba ist

ein legeres Schwesterlokal

des berühmten „Piazza Duomo“

26 Der Feinschmecker 11/2016

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Da sitzt er, der Angeber, in der Mitte des Restau-rants „Ventuno.1“ in Alba. Er macht zweifellos was her. Sein Italienisch ist ganz passabel, ein bisschen zu kumpelhaft vielleicht, ein bisschen zu viel ciao statt buona sera zu den Bedie-nungen, die zusammenzucken, fast unmerk-

lich, aber mit der Zeit bekommt man für so etwas einen Blick. Das Sakko sitzt etwas sackförmig, die Wahl des Weins ist nicht zu bean-standen. Doch bei diesen Burschen – viel Geld, kaum Hemmungen – muss man nur bis drei zählen, dann geht es auch schon los: „Trüf-feln aus Alba! Alles ein großer Betrug“, raunt er, natürlich gerade laut genug, dass man ihn an den Nebentischen versteht.

Im Repertoire dieser vermeintlichen Alleswisser finden sich gern auch Mythen wie: „In amerikanischen und australischen Weinen werden doch Sägespäne untergerührt.“ Oder: „Die drei Geheimnis-se der französischen Küche: Butter, Butter und Butter.“ Und: „Wer in England gut essen will, muss dreimal am Tag frühstücken.“ Vor lauter Ärger über so viel Arroganz würde man dem Kerl am liebs-ten seine Orecchiette versalzen.

Aber das wirklich Ärgerliche ist: Was Alba betrifft, hat der An-geber ausnahmsweise nicht ganz unrecht. Natürlich ist die hiesige Trüffelmesse, das berühmte Pilgerziel für Genießer aus aller Welt, auch von jeder Menge Schmu durchdrungen. Und trotzdem ist es ein Ereignis, das man erlebt haben muss. In einem etwa 80 mal 50 Meter großen Zelt treffen sich Sammler, Händler, Käufer und Neugierige. Der Geruch ist atemberaubend: Die weißen Trüffeln riechen nach Erde, Moos, Käse, Nuss und Knoblauch; eigentlich duftet in diesen Tagen sogar die ganze Stadt danach. Es gibt auch die Duftrichtung Wurzelholz, die bei Kennern aber als Fehlton gilt. Doch etliche der vermeintlichen Sammler, die da in der Hallenmitte stehen, oft noch Eindruck heischend mit Filzhut und Jacke im Camouflage-Mus-ter ausstaffiert, sind Zwischenhändler, die nur so tun als ob. Kein echter Sammler würde seine Funde so offen herzeigen, schon gar nicht vor anderen Sammlern. Homo homini lupus. Man bleibt lieber möglichst abseits des Trubels und verkauft seine Trophäen im Stillen. Die wahren Trüffeldeals werden nämlich frühmorgens, wenn es noch dun-kel ist, in den Bars von Alba abgewickelt.

Die große Trüffelmesse findet von Mit-te Oktober bis Mitte November jeweils am Wochenende statt. In dieser Zeit hört man immer wieder den Schlachtruf „Gratta, gratta!“ durch die Gassen von Alba hal-

In geheimer Mission: Trüffelsammler

Michele Bertolusso mit einem

seiner Hunde (o. l.). Pittoresk ist

Albas Zentrum an der Via Vittorio Emanuele (o. r.). Tagliolini und

Trüffeln, mehr braucht man nicht

zum Glück im „Cambiocavallo“

(u. l.). Stefania Montanaro im Laden

„Tartuflanghe“ in Piobesi d‘Alba

E IN DUF T E S Erlebnis

M Ä R K T Efür Trüffeln

1Alba, Okt./Nov.

2Moncalvo, Ende Okt.

3Montechiaro Anf. Nov.

4Murisengo Mitte Nov.

