Bodemann (2004) - Die Kritische Diastaze Röm 7

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Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln Traditionsgeschichtliche Spurensuche eines hellenistischen Topos in Römer 7 1 von Reinhard von Bendemann (Institut für Neues Testament und Judaistik, Christian-Albrechts-Universität; Leibnizstr. 4; D-24118 Kiel) Das Neue Testament ist ein griechisches Buch. Die siebenundzwanzig Schriften, die in späterer Zeit in den neutestamentlichen Kanon Eingang ge- funden haben, sind unbeschadet unterschiedlicher Stillagen in dem am Atti- schen orientierten Koine-Griechischen verfaßt. Wie griechisch aber sind diese Schriften wirklich, die zugleich die Entstehungsgeschichte einer Bewegung spiegeln, die aus dem frühen Judentum hervorgeht, und die sich in vielfältiger Weise bis ins Sprachliche hinein auf eine jüdische Geschichte beziehen? Wie ist es mit der viel diskutierten und insgesamt nach wie vor nicht wirklich gelösten Frage des Verhältnisses von Athen und Jerusalem im frühchristlichen Schrift- tum? Wie weit reicht der Einfluß von Griechentum und hellenistischer Kultur im Neuen Testament? Gibt es überhaupt eine frühchristliche Rezeption des Griechentums und der hellenistisch-römischen Bildung am Alten Testament und am in sich vielfältigen frühen Judentum vorbei? Die neutestamentliche Wissenschaft beschäftigen solche grundsätzlichen Fragen auf ganz verschiedenen Feldern und Ebenen, und es ist unmöglich, hier die Forschungsgeschichte auch nur in Umrissen zu skizzieren. Immerhin eine Notiz legt sich gleichwohl nahe. In den vergangenen Jahren ist das alte Projekt des Corpus Hellenisticum, einer umfassenden vergleichenden Auf- arbeitung der griechisch-römischen Literatur der Antike, in das Unternehmen des »Neuen Wettstein« eingemündet 2 . Dieses leitet seinen Namen vom so- genannten »Alten Wettstein« her. Johann Jakob Wettstein schuf 1751/52 eine zweibändige kritische Ausgabe des griechischen Neuen Testaments 3 . Diese ist 1 Geringfügig überarbeitete und durch Anmerkungen ergänzte Fassung meiner Antritts- vorlesung, gehalten an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel am 11.12.2002. 2 Siehe die Nachzeichnung der wechselreichen Geschichte des Unternehmens: H.D. Betz, Art. Hellenismus, TRE 15 (1986) 19–35, hier 23f. (Lit.; vgl. Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus. II. Texte zur Briefliteratur und zur Johannesapokalypse, hg. v. G. Strecker/U. Schnelle, Berlin/New York 1996, V). 3 Zum Folgenden: J. Wettstein, Novum Testamentum Graece II, Graz 1962, bes. 56–59; H. Hommel, Das 7. Kapitel des Römerbriefes im Lichte antiker Überlieferung (1961/62), in: ders., Sebasmata. Studien zur antiken Religionsgeschichte und zum frühen Christen- ZNW 95. Bd., S. 35–63 © Walter de Gruyter 2004 Bereitgestellt von | Universität Heidelberg Angemeldet Heruntergeladen am | 25.03.15 15:13

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Paul exgesis of Roman 7

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  • Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln (Rm 7) 35

    Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln

    Traditionsgeschichtliche Spurensucheeines hellenistischen Topos in Rmer 71

    von Reinhard von Bendemann

    (Institut fr Neues Testament und Judaistik, Christian-Albrechts-Universitt; Leibnizstr. 4; D-24118 Kiel)

    Das Neue Testament ist ein griechisches Buch. Die siebenundzwanzigSchriften, die in spterer Zeit in den neutestamentlichen Kanon Eingang ge-funden haben, sind unbeschadet unterschiedlicher Stillagen in dem am Atti-schen orientierten Koine-Griechischen verfat. Wie griechisch aber sind dieseSchriften wirklich, die zugleich die Entstehungsgeschichte einer Bewegungspiegeln, die aus dem frhen Judentum hervorgeht, und die sich in vielfltigerWeise bis ins Sprachliche hinein auf eine jdische Geschichte beziehen? Wie istes mit der viel diskutierten und insgesamt nach wie vor nicht wirklich gelstenFrage des Verhltnisses von Athen und Jerusalem im frhchristlichen Schrift-tum? Wie weit reicht der Einflu von Griechentum und hellenistischer Kulturim Neuen Testament? Gibt es berhaupt eine frhchristliche Rezeption desGriechentums und der hellenistisch-rmischen Bildung am Alten Testamentund am in sich vielfltigen frhen Judentum vorbei?

    Die neutestamentliche Wissenschaft beschftigen solche grundstzlichenFragen auf ganz verschiedenen Feldern und Ebenen, und es ist unmglich,hier die Forschungsgeschichte auch nur in Umrissen zu skizzieren. Immerhineine Notiz legt sich gleichwohl nahe. In den vergangenen Jahren ist das alteProjekt des Corpus Hellenisticum, einer umfassenden vergleichenden Auf-arbeitung der griechisch-rmischen Literatur der Antike, in das Unternehmendes Neuen Wettstein eingemndet2. Dieses leitet seinen Namen vom so-genannten Alten Wettstein her. Johann Jakob Wettstein schuf 1751/52 einezweibndige kritische Ausgabe des griechischen Neuen Testaments3. Diese ist

    1 Geringfgig berarbeitete und durch Anmerkungen ergnzte Fassung meiner Antritts-vorlesung, gehalten an der Christian-Albrechts-Universitt zu Kiel am 11.12.2002.

    2 Siehe die Nachzeichnung der wechselreichen Geschichte des Unternehmens: H.D. Betz,Art. Hellenismus, TRE 15 (1986) 1935, hier 23f. (Lit.; vgl. Neuer Wettstein. Texte zumNeuen Testament aus Griechentum und Hellenismus. II. Texte zur Briefliteratur und zurJohannesapokalypse, hg. v. G. Strecker/U. Schnelle, Berlin/New York 1996, V).

    3 Zum Folgenden: J. Wettstein, Novum Testamentum Graece II, Graz 1962, bes. 5659;H. Hommel, Das 7. Kapitel des Rmerbriefes im Lichte antiker berlieferung (1961/62),in: ders., Sebasmata. Studien zur antiken Religionsgeschichte und zum frhen Christen-

    ZNW 95. Bd., S. 3563 Walter de Gruyter 2004

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    aber vor allem darum bedeutsam geworden, weil sie in einem eigenen kriti-schen Apparat die klassischen und hellenistischen Parallelstellen zu den neu-testamentlichen Texten verzeichnet. Bis heute bleibt dieser alte Wettsteineine stimulierende Fundgrube fr antike Vergleichstexte. Viele hier notiertenTexte sind in der Forschung liegen geblieben.

    Mit dem neuen Unternehmen aber treten altbekannte methodische Fra-gen erneut auf den Plan: Wie bemit man berhaupt den Einflu griechischerKultur und griechischen Denkens, wenn man von Texten her ansetzt? Wie be-stimmt man sogenannte Vergleichstexte, und was wird hier womit vergli-chen? Mit katenenhafter Aufzhlung ist wenig getan, und jeder Vergleichgreift zu kurz, der sich nicht Rechenschaft ber den Ort und Sinn einer Aus-sage im jeweiligen Ganzen einer Schrift in ihren besonderen soziohistorischenund literarischen Koordinaten gibt. Nur durch dezidierte Interpretation derTexte in ihren jeweiligen Kontexten und einschlielich der Prozesse ihrer Tra-dierung und Rezeption ist berhaupt Vergleichbarkeit festzustellen.

    Im folgenden soll vor dem Hintergrund solcher unerledigter Problemeder Frage der receptio hellenistica im Neuen Testament an einem konkretenTestfall nachgegangen werden. Es geht um eine exemplarische Spurensuche.Das in seiner Bedeutung fr das literarisch-theologische Geflle des Rmer-briefes kaum zu berschtzende, wirkungsreiche 7. Kapitel des Rmerbriefesbietet sich fr solche Spurensuche insofern an, als hierzu bis in jngste For-schungsarbeiten hinein ein Grundbestand bereits (vielfach nicht erst) beiWettstein zu findender hellenistisch-rmischer Paralleltexte gewissermaentradiert wird, ohne da diese aber in der Regel ausfhrlicher interpretiert wr-den.

    Zur Gewinnung einer Basis fr die traditionsgeschichtliche Spurensucheist in einem ersten knappen Arbeitsschritt zunchst der Ausgangspunkt desVergleichs im 7. Kapitel des Rmerbriefes ins Auge zu fassen, der sich als To-pos klassifizieren lt. Ein zweiter Analyseschritt hat dann in einer grundstz-lich literaturgeschichtlichen Anordnung zunchst einen groen Sprung zuvollziehen. Er ist einer ausfhrlichen Analyse derjenigen Stelle gewidmet, dieals Ausgangspunkt der griechischen Formulierung des Topos gelten kann:Dem berhmten und in der Antike viel rezipierten Schlumonolog der Me-deia des Euripides. Ein dritter Teil folgt den Spuren des Topos in die rmischeKaiserzeit. Auch wenn sich solche Ordnung sprach- und geistesgeschichtlichnur bis zu einem gewissen Grad bewhrt, legt es sich nahe, auch hier zunchstdie Rezeption und Verarbeitung des Problems in der Dichtung zu behandeln,wobei der Akzent auf Seneca liegt, und hiervon die Orientierung ber das Pro-blem innerhalb der philosophischen Diskussion in einem weiteren Arbeits-gang zu unterscheiden.

    tum II (WUNT 32), Tbingen 1984, 141173. Zur forschungeschichtlichen Einordnungdes Wettsteinschen Materials: H. Lichtenberger, Studien zur paulinischen Anthropologiein Rmer 7, Habil.-Schr., Tbingen 1985, 192f.

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    I. Das, was ich hasse, das tue ich Zum Ort des Topos in Rmer 7

    Paulus schildert in Rm 7,7ff. im Zentrum des Rmerbriefes die Ge-schichte eines Ich, das in eine tiefe Krise gert. Herkmmlich berschreibtman diesen Abschnitt als Apologie des Gesetzes4. Genauer geht es um eineVerhltnisbestimmung von Snde und Gesetz.5 Weitgehender Konsens be-steht darber: Vor dem finalen Klageruf in V.24 und der folgenden Danksa-gung ist Rm 7,723 in zwei Teilabschnitte zu untergliedern6. Ein erster Teil-abschnitt, der bis V.13 reicht, ist im Vergangenheitstempus formuliert undfhrt narrativ an den folgenden Zusammenhang in VV.1423 heran. Dieserzweite Teilabschnitt wechselt aus dem Vergangenheitstempus ins deskriptiveund reflektierende Prsens. Beide Abschnitte sind in ihrer Sprachkompetenzund ihren Bauformen hochgradig voraussetzungsreich. In dem ersten Teil-abschnitt entwirft Paulus die Geschichte des Ich auf dem Hintergrund dersogenannten Sndenfallerzhlung in Gen 2 und 3.7 Das Ich wird in derRolle Adams derjenigen Geschichte ansichtig, durch die es in die dilemmati-sche Lage zwischen Snde und Gesetz geraten konnte.8

    Aber auch der zweite, prsentische Teil Rm 7,1423 erweist sich alstraditionsgeschichtlich gesttigt. Hier findet sich in V.15b.19 sowie in einerThema-Rhema-Struktur auch im jeweiligen Folgevers sechsmal diejenige For-

    4 Mit vielen anderen: J.A. Fitzmyer, Romans (AncB 33), New York u.a. 1993, 463, 473.5 Kontext: Rm 7,725 fhrt 7,5 aus, 8,17 dann 7,6 (vgl. T.K. Heckel, Der Innere

    Mensch. Die paulinische Verarbeitung eines platonischen Motivs [WUNT II.53], Tbin-gen 1993, 163 mit Anm. 73; S. Vollenweider, Freiheit als neue Schpfung. Eine Unter-suchung zur Eleutheria bei Paulus und in seiner Umwelt [FRLANT 147], Gttingen1989, 346).

    6 Die strittige Frage einer Glosse in V.25b kann hier nicht weiter verfolgt werden: Lichten-berger, Studien (s. Anm. 3), 162172; Heckel, Mensch (s. Anm. 5), 195197 (Anm. 203:Lit.); anders entschieden u.a. von D. Zeller, Der Brief an die Rmer (RNT), Regensburg1985, 145.

    7 Gegen W.G. Kmmel, Rmer 7 und die Bekehrung des Paulus (UNT 17), Leipzig1929, 8587: G. Theien, Psychologische Aspekte paulinischer Theologie (FRLANT131), Gttingen 1983, 204213; Vollenweider, Freiheit (s. Anm. 5), 349 mit Anm. 314;K. Haacker, Der Brief des Paulus an die Rmer (ThHK 6), Leipzig 1999, 143f.; L. Thu-rn, Derhetorizing Paul. A Dynamic Perspective on Pauline Theology and theLaw (WUNT 124), Tbingen 2000, 121. Auffllig ist das Zurcktreten atl. Zitate inRm 58 gemessen an anderen Partien des Rm (nur in 7,7 und 8,36; vgl. dagegenallein 27 Zitate in Rm 911; siehe M. Theobald, Der Rmerbrief [EdF 294], Darm-stadt 2000, 84).

