BRANCHE IM ZEITRAFFER - all-electronics

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BRANCHE IM ZEITRAFFER Siemens setzt im Geschäft mit der Photovoltaik auf Anwendungs-Know-how Der Photovoltaikmarkt ent- wickelt sich im Zeitraffer-Tempo: Deshalb hat Siemens im Sektor Industry ein Vertical Market Management Glass and Solar ins Leben gerufen, mit dem Ziel, das im Unternehmen vorhandene Applikations-Know how zu bündeln. So sollen Produzenten mit Automatisierungslösungen und -produkten zu unterstützt werden. Autor Armin Scheuermann, Redaktion „Es wird Zeit, den gesamten Herstel- lungsprozess durch moderne Automati- sierungstechnik systematisch zu optimie- ren“ Dr. Akbar Tellenbach, Siemens Produktmarketing Gaschromatografie P V-Module baut Siemens keine mehr. Dieses Geschäftsfeld wurde vom Münchner Konzern bereits 2001 an Shell Solar verkauft. Doch die technologischen Voraussetzungen hatte sich das Unternehmen geschaffen. Dieses Know how in Solartechnologie nutzt heute unter anderem der Siemens-Sek- tor Industry: von der Reaktortechnik in der Polysilizium-Produktion („Siemens- Reaktor“), der Glasherstellung für Solar- technologie über die Online-Analytik zur Prozessoptimierung bis hin zu Antriebs- und Automatisierungslösungen für die Wafer-, Cell- und Modulproduktion so- wie Wechselrichter und Automatisierung im Feld. Und angesichts des Wachstums der Photovoltaik-Branche der vergange- nen Jahre will sich der Konzern nun mit der Konzentration auf anwendungsspe- zifische Automatiserungslösungen für die Solarindustrie profilieren. „Die Bran- che entwickelt sich im Zeitraffertempo“, bringt Schuchart die Situation auf den Punkt. Paradigmenwechsel beim Installieren von neuen Produktionskapazitäten Mit Blick auf das für die Zukunft erwarte- te Wachstum neu installierter Leistungen im Feld rechnet man mit einem Paradig- menwechsel bei der Installation von neu- en Produktionskapazitäten für Photovol- PRODUKTIONSTECHNIK taik: Siliziumherstellung, Glasprodukti- on und Modulfertigung werden näher zusammenrücken und in wesentlich grö- ßerem Maßstab. Doch um solche Industrieparks opti- mal betreiben zu können, müssen die Abhängigkeiten zwischen Durchsatz, Qualität, Wirkungsgrad und Prozess- parametern transparenter werden. „Hier setzt Siemens Automatisierung an, um gemeinsam mit den Herstellern Fer- tigungsabläufe intelligenter zu gestalten und automatisierte Regelkreise zu er- möglichen“, verdeutlicht Schuchart. Bei der Produktion von Polysilizium – eine klassische Prozessindustrie für Sie- mens – hat das Unternehmen viel Erfah- rung bei der Online-Überwachung. Ei- nerseits ist dort ein hoher Reinheitsgrad gefordert, andererseits muss eine repro- duzierbare Qualität erreicht werden. Der Gasphasenprozess, bei dem Silizium- Atome bei hohen Temperaturen auf hei- ßen Si-Stäben abgeschieden werden, ver- langt eine exakte Prozessführung. „Trotz jahrelanger Erfahrung in der Herstellung von Polysilizium gibt es noch immer ein erhebliches Potenzial, um den Prozess bezüglich Ausbeute, Produktionskosten und Qualität zu optimieren“, berichtet Dr. Akbar Tellenbach, Produktmarketing Gaschromatografie. Tellenbach: „Der Po- lysilizium-Prozess ist ein Verfahren, das durch moderne Automatisierungstech- nik erheblich verbessert werden kann und muss, damit die Solarenergie gegen- über anderen Energien wettbewerbs- fähig wird. Dafür ist es jetzt Zeit, da der Kostendruck zudem durch internationa- len Wettbewerb stetig zunimmt.“ In der Praxis werden derzeit zur Pro- zessführung häufig Laborgaschromato- grafen eingesetzt, mit denen die Zusam- mensetzung von eingesetzten Gasen und Nebenprodukten erfasst wird. Was sich einfach anhört, hat Tücken im Detail: Wo sollen die Proben gezogen werden? Wie muss die Probe aufbereitet werden und wie der Chromatograf konfiguriert sein? Oft sind die Analysenergebnisse ver- fälscht und kommen für eine effiziente Prozesssteuerung zu spät. Nur eine On- line-Lösung bietet eine effiziente Prozess- kontrolle und -optimierung und redu- Siemens will das Applikations-Know-how für Photovoltaik im neu geschaffenen Vertical Market Management bündeln CHEMIE TECHNIK · productronic · Elektronik Industrie · Special Photovoltaik 2009 28 Quelle Fachzeitschrift Photovoltaik -Produktion

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BRANCHE IM ZEITRAFFER Siemens setzt im Geschäft mit der Photovoltaik auf Anwendungs-Know-how Der Photovoltaikmarkt ent-wickelt sich im Zeitraffer-Tempo: Deshalb hat Siemens im Sektor Industry ein Vertical Market Management Glass and Solar ins Leben gerufen, mit dem Ziel, das im Unternehmen vorhandene Applikations-Know how zu bündeln. So sollen Produzenten mit Automatisierungslösungen und -produkten zu unterstützt werden.

