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11 UNI 5/2002 D ie Palette der Berufsfelder und -möglichkeiten für Geografen ist breit: Zwar nehmen die Stellenange- bote in den traditionellen Berufsfeldern ab, doch konnten sich Geografen in den letzten zehn Jahren neue Aufgabenbereich erschließen. Diese Stellen werden aller- dings selten explizit für Geografen ausgeschrieben, son- dern stehen auch Absolventen anderer Fachrichtungen offen. Interesse an Geografen zeigte sich zum Bei- spiel bei Ingenieur- und Planungsbüros sowie im Städte- bau und Verkehrswesen, wo Geografen Aufträge für die Erarbeitung von Stellungnahmen, Gutachten und die Mit- gestaltung wissenschaftlicher Projekte erhielten. Die Im- mobilienbranche suchte in den letzten Jahren Geografen für Marktanalysen und Trendforschungen im Bereich Re- search. Ab und an kamen auch Angebote von Bibliothe- ken, Archiven, Fremdenverkehrsämtern und Einrichtungen für Erwachsenenbildung. Außerdem wurden Geografen für die Beratung von Firmen bei der Rationalisierung, Standar- disierung und Kostensenkung im Energiebereich gesucht. Gute Perspektiven für Geografen gibt es laut Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) der Bundes- anstalt für Arbeit in der Software-Produktion und IT-Be- ratung – vorausgesetzt die Bewerber verfügen über adäquate Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit geografischen Informationssystemen und Kartenherstel- lungsverfahren. Für ökologisch orientierte Arbeiten lagen im Jahr 2001 hingegen nur wenige Stellenangebote vor, bei denen die Geografen zudem in hoher Konkurrenz zu anderen Naturwissenschaften mit entsprechenden Zu- satzqualifikationen standen. Professor Dr. Peter Meusburger vom Geogra- phischen Institut der Universität Heidelberg und Präsi- dent der Deutschen Gesellschaft für Geographie hat je- doch beobachtet, dass auch in diesem Bereich qualifi- zierte Absolventen aufgrund ihrer Praktika meistens schon vor Abschluss des Studiums ein Stellenangebot hätten. Nach Erfahrungen des Heidelberger Geographischen In- stituts kommen 80 bis 85 Prozent der Geografieabsol- venten auf Stellen unter, die nicht für Geografen ausge- schrieben sind – bei denen sie sich jedoch gegen Bewer- ber aus anderen Fächern durchsetzen. Die ZAV stellte fest, dass der Einstieg ins Be- rufsleben für Geografen dann mühsam war, wenn es den Bewerbern an fundierten Computerkenntnissen mangel- te. Die Fortbildungsmaßnahmen der Arbeitsämter befas- sen sich deshalb zum einen mit der Vermittlung von EDV-Kenntnissen (Geoinformationssysteme, Netzwerk- technologie, SAP/3), zum anderen mit Fortbildungen in Da es keinen expliziten Arbeitsmarkt für Geo- grafen gibt, haben sie zwar in vielen Bran- chen Chancen, doch konkurrieren sie zu- gleich mit anderen Be- rufsgruppen. Ein hohes Maß an Flexibilität, Mo- bilität und Zusatzkennt- nissen ist gefragt, um eine Stelle zu ergat- tern. Arbeitsmarkt Geografen Breite Palette, wenige Stellen w w w w w w w w w ! ! ! Weitere Informa- tionen finden Sie unter http:// www.uni magazin.de Fotos: Marcus Gloger/JOKER

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Die Palette der Berufsfelder und -möglichkeiten fürGeografen ist breit: Zwar nehmen die Stellenange-bote in den traditionellen Berufsfeldern ab, doch

konnten sich Geografen in den letzten zehn Jahren neueAufgabenbereich erschließen. Diese Stellen werden aller-dings selten explizit für Geografen ausgeschrieben, son-dern stehen auch Absolventen anderer Fachrichtungenoffen.