    8 Die Ich-Rede ist Signatur des gesamten Abschnittes und innerhalb des corpus Paulinumsingulr (vgl. zu Gal 2,1720: Theien, Aspekte [s. Anm. 7], 200f.). Explizites im Nominativ steht im Rm erst ab 7,9 (vgl. zuvor den Gen.: Rm 1,810.12; 2,16; 7,4;den Dat.: 7,8; den Akk.: 1,15), wobei die beiden Gnge in V.7ff. und V.14ff. jeweils durchWir-Rede initiiert sind, um in Kapitel 8 dann in ein ekklesiologisch-inklusives wir zuwechseln.

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    mulierung, um die es nun geht. Die Formulierung weist gewisse sprachlicheAufflligkeiten gegenber dem Kontext auf.9 Sie variiert, ist im Grundbestandaber stabil, so da aus der variatio kein stringenter Gedankenfortschritt ab-leitbar ist. In V.15b heit es: , upsilontildedieresis . V.19 rekapituliert und variiert diese Aussage in chiastischerKonstruktion: , .

    Um dem Sinngehalt dieser Aussage auf die Spur zu kommen, ist es zu-nchst wichtig festzuhalten: Es geht hier nicht einfach um das Scheitern allerguten Theorie in der Praxis10. Es geht ferner nicht darum, da das Ich imRckblick die fatalen Folgen des eigenen Handelns erkennt, um daraufhinseine Handlungsoptionen zu berdenken. Die Diagnose von Rm 7 setzt viel-mehr prziser so an: Das Ich verwirft in einer Situation tdlicher Zuspit-zung zunchst die Tat, steht dann aber so die syntaktische Anordnung vordem unbegreiflichen Befund, da die Negation des eigentlich Gewollten mitinnerer Notwendigkeit zu seiner Praxis geworden ist.

    Wir beginnen die traditionsgeschichtliche Spurensuche mit dem ange-kndigten groen Sprung.

    II. Der Triumph des ber die upsilontilde Der Schlumonolog der euripideischen Medeia

    Der locus classicus fr das von Paulus in Rm 7 formulierte Problemfindet sich in einem Monolog der Medeia des Euripides11. Die entscheidendenWorte stehen genauer am Ende des letzten von insgesamt drei Monologen,die fr die Struktur der euripideischen Medeia bedeutsam sind12. In EuripidesV.10771080 heit es:

    9 Die wesentlichen Beobachtungen bei Theien, Aspekte [s. Anm. 7], 213f.10 So Haacker, Rmer (s. Anm. 7), 145. Dagegen E. Heitsch, Wollen und Verwirklichen.

    Von Homer zu Paulus, AAWLM.G 12 (1989) 454, bes. 41f.11 Siehe A. Dihle, Euripides Medea (SHAW.PH 5), Heidelberg 1977, 25 Anm. 14;

    ders., Euripides Medea und ihre Schwestern im europischen Drama, AuA 22 (1976)180f.; ders., Zum Streit um die Medea des Euripides, in: Catalepton. FS BernhardWyss, Basel 1985, 1930, bes. 28; B. Snell, Szenen aus griechischen Dramen, Berlin1971, 58.

    12 Im Blick auf die Monologe in V.364409.764810.10211080 spricht W. Schadewaldt,Die griechische Tragdie (Tbinger Vorlesungen IV), Frankfurt/Main 21992, 385, vondrei sulenartige[n] groe[n] Reden. Siehe den Bauplan: a.a.O., 386; A. Lesky, Ge-schichte der Griechischen Literatur, Bern/Mnchen 31971, 404406; ders., Die TragischeDichtung der Hellenen, Gttingen 31972, 302313, rechnet dagegen mit einer Zweitei-lung (309); D.J. Mastronarde (Hg.), Euripides Medea (Cambridge Greek and Latin Clas-sics), Cambridge 2002, 79f., mit den groen Rhesis-Abschnitten eine zentrale, wenn-gleich nicht die allein strukturtragende Rolle zu (hier Lit.: 398416).

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    sondern ich werde besiegt von den beln( ).Und wohl verstehe ich, welche grauenvollen Dinge ich im Begriff bin zu tun( ),aber der leidenschaftliche Aufruhr in mir (/der affektive Zorn) ist strker als meineberlegungen (/Ratschlge)(! upsilonhook ),er, der die Ursache der grten bel fr die Sterblichen ist( 6 upsilonhook % ).

    In diesen berhmten Versen hat man frh die unerhrt neue Zuspitzungeines Problems erkannt. Albin Lesky konstatiert eine innerhalb der griechi-schen Literatur singulre Selbstdiagnose13. Schon in der Antike hat sich an ihreine reiche Diskussion entzndet. Die antike Rezeptionsgeschichte reicht berImitation, kritische Neugestaltung, Parodie und philosophische Errterungbis hin zur Darstellung in der Kunst.14 Bereits diese frhe Rezeption zeigtaber, da das Problem als solches nicht einfach klar zutage liegt. Sein Ver-stndnis setzt vielmehr eine Interpretation der dramatischen Koordinaten desKonflikts im Werkganzen der euripideischen Medeia voraus.

    1. Euripides verarbeitet traditionellen Stoff in innovativer Weise: ImMythos ist Medeia die Enkelin des Sonnengottes Helios aus Kolchis. Genauergehrt sie in den Umkreis der Argonautensage.15 Sie hilft hier Iason, in den siesich verliebt, das goldene Vlies zu gewinnen. Nachdem sie die Peliastchterzum Vatermord angestiftet hat, flieht sie mit ihm aus Iolkos nach Korinth.Den Ausgangspunkt des euripideischen Plots bringt die antike Hypothesis aufden Punkt: Als Iason nach Korinth kam und Medea mitbrachte, verlobte ersich auch mit der Tochter des Korintherknigs Kreon zur Ehe16.

    Unter den verschiedenen innovativen Elementen im Stck des Euripidesaber ist vor allem eines entscheidend: Hchst wahrscheinlich ist Euripides der

    13 Vgl. Lesky, Geschichte (s. Anm. 12), 405; ders., Die Griechische Tragdie (KTA 143),Stuttgart 51984, 183f.; M. Pohlenz, Die griechische Tragdie, Gttingen 21954, 261;Snell, Szenen (s. Anm. 11), 52, 55.

    14 Zu frhen Deutungen: J. Latacz, Einfhrung in die griechische Tragdie (UTB), Gttin-gen 1993, 292f.; zu den ikonographischen Darstellungen: D.L. Page, Euripides, Medea,Oxford 1938 (Nachdr. 2001), lvii-lxviii; Mastronarde, Medea (s. Anm. 12), 6669; G. Lip-pold, Art. Timomachos, RE 6 (1936) 1291f., hier 1292.

    15 Siehe besonders die Argonautica des Apollonios von Rhodos. Page, Medea (s. Anm. 14),xxi-xxx; K. v. Fritz, Die Entwicklung der Jason-Medeasage und die Medea des Euripi-des, in: ders., Antike und moderne Tragdie, Berlin 1962, 322429, hier 323336. Vgl.Hesiod, Theog. 9921002; Homer, Il. VII 468f.; XXI 40f.; Od. XI 235259; XII 6972u.a.

    16 Zit. nach der bersetzung von K.H. Eller, Stuttgart 1983, 4f. Zur Hypothesis der Me-deia: Page, Medea (s. Anm. 14), lv-lvi.

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    erste, der Medeia zur Mrderin ihrer beiden Kinder gemacht hat.17 Die Frage,wie es zur Katastrophe dieses Mordes an den eigenen Kindern kommen kann,wird zur inneren Leitfrage der Tragdie. Bevor im 5. Stasimon die Schreie derSterbenden zu vernehmen sind (V.1273f.) und das Stck mit der Prsentationder toten Kinder endet, lt Euripides die uere Handlung retardieren. Me-deia ist mit ihren lachenden Kindern ein letztes Mal zusammen. In der Refle-xion der Rhesis vor der eigentlichen Tat kulminiert das Drama in den zitiertenVersen des Monologs.18

    2. Wie ist nun der Konflikt nherhin zu beschreiben? Die euripideischeMedeia ist eine uerst schillernde und ambivalente Figur. Diese Ambiva-lenz hat bereits in der Antike zu Kritik Anla gegeben. Sie schlgt sich in derForschung in den sehr verschiedenen Versuchen nieder, das Tragische desStcks zu bestimmen. Abgekrzt ist festzustellen: Nach einer Richtung derForschung ist die euripideische Medeia eine im Grundentwurf homogene undmonolinear operierende Figur. Bezeichnend ist aber, da innerhalb dieserForschungsrichtung keine Einigkeit darber zu verzeichnen ist, worin dieseHomogenitt und Linearitt denn besteht: Nach der einen Lesart ist undbleibt Medeia in erster Hinsicht die liebende Mutter. So setzt Zwierlein in sei-ner Analyse an. In solcher Optik bleiben die eigenen Kinder Medeia bis zu-letzt das liebste. Es sind die ueren Faktoren und Zwangslagen, unter dieauch Medeias Wesensart zu rechnen sei, die sie gegen ihre eigentliche Inten-tion zum uersten treiben19.

    Die andere Lesart einer im Grundentwurf homogenen Figur setzt dage-gen umgekehrt an. Nach Levvre ist Medeia frh und dominant als eine eis-kalte Mrderin entwickelt, der gegenber die Mutter Medeia von vornhereinkeine Chance hat.

    Beide Mglichkeiten rechnen nicht mit einer bleibenden Innenspannungund Ambivalenz der Figur. Auf der Basis beider Anstze der Rekonstruktioneiner Figur aus einem Gu aber ist die berhmte Doppelzeile am Monolog-

    17 W.-H. Friedrich, Medeas Rache, in: E.-R. Schwinge (Hg.), Euripides (WdF 89), Darm-stadt 1968, 177237, bes. 185; Schadewaldt, Tragdie (s. Anm. 12), 388; Dihle, Medea(s. Anm. 11), 7; M. Dubischar, Die Agonszenen bei Euripides. Untersuchungen zu aus-gewhlten Dramen (Drama Beiheft 13), Stuttgart/Weimar 2001, 318; Latacz, Einfh-rung (s. Anm. 14), 285. Zu den mglichen Vorvarianten: B.M.W. Knox, The Medea ofEuripides, in: T.F. Gould/C.J. Herington (Hg.), Greek Tragedy (YCS 25), Cambridgeu.a. 1977, 193225, bes. 194f. mit Anm. 7, zum Problem von Neophrons in den Scholienbezeugter und wahrscheinlich jngerer Medeia (hierzu die Texte bei: Page, Medea[s. Anm. 14], xxx-xxxvi; Mastronarde, Medea [s. Anm. 12], 5764).

    18 Vgl. Schadewaldt, Tragdie (s. Anm. 12), 391, 402; Snell, Szenen (s. Anm. 11), 58f.;L. Bergson, Die Relativitt der Werte im Frhwerk des Euripides (AUS), Uppsala 1971,97.

    19 O. Zwierlein, Die Tragik der Medea-Dramen (JWJ 19), Berlin 1978, 2763, hier 3335.

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    ende wiederholt der Athetese zum Opfer gefallen. Diese fgt sich nmlich sol-cher monolinearer Rekonstruktion nicht ein20.

    Eine solche Athetese bleibt nun freilich in mehrfacher Hinsicht un-befriedigend.21 Es gilt vielmehr einen Zugang zu gewinnen, der die beidenStrnge, den der liebenden Mutter und den der Kindermrderin, in ihremlabilen Neben- und Ineinander zusammenzuhalten vermag, die Innenspan-nung der Figur also nicht einseitig aufzulsen sucht. Es zeigt sich vielmehr:Der Monologschlu bildet eine Ambivalenz in sich ab, die das unerhrtNeue und Herausfordernde der euripideischen Medeia insgesamt kenn-zeichnet.

    Medeia wird von Euripides einerseits als berechnende Mrderin vor-gefhrt, die geschickt zu planen, ihre Gegner zu tuschen und im richtigenAugenblick unerbittlich zuzuschlagen wei. Iason stellt frh im Stck ihrenscharfen Verstand fest (V.529: ). Medeias Rachefeldzug folgtdann einem przisen Skript (vgl. V.799810.12361241 an den Chor gerich-tet), bis sie am Ende sagen kann: Ich traf dich, wie es ntig ist, ins Herz(upsilonhook) (V.1360; vgl. 817)22. Zur Umsetzung ihrer Tat berechnet sie den op-timalen Zeitpunkt, sie verstellt sich, greift mit zu Lgen und setzt so-wohl Iason als auch den nach Korinth kommenden Aigeus planvoll fr ihreZiele ein. Die Umsetzung dieses Skripts erleichtert ihr Euripides insbesonderedadurch, da er ihren Mann Iason als einen schwachen, egoistischen und aufbrgerliche Sicherheit bedachten Charakter konzipiert hat.23

    Zugleich aber gibt es auch die andere Medeia, die bis zuletzt beimChor Rat einholt, schwankt, sich strubt und vor der grauenvollen Tat zu-rckschreckt (vgl. V.894905.922931.10191055).24 Es ist dabei jeweils derPunkt ihrer verletzten Ehre, die Angst vor dem Urteil ihrer Gegner ber ihre

    20 So u.a. auch J. Diggle ([OCT] Oxford 1984) und Zwierlein, Tragik (s. Anm. 19), 35f.;Heitsch, Wollen (s. Anm. 10), 2022. Zur langen Vorgeschichte der Frage der Authenti-zitt von Euripides, Med. 10561080: Mastronarde, Medea (s. Anm. 12), 388397.

    21 Mit E. Christmann, Bemerkungen zum Text der Medea des Euripides, Diss. Heidelberg,1962, 138; Dihle, Streit (s. Anm. 11), 2630. Vgl. B. Seidensticker, Euripides, Medea10561080, in: M. Griffith/D.J. Mastronarde (Hg.), Cabinet of the muses. FS Thomas G.Rosenmeyer, Atlanta 1990, 89102; L. Battezzato, Scena e testo in Euripide, Med.10531080, RIFC 119 (1991) 420436.

