Kritische Bewertung qualitativer Studien

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Kritische Bewertung qualitativer Studien Prof. Dr. phil. Thorsten Meyer Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung Professur für Rehabilitationsforschung

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SQL

Hospitalisierungsdauer

Franz, Ehlers, Meyer (1998)

(n=115; r=.40, p<.001)

Subjektive LQ und Hospitalisierungsdauer bei chronisch schizophrenen Langzeitpatienten

in Jahren

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Gesunde Kontrollen

Schizophren Erkrankte

Gesunde Kontrollen

Schizophren Erkrankte

Gesunde Kontrollen

Schizophren Erkrankte

Geistig wach sein können OB14

Globale Beschreibungen mangelnder LQ

Aggressivität / Gewalt OB10

Ablehnung durch die Umwelt OB8

Natur OB17

Alltagsleben / Körperliche Pflege und Erscheinung

Partnerschaft OB6

Wohnen / Lebensumwelt OB12

Arbeit OB2

Orale Bedürfnisse OB3

(Sozial-) Psychiatrisches Setting und Behandlung

Befindlichkeit / Gefühlsleben OB13

Familie OB4

Lebensstandard / materielle Bedürfnisse

Vorstellungen über die eigene Lebensführung

Freizeitaktivitäten OB7

Gesundheit/Krankheit OB1

Soziale Kontakte OB5

OB11

OB15

OB9

OB16

OB18

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Oberbereich „Orale Bedürfnisse“ OB3

Bereich „Orale Bedürfnisse“pB3

Bereich Essen pB3.1

Essen pK3.1

Essen als Befriedigung pK3.1.1

Bereich Trinken pB3.2

Trinken pK3.2

Kaffee trinken pK3.2.1

Rauchen pK3.3

Bereich „Orale Bedürfnisse“ (negativ) nB3

Bereich Probleme mit dem Essen nB3.1

Schlechtes Essen nK3.1.1

Bereich Probleme mit dem Rauchen nB3.2

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Gesunde Kontrollen

Schizophren Erkrankte

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Meyer T (2004) Vorstellungen schizophrener Menschen über Lebensqualität. Hamburg: Kovac.

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<=12% <=27,5% <=46,87% >46,87%

pB5 Soziale Kontakte

pB3 Orale Bedürfnisse

pB4 Familie

pB16 Alltagsleben

nB3 Orale Bedürfnisse (negativ)

nB7 Einschränkungen in den Freizeitaktivitäten

nB6 Problem mit der Partnerschaft

Chronizitätsindex (Quartile)

Anzahl der Nennungen in %

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50%

60%

70%

80%

<=12% <=27,5% <=46,87% >46,87%

pB5 Soziale Kontakte

pB3 Orale Bedürfnisse

pB4 Familie

pB16 Alltagsleben

nB3 Orale Bedürfnisse (negativ)

nB7 Einschränkungen in den Freizeitaktivitäten

nB6 Problem mit der Partnerschaft

Chronizitätsindex (Quartile)

Anzahl der Nennungen in %

Zusammenhang zwischen Nennung von LQ-Bereichen in einem offenen Interview und Chronizität bei schizophrenen MenschenAnzahl der Nennungen (in %) in positiven und negativen Bereichen mit monotonen Zusammenhang mit Chronizitätsindex (= Krankheitsdauer in Jahren / Lebensalter)

Meyer T (2004) Vorstellungen schizophrener Menschen über Lebensqualität. Hamburg: Kovac.

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Qualitative Studien in Einführungen zur EbM

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Analyse im Prozess einer idealtypischen „quantitati ven“ Studie

Forschungsproblem

Ausgangsfragestellung

Untersuchungsdesign

Datenerhebung

Datenerfassung und -aufbereitung

Datenanalyse

Interpretation

Publikation

TheoretischeEbene

EmpirischeEbene

Untersuchungsfragestellung

Konzeptionelle Phase(Planung)

Realisierungsphase(Durchführung)

Schlussfolgerungen

Schlussfolgerungen

Theoriebildung

Auswahl der Untersuchungseinheiten

Operationalisierungen

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Meyer (2010) Einführung in die Methoden der quantitativen Sozialforschung. Studienheft

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Analyse im Prozess einer „qualitativen“ Studie

Forschungsproblem

Ausgangsfragestellung

Untersuchungsdesign

Datenerhebung

Datenerfassung und -aufbereitung

Datenanalyse

Interpretation

Publikation

TheoretischeEbene

EmpirischeEbene

Untersuchungsfragestellung

Konzeptionelle Phase(Planung)

Realisierungsphase(Durchführung)

Schlussfolgerungen

Schlussfolgerungen

Theoriebildung

Auswahl der Untersuchungseinheiten

Operationalisierungen

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Was zeichnet qualitative Studien aus?