Autor

Armin Scheuermann, Redaktion

„Es wird Zeit, den gesamten Herstel-lungsprozess durch moderne Automati-sierungstechnik systematisch zu optimie-ren“ Dr. Akbar Tellenbach, Siemens Produktmarketing Gaschromatografie

P V-Module baut Siemens keine mehr. Dieses Geschäftsfeld wurde vom Münchner Konzern bereits

2001 an Shell Solar verkauft. Doch die technologischen Voraussetzungen hatte sich das Unternehmen geschaffen. Dieses Know how in Solartechnologie nutzt heute unter anderem der Siemens-Sek-tor Industry: von der Reaktortechnik in der Polysilizium-Produktion („Siemens-Reaktor“), der Glasherstellung für Solar-technologie über die Online-Analytik zur Prozessoptimierung bis hin zu Antriebs- und Automatisierungslösungen für die Wafer-, Cell- und Modulproduktion so-wie Wechselrichter und Automatisierung im Feld. Und angesichts des Wachstums der Photovoltaik-Branche der vergange-nen Jahre will sich der Konzern nun mit der Konzentration auf anwendungsspe-zifische Automatiserungslösungen für die Solarindustrie profilieren. „Die Bran-che entwickelt sich im Zeitraffertempo“, bringt Schuchart die Situation auf den Punkt.

Paradigmenwechsel beim Installieren von neuen Produktionskapazitäten Mit Blick auf das für die Zukunft erwarte-te Wachstum neu installierter Leistungen im Feld rechnet man mit einem Paradig-menwechsel bei der Installation von neu-en Produktionskapazitäten für Photovol-

PRODUKTIONSTECHNIK

taik: Siliziumherstellung, Glasprodukti-on und Modulfertigung werden näher zusammenrücken und in wesentlich grö-ßerem Maßstab.

Doch um solche Industrieparks opti-mal betreiben zu können, müssen die Abhängigkeiten zwischen Durchsatz, Qualität, Wirkungsgrad und Prozess-parametern transparenter werden. „Hier setzt Siemens Automatisierung an, um gemeinsam mit den Herstellern Fer-tigungsabläufe intelligenter zu gestalten und automatisierte Regelkreise zu er-möglichen“, verdeutlicht Schuchart.

Bei der Produktion von Polysilizium – eine klassische Prozessindustrie für Sie-mens – hat das Unternehmen viel Erfah-rung bei der Online-Überwachung. Ei-nerseits ist dort ein hoher Reinheitsgrad gefordert, andererseits muss eine repro-duzierbare Qualität erreicht werden. Der Gasphasenprozess, bei dem Silizium-Atome bei hohen Temperaturen auf hei-ßen Si-Stäben abgeschieden werden, ver-langt eine exakte Prozessführung. „Trotz jahrelanger Erfahrung in der Herstellung von Polysilizium gibt es noch immer ein

erhebliches Potenzial, um den Prozess bezüglich Ausbeute, Produktionskosten und Qualität zu optimieren“, berichtet Dr. Akbar Tellenbach, Produktmarketing Gaschromatografie. Tellenbach: „Der Po-lysilizium-Prozess ist ein Verfahren, das durch moderne Automatisierungstech-nik erheblich verbessert werden kann und muss, damit die Solarenergie gegen-über anderen Energien wettbewerbs-fähig wird. Dafür ist es jetzt Zeit, da der Kostendruck zudem durch internationa-len Wettbewerb stetig zunimmt.“

In der Praxis werden derzeit zur Pro-zessführung häufig Laborgaschromato-grafen eingesetzt, mit denen die Zusam-mensetzung von eingesetzten Gasen und Nebenprodukten erfasst wird. Was sich einfach anhört, hat Tücken im Detail: Wo sollen die Proben gezogen werden? Wie muss die Probe aufbereitet werden und wie der Chromatograf konfiguriert sein? Oft sind die Analysenergebnisse ver-fälscht und kommen für eine effiziente Prozesssteuerung zu spät. Nur eine On-line-Lösung bietet eine effiziente Prozess-kontrolle und -optimierung und redu-

Siemens will das Applikations-Know-how für Photovoltaik im neu geschaffenen Vertical Market Management bündeln

CHEMIE TECHNIK · productronic · Elektronik Industrie · Special Photovoltaik 200928

Quelle Fachzeitschrift Photovoltaik -Produktion

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„ Die Wirtschaftlichkeit des Herstellprozesses ist noch zu wenig im Be-wusstsein der Betreiber“ Johannes Schuchart leitet bei Siemens das Vertical Market Management Solar im Sektor Industry