    22 Zu Medea as revenge-plot: Mastronarde, Medea (s. Anm. 12), 815. Zu den von Me-deia genutzten Klischees: Knox, Medea (s. Anm. 17), 203.

    23 Vgl. 559f.: das gute Wohnen als . A simple, kindly fellow A short-sightedegoist, but a gentleman (Page, Medea [s. Anm. 14], xiv); v. Fritz, Entwicklung(s. Anm. 15), 350f. Zu den unterschiedlichen Bewertungsmglichkeiten des euripidei-schen Iason: Dubischar, Agonszenen (s. Anm. 17), 315ff.

    24 Vgl. Dihle, Medea (s. Anm. 11), 1618, 3234 Anm. 21 (Lit.); Zwierlein, Tragik(s. Anm. 19), 33f.; Dubischar, Agonszenen (s. Anm. 17), 318, meint gar, da Euripidesdie Genese von Medeias Racheplan so gestaltet habe, da die tatschliche Ttung derKinder am Ende eine schockierende berraschung darstelle.

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    Schmach, der sie auf die Linie der planvollen Vernichtung zurcklenkenlt.25

    Der Schlumonolog der Medeia aber hebt nun eben diese Ambivalenz indie Form einer verallgemeinernden Selbstreflexion. Es handelt sich um einenVorgang der Metareflexion und Verselbstndigung der tragischen Bauform,die auf Kommunikation mit dem Zuschauer hin konzipiert ist.26. In der Folgedieses Monologs handelt Medeia sehenden Auges, sie wei um das Grauen-hafte dessen, das zu tun sie im Begriff ist. Zugleich aber erkennt sie ohnmch-tig, wie ihre upsilontilde ihrem erliegen, damit aber alles in den Sogtdlichen Mssens gert.

    uerst umstritten ist dabei freilich der Sinn der upsilontilde. Die Redevon den upsilontilde ist im Schlumonolog semantisch nicht isotop. Die vor-ausgegangenen Belege (769.772.1044 und 1048; vgl. 270.372.449.567.886.893= smtliche Stellen; die groe Rhesis der Medeia bietet folglich den letztenBeleg) treten in Widerstreit zu der gngigen Interpretation auf die vernnfti-gen Gedanken/Ratschlsse, beziehen sie sich im engeren Kontext vielmehrdeutlich auf das Rachekalkl der Medeia27. A. Dihle hat ausgehend von dieserSpannung darum in einer viel diskutierten Untersuchung der Medeia dieBezge umgedreht.28 Er sieht in den berhmten Schluversen das Einge-stndnis der Medea, zu der geplanten Tat gerade unfhig zu sein29. DieseInterpretation mu jedoch an zahlreichen Schwierigkeiten scheitern. Um nurdie entscheidende Klippe zu nennen: Nach Dihle sind es die mtterlichenEmotionen, die Medeia hier noch einmal vor der Tat zurckschrecken lassen.Ein solches Verstndnis von , das Dihle als milden Sprachgebrauch

    25 Vgl. V.383ff.; 404, 696: ' upsilontildedieresis ( ! upsilonhook; 797. 10321051. 1355.1362.Auch die Racheplne an ihrem Mann stimmt Medeia sorgfltig auf ihre eigene sozialeZukunft ab (vgl. E. Lefvre, Die Transformation der griechischen durch die rmischeTragdie am Beispiel von Senecas Medea, in: H. Flashar [Hg.], Tragdie. Idee und Trans-formation [Colloquium Rauricum 5], Stuttgart/Leipzig 1997, 6583, bes. 6870). Dihle,Medea (s. Anm. 11), 16, identifiziert hier einen mnnlichen Ehrenkodex.

    26 F. Leo, Der Monolog im Drama. Ein Beitrag zur griechisch-rmischen Poetik(AAWG.PH 10), Gttingen 1970, 1119; zur berlagerung von innerem und ueremKommunikationssystem in dramatischen Texten: M. Pfister, Das Drama. Theorie undAnalyse (Information und Synthese 3), Mnchen 81994, 90103, 171179; zu den drama-tischen Funktionen des Monologs: bes. 180195. Mit (9 x; vgl. : 4x) isteine semantische Leitlinie der Rhesis markiert. Gleich zu Beginn steht aber ein pronon-ciertes (V.1024). Medeia adressiert ihr eigenes Herz/Bewutsein (V.1052: upsilonbreve) undihren (V.1056).

    27 Dihle, Medea (s. Anm. 11), 1216. Die Diskussion lterer Positionen bei: Christmann,Bemerkungen (s. Anm. 21), 137146. Gegen die Bestimmung des Wortsinns in 1078 alsunbetont-farblos: Mastronarde, Medea (s. Anm. 12), 395.

    28 Dihle, Medea; ders., Euripides Medea, 180f. (s. Anm. 11); weitere: Mastronarde, Medea(s. Anm. 12), 393.

    29 Dihle, Medea (s. Anm. 11), hier 15.

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  • Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln (Rm 7) 43

    qualifiziert30, wre aber hchst schwierig. Vor allem pat es nicht zum Sinnder Schluverse in ihrer konkreten Syntax: Nach dieser Lesart mte man dieMutterliebe mit der Ursache der grten bel fr die Sterblichen (V.1080:upsilonhook % ) identifizieren, eine Lsung, die in haltloseKonstruktionen fhrt und darum auszuschlieen ist31.

    Doch verlangt die nicht erst von Dihle beobachtete Spannung nach einerErklrung32. Unter den verschiedenen in der Forschung diskutierten Lsun-gen hat m.E. die folgende den hchsten Grad von Wahrscheinlichkeit: DerUmbruch in Sprachgebrauch und Perspektivik bietet ein weiteres Indiz fr diegeneralisierende Tendenz der Schluverse und verweist so zugleich auf dieAmbivalenz der euripideischen Figur insgesamt. Die Spannung drngt nichtnach einer Interpolationslsung, sondern untersttzt die Herausforderungdes Publikums. In dramatisch auf die Spitze getriebener Kulmination berla-gern und durchdringen sich das und die upsilontilde der Medeiamit ihrem Drang nach Rache.33 Anthropologische Reflexion beginnt an die-sem Punkt, sich aus dem Kontext der dramatischen Handlungsbindung zu l-sen, und gewinnt so an Eigenstndigkeit und Eigengewicht.

    Solcher Vorgang einer anthropologischen Generalisierung ist in demdrei Jahre nach der Medeia verfaten Hippolytos Stephanophoros desEuripides noch weiter vorangetrieben. Schon oft bedachte ich in langerNacht (+ upsilontildedieresis ' ! . 8), / was unser Menschen-dasein so verdirbt ( upsilonhook), / und ich erkannte: nicht der Unver-stand / ist Wurzel alles bels (upsilonhook upsilontilde / ) an der Einsicht fehlts / den meisten nicht, ganz andersliegt der Grund (0 upsilontildedieresis 1 / 2 upsilonlenis upsilontildedieresis ) So setzt die kretische Prinzessin Phaidra hier an, derenLiebe in der Unterwelt zu ihrem Stiefsohn Hippolytos entflammt ist(Hipp. 375383; vgl. zuvor die mater nutrix in 358f.). Ihr Monolog ist nur lok-ker in das Handlungsgerst eingebunden. Die fortgeschrittene generalisie-

    30 Dihle, Medea (s. Anm. 11), 29, 32; ders., Streit (s. Anm. 11), 20ff. Ihm sekundierend:A.P. Burnett, Revenge in Attic and Later Tragedy, Berkely/Los Angeles 1998.

    31 Zur Widerlegung dieser Lesart (man mte 4 in 4 emendieren, um die ekla-tante Spannung im Kontext zu beseitigen): Siehe Zwierlein, Tragik (s. Anm. 19), 3537Anm. 24c; Mastronarde, Medea (s. Anm. 12), 397: Dihles interpretation also involvesan unlikely sense of the sense is Ill do this, not Ill endure / suffer this.

    32 Siehe Dihle, Medea (s. Anm. 11), 13f. Zu den Vorlufern: Heitsch, Wollen (s. Anm. 10),18 Anm. 58, der die Entdeckung der Spannung auf Stadtmller zurckfhrt.

    33 Vgl. Schadewaldt, Tragdie (s. Anm. 12), 403; Snell, Szenen (s. Anm. 11), 56 Anm. 48;Lesky, Geschichte (s. Anm. 12), 405. Die upsilontilde in 1079 beziehen sich in dieserKonstellation zwar auch auf die konkreten Plne der Medeia, begreifen jedoch weiter alldas in sich, was Medeia als Lwin und Skylla (V.1342f.) berhaupt an Einsicht in ihrHandeln gewonnen hat. Zum schwierigen Problem der Deutung von upsilonhook und: Mastronarde, Medea (s. Anm. 12), 344f.: would do just the opposite if itrefers only to 10448 and 10568 Vgl. a.a.O., 393397.

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  • 44 Reinhard von Bendemann

    rende Tendenz zeigt im Unterschied zum Medeia-Monolog auch das plurali-sche . Zugleich wird das Problem strker in denethischen Bereich verlagert und moralisch akzentuiert, indem das Richtigeund Anstndige bzw. Zutrgliche auf der einen Seite ( upsilonbreveupsilontildedieresis) mitdem Nichtausfhren ( upsilontildedieresis) auf der anderen Seite kontrastiertund als Begrndung upsilonhook (Trgheit, Energielosigkeit) und 5upsilonbreve ge-nannt werden.34

    3. Was erbringt nun ein Vergleich dieser in der neutestamentlichen For-schung so oft als Parallele aufgelisteten euripideischen Stelle mit dem Aus-gangstext in Rm 7?

    Zunchst kann man bei einer Abstrahierung von der konkreten sprach-lichen Ausformung Strukturparallelen entdecken. Beide Paulus wie Euripi-des konzipieren ein reflexives Ich innerhalb eines narrativ strukturiertenKontextes, einer Geschichte. Die euripideische Medeia setzt mit prononcierterIch-Rede ein, und dieses Ich wird im Monolog dort wieder explizit, wodie Mutter die Notwendigkeit erkennt, zu tten, was sie selbst geboren hat(V.1060; vgl. 1066). Weiter aber konzedieren beide Paulus wie Euripides den Ich-Rollen, die sie entwerfen, ein grundstzliches Wissen um das Rechteund Gute bzw. komplementr um das ble/Schlimme. Beide Texte sinddabei von einer generalisierenden Tendenz bestimmt, sie tendieren zu allge-meinen Aussagen ber den Menschen. Denys L. Page spricht in seinem Kom-mentar zur Medeia von something eternal and unchangeable in humannature35. Generalisierung aber wird schlielich durch mythologische Tiefen-schrfe erreicht. Beide Texte aktivieren eine paradigmatische Grunderzhlungihres Kulturkreises. Bei Euripides ist es der Pelias- und Iason-Sagenkranz, beiPaulus ist es in ganz anderer Weise die sogenannte Sndenfallerzhlung derGenesis.

    Allein die letzte Beobachtung verweist nun freilich bereits darauf, dadas weitere Vergleichen sich nicht im Feststellen formal-funktionaler Analo-

    34 Siehe die Belege bei Heitsch, Wollen (s. Anm. 10), 13f. mit Anm. Vgl. Snell, Szenen(s. Anm. 11), 25: Euripides selbst wird manche Nacht darber gegrbelt haben, woranes liegt, da die Menschen mit ihrem Leben nicht fertig werden. Zu solcher lectio bio-graphica: Latacz, Einfhrung (s. Anm. 14), 253, 277. In der nur fragmentarisch erhalte-nen Antiope des Euripides (ca. 410 v. Chr.) ist das Problem weiter bearbeitet: Frgm.220 [Nauck]: Viele der Sterblichen erleiden dies bel: voll vernnftiger Einsicht(7 ) wollen sie sich doch nicht der Seele unterwerfen, weil sie meistvon dem, was ihnen lieb und angenehm ist, besiegt werden ( upsilontildedieresis 9 /upsilonlenis ! upsilonhook ). upsilonbreve ist hier als Ort der Einsicht be-griffen, noch nicht in der Opposition von Krper und Seele (vgl. Snell, a.a.O., 70). ZumProblem der Rekonstruktion des nur fragmentarisch erhaltenen Hippolytos Kalyptome-nos: W.S. Barrett (Hg.), Euripides Hippolytus, Oxford 1964, 11f., 1545. Vgl. das Frag-ment des Chrysippos 841 [Nauck].

    35 Page, Medea (s. Anm. 14), xv (vgl. xvii).

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  • Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln (Rm 7) 45

    gien erschpfen kann, das Konstatieren von Gemeinsamkeiten wie Differen-zen vielmehr dem erheblichen Abstand beider Texte Rechnung zu tragen hat.Beide Paulus wie Euripides gewinnen die Diagnose der zutiefst verlorenenLage ihrer Ich-Figuren innerhalb einer Spezialkonstruktion. Diese unter-scheidet sich aber betrchtlich. Bei Euripides ist es die Innenperspektive einerextremen und dezentrierten Persnlichkeit: Einer Frau36, einer Auslnderinmit magischen Fhigkeiten, die in die Enge getrieben vor ihrer Tat auf ihreSituation reflektiert.37 Bei Paulus aber ist es dagegen der eschatologischeDenkrahmen, der die Analyse der Unbegreiflichkeit der Tat allererst erlaubt.Die heillose Situation des Ich in seinem Wissen und Wollen wird allererstbegreiflich und berschaubar im Rckblick von dem kontingenten Eingriffher, der dann im folgenden Kapitel Rm 8 mit der Rede vom Geist anvisiertwird (vgl. Rm 7,6).