Mehr Tipps im herausnehmbaren Info-Guide (Seite 50)

len. Frei übersetzt bedeutet das: „Nun hobel schon ordentlich drü-ber, du alter Geizhals!“

Es ist ein Fest der opulenten Schwelgerei: Überall wird die Trüf-fel angepriesen, selbst die Cafés bauen vor der Tür kleine Stände auf, an denen sie tagliolini mit ein paar Trüffelscheibchen für acht Euro verkaufen, Spiegelei mit schwarzen Trüffeln für fünf Euro, das Glas Wein für einen Euro. Es gibt ordentlich Gedränge, lange Holzbänke, heiteren Lärm und Plastikbesteck – so malt man sich das typische italienische Dorffest aus. Und immer wieder genuss-beseelt: „Gratta, gratta!“ Die unmissverständliche Aufforderung an den Wirt, ja nicht zu sparsam mit der kostbaren Ware zu sein.

Doch dann biegt man um eine Ecke und steht plötzlich in ei-nem mittelalterlichen Gauklermarkt, der so gar nicht zu dem au-thentischen Dorffest passen will. Da sollen Besucher mit Pfeilen auf eine baumelnde Salami zielen und werden dabei von mittel-alterlich anmutenden Mönchen in Kutten verhöhnt. Albas Zentrum wirkt in diesen Wochen wie eine schöne Frau, die zu viel Make- up benutzt. Vermutlich hat ein junger, ehrgeiziger Marketing- stratege die Idee geboren, den Feinkostmarkt für die Touristen ein bisschen aufzumotzen.

Die Trüffelmesse in Alba im Südosten Piemonts bleibt eine Huldigung des wohlschmeckendsten Untergrundgewächses über-haupt, mag es auch sein, dass einige Trüffeln nicht direkt aus den Wäldern rund um die Stadt stammen, und mag es auch sein, dass sich hier einige Händler folkloristisch verkleidet haben, obwohl

sie nicht einmal einen Suchhund besit-zen. Und: Alba ist ja nicht allein. Drum-herum werden Trüffeln ebenfalls kultisch verehrt. Etwa in Moncalvo, 30 Kilometer weiter nördlich, dessen Altstadt 300 Me-ter über der Ebene liegt. Dieser Teil Pie-monts ist, ähnlich wie die Toskana, sowohl hügelig als auch weitläufig, was einen Groß- teil seiner Faszination ausmacht. Jedenfalls hat Moncalvo seit immerhin 60 Jahren ei-nen eigenen Trüffelmarkt, er findet jeweils

Wenn in Alba der Markt stattfindet, feiert die ganze Stadt ein

ausgelassenes Fest der Schwelgerei

Kennt Trüffeln, Kunden, Tricks und

beste Ware: Die Händlerin Roberta Bovetti aus Belvedere Langhe steht

seit 22 Jahren auf dem Trüffelmarkt

28 Der Feinschmecker 11/2016 11/2016 Der Feinschmecker 29

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an den letzten beiden Sonntagen im Oktober statt. Hoch oben auf dem Dorfplatz wird die größte und schönste Trüffel mit einem Pokal prämiert, auch eine fingierte Suche mit Trüf-felhunden auf einem eingezäunten Rasen-abschnitt steht auf dem Programm. Wer üb-rigens angesichts der enthusiastisch vor sich hingrabenden Hunde nicht sofort einen Wel-pen mitnehmen möchte, der hat ein Herz aus Stein. Weitere Trüffelmärkte gibt es auch in Montechiaro (Anfang November) und Mu-risengo (Mitte November).

Die Preise sind überall ähnlich, Trüffelschnäpp-chen gibt es nicht. Einen Sechs-bis-acht-Gramm-Rieb über Pasta, Fleisch oder Ei gibt es in den Restaurants für 30 bis 40 Euro pro Portion, etwa im „Ventuno.1“ etwas außerhalb des Zentrums von Alba. Der junge Alfonso

Russo hat sich vor Kurzem mit diesem Lokal selbstständig gemacht. „Jeder aus unserem Team war zuvor in einem Spitzenrestaurant“, erklärt der 27-Jährige, „doch wir wollen ausprobieren, ob man gute Küche auch locker präsentieren kann.“ Keine Tischdecken, kein Gruß aus der Küche, kein Nachschenken des Weins, dafür gerad-linig modernes Design hinter gelber Fassade. Alfonso kommt selbst hinter dem Herd hervor, um die Teller aufzutragen. Auch die himm-lischen weißen Trüffeln hobelt er höchstpersönlich über das Spie-gelei, die typisch piemontesische tajarin-Pasta mit extra viel Ei im Teig oder über das Fleisch der heimischen Rinderrasse Fassona pie-montese. Ob Trüffeln wirklich zum Fleisch passen, gar zum Tatar, ist übrigens auch in Piemont umstritten, dabei handelt es sich um ein traditionelles Gericht. Aber was gibt es Schöneres, als das Für und Wider bei ausgiebigem Probieren abzuwägen?