• Einfache Definition von qualitativer Forschung schwierig

• Gegenstand: Soziales Handeln• Sammelbegriff für sehr heterogene

Forschungsansätze„…there cannot and should not be a uniform approach to qualitative methods.“

Bradley et al. (2007) Health Services Research 42:1758-1772

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Was zeichnet qualitative Studien aus?

Zentrale Konzepte • Offenheit• Forschung als iterativer Prozess• Analyse von Bedeutungen• Subjektorientierung

Meyer et al. (zur Publ. angen.) Gesundheitswesen

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Qualitative Forschungsmethoden erlauben insbesonder e

• Subjektorientierung

• Berücksichtigung und Integration unterschiedlicher Perspektiven

• Alltagsorientierung

• Berücksichtigung relevanter Rahmenbedingungen

Meyer et al. (zur Publ. angen.) Gesundheitswesen

Was zeichnet qualitative Studien aus?

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Was zeichnet qualitative Studien aus?

• Offenes Datenformat

• Analyse als sich wiederholender (iterativer) Prozess

• Integration des Prinzips der Induktion in den Forschungsprozess

• Modifikation der Forschungsfrage und Forschungsmethoden im Studienverlauf

Dazu gehört…

Meyer et al. (zur Publ. angen.) Gesundheitswesen

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Was zeichnet qualitative Studien aus?

Dazu gehört…

• Vorannahmen, Einstellungen und Werthaltungen sowie Rolle der Forscherin im Forschungsprozesse werden expliziert und in den Forschungsprozess integriert

• Suche nach dem Widerspruch

• Integration der Perspektiven der Beteiligten und ihre Vielschichtigkeit

Meyer et al. (zur Publ. angen.) Gesundheitswesen

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Was zeichnet qualitative Studien aus?

Potenziale qualitativer Forschung

• Alltagsnähe

• Berücksichtigung und Integration unterschiedlicher Perspektiven

• Berücksichtigung relevanter Rahmenbedingungen eines Praxisfeldes

• Abbildung der Komplexität

Meyer et al. (zur Publ. angen.) Gesundheitswesen

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Mythen und Missverständnisse

Was ist nicht spezifisch für qualitative Studien?

• „Qualitative Forschung ist konstruktivistisch, quantitative positivistisch“

• „Quantitative Forschung ist experimentell, qualitative Forschung ist naturalistisch“

Kuper et al. (2008) BMJ 337: 404-407

• „Qualitative Studien dienen der Exploration im Vorfeld quantitativer Studien“

Dixon-Woods et al. (2004) NHS Health Development Agency. www.hda.nhs.uk

• „Quantitative und qualitative Forschung stellen zwei unterschiedliche Forschungsparadigmen dar“

Rost J (1998) Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften 4: 35-42

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Gegenstandsbereiche qualitativer Studien in den Gesundheitswissenschaften

• Abbildung und Analyse subjektiver Vorstellungen - Gesunde, Kranke, Patienten; Ärzte, Therapeuten, Pflegekräfte, Angehörige, etc.

- Entscheidungsverhalten

• Darstellung und Analyse sozialer Interaktionen- Interaktionsformen, Rollenanalysen- Organisationsprozesse in der Versorgung

• Rekonstruktion von Sinnstrukturen und ihre Auswirkungen auf das Handeln

Was zeichnet qualitative Studien aus?

Meyer & Flick (2010) Lehrbuch Versorgungsforschung

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Formen der Datenerhebung• Interviews

- Einzel- vs. Gruppenbefragungen- Strukturierungsgrad (z.B. Leitfaden-I., narratives I.)- Zielgruppen bzw. Themen von Interviews

• Beobachtungen- offen vs. verdeckt- teilnehmend vs. nicht-teilnehmend- strukturierte vs. unstrukturierte Beobachtung- Feld vs. Laborbedingungen- Fremd- vs. Selbstbeobachtung

• Dokumentenanalyse

Was zeichnet qualitative Studien aus?