    Innerhalb der kategorial verschiedenen Rahmenkonstruktion erklrtsich die unterschiedliche Wortsemantik. Bei Euripides steht die Rede von dem noch dem homerischen Sprachgebrauch nahe. Der kann bei Ho-mer in konkreter Lage eine animalische und unkontrollierte zornige Erregungim Menschen evozieren, welche mit der Einwirkung der Gtter zusammen-zugreifen vermag.38 Etwas unter anderen, archaischen Vorzeichen sachlichVergleichbares kommt in den Persern des Aischylos in der Rede von demDmon zum Ausdruck, der die Perser befllt und in die Niederlage fhrt39.

    36 In nahezu der Hlfte der erhaltenen Euripideischen Stcke stellen Frauen die Haupt-figuren. R.E. Harder, Die Frauenrollen bei Euripides (Drama Beiheft 1), Stuttgart 1993,146148, 356396.

    37 Im Monolog ruft Medeia die unangenehmen/ Rache heischenden Reprsentanten desHades an (V.1059). Zu den barbarischen und magischen Zgen der euripideischen Me-deia: Page, Medea (s. Anm. 14), xviiiff.; Mastronarde, Medea (s. Anm. 12), 2228.

    38 Homer kann den Trieb, den der Mensch bezwingen mu, in das Bild des ungebndig-ten Tieres fassen (siehe die Belege bei Snell, Szenen [s. Anm. 11], 56ff.; Dihle, Medea[s. Anm. 11], 26f.; Heitsch, Wollen [s. Anm. 10], 410). Vgl. auch Euripides Frgm. 840[Nauck] ( upsilontildedieresis 0 5 upsilontilde ). Vgl. abgesehen von der strittigenStelle (1079) die smtlichen Belege fr in der Medeia: 8.91.108.176.178.218.271.310.319.455.485.640.691.720.865.879.883.1054.1056.1146.1152. Anders die Interpreta-tion des Zorns Achills bei Plutarch, Mor. 26e, der durch den kontrollierbar ist.

    39 In den Persern des Aischylos ist der upsilonhook (verschieden attributiert) im Verbundweiterer Antworten auf die an das athenische Publikum gerichtete Frage zu sehen, wie eszur Katastrophe des Xerxes kommen konnte. Er wird von den verschiedenen Instanzenim Stck bemht (vgl. Aischylos, Pers. 158.345f.; vgl. 354.515f.724f.911; vgl. 942). Dieaischyleische Dmonologie bietet eine archaische Mischung der Vorstellungen eines per-snlichen Schutzgeistes (vgl. 825) wie der Erscheinungsform der Transzendenz und Per-sonifikation destruktiver Krfte (vgl. W. Nestle, in: Aischylos. Die Tragdien und Frag-mente, bers. v. J.G. Droysen, Stuttgart 1939, LII). Im Frgm. 444 des verlorenenersten Hippolytos des Euripides heit es anders: O Dmon, da es fr die Menschenkeine Abwehr der eingeborenen und gottgesandten bel gibt (bers. Snell, Szenen

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  • 46 Reinhard von Bendemann

    Neu bei Euripides ist demgegenber die Analyse des bewuten und zugespitz-ten Konflikts der inneren Lage im Mund einer individualisierten Figur. BeiPaulus aber findet sich an entsprechender Stelle die Rede von der upsilonhook ein Begriff fr das menschliche Verlangen, der wie das zugehrige Verbumnoch nicht bei Homer begegnet, noch bei Plato eine vox media ist, d.h. neutralgebraucht wird (auch noch spter, z.B. Epiktet, Diss. III 9,21), im Text vonRm 7 dagegen den qualifizierten Sinn eines verwerflichen Begehrens ange-nommen hat. Ma dieses verwerflichen Begehrens aber ist im Text das 9. bzw.10. Gebot, das apodiktisch fordert: Du sollst nicht begehren (Rm 7,7/Ex20,17; Dtn 5,21LXX).40

    Anders als bei Euripides setzt aber bei Paulus auch der Vorgang derReflexion auf die Krise der Ich-Figur an. Die euripideische Rede vom Ver-stehen () steht zwischen dem Erfahren und Ahnen und dembewuten Reflektieren und Erkennen im Unterscheiden. Bei Heraklit (Frgm.17 [Diels]) ist in vergleichbarer Weise das dem eigentlichen Erken-nen () vorgelagert.41 Die paulinische Rede vom Wissen, Erken-nen, Finden, Schauen und Zustimmen in Rm 7 markiert dagegen ana-lytische Vorgnge, die sich ganz anders unter dem Vorzeichen des Rckblicksund diakritischen berblicks in der eschatologischen Klammer von Rm 8 er-schlieen.

    [s. Anm. 11], 32; [Nauck] = , > 0upsilontildedieresis ? / upsilontilde ). Vgl. auch das Fragment des Bellerophon,Frgm. 297 [Nauck]: 0 @ .

    40 Der besondere Sinn der upsilonhook ergibt sich in Rm 7,713 aus der sog. Sndenfall-geschichte (vgl. Gen 6,5; 8,1 zur ). Zur Begierde als Grund-laster: vgl. 4Makk 2,6: ? ; Philo, Decal. 142.151153.173; Spec.Leg. IV78.82.84f.; 130135; Apk.Mos. 19; Apk.Abr. 24,3ff.; 1Kor 10,6. Siehe Zeller, Rmer(s. Anm. 6), 139f.; Lichtenberger, Studien (s. Anm. 3), 265284. Zur Negation der Frage,ob Paulus in Rm 7 eine nomistische upsilonhook kennt: H. Risnen, Zum Gebrauch vonF und F bei Paulus, StTh 33 (1979) 8599 (gegen die ltere Posi-tion, z.B. noch bei Th.R. Schreiner, Romans [Baker Exegetical Commentary], GrandRapids 1998, 368).

    41 Denn viele sehn das nicht ein, so viele auch daran stoen; belehrt man sie auch, sie er-kennen es nicht ( ) aber sie bilden sich etwas ein (bers.B. Snell; hierzu: ders., Szenen [s. Anm. 11], 71). Vgl. K.H. Rengstorf, Art. ., ThWNT 4 (1942) 392465, hier 393ff.: Bei Homer hat den Grundsinndes Sich-Gewhnens und Erfahrens. Zum bei Aischylos a.a.O., 396. ZumErkenntnisvermgen des Sophokleischen dipus: A. Schmitt, Menschliches Fehlenund tragisches Scheitern. Zur Handlungsmotivation im Sophokleischen Knig dipus,RMP 131 (1988) 830, hier 14f. Anm. 18: kein bewutes Reflektieren , aber doch eine Art Denken durch Unterscheidungsakte . Nach W. Bernard, Rezepti-vitt und Spontaneitt der Wahrnehmung bei Aristoteles (SaeSp 19), Baden-Baden1988, gilt fr Aristoteles bereits der primre Akt des Wahrnehmens als Vorgang der Er-kenntnis.

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  • Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln (Rm 7) 47

    Zuletzt ist ein Hinweis auf die Gattung unerllich: Immer wieder istin der Forschung darauf hingewiesen worden, da die Dilemma-Geschichtedes Ich in Rm 7 theatralische Zge annimmt. Snde, Gesetz und Ich tretenin eine dramatische Interaktion, in der das Ich in seiner verzweifelten Situationsowohl Agent als auch ohnmchtiger Zuschauer wie schlielich selbst Bh-nenort des ausweglosen Geschehens ist. Mit der Inszenierung durch Elementedramatischer Gestaltung vermag Paulus derjenigen dynamischen Konstella-tion plastischen Ausdruck zu verleihen, die sich als ein abgrndig-tdlicherStrudel beschreiben lt, aus dem es fr das Ich kein Entrinnen gibt.

    Freilich drfen solche Beobachtungen die tiefe Abstndigkeit nicht ver-decken: Die euripideische Medeia ist ein unter den Bedingungen und drama-tischen Gesetzmigkeiten des 5. Jh. fr die Bhnenauffhrung bestimmtesund tatschlich aufgefhrtes Stck.42 Konstitutiv fr die attische Tragdieaber sind ihre feste Bindung an die Polis und die mit ihr gegebenen religis-kultischen Voraussetzungen. Zwar sind hier bei Euripides in der Entwicklungder attischen Tragdie einschneidende Vernderungen festzustellen. Die Ord-nungsfaktoren der Polis verlieren bei ihm an bindender Kraft, die Rahmen-koordinaten der Bindung an die Gtter des Mythos werden weiterentwickelt(vgl. Aristophanes, Ran. 888f., zur privaten Art neuer Prgung).43 Eskommt zu einer intellektuellen Distanzierung. Dieser Vorgang ist unter denBedingungen der tragischen Gattung die Voraussetzung dafr, da Figurensich selbst und anderen gegenber in hherem Ma an reflexiver Distanz ge-winnen knnen. Es ist bezeichnend, da das Dilemma der Medeia zwischendem prinzipiell berechtigten Anspruch auf Kompensation und der Unfa-barkeit ihrer Tat im Stck selbst nicht aufgehoben wird. Das Drama nimmtden Akt der Aufklrung den Zuschauern nicht mehr ab.44

    42 Euripides hat mit der Medeia im Alter von 50 Jahren 431 v. Chr. kurz vor Ausbruch desPeleponnesischen Krieges im Agon zusammen mit dem Philoktetes, dem Diktysund den Theristai den dritten Platz belegt. Zu den bhnentechnischen Faktoren: Ma-stronarde, Medea (s. Anm. 12), 3744.

    43 Euripides galt als Lumpen- und Krppel-Dichter, der statt ganzer Mnner Weiber undschweifwedelnde Betrger auf die Bhne bringe. In spterer Zeit wurden ihm Kritik-sucht, Sarkasmus und Zynismus vorgeworfen; Latacz, Einfhrung (s. Anm. 14), 250f.262ff.278. Schon Aristophanes lt in seinen Ranae Euripides als Zweifler fr dieRolle des Staatsretters ausscheiden. Dionysos zieht ihm den Aischylos vor (Aristophanes,Ran. 1471ff.). Zur (mit Ausnahme v.a. des Boethius) berwiegend kritischen und pole-mischen Euripidesrezeption in der Alten Kirche: H. Funke, Euripides, JAC 8/9 (1965/66)233279, hier 254ff.

    44 Dubischar, Agonszenen (s. Anm. 17), 321. Medeia wird vom Dichter nicht ins Rechtgesetzt. Sie ist darum aber auch nicht ins Unrecht gesetzt, und sie zerbricht am Endenicht (anders Rm 7,24). Die negative Wertung der Tat als solche ist freilich deutlich,wie vor allem der Positionswechsel des Chores unterstreicht (vgl. V.791810; vgl.811818.846865.12511292); Dubischar, a.a.O., 318f.

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  • 48 Reinhard von Bendemann

    Zugleich aber gehrt Euripides noch in die hohe Zeit der Polis hinein, hatauf seine Weise im Athen des 5. Jh. eine wichtige Funktion wahrgenommen.45Bis zuletzt wei Medeia die Gtter auf ihrer Seite (vgl. V.1013). Und wennsie sich in der Exodos im Drachenwagen des Helios auf den Weg macht, umden Kult ihrer toten Kinder zu initiieren, so bernimmt sie Funktionen, die inden spteren euripideischen Stcken den sogenannten Maschinengttern zu-kommen.46

    Zusammenfassend ist damit festzuhalten: Euripides wie Paulus stoenvon verschiedenen Voraussetzungen her auf einen sachlich vergleichbarenPunkt, der in verschiedener Weise zu einem qualitativen Sprung in der An-thropologie fhrt47. In einer beraus gespannten dramatischen Konstellationtritt zutage, wie sich das bewute Wahrnehmen, Wissen und Planen einesIch in seinen Taten in unbegreiflicher Weise in ein irreversibles und td-liches Mssen verkehren kann. In der Exegese von Rm 7 ist hier unabhn-gig von konkreten Vergleichen mit der tragischen Literatur mit dem Begriffder Transsubjektivitt etwas Richtiges erkannt worden. 48 Die weit reichen-den Differenzen zwischen beiden Texten und den Prmissen ihrer Wirklich-keitsrekonstruktion verbieten jedoch jeden einfachen Vergleich wie auch einewechselseitige Wertung. Wenn Euripides, Medeia 10771080 in einer groenFlle exegetischer Arbeiten stets als die zentrale Vergleichsstelle zum TextRm 7 verzeichnet wird, so drngt sich demgegenber die Frage auf, inwie-weit die Welten, auf die man in diesen Texten stt, berhaupt begegnungs-fhig sind. Nimmt man die Differenz der Bewutseinsentwicklung, derverschiedenen Sprachkompetenzen und insbesondere auch der anthropologi-schen Vorstellungen ernst, so suggeriert der Ansatz des Corpus Hellenisti-

    45 Schadewaldt, Tragdie (s. Anm. 12), 410; Bergson, Relativitt (s. Anm. 18), 100. BereitsAristophanes, Ran. 971ff. verweist indirekt auf eine positive, identittsstiftende Leistungdes Dichters.

    46 Bereits in der Medeia lst sich der Konflikt am Ende in gewisser Weise transzendent,indem Medeia dmonische Zge annimmt. Solche Lsung ist nicht mehr von den han-delnden Figuren zu manipulieren. Zugleich wird dem Zuschauer die Mglichkeit genom-men, in finaler Rhrung in Distanz zum tragischen Konflikt zu treten. Knox, Medea(s. Anm. 17), 206 (vgl. zu den Phrasen, die in den spteren dei ex machina nachklingen,ebd., 207f.). Mastronarde, Medea (s. Anm. 12), 3234.