Interesse an Geografen zeigte sich zum Bei-spiel bei Ingenieur- und Planungsbüros sowie im Städte-bau und Verkehrswesen, wo Geografen Aufträge für dieErarbeitung von Stellungnahmen, Gutachten und die Mit-gestaltung wissenschaftlicher Projekte erhielten. Die Im-mobilienbranche suchte in den letzten Jahren Geografenfür Marktanalysen und Trendforschungen im Bereich Re-search. Ab und an kamen auch Angebote von Bibliothe-ken, Archiven, Fremdenverkehrsämtern und Einrichtungenfür Erwachsenenbildung. Außerdem wurden Geografen fürdie Beratung von Firmen bei der Rationalisierung, Standar-disierung und Kostensenkung im Energiebereich gesucht.

Gute Perspektiven für Geografen gibt es lautZentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) der Bundes-anstalt für Arbeit in der Software-Produktion und IT-Be-ratung – vorausgesetzt die Bewerber verfügen über adäquate Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mitgeografischen Informationssystemen und Kartenherstel-lungsverfahren. Für ökologisch orientierte Arbeiten lagenim Jahr 2001 hingegen nur wenige Stellenangebote vor,bei denen die Geografen zudem in hoher Konkurrenz zuanderen Naturwissenschaften mit entsprechenden Zu-satzqualifikationen standen.

Professor Dr. Peter Meusburger vom Geogra-phischen Institut der Universität Heidelberg und Präsi-

dent der Deutschen Gesellschaft für Geographie hat je-doch beobachtet, dass auch in diesem Bereich qualifi-zierte Absolventen aufgrund ihrer Praktika meistens schonvor Abschluss des Studiums ein Stellenangebot hätten.Nach Erfahrungen des Heidelberger Geographischen In-stituts kommen 80 bis 85 Prozent der Geografieabsol-venten auf Stellen unter, die nicht für Geografen ausge-schrieben sind – bei denen sie sich jedoch gegen Bewer-ber aus anderen Fächern durchsetzen.

Die ZAV stellte fest, dass der Einstieg ins Be-rufsleben für Geografen dann mühsam war, wenn es denBewerbern an fundierten Computerkenntnissen mangel-te. Die Fortbildungsmaßnahmen der Arbeitsämter befas-sen sich deshalb zum einen mit der Vermittlung vonEDV-Kenntnissen (Geoinformationssysteme, Netzwerk-technologie, SAP/3), zum anderen mit Fortbildungen in

Da es keinen explizitenArbeitsmarkt für Geo-grafen gibt, haben siezwar in vielen Bran-chen Chancen, dochkonkurrieren sie zu-

gleich mit anderen Be-rufsgruppen. Ein hohesMaß an Flexibilität, Mo-bilität und Zusatzkennt-nissen ist gefragt, umeine Stelle zu ergat-

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Medieninformatik, MCSE, CAD sowie Touristik. Ungeach-tet des schwierigen Arbeitsmarkts ist Geografie nach wievor ein beliebtes Studienfach. Im Wintersemester 2000/01 begannen 3 627 Abiturienten, Geografie zu studieren– ein Höchststand seit dem Wintersemester 1996/97. Ins-gesamt studierten im Wintersemester 2000/01 22 648Männer und Frauen Geografie, und 1 532 verließen imJahr 2000 die Hochschule als diplomierte oder promo-vierte Geografen. Die Zahl der arbeitslos gemeldeten Geografen lag Ende September2001 nach Angaben der ZAV bei 1 106; 950 von ihnenwaren unter 45 Jahre alt.

Offenes Ohr für Produktvorschläge

Der Markt hat sich gesplittet in den letzten Jahren. „Dieklassischen Tätigkeitsfelder für Geografen haben in ihrerBedeutung deutlich abgenommen, nicht zuletzt wegender Altersstruktur der dort bereits tätigen Geografen“,sagt Peter Meusburger. „Dafür haben sich aber in vielenBereichen neue Aufgabenfelder für Geografen eröffnet.“

Zu den traditionellen Arbeitsfeldern gehörenunter anderem die Schulbuchverlage. Thomas Michael,Leiter der Abteilung Geographie und Kartographie derWestermann Schulbuchverlag GmbH, bestätigt die Ten-denz: „Wir sind ausreichend besetzt. Es besteht zurzeitkein Bedarf an Geografen.“ Initiativbewerbungen hättendeshalb momentan eine geringe Chance, sagt er. Aller-dings rät er Geografen, sich mit eigenen Ideen für einzel-ne Produkte an den Verlag zu wenden, da dieser durch-aus ein offenes Ohr für gute und geeignete Produktvor-schläge habe.