Meyer & Flick (2010) Lehrbuch Versorgungsforschung

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Datengrundlage

• Texte, Texte, Texte, Texte, Texte, Texte, Texte, Texte, Texte, Texte, Texte, Texte

• Filme, Bilder, Websites etc.

Was zeichnet qualitative Studien aus?

Meyer & Flick (2010) Lehrbuch Versorgungsforschung

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Grue & Laerum (2002) Disability & Society 17: 671–83

Beispiel: Mutterschaft und Körperbehinderung

I don’t really know how to put it, but it’s like—when I’m playing with my daughter and she’s in her pram while my assistant is pushing it and I’m on the side in my wheelchair saying words like dicky dicky—I’ve overheard other people saying to each other: “My goodness, poor woman—how she speaks, she doesn’t even have a language the poor thing, but look how happy she is being with the child and what a nice thing to do—that young girl letting her be with them.How do you feel when you overhear things like that. It’s your child, so don’t you feel like crying out: “It’s really my child!”Sometimes I do, but then they would probably have thought—how tragic, mental problems as well, she even thinks it’s her child.

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Grue & Laerum (2002) Disability & Society 17: 671–83

Beispiel: Mutterschaft und Körperbehinderung

I was once reported to the police. We were at a beach. My husband was putting up the tent some distance away while I was looking after the children. I cannot move around on the beach, so in order to give the children the opportunity to move around freely I tied a thirty feet long rope to them and to the pram next to me. They were quite happy being able to walk into the water and play in the sand. I felt at ease because nothing could happen to them. Then somebody at the beach called the police and told them that I was mistreating my children. When the police arrived I explained to them that I could not follow the children out onto the pier or out into the water, and if they fell into the water there was nothing I could do. So in order to give them freedom while I felt secure and in control I used the rope. I added that if they could be so kind as to look after the children until my husband came back, that they were welcome to do so. Listening to me the two police of felt embarrassed, asked me to excuse them and left.

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Grue & Laerum (2002) Disability & Society 17: 671–83

Beispiel: Mutterschaft und Körperbehinderung

I instantly felt more like a woman when my son was born. During mywhole life I had felt like a person without gender. The process I wentthrough during pregnancy and afterwards made me more conscious of my identity and my worth as a human being. My child made it possible for me to say both to myself and in relation to other women—see, I am the same as you.

There are very few children who are as nicely dressed and well-kept as my children. I was the first parent to put name tags in my children’s clothes when they started at the nursery. Nobody should have a reason to criticise me.

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Ansätze zur Bewertung qualitativer Studien

Ansätze• Checklisten in der EbM-Tradition• Evidenzhierarchien?• Kriterienlisten• Qualitätsmanagement• Spezifische Bewertung von Technologien,

Ansätzen, kodifizierte Verfahren

Grundsätzliche Fragen• Gemeinsame oder getrennte Kriterien?• Bewertung möglich?

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Erstellung von Checklisten ?

Barbour (2001): „A case of the tail wagging the dog?“

• Checklisten tragen zur Akzeptanz qualitativer Forschung bei

• Aber: in ihrer präskriptiven Funktion können sie guter qualitativer Forschung abträglich sein

• Gefahr von „technical fixes“, z.B. purposive sampling, grounded theory, multiple coding, triangulation, respondent validationbenutzt als „proving bumper stickers“

Wie erkenne ich gute qualitative Studien?

Barbour (2001) Checklists for improving rigour in qualitative research. BMJ 322: 1115-1117

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Page 24: Kritische Bewertung qualitativer Studien

Evidenzhierarchien?

Wie erkenne ich gute qualitative Studien?

Daly et al. (2007) A hierarchy of evidence for assessing qualitative research. J Clin Epidemiol 60:43-49

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Level 1

Level 2

Level 3

Level 4

Generali-zable studies

Conceptual studies

Descriptive studies

Single case studiy

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Formulierung von Kriterien qualitativer Forschung ?

• Greenhalgh T & Taylor R (1997) BMJ 315:740-743Grenn & Britten (1998) BMJ 316: 1230-1232Mays & Pope (2000) BMJ 320:50-52

• Murphy et al. (1998) Health Technol Assessment 2(16)

• Giacomini et al. (2000) JAMA 284: 357-362; JAMA 284: 478-482

• Malterud K (2001) Lancet 358: 397-400; Lancet 358: 483-488.