    47 Die Aussagen ber das Ich in Rm 7 implizieren einen anthropologischen Mehrwert,der nicht allein auf die jdische Gesetzesproblematik zu reduzieren ist (so Haacker, R-mer [s. Anm. 7], 141). Mit H.D. Betz, Der Mensch in seinen Antagonismen aus der Sichtdes Paulus, in: J. Beutler (Hg.), Der neue Mensch in Christus. Hellenistische Anthropo-logie und Ethik im Neuen Testament (QD 190), Freiburg u.a. 2001, 3956, bes. 50.

    48 Snell, Szenen (s. Anm. 11), 65, grenzt das Verstndnis von Snde in frher griechischerZeit von der spteren christlichen Sichtweise derart ab, da hier die Wurzel des Bsennoch nicht in einer (angeborenen) inneren Disposition des Menschen verortet werde. Diese Sicht trifft aber nicht Paulus, fr den Snde immer zugleich Tatcharakter hat (mitJ. Becker, Paulus. Der Apostel der Vlker, Tbingen 31989, 415).

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  • Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln (Rm 7) 49

    cum hier anachronistisch eine Nhe und Vergleichbarkeit von letztlich Un-vergleichlichem.

    Wir machen nun einen groen zeitlichen Sprung in der umgekehrtenRichtung, indem wir die Rezeption des Problems im lateinischen Sprachraumbeleuchten und uns damit der Zeit des Paulus nhern. Zugleich stoen wirhier auf diejenige Neufassung des Problems, unter die man in der Wirkungs-geschichte auch die euripideische Medeia vielfach subsumiert hat49.

    III. Das Drama bersteigerter Affekte Der Topos in der rmischen Dichtung

    Die neben Euripides, Medeia 1078ff. zu Rm 7 mit Abstand am hufig-sten zitierte Vergleichsstelle stammt aus den Metamorphosen des Ovid. Im7. Buch heit es in V.1720:

    Wirf aus der jungfrulichen Brust die darin empfangenen Flammen (excute virgineoconceptas pectore flammas), / wenn Du es kannst, Unselige (si potes, infelix)! Knnte ich es,wre mir wohler (si possem, sanior essem). / Aber wider Willen reit mich eine fremdartigeMacht hin (sed trahit invitam nova vis). Und etwas anderes begehre ich (aliudque cupido), /etwas anderes rt mir der Verstand (mens aliud suadet). Ich sehe das Bessere und erkenne esan (video meliora proboque), / (aber) ich folge dem Schlimmeren (deteriora sequor)

    1. Wie ist der Konflikt in diesem Text begriffen? Den Einsatzpunkt bil-det hier erneut die Medeia-Problematik. Kennzeichnend fr die rmische Re-zeption dieses Stoffes ist aber ein erhhtes Interesse an den Codes des amor. 50Der Konflikt zwischen dem Verstand, dem Sehen des Besseren, und dem Ver-folgen des Schlimmeren beschreibt den verzehrenden Selbstwiderspruch einerLiebesleidenden. Die Affinitt zum zugespitzten Problem einer bersteigertenLiebe hat der Topos in der rmischen Literatur auch dort, wo er nicht vomMedeia-Stoff her entwickelt ist, beispielsweise bei Plautus51.

    49 Pohlenz, Tragdie (s. Anm. 13), 106f., 260; auch Vollenweider, Freiheit (s. Anm. 5), 350Anm. 319, liest hier die vorrangig affektive Aufarbeitung des Stoffes in der rmischenTragdie in Euripides ein (im Anschlu an H.-D. Voigtlnder, Sptere berarbeitungenim grossen Medea-Monolog, Ph. 102 [1958] 217237).

    50 Zur Einfhrung der Tragdie in Rom als ludus scenicus: W.H. Gross, Art. Spiele, KP 5(1979) 310313, bes. 312; H. Cancik, Art. Tragdie. II. Rom, KP 5 (1979) 914917, bes.914. Erschwert wird eine Untersuchung der Zeugnisse rmischer Tragdiendichtung da-durch, da neben dem corpus Annaeanum abgesehen von ca. 2000 Versen nichts von ihrerhalten ist (vgl. Cancik, a.a.O., 914). Diese Lcke ist literaturgeschichtlich um so emp-findlicher, als nach Cancik die Bedeutung der T[ragdie] fr die rm. Lit. umgekehrtproportional zu ihrem Erhaltungszustand zu bewerten sei (ebd.; vgl. zum oftmals ver-schwiegenen oder einseitig an der attischen Tragdie bemessenen Tragiker Seneca: ders.,Seneca und die rmische Tragdie, in: M. Fuhrmann [Hg.], Rmische Literatur [NHL 3],Frankfurt/Main 1974, 251260).

    51 Plautus, Trin. 657f.: vi Veneris victus ; vgl. auch Hekataios von Abdera (nachDiodorus Siculus, I 71,3) ber die Meinung der gypter die Differenz von Wissen undTun betreffend.

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  • 50 Reinhard von Bendemann

    Auf dieser Linie reinterpretiert Ovid in den zitierten Versen den Medea-stoff als Liebesgeschichte52. Innovativ im Vergleich mit Euripides aber ist ins-besondere: Der Konflikt bricht nicht zwischen dem um Verstehen bemhtenund einen Ausweg suchenden Erwgen auf der einen und der zornigen Leiden-schaft auf der anderen Seite auf. Der Konflikt gestaltet sich vielmehr als Kol-lision zweier Leidenschaften. Medea ringt zwischen der heftig entflammtenLiebe zum Fremdling Iason auf der einen Seite und der inneren Affinitt zuihrer fernen Heimat auf der anderen (V.52ff.). Die liebende Medea zeigt Ovidauch im 12. Brief seiner Heroides, wo die frisch geschiedene Medea aus ihrerVerbannung schreibt (vgl. Her. XII 187190 zu den Kindern). In der nicht er-haltenen Medea-Tragdie des Ovid (vgl. Quintilian, Inst. X 1,98; Tacitus,Dial. 12,6) stand dagegen die rasende Medea im Mittelpunkt.53

    2. Beide Linien, die der flammenden Liebe wie die des rasenden Zorns,hat in der rmischen Kaiserzeit noch einmal Seneca in seiner tragischen Insze-nierung des Medeia-Stoffs in einem spannungsreichen Ganzen zusammenge-fhrt.54 Seneca schafft in gezielter Neubearbeitung der euripideischen Trag-die, zugleich aber in Aufnahme seiner rmischen Vorlufer, ein Affektdrama.Im Brennpunkt steht die Tragik gesteigerter Seelenzustnde, genauer die Kol-lision der Affekte von Liebe und Schmerz, der zum aktiven Ha tendiert. DieInauguration der dramatischen Welt schafft konsequent die Rahmenbedin-gungen fr solche Steigerung.55

    Da die Senecasche Medea lange im Stck als supplex fr ihre Liebezu kmpfen vermag (vgl. V.143.431ff.), ist vor allem durch eine grundlegendeVernderung der Figur des Iason plausibel gemacht. Dieser wird bei Seneca indie crux einer Pflichtenkollision gestellt (vgl. seinen Monolog im dritten Akt:

    52 Bei Ovid geht es dabei nicht um das Schwanken zwischen den Affekten per se, sondernvielmehr um das Pldoyer fr eine Entscheidung in einer Richtung (H. Diller, Diedichterische Eigenart von Ovids Metamorphosen, in: M. v. Albrecht/E. Zinn [Hg.], Ovid[WdF 92], Darmstadt 1968, 322339, hier: 332).

    53 Siehe die Diskussion: K. Heldmann, Untersuchungen zu den Tragdien Senecas (Her-mes.E 31), Wiesbaden 1974, 167169; Friedrich, Medeas Rache (s. Anm. 17), 179f. Vgl.B.W. Huptli (Hg.), L. Annaeus Seneca, Medea, Stuttgart 1993, hier 136 zur Medeaexul des Ennius und einer Medea des Accius; 143, zur unvollendeten Medea desLukan und zum satirischen Werk des Curiatius Maternus.

    54 Die Medea Senecas ist wahrscheinlich in die Zeit seines Exils zu datieren (vgl. Huptli,Medea [s. Anm. 53], 135: zwischen Ende 41 und Anfang 49 n.Chr.). Zu chronologischenProblemen: F. Nieto Mesa, Cronologa de las tragedias de Sneca, Nova Tellus 3 (1985)91109; zur vita Senecas: M. Giebel, Seneca (RoMo), Reinbek 1997.

    55 Vgl. die Verzeichnung der Differenzen zu Euripides bei: H.M. Hine (Hg.), Seneca.Medea, Warminster 2000, 14f. Das Stck selbst spiegelt seine traditionellen Vorausset-zungen, wenn Medea in V.171 auf die nutrix erwidert: Medea fiam. Zum Folgenden:Heldmann, Untersuchungen (s. Anm. 53), 164ff.

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  • Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln (Rm 7) 51

    O dura fata ) und somit zur eigentlich tragischen Figur.56 Iason weium die Taten, die Medea fr ihn vollbracht hat, um ihre merita, die ihn infides an sie binden (V.434f.; vgl. 118ff.122.129ff.). Zugleich aber weist ihndie trepida pietas (V.438) des Vaters an seine Kinder. Da beide Pflichtenaber zusammen unerfllbar werden, erreicht Seneca durch die verndertenHandlungsprmissen. Die Kinder werden wie in den spteren Medea-Dra-men seit Seneca zumeist nicht mit Medea verbannt, sondern bleiben bei Ia-son57, der ihr Leben nur zu retten vermag, indem er die neue Ehe eingeht.Eben diese Dilemmatik auf der Seite Iasons erffnet nun Medea den beson-deren Ansatzpunkt ihres Racheunternehmens. In V.549f. erkennt sie, dasie Iason przise am Punkt seiner pietas zu verwunden vermag (Sic natosamat? / bene est, tenetur, vulneri patuit locus.). Amor, enttuschte Liebe,Angst vor der Trennung von den eigenen Kindern (V.945: cara proles) undira, Sinnen auf Rache, knnen in dieser Konstellation im Unterschied zur eu-ripideischen Medeia, fr die die Liebe zu ihrem Mann in ihrem Rachekalklnicht Triebfeder sein kann, von Seneca lange in spannungsreicher Balance ge-halten werden.

    Medea ist dabei anders als bei Euripides bereits frh im Stck als dieVerbrecherin gezeigt, vor deren vergangenen scelera auch Iason sich frchtenmu. Die Entscheidung Medeas zum Racheakt koinzidiert darum konsequentmit dem Punkt, an dem Iason sich von Medea als Verbrecherin distanziert(V.498bf.). Medeas Monolog aber verlagert Seneca zwischen die Ttung der bei-den Kinder, die er so etappenweise retardieren lt. Den ersten Mord verbtMedea als Reaktion auf die Erscheinung der Furien und ihres ebenfalls ge-mordeten Bruders Apsyrtus (V.963965.970f.: victima manes tuas / placamusista). Medea flieht sodann vor den Verfolgern auf das Dach des Hauses. Derhier gesprochene Monolog, der anders als bei Euripides nur kurz die Kinder imBlick hat, beschreibt in einer inversiven Linie eine Bewegung vom Zgern, Zwei-feln ber das Zurcktreten des Zorns und aufkommende Scham bis zum ver-zweifelten Ausruf, der an Rm 7,24 erinnert (V.990). Entscheidend ist: Im Zen-trum der Inversion gewinnt Medea Distanz, indem sie von sich in der 3. Personspricht: paeniteat licet. In Folge dieser Distanznahme verobjektiviert sichdie Tat (feci) und wird die Medea Senecas von magna voluptas berwltigt.Invita ungewollt vollbringt Medea ihre Tat gegen ihre Reue und Scham.58

    56 Mit Hine, Medea (s. Anm. 55), 1820; v. Fritz, Entwicklung (s. Anm. 15), 377380;Zwierlein, Tragik (s. Anm. 19), 27, 3848.

    57 Die Rache gewinnt im dramatischen Schlu eine ironische Nuance, wenn Medea die Lei-chen der Kinder tatschlich nicht mitnimmt wie bei Euripides , sondern sie vom Dachdem Vater vor die Fe wirft. Siehe zur neuzeitlichen Rezeption bei Grillparzer: v. Fritz,Entwicklung (s. Anm. 15), 415423; Zwierlein, Tragik (s. Anm. 19), 5658.

    58 Seneca, Med. 988992: quid nunc moraris, anime? quid dubitas? potes! / iam cecidit ira.paentitet facti, pudet. / quid misera feci! misera? paeniteat licet, / feci, voluptas magna meinvitam subit, / et ecce crescit.

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  • 52 Reinhard von Bendemann

    Es ergibt sich damit bei Seneca von Mord zu Mord ein Motivationswechsel, derdie rein affektive Konfliktlage transzendiert.

    3. Fragen wir nach dem Ertrag fr Rm 7, so ist auch hier zunchst dieDifferenz der Gattungen nachdrcklich zu betonen. Seneca reprsentiert eineWeiterentwicklung der dramatischen Form unter rmischen Bedingungen,die nicht einfach am attischen Ideal gemessen werden darf59. Wurden seit dem4. Jh. v.Chr. erstmalig Tragdien wiederaufgefhrt, so sind sie in Senecas Zeitzur Literatur geworden. Auf die Form eines Lesedramas, das mindestens nichtvorrangig fr die Auffhrung konzipiert war, verweist die Art, wie Seneca denKindermord anders als Euripides auf der Bhne selbst zeigt.60

    Phnotypisch ist aber festzustellen: Ins Zentrum rckt das Thema derAffekte, die im Innersten von Menschen so aufbrechen, da diese jede Kon-trolle verlieren.61 Auch Paulus akzentuiert in Rm 7,14ff. die Innengeschichteseines Ich. Betont ist dreimal vom Innern des Ich die Rede ( upsilonhook:V.17f.20; vgl. V.23), und in der finalen Opposition wird der Konflikt in deninneren Menschen verlagert (V.22). Bereits in der ThemenformulierungRm 7,5 ist von den Leidenschaften, den upsilonbreve, die Rede ein Begriff,der seit Zenon von Kition in der stoischen Diskussion der Affekte zu Hauseist.