Wenn Stellen ausgeschrieben sind, dann fin-det man sie in Fachzeitschriften und auf der Homepage

von Westermann. „Was überhaupt nicht gut ankommt,sind standardisierte E-Mail-Bewerbungen“, sagt ThomasMichael. Der Westermann Verlag besteht auf ausführli-chen Bewerbungen. Die Einstellung – bei Geografen vor-erst befristet auf zwei Jahre – erfolgt nach einem Vorstel-lungsgespräch. In einer Einarbeitungsphase lernen dieneuen Mitarbeiter den Verlag kennen und werden im An-schluss mit kleineren Projekten betraut. Die Geografenbei Westermann haben vorher als Lehrer, in der Privat-wirtschaft oder an der Universität gearbeitet. Geografenmüssen für den Westermann Verlag breit gefächerteFachkenntnisse mitbringen. „Spezialisten sind nicht ge-fragt“, sagt Thomas Michael. Außerdem seien Auslands-erfahrungen wichtig, da der Westermann Verlag zuneh-mend international tätig ist. Auch Teamfähigkeit undDurchsetzungsvermögen werden großgeschrieben beidem Schulbuchverlag, ebenso wie ein gutes Zeitmanage-ment und ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Letzte-res ist umso wichtiger, als sich die Aufgaben in den ver-gangenen Jahren maßgeblich verändert haben. Ein Geo-graf wird zwar als Lektor eingestellt, muss aber über diereine Lektorentätigkeit hinaus vermehrt die Aufgaben ei-nes Produktmanagers übernehmen, das heißt, von derAutorenbetreuung über den gesamten Produktionsablaufbis hin zum Vertrieb und der Bewerbung des Produkts.

Kaum Bedarf im öffentlichen Dienst

Das größte traditionelle Betätigungsfeld für Geografenwar früher der öffentliche Dienst. Doch auch hier stag-niert das Angebot aufgrund der allgemeinen Sparmaß-nahmen. In der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg beispielsweise arbeiten zurzeit nicht mehrals zwei bis drei Geografen, ließ die Pressestelle des Mi-

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Unternehmen Mitarbeiter (davon Einstellungsbedarf Bereiche, in denen Geforderte Spezialkenntnisse Einstellungskriterien Praktika, mit Hochschul- an Geografen Geografen arbeiten (Studienschwerpunkte) Diplomarbeitenabschluss) pro Jahr

Jones Lang LaSalle GmbH 7 600 (weltweit) 1-2 Marktforschung/ Fachkenntnisse, betriebswirtschaft- Fach- und BWL-Kenntnisse, Kommuni- jaMainzer Landstraße 73 430 (Deutschland) Research, Advisory/ liches Know-how kations- und Beraterfähigkeiten,60329 Frankfurt/Main (60 %) Immobilienberatung Fremdsprachenkenntnisse, PraktikaLandgesellschaft MV m.b.H. 213 keine ländliche Entwicklungs- k.A. k.A. neinLindenallee 2 a (40 %) planung19067 LeezenMagistrat der Universitätsstadt 14 keine vorbereitende Bauleit- Spezialkenntnisse: GIS-Kenntnisse, Note, Studiendauer, Praktika, GIS- jaGießen – Stadtplanungsamt (79 %) planung, geografisches Statistische Methoden, Kartografie, KenntnisseAulweg 45 Informationssystem/CAD Öffentliches Recht; Schwerpunkte:35392 Gießen nicht verallgemeinerbarStadt Essen 120 zurzeit keine 1 MA in der Karthografie, technische Vertiefung im Bereich: wissenschaftliche EDV-Kenntnisse, jaAmt für Vermessung, Kataster (3 %) 1 MA in der Geoinfor- Verkehrsplanung, Wasserwirtschaft, Referenzen, Praktikaund Stadterneuerung mation, in der Gesamt- Umwelt z.B. Landschaftsökologie, 45121 Essen verwaltung beim Umwelt umfangreiche Kenntnisse der EDV

amt, Planungsamt, Grün- inkl. wissenschaftliche GIS-Anwen-flächenamt dungen

Recherche: UNI Magazin, Gabriele Wipprecht (April 2002)

