Braucht der Vogelschutz die Wissenschaft? · PDF fileder Natur, Technik, Gesellschaft und des...

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Foto: R. Nagel Braucht der Vogelschutz die Wissenschaft? Franz Bairlein Institut für Vogelforschung Wilhelmshaven Herausforderungen für den Vogelschutz aus Sicht der Wissenschaft Was kann die Wissenschaft beitragen?

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Foto: R. Nagel

Braucht der Vogelschutz die Wissenschaft?

Franz Bairlein Institut für Vogelforschung Wilhelmshaven

Herausforderungen für den Vogelschutz aus Sicht der Wissenschaft

Was kann die Wissenschaft beitragen?

„Vogelschutz ist eine Sammelbezeichnung für sämtliche Maßnahmen, die zur Erhaltung, Förderung oder Ansiedlung von Vögeln geeignet sind. Der Vogelschutz ist eine Teileinheit des Naturschutzes und ist in vielerlei Hinsicht mit der Ornithologie verknüpft.“

Vogelschutz - Wissenschaft (Wikipedia; 22.08.2017)

„Die Wissenschaft ist ein System der Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, kausalen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur, Technik, Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Maßbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen fixiert wird.“

Vogelschutz: Probleme im Artenschutz lösen

Aufgaben von Vogelschutz und Wissenschaft

Wissenschaft: Probleme • identifizieren • ihre Ursachen erforschen • Lösungsmöglichkeiten finden • Prioritäten setzen

„Ohne Beteiligung der Wissenschaft fehlen der Praxis die Entscheidungsgrundlagen.“ (Gibbons 2016)

Prioritätenbildung Arten Orte

Indikatoren

Ursachenforschung

Lösungen finden

Umsetzung Wissenstransfer

Kommunikation

Identifikation Monitoring

Vorhersagen

Effizienzkontrolle Optimierung

(nach: Gibbons 2011, 2016; ergänzt)

Netzwerk Vogelschutz - Wissenschaft

Identifikation Monitoring Vorhersagen

Uferschnepfe

Weißstorch

Que

lle: N

LWK

N_V

SW

Bestand Niedersachsen 1934-2015

Que

lle: N

LWK

N_V

SW

Bestand Niedersachsen 1980-2015

“Rote Liste” Brutvögel Deutschland, 2015 Grüneberg et al., BzV 2015

Bilanz

136 Arten = 52% aller Bv-Arten

ausgestorben vom Aussterben bedroht stark gefährdet gefährdet extrem selten Vorwarnliste ungefährdet

Priorisierung Arten Orte

Indikatoren

Wiesenvogelland Niedersachsen NLWKN 2012

13%

► „Rote Liste“ (regional) ► „Verantwortlichkeit“ (national)

Priorisierung Arten Orte

Indikatoren

► „Rote Liste“ (regional) ► „Verantwortlichkeit“ (national) ► „Rückgang an sich “

Gedeon et al. 2014

Star

2,25-4,03 Mio Rev.

0

0,5

1

1,5

2

2,5

319

9119

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9519

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9719

9819

9920

0020

0120

0220

0320

0420

0520

0620

0720

0820

0920

1020

1120

1220

13

Bestandsentwicklung (Index, DDA)

Nord/West (NW, SH, HB, HH, NI)

Süd/West (RP, BW, BY, HE)

Ost (BB, SN, ST, TH, BE, MV)

Priorisierung Arten Orte

Indikatoren

► „Rote Liste“ (regional) ► „Verantwortlichkeit“ (national) ► „Rückgang an sich “

Gedeon et al. 2014

Star

2,25-4,03 Mio Rev.

Anzahl Brutpaare

Masse(n)verluste

-1,3 Mio BP

Verlust an ökologischen Funktionen

Priorisierung Arten Orte

Indikatoren

► „Rote Liste“ (regional) ► „Verantwortlichkeit“ (national) ► „Rückgang an sich “

Fitis

Nord/West

Quelle: DDA, 2016

Gedeon et a. 2015

(NW, SH, HB, HH, NI)

Süd Ost

Ursachenforschung

Bilanz Brutvögel Deutschland

nach Lebensräumen

Wahl et al. 2015

[mutmaßliche] Gefährdungsursachen

1982

2016

Bauer S & Thielcke 1982

Dröschmeister et al. 2016

Ursachenforschung

“Rote Listen” Brutvögel Deutschland, 1973 - 2015

Bilanz Brutvögel Deutschlands

Grüneberg et al., BzV 2015

1. “Rote Liste” 1971

49 % 52 %

DS/IRV 1971

“Rote Listen” Brutvögel Deutschland, 1973 - 2015

Bilanz Brutvögel Deutschlands

Grüneberg et al., BzV 2015

1. “Rote Liste” 1973

49 % 53 %

DS/IRV 1973

● Hinnehmen, weil wir nichts machen können?