    Ist also dem paulinischen Text das Thema der Affekte durchaus nichtfremd, so sind doch die Bezugspunkte gnzlich andere und liegen die Diffe-

    59 Die Aristotelischen Bestimmungen des tragischen Charakters (vgl. Poet. 1452b.1453a)sind am Ideal des Sophokles orientiert, decken damit folglich nicht eo ipso die antik-tra-gische Literatur insgesamt ab. Vgl. A. Zierl, Affekte in der Tragdie, Berlin 1994, 35ff.

    60 hnlich den Entwicklungen in der antiken Rhetorik wurde aus dem lebendig im Agongepflegten genus eine literarische bung. Da die rmischen Dramen mindestens vor-rangig (vgl. U. Wilamowitz-Moellendorff, Einleitung in die Griechische Tragdie, Berlin21910, 124) zur Lektre bestimmt waren, zeigt sich an den Extravaganzen, die ihre Spiel-barkeit aporetisch werden lassen. Nach Zwierlein sind hierhin ferner die unmittelbareund nicht durch Teichoskopie gebrochene Darstellung von bhnenfremde[n] Greuel-szenen (ders., Die Rezitationsdramen Senecas [BKP 20], Meisenheim 1966, 2429), derBruch mit der Konvention der raumzeitlichen Beschrnkung (a.a.O., 2938), das Zu-rcktreten von dialogischer Handlungsdarstellung zugunsten des stummen Spiels bzw.epischer Elemente (a.a.O., 5673), der vernderte Einsatz des Chores (a.a.O., 7287) so-wie die zunehmende Mglichkeit autonomisierter Einzelbilder (a.a.O., 87) zu rechnen.

    61 Die Thematik der Affekte (vgl. im 4. Stasimon: V.867869) erhellt besonders in dergroen Rhesis Medeas, die sich mit dem animus (895.937.976), dem dolor (914.944) undder ira (916.953) auseinandersetzt. Der animus bietet den Raum fr die Affekte. Er al-lein hat in Euripides Gestaltung eine Entsprechung, dessen Medeia einmal ihren (1056), ein andermal ihre upsilonhook (1242) an weit auseinanderliegenden Stellen apo-strophiert (Lefvre, Transformation [s. Anm. 25], 79). Vgl. Zwierlein, Tragik (s. Anm. 19),32 Anm. 15, zur Mglichkeit des Einwirkens der Gestalt der Dido auf die hassende Me-dea Senecas.

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  • Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln (Rm 7) 53

    renzen zutage. Die Leidenschaften in Rm 7,5 sind nher qualifiziert alsLeidenschaften der Snden. Nicht um gesteigerte Emotionen geht es, die zuden Snden fhren, sondern die vielmehr von vornherein sndig sind. Es han-delt sich um einen genetivus qualitatis (vgl. sachlich Gal 5,24). Das Guteaber in Rm 7,19 ist nicht ein allgemeinsittliches bonum, sondern bemitsich vielmehr an der Gesetzesforderung, die nach Rm 7,12 heilig und ge-recht und gut ist.

    Besonders kritisch gestaltet sich der Vergleich zwischen Paulus und Se-neca aber vor allem an einem Punkt, der nach einer gemeinsamen Differenzzum griechischen Denken der Alten fragen lt. Seneca gestaltet die Kriseseiner Ich-Figur als einen dezidierten Konflikt des Willens, der voluntas.Dort, wo bei der euripideischen Medeia das um Begreifen ringende Wgenund Unterscheiden mit der rachschtigen Leidenschaft kollidiert, treffen beiSeneca zwei Willenskrfte aufeinander. Medea handelt bei Seneca nolens vo-lens.

    Auch hier erweist sich ein Seitenblick auf Medeas Zwilling Phaedra alserhellend und weiterfhrend. Seneca lt seine Phaedra ausrufen: Euch rufeich alle zu Zeugen an, ihr Himmlischen, da ich das, was ich will, nicht will ( vos testor omnis, caelites, hoc quod volo / me nolle ; Seneca, Phaedr.604f.).62 Solcher hohen Wertigkeit des menschlichen Willens in der Dilemma-gestaltung sind weiter Aussagen aus Senecas philosophischen Schriften zuvergleichen, auch wenn diese keineswegs einfach in sein dichterisches Oeuvrehineinzurechnen sind auch hier ist die Differenz der Gattungen zu wahren.63Quid tibi opus est, ut sis bonus? velle , so kann Seneca hier formulieren(Ep. 80,4). Die zentrale Instanz eines glcklichen und damit zugleich sittlichguten Lebens ist nicht mehr sokratisch gedacht das Wissen und Erkenntnis-vermgen, sondern der Wille. Nach Max Pohlenz handelt es sich bei solcherEntdeckung des Willens als eines eigenstndigen anthropologischen Faktorsder upsilonhook um ganz unhellenisches, rmisches Empfinden 64.

    62 Vgl. zu Seneca, Phaedr. 178185 ( sed furor cogit sequi / peiora. vadit animus in prae-ceps sciens / remeatque frustra sana consilia appetens quid ratio possit? vicit ac regnatfuror, / potensque tota mente dominatur deus ): A.J. Boyle, Senecas Phaedra. Intro-duction, Text, Translation and Notes (Latin and Greek Texts 5), Melksham 1987.1992,147f., mit Hinweis auf Vergil, Georg. I 199203.

    63 Vgl. Lefvre, Transformation (s. Anm. 25), 71.7880; ders., Quid ratio possit? SenecasPhaedra als stoisches Drama, in: ders. (Hg.), Senecas Tragdien (WdF 310), Darmstadt1972, 343375, bes. 344; G.A. Seeck, Senecas Tragdien, in: E. Lefvre, Das RmischeDrama (Grundri der Literaturgeschichten nach Gattungen), Darmstadt 1978, 378426,402409. Vgl. Seneca, De Ira I 7,4 ( ita animus, si in iram, amorem aliosque se proiecitadfectus, non permittitur reprimere impetum ; vgl. Laktanz I 2,3b). Zur Traditions-geschichte der antiken Literatur de ira: Mastronarde, Medea (s. Anm. 12), 345f.

    64 M. Pohlenz, Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung I, Gttingen 61984, 319. DieEntdeckung des Willens als eigener mchtiger Gre, die eine Entscheidung zielgerichtetprgt, wre damit nicht erst eine Leistung der mittelalterlichen Theologie, wie manche

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  • 54 Reinhard von Bendemann

    Sechsmal setzt nun auch Paulus in der Konfliktformulierung von Rm 7dezidiert beim Wollen des Ich an (vgl. bereits Gal 5,17; anders vom Ge-setz in Rm 7,21). Und umgekehrt fllt auf, da Paulus und Seneca dezidiertnicht nur vom Tun des Ungewollten, sondern przise vom Tun des Gehatensprechen. Bei beiden Seneca und Paulus sind hier neue Sprachmglich-keiten unter den Prmissen der frhen rmischen Kaiserzeit zu greifen65.Allerdings sind Wollen und Wollen auch hier nicht einfach deckungs-gleich. Insbesondere mit der Frage nach den konkreten Begriffsgeschichtender -und -Derivate betritt man ein uerst schwieriges und umstrit-tenes Feld. Es mu hier gengen festzuhalten: Die dezidierte Rede vom ziel-gerichteten Wollen im Handeln ist keine rein rmische Erfindung. In Rm 7aber bemit sich das Wollen an der konkreten Forderung des Gesetzes. SolcheRede vom Wollen hat frhjdische Voraussetzungen, wie sie ganz anders inder Rede von dem Wollen ihren Ausdruck finden, das im gttlichen Wollenselbst Rckhalt hat (vgl. Phil 2,13). Wissen und Wollen sind dabei weder inHinsicht auf griechisches Sprachempfinden noch im Blick auf die lateinischenTexte schematisch gegeneinander auszuspielen. Ovids meliora probo bein-haltet beide Nuancen die des kritischen Prfens wie die des Intentionalen .Senecas Phaidra folgt dem furor wider besseres Wissen (scio; sciens;Seneca, Phaedr. 117ff.). Vergleichbar ist auch das paulinische in Rm 7von Verben des Wissens, Erkennens und Urteilens umgriffen. Rm 7,1423beschreibt Vers fr Vers mit den jeweils regierenden Verben die Sinnlinie einesVerstehensprozesses (V.14: %; V.15: [vgl. 7,7]; V.16:upsilontilde; V.18: M [vgl. 7,7]; V.21: 9upsilonhook; V.22: upsilonbreve; V.23:). Dieser Verstehensproze hat seinen Ermglichungsgrund dabeinicht in Fhigkeiten des Menschen per se, sondern wird Teil der verlorenenExistenz, wie sie erst im Licht von Rm 8 zutage liegt. Da Wissen und Wollenaber im menschlichen Subjekt engstens zusammenzuhalten sind, bietet einenSchlssel zu derjenigen philosophischen Lsungsvariante des Problems, dienun in gebotener Krze abschlieend zu beleuchten ist.

    gemeint haben: sic Vollenweider, Freiheit (s. Anm. 5), 11f. mit Anm. 4 (Lit.). Dagegen hatA. Dihle die Entdeckung des Willens auf Augustin zurckgefhrt (ders., Die Vorstellungvom Willen in der Antike [1974], Gttingen 1985, bes. 138); vgl. H. Hbner, Zur Herme-neutik von Rm 7, in: J.D.G. Dunn (Hg.), Paul and the Mosaic Law (WUNT 89), T-bingen 1996, 207214 (Lit.), bes. 210ff. zur Provenienz des Begriffs Voluntarismus.Heitsch, Wollen (s. Anm. 10), erkennt in der Annahme einer teleologischen Grundexi-stenz der Menschen eine Nhe zwischen Platon und Paulus (a.a.O., 50). Zum Folgenden:G. Schrenk, Art. upsilontilde ., ThWNT 1 (1933) 628636; s.u. Anm. 68 zur antikenFreundschaftsethik; zu Philo: U. Duchrow, Christenheit und Weltverantwortung. Tradi-tionsgeschichtliche und systematische Struktur der Zweireichelehre (FBESG 25), Stutt-gart 1970, 97f.

    65 Die Medea Senecas nimmt Ma an sich selbst und kehrt damit die altrmische Maximeum: Fortuna hilft nicht dem Aufrechten, vielmehr: Fortuna fortes metuit, ignavos pre-mit (V.159; Lefvre, Transformation [s. Anm. 25], 72).

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  • Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln (Rm 7) 55

    IV. Die anthropologisch optimistische Reformulierung des Problemsim Neostoizismus der frhen rmischen Kaiserzeit

    Die euripideische Medeia ist zeitgleich mit der sophistischen Aufklrunganzusetzen, und Euripides ist von der Sophistik nicht unbeeinflut geblie-ben. Bisweilen hat man der Selbstreflexion der euripideischen Figuren einenentsprechenden vorphilosophischen Charakter zugeschrieben.66 Mehrnoch: Es konnte sich die Frage nahelegen, ob Euripides seine pessimistischePosition in einem direktem Widerspruch gegen das sophistische Vertrauen indie eigenen Mglichkeiten des Menschen formuliert oder ob er sich gar wieBruno Snell gemeint hat direkt mit der These des Sokrates in Auseinander-setzung begab, nach der ein wissender Mensch stets richtig handele.67 Letzte-res ist fraglich. Sicher ist dagegen festzustellen, da sich die philosophischeDiskussion ihrerseits am Problem des kritischen Verhltnisses von Wissen,Wollen und Handeln abgearbeitet hat, und zwar auf ganz verschiedenenFeldern. Eine besondere Rolle spielt der Topos in der antiken Freundschafts-ethik.68

    Vor allem die Stoa aber mute sich dem Problem notwendig stellen. Euri-pides, Med. 10771080 wurde hier zu einem entscheidenden Prfstein fr dieBasisthese, da der Mensch in freiem Selbstentscheid den Weg eines am ver-nnftigen und damit zugleich gttlichen Gesetz orientierten, glcklichen Le-bens zu beschreiten vermchte. Die Position innerhalb der dreihundertjhri-gen Entwicklung der Schule bis zur Zeit des Paulus ist dabei in sich keineswegshomogen (vgl. zu Chrysipp: SVF II 1; III 473). Die folgenden Beobachtungenmssen sich auf den Neostoizismus des Epiktet beschrnken.

    66 Vgl. Schadewaldt, Tragdie (s. Anm. 12), 400, zum der Medeia.67 Zur sokratischen These vgl. Plato, Prot. 352c 47; 361b 13; Gorg. 468c510; 509e5f.;

    Resp. II 382a810; III 413a58; IX 589c6; Tim. 86d7-e1; Leg. V 731c2f.; Xenophon,Mem. III 9,4f. Plato stellt im Protagoras der Mehrheitsmeinung, nach der den Affektenwie Zorn, Lust, Trauer, Liebe und Furcht die entscheidende Kraft beim Handeln zu-komme (, 5upsilonbreve, upsilontilde, 0 und ), die sokratische These dezidiert ge-genber (352D; vgl. 358C). Siehe: B. Snell, Das frheste Zeugnis ber Sokrates, Ph. 97(1948) 125134; ders., Szenen (s. Anm. 11), 6375. Zum Vorlufer der These: Hommel,7. Kapitel (s. Anm. 3), 159 Anm. 37. bernommen von vielen: (z.B. E. Ksemann, Andie Rmer [HNT 8a], Tbingen 41980, 192). Dagegen die Kritik bei Mastronarde, Me-dea (s. Anm. 12), 343f. (Lit.).