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nisteriums für Umwelt und Verkehr Baden-Württembergverlauten. Im Ministerium für Ernährung und LändlichenRaum Baden-Württemberg (MLR) sind – laut Pressespre-cherin Sigrid Waibel – derzeit sechs Geografen bei insge-samt 7 000 Angestellten beschäftigt. Diese Sechs arbei-ten in den Bezirksstellen für Naturschutz in den Land-ratsämtern. Laut Sigrid Waibel wurden hierfürhauptsächlich Geoökologen eingesetzt. Wer sich für die-sen Bereich der Geografie interessiert, sollte die klassi-schen Fächer Zoologie und Botanik durch Kenntnisse inBodenkunde und Ökologie ergänzen. „Außerdem“, weistsie hin, „ist für die Naturschutzarbeit Sachverstand imKartenwesen und in geografischen Informationssyste-men von Vorteil und zunehmend von Bedeutung.“ ImBereich der Flurneuordnung und Strukturentwicklungdes Ländlichen Raums würden vor allem Vermessungs-techniker eingestellt. Über den Einstellungsbedarf kannSigrid Waibel keine genauen Aussagen machen; die Be-rufschancen für Geografen seien tendenziell als „ehergering“ einzustufen.

Voraussetzung: Praktika

Im Fachbereich Städtebau der Stadt Mannheim sieht esnicht viel anders aus. Unter den insgesamt rund 100 Be-schäftigten befinden sich lediglich drei Geografen, die inden Abteilungen Bauleit-planung und Stadtentwick-lung arbeiten. Laut RobertBechtel, Leiter des Fachbe-reichs Städtebau, sind siemit der Erarbeitung undUmsetzung eines Zent-renkonzepts beschäftigt;sie betreuen Vorhaben zurAnsiedlung von großenEinzelhandelszentren inMannheim. Verlangt wer-den von ihnen neben fun-diertem Fachwissen im Be-reich Stadtentwicklung undStadtplanung aktuelleEDV-Kenntnisse. Die Auf-gaben haben sich in denletzten Jahren dahinge-hend verändert, so RobertBechtel, dass es zu einerVerlagerung von der vor-bereitenden Bauleitung zurverbindlichen Bauleitpla-nung gekommen ist. Werden Einstieg in den Städte-bau sucht, wird ihn nurüber vorangegangenePraktika finden. Sie seienVoraussetzung für eineEinstellung. Trotz derschwachen Arbeitsmarktla-ge in den traditionellen

Betätigungsfeldern schätzt der Präsident der DeutschenGesellschaft für Geographie den Markt für Geografen alsinsgesamt gut ein. „Die Chancen für Berufseinsteigerhängen allerdings von der Fächerkombination und ins-besondere den Kenntnissen in EDV und Geoinformatik

ab“, gibt er zu bedenken. Die Nachfragenach Geografen mit Qualifikationen inGeoinformatik (GIS, Fernerkundung, Com-puterkartografie) sei in vielen Regionengrößer als die Zahl der Absolventen. „DieZahl der Arbeitsplätze, für die Kenntnisseder Geoinformatik verlangt werden, steigtjährlich europaweit um zweistelligeWachstumsraten und ein beträchtlicherTeil dieser Arbeitsplätze fällt an Geogra-fen“, hat Peter Meusburger beobachtet.Geoinformatik wird in den Bereichenbenötigt, die mit ortsbezogenen Datenarbeiten oder mit Marktforschung, Stand-ortplanung, Logistikproblemen und Kundenbetreuung zu tun haben. Undnicht wenige Geografen seien als selbst-ständige Unternehmer im Bereich Geoin-formatik und Umweltanalyse tätig. AuchAbsolventen bestimmter Fächerkombina-tionen, die Geografie zusammen mit Wirt-schaftswissenschaften, Jura oder be-stimmten Naturwissenschaften studierthaben, räumt er gute Chancen auf demMarkt ein.