● Was machen wir (noch) nicht richtig?

„Ursachenforschung“

Bestand Niedersachsen 1989-2015

Bestand Niedersachsen 1989-2015

Kiebitz

Feldlerche

Monitoring

Quelle: NLWKN_VSW

„Ursachenforschung“

Bestand Niedersachsen 1989-2015

Bestand Niedersachsen 1989-2015

Kiebitz

Monitoring ≠ Verstehen

Kausalanalysen ● Faktoren-Korrelationen

● „Experimente“

● populationsbiologischen Ansatz

Feldlerche ● vergleichende Untersuchungen

Quelle: NLWKN_VSW

Ursachenforschung

Gedeon et al. 2014

Star

2,25-4,03 Mio Rev.

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Bestandsentwicklung (Index, DDA)

Nord/West (NW, SH, HB, HH, NI)

Süd/West (RP, BW, BY, HE)

Ost (BB, SN, ST, TH, BE, MV) Was macht die Stare im S und O erfolgreicher?

Warum nehmen die Bestände im NW (so stark) ab?

(aus: Donald & Morris 2005)

Anbaufläche Sommergetreide

Häu

figke

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ldle

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Ursachenforschung

Wilson et al. 2009

0

-10

-20

-30

5

ohne

Popu

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g

< 20 ha > 20 ha Sommergetreide

Großbritannien Ursachenforschung

Ursachenforschung

Hötker & Leuschner 2014

Winterweizen

Sommergetreide

Anba

uflä

che

(ha)

Anbaufläche Getreide Deutschland

0

-10

-20

-30

5

ohne

Popu

latio

nsen

twic

klun

g

< 20 ha > 20 ha Sommergetreide

mehr Sommergetreide

Lösungen finden

Sudfeldt et al. 2008

Foto: Paul Donald, RSPB, pers. comm.

„Lerchenfenster”

„Lösung“

0

-10

-20

-30

5

ohne

Popu

latio

nsen

twic

klun

g

< 20 ha > 20 ha Sommergetreide

● „Experiment“

mehr Sommergetreide

Lösungen finden

● „Experiment“ Lösungen finden

Perkins et al. 2011

Grauammer, England

herkömmlich

Agrar-Umweltmaßnahmen

„Ursachenforschung“

Vogel 2017, Science

-78% Biomasse

Orbroicher Bruch , Krefeld Situation der Insekten

„Ursachenforschung“

Wahl et al. 2015

Situation der Vögel 25 Jahre

1985-2009 12 Jahre

1998-2009

„Ursachenforschung“

kausal ?

Insekten Vögel Hä

ufig

keit

Jahre Jahre

L a n d n u t z u n g Klima

Ursachenforschung

Quelle: NLWKN_VSW

kausal ?

Bes

tand

sind

ex

Bes

tand

sind

ex Gartengrasmücke

Mönchsgrasmücke

Trans-Sahara-Zieher

Innerhalb-Europa-Zieher

Niedersachsen

Niedersachsen

Vickery … Bairlein et al. 2014

(rapide) abnehmende Bestände

Situation der Zugvögel

Standvögel/innerhalb Europas überwinternd

trans-Sahara Zieher

(rapide) abnehmende Bestände

Situation der Zugvögel

Standvögel/innerhalb Europas überwinternd

trans-Sahara Zieher Warum stärkere Abnahme? Ursachen dieser Abnahme?

NLWKN_VSW

0

50

100

150

200

250

300

350

1989 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013

Turteltaube Niedersachsen

1989-2014: -79%

Figure 4 from Brochet et al. 2016, BCI

Verfolgung

>25.000.000 Vögel/Jahr

Figure 4 from Brochet et al. 2016, BCI

Rastgebiet

Zugrouten

Buchfink Mönchsgrasmücke Singdrossel

http://edcintl.cr.usgs.gov/adds/adds.html

Δ 1982-1999

Normalized Difference Vegetation Index (NDVI)

Habitatverlust

- Regenmangel - Landnutzung

Überwinterungsgebiete

http://edcintl.cr.usgs.gov/adds/adds.html

Δ NDVI 1982-1999

Habitatverlust

Landnutzung

Überwinterungsgebiete

White Stork

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

-50 -30 -10 10 30rainfall in the Sahel

num

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Weißstorch OL Bruterfolg

Bairlein & Henneberg 2000

Domino-Effekte „carry-overs“

Niederschlag in Sahel-Zone

Anza

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© Der Mellumrat e.V.

Zugvögel !