• Morse M et al. (2001) The nature of qualitative evidence. Sage.Sandelowski & Barroso J (2002) Int J Qualitativ Method 1 (1)Cesario et al. (2002) J Obstr Gyn Neonat Nurs 31:708-714

• Frommer & Rennie (2006) Psychother Psych Med 56:210-217Meyer (2007) In: Kunz et al. Lehrbuch EbM. S.159-176Hasseler (2007) Gesundheitswesen 69:297-302

• Tong et al. (2007) Int J Qual Health Care 19:349-357

• Kitto et al. (2008) MJA 188:243-246

• Cohen & Crabtree (2008) Ann Fam Med 6:331-339

Wie erkenne ich gute qualitative Studien?

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Ergebnis einer Literaturübersicht: 7 Kriterien guter qualitativer Forschung

Cohen & Crabtree (2008) Ann Fam Med 6:331-339

Forschung sollte…1. ethisch korrekt durchgeführt sein2. bedeutsam sein3. klar und kohärent dargestellt sein4. angemessene und strenge Methoden verwenden5. Reflexivität des/der Forschers/in bzw.

Berücksichtigung von Untersucherbiases beinhalten

6. valide bzw. glaubhaft sein7. verifizierbar bzw. reliabel sein

Wie erkenne ich gute qualitative Studien?

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1. Intersubjektive Nachvollziehbarkeit2. Indikation des Forschungsprozesses3. Empirische Verankerung4. Limitationen (Beschreibung der Kontexte und

Identifikation relevanter Bedingungen)5. Kohärenz der Theorie6. Relevanz7. Reflektierte Subjektivität8. Multiperspektivität*9. Gerechter Umgang (fair dealing)*

Kriterien zur Bewertung qualitativer Studien

Steinke I (1999) Kriterien qualitativer Forschung. Weinheim: Juventa.*Murphy E et al. (1998) Health Technol Assessment 2 (16).Meyer T (2007) In: Lehrbuch EbM in Klinik und Praxis (2. Auflage)

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1. Intersubjektive Nachvollziehbarkeita) Dokumentation des Forschungsprozesses., b) Interpretation in Gruppen c) Anwendung kodifizierter Verfahren (d.h. bereits entwickelter, aus Regeln bestehender Verfahren, z.B. Methode der Grounded Theory)

2. Indikation des Forschungsprozessesa)Indikation des qualitativen Vorgehens angesichts der Fragestellung, b) Indikation der Methodenwahl, c) Indikation von Transkriptionsregel, d) Indikation der Samplingstrategi, d) Indikation der methodischen Einzelentscheidungen im Kontext der gesamten Untersuchung

3. Empirische Verankerunga) Verwendung kodifizierter Methoden (s.o.), b) Hinreichende Textbelege, c) Reaktion auf Widersprüche, abweichende bzw. negative Fälle, d) Analytische Induktion als Methode der Theorieentwicklung, e) Ableitung und Überprüfung von Prognosen, f) Kommunikative Validierung („member check“)

4. Limitationen (Beschreibung der Kontexte und Identifikation relevanter Bedingungen)

a)Fallkontrastierung, b) Explizite Suche nach abweichenden, negativen und extremen Fällen

Kriterien zur Bewertung qualitativer Studien

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5. Kohärenz der Theoriea)Kohärenz der Theorie, b) Bearbeitung von Widersprüchen in den Daten und Interpretationen

6. Relevanza)Relevanz der Fragestellung, b) Relevanz für Theorie

7. Reflektierte Subjektivitäta) Integration von Selbstbeobachtung, b) Reflektion persönlicher Voraussetzungen, c) Vertrauensbeziehung zu den Beforschten, d) Reflektionen während es Feldeinstiegs

8. Multiperspektivität*a)Triangulation von Methoden, b) Triangulation von Daten, c) Triangulation von Untersuchern, d) Triangulation von Theorien

9.Gerechter Umgang (fair dealing)*a)Fairer Einbezug verschiedener am Untersuchungsphänomen beteiligter Perspektiven, b) Berücksichtigung von verschiedenen Statusgruppen / Machtunterschieden

Kriterien zur Bewertung qualitativer Studien

* Diese Kriterien wurden der Liste von Steinke (1999) vom Autor hinzugefügt, in Anlehnung an Murphy et al. (1998)

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Wie erkenne ich gute qualitative Studien?

„…the characteristics that define good quality research remain contested.“

Dixon-Woods et al. (2004) NHS Health Development Agency. www.hda.nhs.uk

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