Broilers Interview

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Broilers -Interview (mit Drummer Andi) Die BROILERS haben eine erstaunliche Entwicklung genommen. Gestartet als Oi!-Punk Band, chartete das letzte Studioalbum “Santa Muerte” der Düsseldorfer überraschenderweise auf Platz drei der deutschen Albumcharts. Das aktuelle Album “Noir” hat es mittlerweile (noch nicht zum Zeitpunkt des Interviews) sogar auf Platz eins der Liste geschafft, wurde aber von der Basis recht kontrovers aufgenommen. Die kritischen Stimmen werfen der Band vor, sich komplett dem Mainstream geöffnet zu haben. Wir baten Drummer Andi zum Gespräch und haben u.a. auch über das neue Management, die Fans und den Einfluss der TOTEN HOSEN geredet. Andi, kannst du schon was zum neuen Album sagen oder sind deine Eindrücke nach der Produktion noch zu frisch? Natürlich kann ich ein wenig zu der Platte sagen, aber so richtig realisieren wir alles noch nicht. Dafür müssen wir noch etwas Zeit verstreichen lassen, uns bei einem Schnäpschen zusammensetzen und alles in Ruhe Revue passieren lassen. Ich kann aber sagen, dass wir glücklich sind mit dem, was wir auf “Noir” gemacht haben. Für uns ist das Album die Platte, die uns am meisten gefällt. Normalerweise ist es so, dass jeder so seine Lieblingssongs hat. “Noir” bietet aber sehr viele Songs die allen fünf Bandmitgliedern gleich gut gefallen. Wie zufrieden seid ihr mit dem Feedback, dass die Platte bislang bekommen hat? Ich will es mal so sagen, die Reaktionen sind relativ kontrovers (lacht). Es war uns aber klar, dass das Album in den ersten Tagen sehr heiß diskutiert werden würde. Das liegt daran, dass die Platte

Transcript of Broilers Interview

  • Broilers-Interview (mit Drummer Andi)

    Die BROILERS haben eine erstaunliche Entwicklung genommen. Gestartet als Oi!-Punk Band, chartete das letzte Studioalbum Santa Muerte der Dsseldorfer berraschenderweise auf Platz drei der deutschen Albumcharts. Das aktuelle Album Noir hat es mittlerweile (noch nicht zum Zeitpunkt des Interviews) sogar auf Platz eins der Liste geschafft, wurde aber von der Basis recht kontrovers aufgenommen. Die kritischen Stimmen werfen der Band vor, sich komplett dem Mainstream geffnet zu haben. Wir baten Drummer Andi zum Gesprch und haben u.a. auch ber das neue Management, die Fans und den Einfluss der TOTEN HOSEN geredet.

    Andi, kannst du schon was zum neuen Album sagen oder sind deine Eindrcke nach der Produktion noch zu frisch?Natrlich kann ich ein wenig zu der Platte sagen, aber so richtig realisieren wir alles noch nicht. Dafr mssen wir noch etwas Zeit verstreichen lassen, uns bei einem Schnpschen zusammensetzen und alles in Ruhe Revue passieren lassen. Ich kann aber sagen, dass wir glcklich sind mit dem, was wir auf Noir gemacht haben. Fr uns ist das Album die Platte, die uns am meisten gefllt. Normalerweise ist es so, dass jeder so seine Lieblingssongs hat. Noir bietet aber sehr viele Songs die allen fnf Bandmitgliedern gleich gut gefallen.

    Wie zufrieden seid ihr mit dem Feedback, dass die Platte bislang bekommen hat?Ich will es mal so sagen, die Reaktionen sind relativ kontrovers (lacht). Es war uns aber klar, dass das Album in den ersten Tagen sehr hei diskutiert werden wrde. Das liegt daran, dass die Platte

  • ruhiger als die vorherigen ist und der eine oder andere das so nicht erwartet hat. Dennoch ist es auch nicht so, dass wir in dieser Hinsicht nicht vorbereitet gewesen wren, da die letzten Platten teilweise hnliche Reaktionen bei den Fans hervorgerufen haben. Damit mssen wir einfach leben.