Geografen würden, so PeterMeusburger, in fast allen Wirtschaftszwei-gen benötigt und zwar überall dort, woEntscheidungen eine raumbezogene Di-mension haben. Seine Liste der Bran-chen, in denen Geografen untergekom-men sind, ist lang: Software-Unterneh-

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men, informatikbezogene außeruniversitäre Forschungs-einrichtungen, Marktforschung, Immobilienfirmen, Logi-stik-Abteilungen in Krankenhäusern, Personalberatung,Hochwasserschutz, Unternehmensberatungen, die (neu-en) Medien, Stadt-, Regional- und Fremdenverkehrspla-nung, Versicherungen und Banken, Energieversorgungs-unternehmen, internationale Organisationen wie dieUNESCO und die Entwicklungshilfe. Geografen werdenauch bei der Standortsuche für den Einzelhandel einge-setzt sowie in der Planung und im Consulting im Um-weltbereich. Für die Physiogeografen hebt Peter Meus-burger Tätigkeiten wie die Entwicklung naturnaher Sa-nierungsverfahren für eutrophierte Seen sowie Studienzur Bodenerosion und nachhaltigen Landwirtschaft her-vor, ebenso wie die Effizienzkontrolle bei Renaturie-rungsmaßnahmen, die Untersuchung und Modellierungvon Gewässereinzugsgebieten und die ökologische Be-wertung von Flächennutzungen.

Geografen mit Beraterfähigkeiten gesucht

Mit Tätigkeiten ganz anderer Art sind Geografen in derImmobilienwirtschaft betraut. Das Immobilienunterneh-men Jones Lang LaSalle GmbH beschäftigt bundesweitzwölf Geografen, von insgesamt rund 400 Angestelltenin den sechs Filialen in Deutschland. Sie arbeiten über-wiegend in den beiden Bereichen Marktforschung/Re-search und Advisory/Immobilienberatung. Im BereichMarktforschung/Research geht es zum einen darum, re-gionale und europäische Markt- und Standortanalysenzu erstellen, und zum anderen Markt- und Standortdatendeutscher und europäischer Immobilienmärkte zu sam-meln, auszuwerten und zu dokumentieren. Dazu werdenzum Beispiel Datenbanken und Geoinformationssystemeeingesetzt. Im Bereich Ad-visory/Immobilienberatungwerden Immobilien bewer-tet und Nutzungsanalysensowie alternative Nut-zungskonzepte erstellt.

Im Schnitt wer-den – laut Holger Wilms,Leiter Personal Deutsch-land der Jones Lang LaSal-le GmbH – jährlich ein biszwei Geografen neu einge-stellt. Das Unternehmenschreibt die Stellen in derregionalen und überregio-nalen Presse aus, wie auchauf seiner Homepage. AuchInitiativbewerbungen ha-ben eine Chance, betontder Personalleiter. Der Ein-stieg erfolgt direkt oderüber ein Trainee-Pro-gramm. Die Karrierechan-cen unterscheiden sich

nicht von denen anderer Einsteiger. Was Geografenaußer den einschlägigen Fachkenntnissen mitbringensollten, seien, laut Holger Wilms, betriebs- und volks-wirtschaftliches Know-how, Kenntnisse im Umgang mitmodernen Kommunikations- und Rechercheinstrumentensowie ein hohes Maß an Kommunikations- und Berater-fähigkeiten. Wichtig sind außerdem Fremdsprachen-, zu-mindest sehr gute Englischkenntnisse, da die internatio-nale Arbeit wesentlicher Bestandteil dieser Beratertätig-keit ist. Ferner sollten die Bewerber auch schon mal einPraktikum in der Immobilienwirtschaft gemacht haben.