Wer ein Wochenende in die Trüffelwelt eintauchen will, ist in der „Locanda del Pilone“ gut aufgehoben, einer persönlichen Herberge

mit piemontesischem Charme, fünf Kilome-ter außerhalb von Alba mitten in den Wein-bergen – den eigenen Weinbergen, wohlge-merkt. Das Gut der Familie Boroli wurde in ein kleines Hotel mit exzellentem Restaurant umgewandelt, die hauseigene cantina offe-riert Barbera und Barolo. Letzterer übrigens ist zur Trüffel nicht der beste Begleiter.

„Gratta, gratta“ – das muss sich auch der Chefkoch Frederico Gallo in der „Locanda del Pilone“ anhören, wenn er nicht wie den Rest des Jahres verfeinerte piemontische Ge-richte mit mediterranen Noten auftischt, son-

dern die Trüffeln den Ton auf seiner Karte angeben. Selbst der jun-ge Pasquale Laera, Küchenchef des eleganten Restaurants „La Rei“ im sehr schicken und sehr luxuriösen „Boscareto Resort“ in Serra-lunga d’Alba, der als Nachwuchstalent der italienischen Kreativen gilt, sieht seinen Ideenreichtum in diesen Wochen bisweilen in den Hintergrund gedrängt. In raffinierten Menüs, die vom Terroir ge-prägt sind, kombiniert er etwa Kalbszunge mit Auster und Kaviar oder tajarin mit Dicken Bohnen, Kardamom und Seeigel.

Im siebten Himmel wähnt man sich beim Trüffel- und Feinkost-händler Paolo Montanaro, seiner Schwester Stefania und seiner Frau Veronica im „Tartuflanghe“ in Piobesi d’Alba. Paolo und Veroni-ca kaufen drei Kilo weiße Trüffeln – am Tag. Wenn man bedenkt, dass 100 Gramm in der vergangenen Saison 400 Euro kosteten, was auch dieses Jahr nicht viel anders sein dürfte, und die Trüffelsucher ohne Rechnung und Quittung bar bezahlt werden wollen (ein bizar-res italienisches Gesetz macht das möglich, die fällige Steuer ent-richtet der Aufkäufer dem Staat), dann muss Paolo dafür täglich 12 000 Euro hinblättern. Ein Vermögen macht er dabei trotzdem nicht: Die Margen sind gering, denn wenn auch alles mit der Prä-zisionswaage gewogen wird, verliert eine Trüffel nach der vorsich-tigen Reinigung mit lauwarmem Wasser und weicher Bürste fünf bis zehn Prozent Gewicht. Und natürlich gibt es auch Knollen, die selbst Kenner täuschen können und sich erst später als fade, spröde oder wurmstichig herausstellen. Bei Paolo kommt nur erstklassige Ware in den Weiterverkauf, deswegen bestellt auch so gut wie je-der Spitzenkoch in Italien seine Trüffeln bei ihm.

Trotzdem gut, dass Paolo, studierter Chemiker, sein Angebot erweitert hat. So stellt er auch jede Men-ge Öle und Essenzen für Top-Restaurants her, But-ter, Cremes und Öle mit weißen Trüffeln; auch die berühmten dehydrierten weißen Trüffeln von Massimo Bottura stammen von ihm. Dazu gibt

es eingelegte Sardellen mit Trüffeln, Pasta mit Trüffeln, Trüffel-salze und Fleischsugos mit Barolo. Ein Hit sind die tartufi dolci, eine piemontesische Pralinen-Spezialität, die nichts mit der Knol-le zu tun hat. Paolo hat 2015 sogar eine eigene Marke davon kre-iert, die Trifulòt; es gibt sie in vielen Geschmacksrichtungen, da-runter Kardamom und Safran. Hinter der Ladentheke steht Pao-los Vater, der einst mit elf Jahren von der Schule ging, als Koch auf Kreuzfahrtschiffen anheuerte und schließlich vom Ersparten mitten in Alba ein Restaurant eröffnete. Damals, in den 60er- und 70er-Jahren, als die Welt noch nichts von weißen Trüffeln wuss-te, wurden sechs bis sieben Kilo davon an einem Wochenende