    Die Meinung der Fans interessiert euch aber nach wie vor?Klar. Wir htten keine andere Platte gemacht, nur weil sich irgendjemand darber beschwert. Aber natrlich interessiert uns, was die Leute sagen. Wir nehmen uns der Kritik auch an, sofern sie wirklich ernst gemeint ist. Verglichen mit dem letzten Album, hlt sich der Meckerfaktor sogar in Grenzen. Damals gingen die Kommentare teilweise unter die Grtellinie, was natrlich nicht schn und wenig konstruktiv war.

    Das mag daran liegen, dass ihr aus einer Szene kommt, die nicht gerade fr Entwicklung und Experimentierfreudigkeit steht.Natrlich. Wenn du das neue Album beispielsweise mit Verlierer sehen anders aus vergleichst, hat sich da musikalisch sehr viel getan. Betrachtet man da Ganze aber von Platte zu Platte, vollzieht sich nur eine logische Entwicklung. Man konnte schon auf den letzten Platten erkennen, wohin der Weg uns fhrt. Von daher ist dieser Schritt gar nicht so drastisch.

    Was die Gesamtentwicklung der Band angeht, stimme ich dir zu. Auf der anderen Seite stellen Songs wie Ich hol dich da raus oder Ich brenn mit ihrem Pop-Appeal schon einen sehr krassen Schritt dar. Das stimmt. Wir sind aber nicht MOTRHEAD oder die RAMONES, die immer und immer wieder das gleiche Album machen, um das mal bse zu umschreiben (lacht). Vanitas wurde von uns bereits einmal aufgenommen, also muss es das kein zweites Mal geben. Wir sind wesentlich glcklicher, wenn wir uns frei entwickeln knnen, anstatt uns auf nur eine Musikrichtung oder einen Stil zu beschrnken.

    Wie siehst Du die Produktion von Noir generell? Es gab in den sozialen Netzwerken etliche Kommentare, die bemngelt haben, dass die Gitarren nicht genug drcken. Habt ihr die Gitarren zu soft in Szene gesetzt?Das glaube ich eher nicht, weil wir bei ganz vielen Songs noch zustzliche Gitarrenspuren aufgenommen haben. Das wiederum lag daran, dass wir selbst auch an einigen Stellen das Gefhl hatten, die Gitarren wrden nicht so durchkommen, wie wir uns das vorstellten. Unter dem Strich kann ich diese Kritik aber nicht so wirklich nachvollziehen, da wir, wie gesagt, in dieser Hinsicht noch nachgebessert haben. Ich bin mit der Produktion nach wie vor sehr zufrieden, denn die Songs selbst sind sehr konsequent. Man muss an einer poppigen Stelle auch nicht unbedingt mit einer verzerrten Gitarre hineingrtschen. Andererseits haben wir auch Stcke wie Grau, grau, grau auf dem Album, die ganz klar in die klassische Punk Rock Ecke gehen und dort knallen die Gitarren auch genau so, wie es sein soll.

    Sammy hat in einem frheren Interview einmal gesagt, dass euch mittlerweile die Naivitt abhanden gekommen ist. Inwiefern ist Noir in diesem Kontext ein berechnendes Album geworden?Wir haben wieder gelernt auf unser Bauchgefhl zu hren, wrde ich sagen. Es gab whrend des Songwritingprozesses natrlich Gedankenspiele wie: Lasst uns doch noch einen schnellen Punk Rock Song schreiben oder noch eine soulige Nummer aufnehmen. Das hat aber nicht funktioniert. Wir haben beispielsweise tatschlich einen eher souligen Song aufgenommen, der im Vorfeld auch so geplant war. Das hat sich aber nicht richtig angefhlt. Von daher haben wir wirklich aus dem Bauch heraus gearbeitet. Sicher, wir haben berlegt, wie man hier und da einen Refrain so platzieren knnte, dass der Song als eine Radiosingle taugen wrde. Aber auch das hat sich nicht richtig angefhlt und wir sind irgendwann zu dem Schluss gekommen, dass es gengend Beispiele fr erfolgreiche Songs und Knstler gibt, die nicht zwangslufig radiokompatibel sind.