    68 Vgl. Aristoteles, Eth.Nic. IX 4 1166b von der inneren Unausgeglichenheit der Schlechtenin der Freundschaft ( N upsilontilde M 5 P ). Die Brcke zur Kaiserzeit schlgt Plutarch, Mor.445e: 5 upsilontildedieresis upsilonhook . 8 upsilonlenisgrave ? upsilonhook R? 1, . ? upsilonhook Supsilontilde (vgl. im Neuen Wettstein[s. Anm. 2], 144146; hier 150: Mor. 33e-f).

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  • 56 Reinhard von Bendemann

    1. Voraussetzung der Bearbeitung des Problems bei Epiktet sind eineoptimistische sthetik, Anthropologie und Ethik. Der Intellektualismus derorthodoxen Stoa und die Vorstellung der Willenskraft konvergieren in einerinnovativen Konzeption.69 Die ideale Entscheidung vollzieht sich nach ihrso, da Wissen um das Mgliche, Wollen und Handeln in den richtigen Vor-stellungen des Menschen miteinander zur Deckung gebracht werden. In derDiatribe II 26,1 kann Epiktet darum die These vertreten: Jede Verfehlungenthlt in sich einen Widerspruch ( 4 ). Wennder, der sich verfehlt, sich nicht verfehlen will , so tut er offenbar nichtdas, was er tun will ( U 4 4, , V 4 ). Er exemplifiziert solchenunter eudamonistischer Perspektive (vgl. Diss. IV 1,52 u.v.a.) eklatantenSelbstwiderspruch hier am Beispiel des Diebes, dessen einerseits aufBesitzvermehrung aus ist, der damit aber andererseits zugleich die gottge-gebenen Prmissen der menschlichen Gemeinschaft verletzt (Diss. II, 26,2).So wie eine vernnftige upsilonbreve nicht anders kann, als einen falschen Satznegieren, so wird sie vom falschen, vernunftdissonanten Verhalten Abstandnehmen (Diss. II 26,5: W upsilonhookX7 , ! upsilontildedieresis 9 -upsilonbreve).

    2. Epiktet erkennt nun auch im Fall der Medeia die Grundgesetzmig-keit, da Menschen stets das tun, was ihnen ntzlich erscheint (Diss. I 28,68).Doch trgt der Stoiker hier eine Dissonanz in den euripideischen Text ein,um zu einer Erklrung ihres schlimmen Fehlverhaltens zu gelangen: Medeiaunterliegt nach Epiktet einer fundamentalen Fehleinschtzung im Blick aufdas V (Diss. I 28,8: X; vgl. Rm 7,11: X). Epik-tet sucht so, die Basisthese der Souvernitt der menschlichen Vernunft- undWillensentscheidung im Falle der Medeia zu retten, indem er auch hier dieVerfehlung (Diss II 26,4: upsilontildedieresis Y 4) als Folge eines korrigierbarenSelbstwiderspruchs ( ? ; vgl. Rm7,15.19) im Sinne seines Theorems konstatiert.

    In der Diatribe II 17 bedient sich Epiktet der diatribischen Vorfhr-technik S , um seine Basisthese auf den Prfstand zu stellen. Die Ge-sprchstechnik erlaubt den diachronen Brckenbau in die Welt der Sagen undihrer groen exempla.70 In ihr bildet sich zugleich die stoische Vorstellung vondem theatrum mundi ab, dem Welttheater, auf dessen Bhne alle Menschen

    69 Zum Epiktetschen (Ench. 1; Diss. I 22,10 u.v.a.m.): B. Wehner, Die Funktion derDialogstruktur in Epiktets Diatriben (Philosophie der Antike 13), Stuttgart 2000, 82f.mit Anm.

    70 Siehe zu dieser Technik: R. Bultmann, Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe (FRLANT 13), Gttingen 1910, 12; Wehner, Funktion (s. Anm. 69),157175, zu Diss. I 22,5ff.; II 24,2026; III 22,30ff.; IV 10,31ff.

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  • Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln (Rm 7) 57

    ihre gottgegebene Rolle zu spielen haben.71 Epiktet ruft die im Lehrbetriebstudierte Medeia vor das geistige Auge in den Hrsaal, so da der Diskus-sionsleiter und seine Studierenden in direkte Auseinandersetzung mit ihrtreten knnen. Die Konfrontation mit der groen Verbrecherin wird dabeisorgsam vorbereitet. Epiktet formuliert nmlich das euripideische Problemzunchst um und schneidet es wie auch sonst in zahlreichen Fllen fiktiona-ler oder historischer Gegner passend auf seine Philosophie zu: upsilonhook2 upsilonhook ; upsilonhook2 upsilonhook ; So die Medeia Epiktets in dezidierter Ich-Rede (Diss. II 17,18).

    Die Verschiebung der Problematik gegenber Euripides ist hier mit Hn-den zu greifen: Wohl gewinnt Medeia Einblick in ihre Situation, wie sie ist(M Y upsilonhook ). Doch ist sie nicht mehr ohnmchtige Zu-schauerin ihrer eigenen irreversibel-tdlichen Handlungen. Sie wird vielmehrzum Modellfall des verkehrten und enttuschten Wunsches (Diss. II 17,19).Epiktet gelingt diese Interpretation mit einem exegetischen Kunstgriff: Erschliet nmlich Euripides, Medeia 10761080 in freier Paraphrase mit eineranderen Stelle im Stck kurz: In V.790ff. reflektiert Medeia an frherer Stelleauf den Schaden, den sie sich selbst mit dem Mord an ihren Kindern zufgenwrde (Diss. II 17,20: ? upsilonbreve). Die Lsung Epik-tets findet sich dann weiter in einem gngigen antiken Konsolationsargument,nach dem ein Verlust unter vernderter Perspektive tatschlich nicht Verlust,sondern vielmehr Gewinn sei (vgl. z.B. Diss. III 22,37; 26,8). Diss. II 17 kannso aber als paradigmatisch fr den Umgang mit dem tragischen Erbe beiEpiktet gelten (vgl. Diss. I 4,26).

    Medeia wird am Ende zum Exempel der Parnese. Sie wird mit dem Rataus dem Hrsaal entlassen:

    Du solltest nur diesen Mann nicht haben wollen, so wrde alles gehen, wie du wolltest(upsilonbreve ! ', [ upsilonhook). Du solltest keinen Augenblick ln-ger bei ihm zu wohnen wnschen, du solltest nicht begehren, lnger in Korinth zu bleiben;mit einem Worte, du solltest nichts andres wollen, als was Gott will (4 ' \ ] U ! ) (Diss. II 17,22).

    Wie auch sonst hufig bei Epiktet, soll hier der verbale Sieg ber diegroe Heroine der Vorzeit dem Philosophieren selbst etwas Heroisches verlei-hen. Es handelt sich freilich zugespitzt wertend um einen billigen Sieg, derdurch eine erhebliche Vernderung der Ausgangsdaten des Konflikts erkauft

    71 Vgl. Epiktet, Ench. 17; Diss. III 22,26; IV 7,13; 12,16; Frgm. 11 (zur Erfllung des gtt-lichen Willens: Diss. IV 1,89ff.100ff.; 3,9; 7,16f.; II 16,42; 19,28f.). Zum Hintergrund die-ser Vorstellung: R. Helm, Lucian und Menipp, Leipzig/Berlin 1906, 44ff.; W. Kullmann,Die Rolle des euripideischen Pentheus. Haben die Bakchen eine metatheatralischeBedeutung?, in: PHILANTHROPIA KAI EUSEBEIA. FS Albrecht Dihle, Gttingen1993, 248263, hier 252f.; Wehner, Funktion (s. Anm. 69), 165 Anm. 247 (Lit.).

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  • 58 Reinhard von Bendemann

    ist. Solche optimistischen Ratschlge stieen darum bereits in der Sptantikeauf Widerspruch. Galen hat gegenber der stoischen Deutung des Problemsgeltend gemacht, sie greife zu kurz: Es sei vielmehr eine tiefe triebhafte Ge-spaltenheit, die Medeia wie eine quasi andere handeln lasse.72

    3. Vergleicht man die Epiktetschen Formulierungen mit denen des Pau-lus, so sind hier zunchst im Wortbestand und in der konkreten sprachlich-syntaktischen Ausfhrung unter allen so weit diskutierten Texten die mit Ab-stand engsten Parallelen festzustellen. ber die konkrete sprachliche Ausge-staltung des Topos hinaus finden sich die Aussagen zudem in vergleichbarensemantischen Kontexten. Der Konflikt zwischen der Erkenntnis des Falschenund der kontrafaktischen Tat im Vorgang einer Tuschung (vgl. Rm 7,11)steht auch bei Epiktet in der Spannung von Freiheit und Gesetz73. Wie beiPaulus im Kontext begegnet die in hellenistischer Zeit verbreitete Vorstel-lung, da erst ein Gesetz die Mglichkeit der bertretung erffnet und zu ihrreizt.74 Bei Epiktet kann ferner wie bei Paulus die Herr-Sklave-Metaphorik

    72 zwei menschliche Instanzen (upsilontilde ) Die eine, mit der wir die Dinge erken-nen () und von ihnen ein Wissen haben, welche die Vernunft ist (5 ?upsilontilde), die andere aber eine unvernnftige (Instanz; '), deren Werk das leiden-schaftliche Begehren () ist. Diese hat mit Gewalt die Seele der Medeabezwungen () (Galen, Plac. Hipp. et Plat. 408f. [Ph. De Lacy, CMG V 4,1,2,Berlin 1978]). Hierzu: T.L. Tieleman, Galen and Chrysippus on the Soul. Argumentand Refutation in the De Placitis Books IIIII (PhAnt 68), Leiden u.a. 1996, 244. ZurFrage der Benutzung von Poseidonius Schrift durch Galen: Dihle, Medea(s. Anm. 11), 25.

    73 Diese Spannung bricht in Athen seit dem 6. Jh. v. Chr. mit den Reflexionen auf die Ge-setze in der Sophistik auf. Grundstzlich gilt, was Cicero, Pro A. Cluentio 146, schreibt:legum denique idcirco omnes servi sumus ut liberi esse possimus. Vgl. Epiktet Diss. IV1,158 (U ' ^ upsilontilde ); IV 7,17. Vgl. Philo, Prob. 4547, 62. S. Jones, Freiheit in den Briefen desApostels Paulus. Eine historische, exegetische und religionsgeschichtliche Studie [GTA34], Gttingen 1987, 79f.124ff.207 Anm. 156 u.a.m.; Vollenweider, Freiheit (s. Anm. 5),82ff. Vgl. die Texte zum positiven Zusammenhang von Gesetz und politischer Freiheit imGriechentum: H. Sonntag, . Zur politischen Theologie des Gesetzesbei Paulus und im antiken Kontext (TANZ 34), Tbingen/Basel 2000, 7108; vgl. denberblick bei U. Schnelle, Paulus. Leben und Denken (GLB), Berlin/New York 2003,579583, vgl. 575f.

    74 Nach Livius werden Einschrnkungen zum stimulus fr das Verlangen (Ab urbe conditaXXXIV 4), und vor allem bei Ovid findet sich die Einsicht, da verbotene Liebe um somehr lockt (vgl. Ovid, Am. III 4,17; II 19,3; vgl. Met. III 566; schon Euripides, Sten.Frgm. 668/Plutarch Mor. 71a Theien, Aspekte, 225f. [s. Anm. 7], hier auch zu frh-jdischen Parallelen; Haacker, Rmer [s. Anm. 7], 143 mit Anm.13 verweist auf: Cicero,Pro domo sua 49, 127; Pro M. Tull. 9; Seneca, De Clem. I 23,1; Publilius Syrus: Nil ma-gis amat cupiditas, quam quod non licet).

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  • Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln (Rm 7) 59

    auf die Folgen begehrlicher Verfehlung appliziert werden.75 Auch die Vorstel-lung, die den Schlupunkt von Rm 7 bildet, da im Inneren des Menschenzwei Gesetze miteinander in Streit treten knnen, hat ein Widerlager in spt-antik-philosophischen Texten.76

    Insgesamt kann damit gefolgert werden: Paulus setzt in Rm 7 mit einemhohen Grad von Wahrscheinlichkeit solche Reformulierung des Problemsunter den Bedingungen der rmischen Kaiserzeit voraus. Ob es sich dabei umeinen Vorgang des bewuten Imports oder um indirekte Vermittlung handelt,ist nicht sicher zu entscheiden. Letzteres ist jedoch wahrscheinlicher. DaPaulus das Medeia-Problem aus seiner Schulbildung, eigener Lektre odergar eigenem Theaterbesuch kannte, ist aus verschiedenen Grnden mit einigerSicherheit auszuschlieen77.

    Wie nahe aber steht die im Sprachlichen Paulus hnliche Position diesemnun in der Sache? Vor einer Antwort auf diese Frage ist zuerst festzuhalten:Gerade auf neutestamentlicher Seite hat man die stoische Position vielfachaus einem problematischen berlegenheitsbewutsein verkrzt dargestellt, ja

    75 Vgl. den Aufruf zum Widerstand gegen die upsilonhook: Diss. II 16,45; 18,8. Die Herr-Sklave-Metaphorik ist auch im frhen Judentum mit der Sndenproblematik verbundenworden (vgl. Test.Ass. 3,2; Philo, Quaest. in Gen. II 8; vgl. Tit 3,3); vgl. G. Rhser, Meta-phorik und Personifikation der Snde. Antike Sndenvorstellungen und paulinische Ha-martia (WUNT II.25), Tbingen 1987, 104ff.