H O T E L Sin der Trüffel-Hauptstadt

1Boscareto Resort, Serralunga d’Alba

fffjh

2Locanda del Pilone, Alba ffhhh

3Langhe, Alba fhhhh

Mehr Adressen im herausnehmbaren Info-Guide (Seite 50)

Ein Hideaway für Trüffel-Fans: „Locanda del Pilone“ in Alba.

Piemontesischer Charme prägt

die Zimmer und das Restaurant

30 Der Feinschmecker 11/2016 11/2016 Der Feinschmecker 31

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weggehobelt. Heute sind es auch in gut besuchten Restaurants höchstens sechs- bis achthundert Gramm.

Es wird Zeit, sich dem Objekt der Begierde weiter zu nähern. Die weiße Trüffel, die Königin aller Knollen, hat eine beige- braune Farbe. Schwarze Trüffeln, von Dezember bis März reif, rei-chen in Geschmack und Qualität nicht an den Tuber magnatum Pico heran. Weiße Trüffeln wachsen im Norden und in der Mitte Italiens, spärlicher auch in Teilen Sloweniens und Kroatiens. In der Spitze gibt es Hervorragendes aus der Emilia-Romagna, aus Um-brien, den Marken und dem Friaul, aber die Langhe-Trüffel bleibt die beste, denn es ist, wie beim Wein, eine Frage des Terroirs. Sa-gen Einheimische. Es sieht ja keiner, wenn man bei flauen Ernten auch mal Knollen aus anderen Regionen herbeischafft.

Bis vor zehn Jahren wusste man noch so gut wie gar nichts über Entstehung, Wachstum und biolo-gische Bedeutung der Trüffel. Das hat sich dan-kenswerterweise geändert. Die weiße Trüffel ist ein sogenannter hypogäischer Pilz, also ein Pilz, der unter der Erde wächst. Er gedeiht in der Nähe

bestimmter Bäume, darunter Pappeln, Eichen, Linden und Weiden, und geht mit deren Wurzelwerk eine Symbiose ein: Er zieht Salze und Mineralstoffe von den Wurzeln ab, dafür darf sich der Baum in der Trockenzeit aus dem Wasserspeicher der Trüffel bedienen. Für den einmaligen Duft ist das Molekül Dimethylthiomethan ver-antwortlich, das sich auch in einigen anderen Nahrungsmitteln fin-det, nämlich in Krustentieren (vor allem in den Köpfen von Scampi und Garnelen), Pilzen, in einigen Käsesor-ten und im Spargel. Der menschliche Orga-nismus kann es allerdings nicht verarbeiten, deswegen haben wir auch am nächsten Tag noch den Trüffelgeschmack im Mund.

Der Duft der Trüffeln ist Lockmittel und Hilferuf zugleich. Ihre Sporen können sich nicht oberirdisch im Wind verbreiten, daher müssen Tiere wie etwa Wildschweine mit dem Geruch angelockt werden. Sie naschen vom Pilz und verbreiten die unverdaulichen

Sporen mit ihren Ausscheidungen. Warum weiße Trüffeln nur in be-stimmten Breitengraden wachsen? Unklar. Warum nur an bestimm-ten Bäumen? Achselzucken. Warum man sie nicht züchten kann? Ein Rätsel. „Wobei die Chinesen schon sehr nah dran sind“, erzählt Paolo. Bei ihnen sind Trüffeln so beliebt wie Kaviar in Russland, und Heerscharen von Forschern versuchen seit Jahrzehnten, sie in-dustriell heranzuziehen. Die berühmte Trüffel auktion im Castel-lo di Grinzane, auf der einmal im Jahr die prächtigsten Exempla-re versteigert werden, wird sogar live nach Hongkong und Shang-hai übertragen.