  • Ich denke, dass Noir ein sehr ambitioniertes Album geworden ist und man der Platte einfach Zeit geben muss, sich zu entwickeln. Gerade auch was die neuen Attribute in eurem Sound angeht. Da gebe ich dir Recht und natrlich sagt das jede Band, aber ich finde wirklich, dass es genau diese Alben sind, die die strkeren Platten sind. Persnlich finde ich Scheiben auf denen ich nach mehreren Durchlufen nichts Neues mehr entdecke, auch stinklangweilig. Man darf nicht vergessen, dass Noir kein Partyalbum ist. Ich denke, dass viele von den Leuten, die sich enttuscht ber das Album geuert haben, einfach davon ausgegangen sind, dass sie zu der Platte locker ein Bier trinken und Party machen knnen. Noir hingegen ist eher ein Album zum genau hinhren geworden und keines, das man nebenher konsumieren kann.

    Da gebe ich Dir Recht. Viele Songs auf der Platte haben eine dezent melancholische Grundstimmung. Dazu passt das Cover natrlich perfekt. Was soll das Artwork denn genau aussagen?Wir hatten den Albumtitel schon sehr lange im Hinterkopf. Da war es natrlich naheliegend das Ganze in schwarz zu halten (lacht). Wir hatten extrem viele Ideen, was das Artwork angeht, haben uns dann aber fr die Variante mit dem Messer entschieden, weil es sehr plakativ ist. Wenn man sich das Cover auf einer groen Plakatwand vorstellt, ist das natrlich ein Eyecatcher und lsst einen erst einmal fragend und nachdenklich zurck (lacht).

    Wohl wahr. Das Cover hat aber nichts mit der Mafiasthetik, mit der ihr gerne kokettiert, zu tun?Nein. Uns ging es eher um Sachen wie Film Noir, etc.

    Ok. Wir mssen noch ber die andere Punk Band aus Dsseldorf sprechen. Wie gro ist denn der Einfluss der TOTEN HOSEN auf euch? Ihr habt ja ein paar Stcke auf dem neuen Album, die man auch bei der Dsseldorfer Legende verorten knnte.Die Hosen waren schon immer eine wichtige Band fr uns. Alleine aus dem Grund, dass sie uns mit ihrem Album Learning English Lesson 1 die ganzen alten Punk Rock Helden wie SHAM 69,

  • THE BOYS, etc. nahegebracht haben. Ich wrde aber nicht so weit gehen zu sagen, dass sie uns musikalisch beeinflusst htten. Wir kommen aus einer ganz anderen Ecke und wir verwursten Stile in unserem Sound, die sie nicht verwenden. Was wir hingegen von ihnen lernen knnen, ist, wie man als Band in einer solchen Grenordnung funktionieren kann, ohne sich zu verkaufen. Die TOTEN HOSEN sind wesentlich punkiger als man denkt. Das gilt auch fr die Aktivitten im Hintergrund, die Plattenfirma JKP und so weiter. Da geht es teilweise noch sehr punkig zu. Die Situation dort ist sehr weit weg von einem Business, das ekelig ist. Das alles in einer solchen Grenordnung durchzuziehen, wie sie es tun, ist etwas, was wir sicherlich von ihnen lernen knnen.

    Nervt euch der Vergleich mit den TOTEN HOSEN manchmal? Die BROILERS werden im Kontext mit den HOSEN immer hufiger genannt.Nein, eigentlich nicht. Was mich nerven wrde, wren Aussagen wie, dass unser Erfolg ohne die TOTEN HOSEN nicht mglich gewesen wre. Natrlich haben wir der Band viel zu verdanken. Immerhin durften wir einige Male fr sie erffnen und haben so die Gelegenheit bekommen, neue Fans zu gewinnen. Ich mchte glauben, dass wir das auch ohne ihre Untersttzung hinbekommen htten, weil wir einfach eine gute Band sind (lacht). Generell gibt es aber schlechtere Bands mit denen man verglichen werden kann, denke ich. Man fragt sich hier und da gegenseitig um Rat, von daher ist es schon in Ordnung in dem Kontext genannt zu werden.

