Bon APPétit

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werbewoche 21 | 21.11.2014 MARKETING & KOMMUNIKATION 11 möglich, ihre Netzwerke zu erweitern res- pektive das bereits vorhandene Netzwerk mit Inhalten zu beliefern, ohne dafür Geld in die Hand zu nehmen. Konkret: Postet oder tweetet eine Firma auf ihrer Facebook- oder Twitter-Seite einen Beitrag, wird dieser den eigenen Fans und Followers nur dann im Newsfeed angezeigt, wenn diese Beiträge als so genannt «Sponsored Content» eingekauft werden.  Ein zweiter Grund ist das massive Über- angebot an Inhalten. Heute tummeln sich A m 28. Oktober setzte Taco Bell seine So- cial Media Accounts auf «schwarz und null». Weiss in schwarz liess man verlauten: «Taco Bell #OnlyIntheApp». Die Nachricht des Social Media Blackout verbreitete sich rasch und schnell war klar: Der Digital-Me- dia-Innovator mit der Glocke im Logo hatte mit dem Aufruf #OnlyIneApp einen neuen Trend eingeläutet: Marken sollen die Userin- nen und User wieder vermehrt ins eigene Revier locken. Im Fachjargon nennt man das Owned Media. Das Social Blackout war übri- gens nicht von Dauer. Aber die Message sass und der Launch der «Taco Bell Ordering App» mit einer User Experience vom Feinsten bie- tet uns Anschauungsunterricht vom Neus- ten. Beweggründe und Insights Taco Bell ist heute in den USA der Fast-Food- Liebling der Millennials – also der Generati- on der 18- bis 35-Jährigen. Das ist kein Zu- fall, sondern das Resultat einer klaren Stra- tegie. Bereits 2012 investierte man 20 Pro- zent des 280-Millionen-Dollar-Werbebud- gets in digitale Medien. «You have to go to these other screens», liess Taco Bell President Brian Niccol 2012 im AdvertisingAge verlau- ten. Dank diesem frühzeitig eingeschlage- nen Werbegang auf Smartphone Screens ist man heue der Konkurrenz, was Erfahrung und Kreation im Mobile Digital Marketing anbelangt, eine grosse Wirkungslänge vor- aus. Zwei Beispiele: Inspiriert von einem User-Instagram-Post kreierte Taco Bell eine Instagram-taugliche Verpackung mit der Aufschrift «Right now I am eating a Waffle Taco and you are not.» Taco Bell war auch bei den ersten Brands, die Snapchat im Rahmen einer Marketing-Kampagne einsetzten. In Tweets und Facebookposts bat man Follo- wers and Friends wie folgt um Snapchat- Adds: «We are on @Snapchat. Username: ta- cobell. Add us. We are sending all of our friends a secret announcement tomorrow! #Shhh». Genial! Aber es gibt noch andere Gründe als Millennials und Mobile Boom, wieder vermehrt in Eigenregie gehostete Digital-Plattformen ins Spiel zu bringen. Jordan Kretchmer, CEO von Livefyre, schreibt mit Bezug auf die Taco-Bell-Kampa- gne: «e era of free social marketing is over.» Kretschmers Aussage beruht auf der Erkenntnis, dass die inzwischen börsenko- tierten Netzwerkbetreiber Twitter und Face- book begonnen haben, ihre Dienste mit Wer- beangeboten zu monetarisieren. Davon be- troffen sind Firmen, die Seiten und Profile betreiben. Denn für sie ist es kaum mehr Mit der Ordering-App setzt Taco Bell einen neuen Fixpunkt im Digital-Marketing. Entwicklung und Bewerbung bieten Anschauungs- unterricht vom Feinsten. Oben: Das inszenierte Social Media Blackout. Unten: Die Königsfunktion der Bestell-App – Rotate to Reorder. Bon APP étit – die Taco-Bell- Ordering-App siebenmal mehr User in Social-Media-Netz- werken, als dies noch vor fünf Jahren der Fall war. Monatlich purzeln zudem die Rekorde, was die Anzahl geposteter Inhalte anbelangt. Das ernüchternde Fazit für die Betreiber von Social-Media-Profilen lautet: Das Angebot übertrifft die Nachfrage mit negativen Fol- gen für Preisentwicklung und Wirkungsqua- lität. Ein dritter Grund ist die Big-Data-Proble- matik. Gemäss einer aktuelle Studie aus den USA – auch der Tages-Anzeiger berichtete darüber – sind 91 Prozent der Mei- nung, dass die Konsumenten die Kon- trolle über das Mass der eigenen Infor- mationspreisgabe verloren haben. 