Geadelt ist, wer einen Trüffelsammler bei der Suche begleiten darf. Manche Hotels bieten ihren Gästen in der Saison dieses Er-lebnis an. Wolkenschleier hängen noch tief, als wir am frühen Mor-gen zur Trüffeljagd in den Wald aufbrechen. Aber plötzlich klart es auf, wie so oft in dieser Landschaft, und dann ist alles in ein be-zaubernd herbstliches Grün getaucht. Wir geben hier natürlich kei-ne Namen und Orte preis, denn Verschwiegenheit ist das Erfolgs-geheimnis der besten Trüffelsucher, und je mehr Menschen von ei-nem Geheimnis wissen, desto weniger ist es eines. Nur so viel: Die meisten Trüffelhunde sind weiblich, denn sie suchen zielgerichteter und lassen sich nicht durch männliche Reviermarkierungen ablen-ken. Trockenheit ist bei der Trüffelsuche gut, Regen ist schlecht. In der Feuchtigkeit dampft die Erde, Gerüche steigen auf, verführe-risch, reich, betörend – irreführend.

Ein paar Tipps seien hier noch verraten: feuchte Stellen, hügeli-ges, überwuchertes Gebiet, vielleicht ein paar Meter von einem Flusslauf entfernt. Der tartufaio weiß, wann der Hund etwas riecht und wie gut es ist. Wenn die Hündin nur mit einer Pfote gräbt, ist es eine minderwertige Trüffel. Wenn sie mit beiden Pfoten das Erd-reich umwühlt, dann ist die Hündin high und das Geld nahe.

Und die sprichwörtlichen Trüffelschweine? Mit ih-nen gibt es zu viele Scherereien. Zum einen sind die meisten Trüffelsucher lieber unauffällig un-terwegs, und dafür ist eine Sau die falsche Be-gleitung. Zum anderen sind Schweine zu intel-ligent für den Job; während sich der Hund nach

erfolgreicher Ausgrabung mit einem Hundekeks zufrieden gibt, frisst das Schwein den kostbaren Fund einfach auf. Vorkehrungen wie Maulkörbe bringen nichts, sie demotivieren die arme Sau.

Bleibt die Frage: Passt nun die weiße Trüffel aufs rohe Fleisch oder nicht? Beim Abendessen im „La Piola“, dem familiären Schwesterlokal des berühmte „Piazza Duomo“ direkt am Domplatz von Alba, mit Schiefertafel, auf der die wechselnden, traditionellen Gerichte angeschrieben sind, schütteln Paolo und Veronica einhellig entschieden den Kopf. Trüffeln, erklärt Veronica, brauchen Wär-

me, um ihr Aroma optimal zu entfalten. Ta-tar biete mit seiner kühlen Natur dafür kei-ne guten Bedingungen.

Die Trüffelmesse ist vorbei, Gaukler und Bustouristen sind fort, die Fassade des Doms leuchtet rot wie ein Barolo. Und Paolo emp-fiehlt, dass echte Genießer erst dann reisen sollten, wenn das Messezelt abgebaut ist. Von Mitte November bis Mitte Dezember sei die beste Zeit. Weniger Menschen, preis-wertere Zimmer – mehr Trüffeln. Q

T R Ü F F E L - L O K A L E ,in denen auch die

Einheimischen essen

1La Piola, Alba fjhhh

2Ventuno.1 Alba fjhhh

3Cambiocavallo, Asti fhhhh

Mehr Adressen im herausnehmbaren Info-Guide (Seite 50)

Luxus in den Weinbergen: Das

„Resort Boscareto“ in Serralunga

d‘Alba ist eine erste Adresse für

Wellness, Wein und feine Küche

32 Der Feinschmecker 11/2016 11/2016 Der Feinschmecker 33

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Enoteca Fracchia & Berchialla Fülle der FlaschenAlbas bestes Weingeschäft ist seit über 40 Jahren ein Familienbetrieb und hat sich der Region verschrieben.

Allein 200 Weine aus der unmittelbaren Umgebung werden in angenehm unprätentiöser, aber an-sprechender Atmosphäre präsentiert, jeder lokale Winzer ist vertreten. Dazu Übersee und Euro-pa, vor allem Frankreich. Viele Champagner!