Weichen stellen während des Studiums

Geografen sind aufgrund der interdisziplinären Inhalte ih-res Studiums geeignet für viele Bereiche. Allerdings sollteder Berufseinstieg schon während des Studiums vorberei-tet werden. „Förderlich ist die Mitarbeit als studentischeHilfskraft bei Drittmittelprojekten“, weiß Peter Meusbur-ger. Denn dabei lerne man nicht nur rechtzeitig verschie-dene Labor- und EDV-Techniken sowie Methoden der em-pirischen Sozialforschung, sondern auch das selbstständi-ge Lösen von Problemen, die Organisation und Abwick-lung von Projekten und den Umgang mit Behörden undWirtschaftsunternehmen. „Auf diese Weise bekommt manwesentlich mehr Qualifikationen vermittelt als im norma-len Studium“, so Meusburger. Auch Praktika sind vonnicht zu unterschätzender Wichtigkeit, am besten solchewährend der man die Diplomarbeit schreiben kann: „Einegute Diplomarbeit im Rahmen eines Firmenpraktikums istschon die halbe Eintrittskarte.“ Auch der Nachweis, als Tu-tor bei Lehrveranstaltungen mitgewirkt zu haben, bringeVorteile, vor allen bei EDV- und Beratungsfirmen, die Per-sonal für die Durchführung von Schulungen suchen.

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Der Einstieg in den Arbeitsmarkt wird erleich-tert, wenn eine breite Grundausbildung in sowohl physi-scher als auch Humangeografie nachgewiesen werdenkann. Das Studium sollte nicht zu „eng“ gefasst werden.„Wer nur die Pflichtscheine absolviert, wird beim Wett-bewerb auf dem Arbeitsmarkt geringere Chancen ha-ben“, warnt Peter Meusburger. Noch bessere Karten ha-ben diejenigen, die zusätzlich zu den gängigen Qualifika-tionen gute Kenntnisse in Geoinformatik, Computerkar-tografie und -grafik, die sichere Beherrschung von Labor-methoden wie der Geoökologie, Geomorphologie undHydrologie sowie Methoden der empirischen Sozialfor-schung nachweisen können. Viele Geografen haben, lautMeusburger, den Einstieg in Unternehmen über die Geo-informatik und Computerkartografie geschafft. Als essen-zielle Zusatzqualifikationen nennt er Fremdsprachen, dieKenntnis anderer Länder und Kulturen durch längereAuslandsaufenthalte und die Beherrschung der neuenMedien.

Peter Meusburger zeigt sich optimistisch, wasdie Zukunft des Arbeitsmarkts für Geografen angeht. Dieboomende Nachfrage nach Geografen mit Kenntnissenin Geoinformatik und die zunehmenden Anforderungen,die im Rahmen der Globalisierung auf die Wirtschaft hin-sichtlich des interkulturellen Managements zukommen,würden die Chancen für gut ausgebildete Geografennoch weiter verbessern. Er sieht die Zukunft der Geogra-fen in ihrer Interdisziplinarität: „In einer Zeit, in der gra-vierende Probleme wie Umweltzerstörung, kulturelle undpolitische Konflikte und Massenarbeitslosigkeit dadurchentstehen, dass Entscheidungsträger nie gelernt haben,vernetzt zu denken, sind Geografen besonders wichtig,weil sie schon im Studium darauf trainiert werden, dieWechselbeziehungen zwischen Mensch, Technik undUmwelt zu erkennen und zu analysieren.“

Stelle über Praktikum

Monika Waluga, 31, gehört zu den Geografinnen, bei de-nen alles wie „am Schnürchen“ lief. Sie sagt, sie habeGlück gehabt, doch hat sie vor allem die Früchte dessengeerntet, was Berufsexperten Geografen raten: ein ge-wisses Maß an „Umtriebigkeit“, ein breites Wissen undInteresse, Flexibilität, Mobilität, Spontaneität. Von 1992bis 1998 studierte sie Geografie mit den NebenfächernBodenkunde und Botanik in Köln, nahm aber auch An-gebote wie Ökologie- und Städtebauseminare an derBonner Universität wahr. Während des Hauptstudiumsarbeitete sie zwei Jahre lang als Hilfskraft in der Umwelt-abteilung eines Kölner Büros für Planung und Ingenieur-wesen. Ihre Diplomarbeit war einem Tourismusthemagewidmet. In der Zeit, als sie die Arbeit schrieb, nahmsie an zahlreichen Seminaren und Workshops teil, dievon Referenten aus der Praxis geleitet wurden. Das hat-te drei Gründe: „Es brachte mir zusätzliches Wissen zumeinem Studium, ich bekam einen Überblick über dieForschungslandschaft sowie die Unternehmen, und esbrachte mir Kontakte.“ So zögerte sie auch nicht lange,als ein Mitarbeiter des renommierten Beraterunterneh-