64 Prozent sind nun der Meinung, dass die Verwendung von Daten zu Werbe- zwecken schärfer reguliert werden sollte. Und 60 Prozent zweifeln an den Vorteilen der Informationspreisgabe. In einem solchen Klima sind vertrau- ensbildende Massnahmen und Mehr- werte als Gegenleistung unverzicht- bar. Denn immerhin sind 55 Prozent bereit, unter den richtigen Vorausset- zungen Daten preiszugeben respektive Inhalte zu teilen. Die neue Taco-Bell-App Für Jeff Jenkins ist die Bestell-App die grösste Erfindung seit Einführung des «Drive through». Damals konnten Kunden Menüs kaufen und mitnehmen, ohne das Auto verlassen zu müssen. Heute können Kunden Menüs völlig frei vorgängig nach ei- genem Gusto via die App zusammenstellen, bezahlen und bestellen. Beim Eintreffen lie- gen dann die mit besten Zutaten gefüllten Tacos, Burritos oder Combos zum Instant- Pickup bereit. Tressie Liebermann, Senior Director, Digital Marketing & Platforms: «We want to give them the opportunity to custo- mize and personalize the way they never could before.» Jeff Jenkins, Director Digital Experience and New Concepts: «One of the key benefits of the app is the ability to skip the line in a restaurant. So you can place your or- der at your own terms.» Wertvollster Indika- tor bei der App-Entwicklung war und ist das Kundenverhalten. 70 Prozent aller Einkäufe erfolgen via «Drive through» und 30 Prozent via «Dine in». Von den «Dine in» sind 50 Pro- zent «Take aways». In anderen Worten: Die wenigsten Portionen werden vor Ort im Res- taurant konsumiert. Da bietet eine Bestell- App den perfekten Mehrwert. Herzstück und aktueller Liebling der Konsumentinnen und Konsumenten ist die Funktion «Rotator Reor- der». Beim Drehen des Smartphones um 90° erscheinen die eigenen, beliebtesten Menüs und können so umgehend bestellt werden. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und Spielernaturen. Dieses Feature bedient bei- des. Die aktuellen Funktionen bilden den An- fang einer Reihe weiterer Funktionen, stets mit dem Ziel vor Augen, das Erlebnis für den Benutzer einfacher und reichhaltiger zu ge- stalten. Wertvollster Indikator ist dabei das Kunden-Feedback. Aber auch Trends aus an- deren Märkten bieten gemäss Lieberman In- spiration für Innovationen. Die Kampagne zur Taco-Bell-App Mit dem Social Media Blackout haben die Fast-Food-Pioniere aus Kalifornien einen kreativen Coup gelandet. Aber es gab noch einen zweiten Wirkungshebel, der zur rasan- ten Verbreitung der App-Kunde beitrug. Ka- leb Nation hat 252 000 Follower auf Twitter. Brian Logan Dales ist mit über 77 000 Follo- wer ein Promi auf Instagram. Und Shane Dawson ist ein Videoproduzent und Musiker mit über 2,25 Millionen Follower auf Twit- ter. Alle drei sind sie Ambassadoren von Taco Bell. #Friendsgiving ist eine Kampagne, die sich von der Idee an anksgiving anlehnt. Und #Friendsgiving ist Teil des Ambassado- ren-Programms, bei dem Taco Bell einfluss- reiche Social-Media-Aktivisten ins Head- quarter zum Festessen einlädt. Taco Bell spielt die Klaviatur der Wirkungstreiber perfekt. Aktivitäten mit einflussreichen Twitter-, Facebook- und Instagram-Promis gehören zur Werbestrategie. Die Anstren- gungen dieses Aufbaus einflussreicher Am- bassadoren tragen nun Früchte, indem diese jetzt nämlich die Botschaft der neuen App in ihren Netzwerken verbreiten. Bestellen vom Plattenteller für nach dem Gig. Ein Tweet der DJ-Zwillinge @perrytwins live vom Misch- pult «Can Dj and order for after the gig» mit dem Hashtag #OnlyIneApp gibt zahlrei- che Retweets und Favorites. Über den Ge- schmack eines Taco-Bell-Menüs weiss ich aus Mangel an Erfahrung nichts zu berich- ten. Diese Kampagne aber schmeckt dem Werber vorzüglich. Denn sie lebt den viralen Traum. Bon appétit! Beat Hürlimann Ist «Back to Owned Media» der aktuell wichtigste Trend im Digital Marketing? Gibt es Alternativen zur Mobile App? Antworten auf diese Fragen und Mein- ungen zum Beitrag sind auf www.huerlimanncc.com herzlich willkommen. Zudem gibt es hier vertiefende Analysen und Informationen. ONLINE

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werbewoche 21 | 21.11.2014 MARKETING & KOMMUNIKATION 11

möglich, ihre Netzwerke zu erweitern res-pektive das bereits vorhandene Netzwerk mit Inhalten zu beliefern, ohne dafür Geld in die Hand zu nehmen. Konkret: Postet oder tweetet eine Firma auf ihrer Facebook- oder Twitter-Seite einen Beitrag, wird dieser den eigenen Fans und Followers nur dann im Newsfeed angezeigt, wenn diese Beiträge als so genannt «Sponsored Content» eingekauft werden.  