Alba von unten Führungen im UntergundEs geht zwar nicht durch kilometerlange Katakom-

ben, aber die Ruinen einer römischen Stadt, auf denen das mittelalterliche Alba entstand, sind heute zum Teil zugänglich. Bei der 90-minütigen Führung gibt es viele interessante Überreste einer längst vergangenen Zeit zu entdecken. Anmeldung erforderlich, Führungen auch auf Englisch. Termine: Sa/So zur Zeit der Trüffelmesse, sonst jeden dritten Samstag sowie jeden zweiten und vierten Sonntag im Monat, Tickets € 10. www.ambientecultura.it (Stichwort: „Alba Sotterranea“)

Vespa Stilvoll durch die Rebberge

Authentischer kann man nicht über die piemontesi-schen Hügel und von Weinberg zu Weinberg düsen:

Mit „Rent Your Vespa“ in Canale reist man einerseits auf typisch italienische Art, muss andererseits aber auf hilfreichen Luxus wie GPS nicht verzichten. Die

Vespas werden auf Wunsch bis zum Hotel geliefert und dort auch wieder abgeholt. Preis: ab € 80/Tag.

www.rentyourvespa.com

Papa dei Boschi Zu Besuch beim Haselnuss-KönigMancher von uns hat als Kind eine gewisse Nussnougatcreme pfundweise verdrückt. Lichtjahre von so etwas entfernt sind Duft und Geschmack der nocciole, der berühmten piemontesischen Haselnüsse. José Noé (Foto) erntet einsame Spitzenqualität. Führungen durch seinen kleinen Betrieb und Verkostungen sind nach Anmeldung möglich. Nüsse und Cremes aus Eigenproduktion gibt‘s im Verkauf.

Tartuflanghe: Trüffeln aller ArtenEin paar Kilometer außerhalb von Alba lockt ein kleines Paradies: Paolo Montanaro ist einer der wich tigsten

Trüffelhändler der Region und bietet allerlei hochwertige Produkte und hausgemachte Süßigkeiten an, darunter die berühmten piemontesischen Pralinen tartufi dolci, seine Version heißt Trifulòt.

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TOP FIVE auf einen BlickDie fünf besten Restaurants der Region:

1. Piazza Duomo ffffj Enrico Crippas Restaurant ist ein Pilgerziel für Gourmets (Koch des Monats 10/2014).

2. La Rei fffhh Pasquale Laera gilt als ein kommender Superstar der Spitzenküche.

3. Locanda del Pilone ffjhhPiemontesische Tradition mit Traumblick auf die eigenen Weinberge.

4. Gener Neuv ffjhhDer Evergreen ist umgezogen: seit einigen Monaten in der Via Leone Grandi in Asti. 5. Massimo Camia ffjhhEine starke Säule der guten piemontesischen Küche in La Morra zwischen Alba und Barolo.

Neive: Stadt mit Postkartencharme Neive mit seinen hübschen Palazzi und Castelli gilt als einer der schönsten Orte Italiens und lohnt immer einen Abstecher. Wir empfehlen einen Bummel durch die Gassen und einen guten caffè, etwa in der „Pasticceria Dolceneive“ (Via de Revello 1). Zudem trägt Neive den verlockenden Beinamen „La terra dei quattro vini“ – rund um das Dorf wachsen Barbera, Barbaresco, Moscato und Dolcetto.

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WiMuWeingeschichte interaktivRaffiniert konzipiertes Weinmuseum auf drei Stock werken des Falletti- Kastells im Zentrum Barolos. Neben historischen Exponaten wird auch die Musik- und Film-geschichte des Weins vorgestellt. So sieht man in einem kleinen Kinosaal Ausschnitte aus Holly-

woodfilmen und italienischen Klassikern, in denen Wein eine Rolle spielt. Höhepunkt: Der Rundgang endet durch einen unterirdischen Tunnel direkt in der Enoteca des Ortes, in der 32 Barolos probiert werden können. Eintritt € 8. www.wimubarolo.it r

Adressen, Karten und Bewertungen zum Herausnehmen auf Seite 50

Piemont:

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Erkundungen in der Region

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Lust auf einen erschwinglichen Rotwein aus Piemont? Wir haben sechs feine Tipps für Sie auf Seite 102!

Und auch ein Blick auf den Feinschmecker-Club und www.der-feinschmecker-shop.de lohnt sich, siehe Seite 88.34 Der Feinschmecker 11/2016