    76 Schon in der Antigone des Sophokles beruft sich diese auf die ' V (454f.) entgegen dem Gesetz der . Vgl. Demokrit Frgm. 259; II 198,2Diels.Von hier aus sind verschiedene Mglichkeiten zu beschreiten. Man kann dieses un-geschriebene Gesetz mit bestimmten ethischen Grundforderungen identifizieren, mankann es mit dem Willen des Herrschers in eins setzen oder wie die Stoiker als Welt-vernunft zugleich in die autarke Innerlichkeit rckverlagern. Geschriebenes und unge-schriebenes Gesetz (vgl. Cicero, Leg. I 42; II 10) bzw. Gesetzesforderung und faktischesTun (Seneca, Ep. 94,37) knnen kollidieren (siehe Vollenweider, Freiheit [s. Anm. 5],87ff., bes. 91f. mit Anm. 313; zum hellenistisch-rmischen Hintergrund ambivalenterGesetzesaussagen bei Paulus: K. Haacker, Der Antinomismus des Paulus im Kontextantiker Gesetzestheorie, in: Geschichte Tradition Reflexion. FS Martin Hengel III,Tbingen 1996, 387404, bes. 397401).

    77 Nach H.-I. Marrou, Geschichte der Erziehung im Klassischen Altertum (hg. v. R. Har-der), Freiburg/Mnchen 1957, 309f., 313f., waren die klassischen Tragiker fester Be-standteil der Autoren- und Stoff-Kanones in weiterfhrenden Schulen der Grammatiker,wobei unter den Dramen besonders die des Euripides geschtzt waren. Eine entspre-chende klassische Bildung fehlt jedoch in den Briefen des Apostels. Der Kult der Schn-heit und Nacktheit des Theaters galt in jdischer Perspektive als problematisch; vgl.zu rabbinischen Vorbehalten gegenber dem heidnischen Theater: S. Krauss, Talmudi-sche Archologie (SGFWJ 3), Leipzig 1912, 115121. Die Kenntnis von einzelnen Topoiund Bildungsreminiszenzen der hellenistisch-rmischen Welt ist Paulus gleichwohl zuzu-trauen, wie das freilich umstrittene Zitat in 1Kor 15,33 (Funke, Euripides [s. Anm. 43],254f.), darber hinaus aber Topoi wie der Agonvergleich oder die paulinischen -upsilonhook-Aussagen zeigen.

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  • 60 Reinhard von Bendemann

    sie bisweilen geradezu karikiert. Demgegenber kann hier in Krze noch ein-mal auf Max Pohlenz verwiesen werden, der die besondere Leistung des neo-stoischen Denkens der Kaiserzeit herausgestellt hat. Die so breitenwirksamespte Stoa bedeutet demnach den letzten Versuch, unter den Bedingungender rmischen Kaiserzeit die sokratische These von der Macht und Ordnungs-fhigkeit menschlicher Vernunft gegenber den verschiedenen um sich grei-fenden Anstzen zu behaupten, mit denen der Mensch sich aus den Zu-sammenhngen einer unbersichtlicher und bedrohlicher werdenden Weltherauszukatapultieren suchte.78 Insgesamt gilt freilich trotz einer in jngererZeit mit Recht eingeklagten Lektre der stoischen Texte in bonam partem:Gerade auf der Basis des Verbindenden, der aufflligen Parallelen im Sprach-lichen, ist Rm 7 kaum anders zu lesen als ein kritisches Kontrafakt der opti-mistischen Anthropologie der spten Stoa. Von der Frage einer auktorial-bewuten Kritik ist dabei die andere Frage zu unterscheiden, ob Paulus nichtjedenfalls vor einem entsprechenden geistigen Hintergrund und in entspre-chend kritischer Weise verstanden werden mute, hatte doch in neronischerZeit populr-stoisches Gedankengut gerade in Rom weite Bereiche der Lite-ratur und der populren Bildung erfat und durchdrungen.79

    Paulus widerspricht in Rm 7 nachdrcklich der stoischen These voneinem ungehinderten Menschen ( '), der sein Wissen,Wollen und Handeln souvern in Einklang bringen kann. Unter jdischenDenkvoraussetzungen kann bei Paulus auch das Gewissen nie die Fhigkeitender Epiktetschen Prohairesis bernehmen und damit zum Gott im Men-schen werden. Epiktet wei nach Diss. II 17,21, wo im Menschen die Mglich-keit liegt umzusetzen, was man will ( upsilonacute, ! ]). Fr Paulus steht das Ich dagegen unter der These von Rm 7,14:Es ist als ganzes fleischlich determiniert und unter die Snde verkauft.Darum luft auch die parnetische Maxime Epiktets: V -, (Diss. IV 9,16) der Einsicht des Ich von Rm 7 in seineSituation diametral entgegen. Die Tuschung (Rm 7,11) kann der Menschaus sich heraus nicht beseitigen. Sie liegt auch nicht einfach in anthropologi-scher Schwche begrndet. Fr Paulus gilt vielmehr nach Rm 7,18 ganz

    78 Pohlenz, Stoa (s. Anm. 64), 367ff. Vollenweider weist dezidiert nach, da die stoischePosition eine ernst zu nehmende metaphysische Begrndung aufweist (vgl. ders., Freiheit[s. Anm. 5], 27.39ff.53ff.58ff.64ff. u.a.m.).

    79 Vgl. Lefvre, Transformation (s. Anm. 25), 81; Vollenweider, Freiheit (s. Anm. 5), 16.Stoisches Gedankengut kann bereits im hellenistischen Judentum auch in eine optimisti-sche Anthropologie und Affektenlehre integriert werden. Neben Philo bietet hier das4. Makkaberbuch einen interessanten Fall: Seine Position zum Umgang mit dem und den lt sich als eine eigenstndige Verschrnkung von peripatetischem bzw.stoischem Eklektizismus, Orientierung am Gesetz und biblischem Schpfungsglaubendarstellen (vgl. H.-J. Klauck, 4. Makkaberbuch [JSHRZ III], Gtersloh 2001, 645763,bes. 691 Anm. 20).

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  • Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln (Rm 7) 61

    grundstzlich: ! ! ! upsilonhook . DasElend des Menschen von Rm 7 ist ferner nicht das seiner Trgheit (vgl. Eu-ripides, Hipp. 381) oder das seiner fehlenden Selbstachtung (vgl. Epiktet,Diss. I 3,5: upsilonhook Supsilonhook; upsilonhook ; vgl. Rm 7,24) 80. Inder paulinischen Rede von der Snde schlgt vielmehr ein gnzlich differentesZeit- und Weltverstndnis durch, welches beide Konzepte konsequent inkom-patibel macht.

    V. Schlu und Ausblick

    Die Rahmenkoordinaten des Monologs in Rm 7 verdanken sich beson-deren alttestamentlichen und frhjdischen Prmissen. Der Text ist zugleichnicht zu verstehen ohne die besonderen Erfahrungen und Deutekonzeptionendes ehemaligen Pharisers Paulus, der hier schreibt. Das Drama des Ichwird in Rm 7 zu einem negativen argumentum ad hominem (vgl. Rm 6,19)fr die These, da das jdische Gesetz in seinen Geboten per se nicht korrum-piert, sondern vielmehr heilig, gerecht und gut ist. Vor allem die sachlogischeVerbindung von Rm 7 zu Rm 8, der Kontrast von einst und jetzt, Fleischund Geist, damit der eigentliche Ansatzpunkt der Selbstdiagnose des Ich,findet wesentliche sachliche Voraussetzungen in der frhjdischen Apoka-lyptik, die diese Weltzeit im Licht eines kommenden Zeitalters in den Blicknimmt. Innerhalb dieser Klammer erklrt sich, da das Ich von Rm 7 imUnterschied zur euripideischen Medeia einen neuen Ansatzpunkt entdeckt, indezidiert anderer Weise Einblick in seine verlorene Situation zu gewinnen.81

    Zugleich aber ist festzuhalten: Der Topos, den Paulus in Rm 7,14ff. ak-tiviert, entstammt dem griechisch-rmischen Denken. Mit seinem besonderenHintergrund leistet er aber einen entscheidenden Eigenbeitrag zum Sinngan-zen des Textes, und seine Integration in jdische Denkvoraussetzungen bedeu-tet nicht seine Entkrftung per se. Eine ganze Reihe von Sprachmerkmalenin Rm 7 bis hin zu dem Konzept eines inneren Menschen am Ende zeigen

    80 Gegenber Euripides ist bei Epiktet das Zurcktreten des Horizontes der sozialen Ge-meinschaft zu verzeichnen. Der kann wohl bei Epiktet metaphorisch als begriffen (Diss. I 9,4; vgl. II 5,26) sein, und der Stoiker wei sich diesem auch wohlwol-lend zugewandt (vgl. Epiktet zur Ehe: Diss. I 6,9; II 4,8; 20,19f.; IV 2,9; zum Staat: I 12,7;II 10,4 u.v.a.; zum Nchsten: Diss. III 22,54; 24,6466; vgl. auch Seneca, De Ira I 14,2;II 32,1; Ep. 95,52). Doch ist die Ethik Epiktets vorrangig negative Ethik, nach der esadquate Distanz zu allen die Leidenschaften evozierenden Dingen (vgl. Diss. IV1,46ff.66f.87.171), d.h. das und (III 24,22f.59.63.85 u.a.m.) zuben gilt (vgl. zum Mitleid: II 17,26; 21,6).

    81 Vgl. zum diffizilen Problemfeld auswahlweise: H. Hoffmann, Das Gesetz in der frh-jdischen Apokalyptik (StUNT 23), Gttingen 1999, bes. 217297, zu 4Esr und syrBar(Lit.). Vgl. zum weiteren frhjdischen Spektrum: 1QS (vgl. IV 10.20f.23; 11,9) und1QH (I 27; IV 29f.); in den TestXII: Test.Jud. 19,4; 20,1f.; vgl. Test.Ass. 1; Test.Sim. 2,7.

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  • 62 Reinhard von Bendemann

    vielmehr an, da der Text insgesamt durchlssig und kommunikabel frgriechisch-rmische Vorstellungen wird.82 Rm 7,724.25 spiegelt in seinerzweiphasigen Struktur damit insgesamt eine doppelte Traditionstiefe.83 Inumgekehrter Richtung wird der Befund solcher Anschlufhigkeit fr hel-lenistisch-rmische Vorstellungskonzepte aber dadurch besttigt, da sich inalttestamentlicher und frhjdischer Literatur zwar ebenfalls komplexe Aus-sagen des Konflikts von Wollen und Knnen finden insbesondere im Um-feld der Verstockungsvorstellung. Jedoch hat der in Rm 7 aufgerissene tiefeRi weder im Sprachlichen noch in der Sache einen echten Vergleichspunkt inder alttestamentlichen oder frhjdischen Literatur. Erst auf der Basis helle-nistisch-anthropologischer Konzeptionen und im innovativen Verbund mitihnen wird bei Paulus eine radikale Tiefeneinstellung auf die innere Situationdes Menschen mglich, der sich selbst zutiefst rtselhaft bleiben mu, dessenStreben nach Affirmation bereits im Ansatz verfehlt ist, der in seinen sozialenBezgen unbeherrschbar und damit kommunikationsunfhig bleiben mu,und in dessen Hnden auch die kulturell-religisen und sozialen Ordnungs-instrumente wie das Gesetz keinen Schutz vor dem Tod bieten, diesem viel-mehr zuarbeiten.

    An Rm 7 zeigt sich damit aber fr Paulus insgesamt Kennzeichnendes:Hinter die Einsicht, da eine Rezeption der hellenistisch-rmischen Bildungbeim Apostel immer das hellenistische Judentum in Rechnung zu setzen undda eine um Verstehen bemhte Interpretation zunchst vom Alten Testa-ment und vom Frhjudentum her anzusetzen hat, fhrt kein Weg zurck.Gleichwohl aber ist Paulus als Vlkermissionar aus dem Proze einer unver-mittelten Begegnung von frhchristlicher Theologie und auerjdischer Kul-tur nicht zu extrapolieren.

    Die traditionsgeschichtliche Spurensuche hat dabei auf wenigstens dreigroe Sprnge gefhrt. Von der attischen Tragdie mit ihren teils archaischenVoraussetzungen ber die Zeit der Sophistik, die Transformierung der Proble-matik unter den Sprach- und Denkvoraussetzungen des Lateinischen bis hinzur Reformulierung des Problems unter den Prmissen populrer Philosophieder rmischen Kaiserzeit sind die Linien nicht einfach durchzuziehen. Die alteKonzeption eines Corpus Hellenisticum, die ihrerseits den schillernden Be-

    82 Zum inneren Menschen: E. Brandenburger, Fleisch und Geist. Paulus und die dualisti-sche Weisheit (WMANT 29), Neukirchen-Vluyn 1968, 114221; Duchrow, Christenheit(s. Anm. 64), 59ff.; Heckel, Mensch (s. Anm. 5); C. Markschies, Art. Innerer Mensch,RAC 18 (1997) 266312 (Lit.); H.D. Betz, The Concept of the Inner Human Being(U 0 ') in the Anthropology of Paul, NTS 46 (2000) 315341. Zum altenProblem des Verstndnisses von in Rm 7,21ff. auswahlweise: Schnelle, Paulus(s. Anm. 73), 373f. (Lit.).

    83 Zugespitzt Vollenweider: Die Griechen entdecken die Freiheit des Menschen, Israelaber die Freiheit Gottes. Erst Paulus sucht beides zusammenzusehen (ders., Freiheit[s. Anm. 5], 14).

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  • Die kritische Diastase von Wissen, Wollen und Handeln (Rm 7) 63

    griff des H