Ein zweiter Grund ist das massive Über-angebot an Inhalten. Heute tummeln sich

A m 28. Oktober setzte Taco Bell seine So-cial Media Accounts auf «schwarz und

null». Weiss in schwarz liess man verlauten: «Taco Bell #OnlyIntheApp». Die Nachricht des Social Media Blackout verbreitete sich rasch und schnell war klar: Der Digital-Me-dia-Innovator mit der Glocke im Logo hatte mit dem Aufruf #OnlyInTheApp einen neuen Trend eingeläutet: Marken sollen die Userin-nen und User wieder vermehrt ins eigene Revier locken. Im Fachjargon nennt man das Owned Media. Das Social Blackout war übri-gens nicht von Dauer. Aber die Message sass und der Launch der «Taco Bell Ordering App» mit einer User Experience vom Feinsten bie-tet uns Anschauungsunterricht vom Neus-ten.

Beweggründe und InsightsTaco Bell ist heute in den USA der Fast-Food-Liebling der Millennials – also der Generati-on der 18- bis 35-Jährigen. Das ist kein Zu-fall, sondern das Resultat einer klaren Stra-tegie. Bereits 2012 investierte man 20 Pro-zent des 280-Millionen-Dollar-Werbebud-gets in digitale Medien. «You have to go to these other screens», liess Taco Bell President Brian Niccol 2012 im AdvertisingAge verlau-ten. Dank diesem frühzeitig eingeschlage-nen Werbegang auf Smartphone Screens ist man heue der Konkurrenz, was Erfahrung und Kreation im Mobile Digital Marketing anbelangt, eine grosse Wirkungslänge vor-aus. Zwei Beispiele: Inspiriert von einem User-Instagram-Post kreierte Taco Bell eine Instagram-taugliche Verpackung mit der Aufschrift «Right now I am eating a Waffle Taco and you are not.» Taco Bell war auch bei den ersten Brands, die Snapchat im Rahmen einer Marketing-Kampagne einsetzten. In Tweets und Facebookposts bat man Follo-wers and Friends wie folgt um Snapchat-Adds: «We are on @Snapchat. Username: ta-cobell. Add us. We are sending all of our friends a secret announcement tomorrow! #Shhh». Genial! Aber es gibt noch andere Gründe als Millennials und Mobile Boom, wieder vermehrt in Eigenregie gehostete Digital-Plattformen ins Spiel zu bringen.

Jordan Kretchmer, CEO von Livefyre, schreibt mit Bezug auf die Taco-Bell-Kampa-gne: «The era of free social marketing is over.» Kretschmers Aussage beruht auf der Erkenntnis, dass die inzwischen börsenko-tierten Netzwerkbetreiber Twitter und Face-book begonnen haben, ihre Dienste mit Wer-beangeboten zu monetarisieren. Davon be-troffen sind Firmen, die Seiten und Profile betreiben. Denn für sie ist es kaum mehr

Mit der Ordering-App setzt Taco Bell einen neuen Fixpunkt im Digital-Marketing. Entwicklung und Bewerbung bieten Anschauungs-unterricht vom Feinsten.

Oben: Das inszenierte Social Media Blackout.Unten: Die Königsfunktion der Bestell-App – Rotate to Reorder.

Bon APPétit– die Taco-Bell-Ordering-App

siebenmal mehr User in Social-Media-Netz-werken, als dies noch vor fünf Jahren der Fall war. Monatlich purzeln zudem die Rekorde, was die Anzahl geposteter Inhalte anbelangt. Das ernüchternde Fazit für die Betreiber von Social-Media-Profilen lautet: Das Angebot übertrifft die Nachfrage mit negativen Fol-gen für Preisentwicklung und Wirkungsqua-lität.