INTERVIEW MIT JOHANNES SCHUCHART UND BERND LEHMANN, SIEMENS

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Solarfabrik der Zukunft aus? Schuchart: Einerseits werden die einzelnen Prozessschritte der Wertschöpfungskette näher zusammenrücken – diese sind Sili-ziumproduktion, Glas für Solar, Bric/Ingot -Wafer-, Cell- und Modulfertigung. Andererseits werden die Fabriken deutlich größer und hochautomatisiert für eine Massenproduktion sein. Und eine Vision ist, dass vom Rohstoff bis zum fertigen Modul dort produziert wird, wo die Solarkraftwerke errichtet werden. Idealerweise ist dies dort, wo sowohl Sonne, als auch die not-wendige Aufstellungsfläche und die Abnehmer des Stroms vor-handen sind. Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Potenziale, um die Pro-duktivität in der Herstellung von Solarprodukten zu steigern? Schuchart: Einerseits muss die Wertschöpfungskette besser aus-balanciert werden, andererseits sind die Prozesse heute noch zu wenig transparent: Erst wenn man die Abhängigkeiten zwi-schen Qualität und Prozessparametern kennt, kann man gezielt an die Optimierung der Prozesse herangehen. Bislang konzen-trieren sich die Hersteller – insbesondere in Europa – zu sehr auf technologische Aspekte, um Kosten zu sparen. Die Wirtschaft-lichkeit des Herstellprozesses ist noch zu wenig im Bewusstsein der Betreiber. Welche Rolle spielt dabei die Automatisierungstechnik? Schuchart: Bislang ist der Automatisierungsgrad in allen Schrit-ten noch vergleichsweise niedrig. Die etablierten Hersteller von

„WERTSCHÖPFUNGSKETTE AUSBALANCIEREN“ Polysilizium – insbesondere hier in Deutschland – erreichen auf Grund ihrer Erfahrung trotzdem hohe Ausbeuten. Automati-sierte Prozesse, bei denen die Abhängigkeiten transparent sind, werden unserer Meinung nach der Schlüssel zur kostengünsti-gen Massenproduktion sein. Heute kann es beispielsweise län-ger als ein Jahr dauern, bis eine Produktionsanlage von Polysili-zium nach Inbetriebnahme am Optimum arbeitet. Durch den Einsatz automatisierter Systeme, Sensoren und Online-Ana-lytik lässt sich diese Zeit deutlich reduzieren. Das bedeutet für den Betreiber bares Geld.

KONTAKT www.siemens.de EU-PV SEC, Halle B5/24B

ziert gleichzeitig die Betriebskosten. Und dieses bietet der Hersteller: Know how, das auch beim Bau und Betrieb der in na-her Zukunft größten Polysilizium-Pro-duktionsanlage von LDK Solar im chine-sischen Xinyu gefragt war und wobei Sie-mens vorort in Shanghai eine Gesamt-lösung umgesetzt hat.

Aber auch im weiteren Verlauf der Wertschöpfungskette der Photovoltaik-Produktion ergeben sich immer komple-xere Fragestellungen. Eine zentrale Rol-le, insbesondere im Hinblick auf Dünn-

schichtsysteme, spielt die Produktion und Verarbeitung von Solarglas, das als Träger- und Deckschicht fungiert. „Wir bieten dafür spezielle Automatisierungs-lösungen an, erklärt dazu Bernd Leh-mann, Senior Manager Glasindustrie. Unlängst hat der Konzern beispielsweise die Solarglaslinie von NSG Group/Pil-kington in Weiherhammer mit dem Pro-zessleitsystem Simatic PCS 7 ausgestattet.

Fazit: Das Potenzial sowie der Nutzen durch den Einsatz von durchgängigen Automatisierungslösungen ist in allen

Bereichen der Wertschöpfungskette, vom Rohstoff bis zum fertigen Modul, sehr hoch. Siemens will gemeinsam mit der Industrie dieses Potenzial angehen und damit die Zukunftsfähigkeit im Wachstum und der Wirtschaftlichkeit nachhaltig sichern.

CHEMIE TECHNIK · productronic · Elektronik Industrie · Special Photovoltaik 2009 29

„ Die energieeffiziente Herstellung der Rohstof-fe, insbesondere von So-larglas, ist die besondere Herausforderung, um Kosten signifikant zu sen-ken“

Bernd Lehmann verantwortet das Market Development im Vertical Market Management Glass & Solar im Sektor Industry

An welchen Stellen in der Wertschöpfungskette lohnt es sich au-ßerdem anzusetzen? Lehmann: Generell geht es darum, den Durchsatz zu erhöhen. Ein Beispiel ist die Verarbeitung der Wafer: Diese werden dün-ner, größer, aber auch zerbrechlicher. Dazu werden automati-sierte Handlingsysteme mit hoher Kapazität benötigt. Insgesamt ist der Handlingaufwand zwischen Nass- und Ofenprozess noch viel zu aufwändig. In der Dünnschichtproduktion sind ebenfalls neue Logistik-Konzepte gefordert. Flex-Picker müssen schneller werden, Glasprozesse mit höherem Durchsatz sind gefordert, die Gläser müssen bei gleicher Festigkeit deutlich dünner wer-den. Um dies zu erreichen, sollten Glasindustrie und Solarbran-che eng zusammenarbeiten. Das Potenzial ist riesig.