    Ihr habt beim gleichen Management wie die TOTEN HOSEN unterschrieben und manche Fans machen sich Sorgen, dass euch nun in Entscheidungen reingeredet wird. Musstet ihr bereits Kompromisse eingehen?Ich denke eher, dass das eine Art Reflex bei vielen Fans ist. Wenn sich bei einer Band etwas ndert, ist ja meistens der Manager schuld (lacht). Ich knnte mir vorstellen, dass man ein Bild im Kopf hat, das man auf Boygroups, bei denen der Manager hingeht, ihnen die Lieder schreibt und Interviewantworten vorgibt, bertragen kann. Das ist bei uns natrlich nicht der Fall. Das Management ist von uns angestellt, um uns Arbeit abzunehmen. Musikalisch gibt es da kein Mitspracherecht und es wird uns in unseren knstlerischen Schaffensprozess auch nicht hineingeredet. Im konkreten Falle von Noir ist es sogar so, dass unserem Management eher die harten Nummern zugesagt haben. Von daher vermute ich einfach mal, dass sie ber mehr in der Art nicht unglcklich gewesen wren. Wenn wir etwas versauen, dann machen wir das schn alleine (lacht).

    Fehlt euch musikalisch manchmal die alte Zeit, als ihr noch reinen Oi! gespielt habt?Nein. Sonst wrden wir diese Musik noch spielen (lacht). Was wohl hin und wieder passiert, ist, wenn wir unsere Weinproben - also Proben, bei denen wir Wein saufen - haben, dass wir irgendwann das Covern anfangen. Dann spielen wir alte Sachen von COCK SPARRER oder BLITZ. Wenn es wirklich so wre, dass wir der Fackeln im Sturm hinterher trauern wrden, dann wrden wir auch wieder genau solche Musik spielen. Wir sagen aber auch nicht, wir mssen jetzt poppiger und softer werden. Musikalisch knnte es in Zukunft durchaus wieder hrter zur Sache gehen. Was ich manchmal allerdings vermisse, sind Konzerte, wie sie frher waren. Als wir noch in irgendwelchen Lden gespielt haben, in denen 100 Leute im Publikum waren und wir 80 davon kannten. Da hat man vor dem Konzert mit den Leuten gefeiert, zwischendurch ein wenig Musik gemacht und anschlieend weiter gefeiert. Diese Unbeschwertheit vermisse ich manchmal. Wir spielen zwar nach wie vor Gigs in kleinen Clubs, aber so wie frher ist das heute nicht mehr mglich.

    Sind diese Gigs fr euch ein Weg euch selbst wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen? Speziell die letzten drei Jahre drften quasi an euch vorbei gerauscht sein. Stimmt. Das realisieren wir aber gar nicht so sehr. Meist erst wenn es schon wieder vorbei ist (lacht). Auf den Boden geholt werden mssen wir aber alleine schon aufgrund unserer Geschichte nicht. Wir haben ja in all diesen kleinen Lden gespielt und auch mal auf einem Billardtisch im

  • Backstagebereich gepennt. Das erdet einen und wir wissen dadurch, wie es laufen und auch genauso schnell wieder vorbei sein kann.

    Wer euren Werdegang verfolgt hat, wird dir sicherlich zustimmen. Trotzdem gibt es Stimmen, die der Band Ausverkauf vorwerfen. Wie geht ihr damit um?Puh, das ist gerade aus der Szene, der wir entstammen immer schwierig. Wenn man uns als Band nichts mehr vorwerfen kann, dann kommt immer dieses Argument. Ich denke, man geht am besten mit diesen Statements um, indem man sie berliest. Gerade im Punk Rock ist das viel krasser als es beispielsweise bei Metalbands der Fall ist. Wenn du im Punk Rock sagst, dass du von der Band leben kannst, gehen alle sofort davon aus, dass du reich bist und goldene Toiletten zuhause hast. Eigentlich ist aber genau das nicht der Fall. Ich zum Beispiel verdiene mit der Band weniger, als ich es in meinem alten Job getan habe. Auf der anderen Seite habe ich mehr Zeit und Lebensqualitt. Reich ist keiner von uns, weshalb der Vorwurf des Ausverkauf natrlich Unsinn ist.

    Wohin wird der Weg die BROILERS fhren?Keine Ahnung. Wir haben keinen Masterplan und nehmen alles so, wie es kommt. Das Wichtigste fr uns als Band ist aber, dass wir uns weiterhin so gut verstehen, wie es momentan der Fall ist. Das ist seit zwanzig Jahren der Fall und so sollte es auch in Zukunft sein.

  • Broilers-Interview (mit Drummer Andi)