mens Prognos ein Seminar über Tourismus hielt. Sie tratin Kontakt mit ihm, bewarb sich auf eine Praktikumsstel-le, erhielt eine Zusage für das Berliner Prognos-Büro undzog innerhalb von zwei Wochen mit Sack und Pack vomRhein an die Spree.

Der Umzug hat sich gelohnt, denn der Wegzu Prognos führt, laut Giorgio Luchetta, Personalleiterder Prognos AG, in der Regel über ein sechsmonatigesPraktikum in einer der Niederlassungen in Deutschland,Belgien oder der Schweiz. Nach der halbjährigen Prakti-kumszeit erhielt Monika Waluga eine feste Stelle, arbei-tete erst ein weiteres halbes Jahr in Berlin und wurdedann für zwei Jahre nach Bremen entsandt. Dort nahmsie an der Evaluierung eines Investitionsprogramms derSenatsverwaltung für Finanzen teil. Das Land hatte einvon Land und EU gefördertes Programm zur Verbesse-rung der Wirtschaftsgrundlagen verabschiedet. Prognoswurde als objektiver Gutachter von der Senatsverwal-tung beauftragt zu überprüfen, ob die Ziele und Effekteeingetreten waren, die man angepeilt hatte. Monika Wa-luga hatte zu diesem Zeitpunkt schon Gelegenheit, eige-ne Vorschläge und Ideen einzubringen sowie selbststän-dig zu arbeiten.

Beraterjob öffnet Türen

Seit Anfang des Jahres ist sie Junior Projektleiterin undwieder in Berlin tätig, im Beratungsbereich „Zukunft derRegionen“. Von insgesamt 25 Mitarbeitern im BerlinerBüro sind vier Geografen, die in den Beratungsbereichen„Zukunft der Regionen“ und „Politik und Gesellschaft“arbeiten. In anderen Niederlassungen finden sich, lautGiorgio Luchetta, Geografen auch im Beratungsbereich„Verkehr“. Als Junior Projektleiterin ist Monika Walugafür die Strukturierung ganzer Projektabläufe verantwort-lich. Zu einem ihrer Projekte gehörte die jüngst abge-schlossene Studie über die Zukunft des Reisemarkts.Auftraggeber war „Die Zeit“ gewesen. Monika Walugaschrieb den Projektvorschlag, leitete die methodischenSchritte ein, wählte Interviewpartner aus, führte selberInterviews mit Experten durch, bereitete die Präsentationfür die ITB vor, schrieb einen Folder sowie eine ausführli-che Studie über die Ergebnisse der Recherchen.

Als besonders wichtig findet sie es für ihrenBeruf, einfühlsam und aufgeschlossen zu sein, da manmit den meisten Kunden über einen längeren Zeitraumhinweg sehr intensiv zusammenarbeitet. „Der Kundemuss merken, dass man fachlich kompetent ist, aber erwill sich auch verstanden fühlen.“

Monika Waluga ist guter Dinge, was ihre Zu-kunft angeht: „Auch wenn der Arbeitsmarkt es im Au-genblick nicht hergibt, glaube ich, dass einem ein paarJahre im Beratergeschäft viele Türen für die Zukunft öff-nen.“ Nach drei, vier Jahren Beratertätigkeit habe maneinen guten Background – auch oder gerade weil mannicht auf eine einzige Branche fixiert war – für Tätigkei-ten sowohl in der freien Wirtschaft als auch im öffentli-chen Dienst.

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Arbeitsmarkt Geografen