Ein dritter Grund ist die Big-Data-Proble-matik. Gemäss einer aktuelle Studie aus den USA – auch der Tages-Anzeiger berichtete

darüber – sind 91 Prozent der Mei-nung, dass die Konsumenten die Kon-trolle über das Mass der eigenen Infor-mationspreisgabe verloren haben. 64 Prozent sind nun der Meinung, dass die Verwendung von Daten zu Werbe-zwecken schärfer reguliert werden sollte. Und 60 Prozent zweifeln an den Vorteilen der Informationspreisgabe. In einem solchen Klima sind vertrau-ensbildende Massnahmen und Mehr-werte als Gegenleistung unverzicht-bar. Denn immerhin sind 55 Prozent bereit, unter den richtigen Vorausset-zungen Daten preiszugeben respektive Inhalte zu teilen.

Die neue Taco-Bell-AppFür Jeff Jenkins ist die Bestell-App die grösste Erfindung seit Einführung des

«Drive through». Damals konnten Kunden Menüs kaufen und mitnehmen, ohne das Auto verlassen zu müssen. Heute können Kunden Menüs völlig frei vorgängig nach ei-genem Gusto via die App zusammenstellen, bezahlen und bestellen. Beim Eintreffen lie-gen dann die mit besten Zutaten gefüllten Tacos, Burritos oder Combos zum Instant-Pickup bereit. Tressie Liebermann, Senior Director, Digital Marketing & Platforms: «We want to give them the opportunity to custo-mize and personalize the way they never could before.» Jeff Jenkins, Director Digital Experience and New Concepts: «One of the key benefits of the app is the ability to skip the line in a restaurant. So you can place your or-der at your own terms.» Wertvollster Indika-tor bei der App-Entwicklung war und ist das Kundenverhalten. 70 Prozent aller Einkäufe erfolgen via «Drive through» und 30 Prozent via «Dine in». Von den «Dine in» sind 50 Pro-zent «Take aways». In anderen Worten: Die wenigsten Portionen werden vor Ort im Res-taurant konsumiert. Da bietet eine Bestell-App den perfekten Mehrwert. Herzstück und aktueller Liebling der Konsumentinnen und Konsumenten ist die Funktion «Rotator Reor-

der». Beim Drehen des Smartphones um 90° erscheinen die eigenen, beliebtesten Menüs und können so umgehend bestellt werden. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und Spielernaturen. Dieses Feature bedient bei-des. Die aktuellen Funktionen bilden den An-fang einer Reihe weiterer Funktionen, stets mit dem Ziel vor Augen, das Erlebnis für den Benutzer einfacher und reichhaltiger zu ge-stalten. Wertvollster Indikator ist dabei das Kunden-Feedback. Aber auch Trends aus an-deren Märkten bieten gemäss Lieberman In-spiration für Innovationen.

Die Kampagne zur Taco-Bell-App Mit dem Social Media Blackout haben die Fast-Food-Pioniere aus Kalifornien einen kreativen Coup gelandet. Aber es gab noch einen zweiten Wirkungshebel, der zur rasan-ten Verbreitung der App-Kunde beitrug. Ka-leb Nation hat 252 000 Follower auf Twitter. Brian Logan Dales ist mit über 77 000 Follo-wer ein Promi auf Instagram. Und Shane Dawson ist ein Videoproduzent und Musiker mit über 2,25 Millionen Follower auf Twit-ter. Alle drei sind sie Ambassadoren von Taco Bell. #Friendsgiving ist eine Kampagne, die sich von der Idee an Thanksgiving anlehnt. Und #Friendsgiving ist Teil des Ambassado-ren-Programms, bei dem Taco Bell einfluss-reiche Social-Media-Aktivisten ins Head-quarter zum Festessen einlädt. Taco Bell spielt die Klaviatur der Wirkungstreiber perfekt. Aktivitäten mit einflussreichen Twitter-, Facebook- und Instagram-Promis gehören zur Werbestrategie. Die Anstren-gungen dieses Aufbaus einflussreicher Am-bassadoren tragen nun Früchte, indem diese jetzt nämlich die Botschaft der neuen App in ihren Netzwerken verbreiten. Bestellen vom Plattenteller für nach dem Gig. Ein Tweet der DJ-Zwillinge @perrytwins live vom Misch-pult «Can Dj and order for after the gig» mit dem Hashtag #OnlyInTheApp gibt zahlrei-che Retweets und Favorites. Über den Ge-schmack eines Taco-Bell-Menüs weiss ich aus Mangel an Erfahrung nichts zu berich-ten. Diese Kampagne aber schmeckt dem Werber vorzüglich. Denn sie lebt den viralen Traum. Bon appétit!

Beat Hürlimann

Ist «Back to Owned Media» der aktuell wichtigste Trend im Digital Marketing? Gibt es Alternativen zur Mobile App? Antworten auf diese Fragen und Mein- ungen zum Beitrag sind auf www.huerlimanncc.com herzlich willkommen. Zudem gibt es hier vertiefende Analysen und Informationen.

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