Ursachenforschung

O. Geiter, IfV

Fernfunde (>100 km) von in Niedersachsen zur Brutzeit beringten Vögeln

Kiebitz

Uferschnepfe Rotschenkel

● Zugwege, Rastgebiete, Wintergebiete ● ökologische Bedingungen ● Wer stirbt wann, wo (und warum) ● Ansiedlung

Schutz (wandernder) Vogelarten Verstehen der Populationsdynamik

Jahreszyklus

Konnektivität - räumlich-zeitlich - funktional carry-over

Demografie - Bruterfolg - Überlebensrate - Rekruitment - Altersstruktur

Faktorenanalyse

Foto: R. Nagel

Braucht der Vogelschutz die Wissenschaft? Herausforderungen für den Vogelschutz aus Sicht der Wissenschaft

Sich einbringen! Was kann die Wissenschaft beitragen?

Wissenschaft annehmen!

Prioritätenbildung Arten Orte

Indikatoren

Ursachenforschung

Lösungen finden

Umsetzung Wissenstransfer

Kommunikation

Identifikation Monitoring

Vorhersagen

Effizienzkontrolle Optimierung

(nach: Gibbons 2011, 2016; ergänzt)

Netzwerk Vogelschutz - Wissenschaft

Netzwerk Vogelschutz - Wissenschaft

Dialog

Netzwerk Vogelschutz - Wissenschaft - ein Beispiel in der Praxis -

Zwarts et al. 2015 von Vögeln genutzte Bäume & Sträucher

Zugvögel

Heimische

Netzwerk Vogelschutz - Wissenschaft - ein Beispiel in der Praxis -

Baumkronen

Netzwerk Vogelschutz - Wissenschaft - ein Beispiel in der Praxis -

sozio-ökonomischen Ansatz

„Capacity Building“ Aufklärung, Ausbildung, Training

• höhere Getreideernte • Laub+Früchte als Viehfutter

„Wirkungskontrolle“

Vielen Dank !

Quellen:

Bairlein F, Henneberg HR (2000). Der Weißstorch (Ciconia ciconia) im Oldenburger Land. Isensee, Oldenburg. Bauer S, Thielcke G (1982) Gefährdete Brutvogelarten in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin. Bestandsentwicklung,

Gefährdungsursachen und Schutzmaßnahmen. Vogelwarte 31: 183-191. Brochet A-L, van den Bossche W, Jbour S et al. (2016) Preliminary assessment of the scope and scale of illegal killing and taking of

birds in the Mediterranean. Bird Conservation International 26: 1-28. Deutsche Sektion des Internationalen Rates für Vogelschutz (1971). Die in der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten Vogelarten

und der Erfolg von Schutzmaßnahmen. Ber. Dtsch. Sekt. Int. Rat Vogelschutz 11: 31-37. Donald PF, Morris TJ (2005) Saving the Sky Lark: new solutions for a declining farmland bird. British Birds 98: 570-578. Dröschmeister R, Langgemach T, Sudfeldt C, Wahl J (2016) Intensive Landnutzung beeinträchtigt Vögel in Deutschland: Harte Zeiten

für Brutvögel. Falke 4/2016: 25-28. Gedeon K, Grüneberg C, Mitschke A et al. (2014) Atlas Deutscher Brutvogelarten. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und

Dachverband Deutscher Avifaunisten, Münster. Gibbons DW, Wilson JD m & Green RE (2011) Using conservation science to solve conservation problems. J Appl Ecol 48: 505-508. Gibbons DW (2016) The role of science in saving species. Rundgespräche Kommission Ökologie 44: 17-29. Pfeil, München. Grüneberg C, Bauer H-G, Haupt H et al. (2015) Rote Liste der Brutvögel Deutschlands. 5. Fassung. Berichte zum Vogelschutz, 52: 19-

67. Hötker H, Leuschner C (2014) Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg. Misserfolge, Erfolge, neue Wege. Michael Otto

Stiftung für Umweltschutz. Perkins AJ, Maggs HE, Watson A, Wilson JD (2011) Adaptive management and targeting of agrienvironment schemes does benefit

biodiversity: a case study of the corn bunting Emberiza calandra. J Appl Ecol 48: 514-522. Vickery JA, Ewing SR, Smith KW et al. (2014) The decline of Afro-Palaearctic migrants and an assessment of potential causes. Ibis

156: 1-22. Vogel G (2017) Where have all the insects gone? Science 356: 576-579. Wahl J, Dröschmeister R, Gerlach B et al. (2015) Vögel in Deutschland – 2014. DDA, BfN, LAG VSW, Münster. Wilson et al. 2009Wilson JD, Evans AD, Grice PV (2009). Bird Conservation and Agriculture. Cambridge Univ. Press, Cambridge, UK. Zwarts L, Bijlsma RG (2015) Detection probabilities and absolute densities of birds in trees. Ardea 103: 99-122. Zwarts L, Bijlsma RG, van der Kamp J et al. (2015). Moreau’s paradox reversed, or why insectivorous birds reach high densities in

savanna trees. Ardea 103: 123-144.