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BUND FEG CHRISTSEIN HEUTE 11/2014 28 FEG-BUNDESTAG 2014 Schuldbekenntnis: Wir haben zum Unrecht geschwiegen S tatt als Christen politische Verant- wortung im neutestamentlichen Sinne als „Salz und Licht der Welt“ zu übernehmen, haben Freie evangelische Gemeinden zu den „bestialischen Mor- den“ an unzähligen Juden und anderen Menschen geschwiegen: Das erklären 17 Mitglieder der FeG-Bundesleitung in einem Schuldbekenntnis zum Ver- sagen im Dritten Reich. Präses Ansgar Hörsting verlas das Bekenntnis auf dem diesjährigen Bundestag der Frei- en evangelischen Gemeinden im Kron- berg-Forum in Ewersbach (Dietzhölztal/ Mittelhessen). „Wir hätten gegen dieses Unrecht aufstehen müssen.“ Stattdes- sen habe man sich angepasst, um einen „Freiraum für das gemeindliche Leben zu bewahren“. Zwar gab es auch FeGler, die „widerständig gelebt haben“, doch schwammen etliche FeG-Vertreter und ihre Gemeinden – das ist der eindeutige Befund historischer Zeugnisse – auf der Welle des Nationalsozialismus mit und stießen dabei politisch in dasselbe Horn wie das Hitler-Regime. Hörsting mahnte allerdings vor Überheblichkeit aus heutiger Sicht, denn wahrscheinlich hätten viele sich unter ähnlichen Um- ständen entsprechend verhalten. Mit diesem Bekenntnis vor über 300 Dele- gierten des höchsten FeG-Gremiums griff die Bundesleitung frühere Schul- deingeständnisse auf, insbesondere das aus dem Jahr 1995 des damaligen Prä- ses Peter Strauch. Die drei Jahrestage – 100 Jahre Aus- bruch des Ersten Weltkrieges, 75 Jahre Beginn des Zweiten Weltkrieges und 25 Jahre Öffnung der Berliner Mauer – ga- ben den Anlass zu diesem Bekenntnis, erklärte Hörsting. Die Berichterstat- tung zu den Jahrestagen habe ihn tief bewegt, so auch die Artikel zum Ver- halten Freier evangelischer Gemeinden und ihrer Leiter zu den beiden Welt- kriegen in der FeG-Bundeszeitschrift CHRISTSEIN HEUTE. Das Schuldbekenntnis schließt mit den Sätzen: „Unsere Hoffnung liegt in Jesus Christus. Wir leben von Verge- bung. Wir vertrauen darauf, dass Gott sie uns schenkt.“ Anschließend folgten eine Zeit der Stille, ein Bußgebet und das Verlesen von Psalm 51. MILITÄRGEWALT ALS „ULTIMA RATIO“ Die Ereignisse der letzten Wochen, insbesondere der brutale Terror der Kämpfer für den „Islamischen Staat (IS)“, fordern uns heraus, mit allen posi- tiven Kräften dieser Spirale von Gewalt entgegenzutreten. „Unsere Geschichte verpflichtet uns zu einem ernsthaften Engagement“, sagte Hörsting in sei- nem „Wort des Präses“. Das gleiche gelte für die gewalttätigen Auseinan- dersetzungen in der Ukraine. Es reiche nicht aus, die Verletzten zu heilen und Flüchtlingen Unterkunft zu gewähren. So müsse man den Mördern auch mit Gewalt Einhalt gebieten. Militärgewalt sei dabei jedoch die „Ultima Ratio“, das letzte Mittel, wenn alle Verhandlungen und gewaltlosen Maßnahmen versagten. Hörsting forderte die FeG-Mitglieder auf, sich nicht in eine fromme Nische zurückzuziehen, sondern ihre Stimme für die Unterdrückten zu erheben. SECHS GEMEINDEN AUFGENOMMEN Ohne Gegenstimme wurden sechs neue Gemeinden offiziell in den Bund Freier evangelischer Gemeinden aufgenom- men, vier aus dem Süden Deutschlands und zwei aus Berlin. Die FeG Berlinpro- jekt stellte sich als Gemeinde vor, die einen dreifachen Ansatz verfolgt: einen starken Gnaden-Bezug, den Inkarna- tions-Gedanken und einen ganzheit- lichen Lebensstil. In drei Gottesdiensten an drei verschiedenen Orten versam- meln sich sonntags rund 500 Besucher. Die FeG projekt_X Augsburg startete mit Gottesdiensten in einer Cocktailbar und engagiert sich gegen Menschenhan- del. Sie will „Kirche bei den Menschen“ sein. Ihre 14-täglichen Gottesdienste nennen sich „church_zone“ und die Kleingruppen an den anderen Sonn- tagen „home_zone“. Die FeG Ansbach präsentierte sich als kreative Gemeinde, die aus den Hobbys ihrer Mitglieder Ge- meindeangebote formulierte. So treffen sich zum Beispiel Strickbegeisterte im Gemeindehaus und laden dazu ein. Die FeG Reutlingen will missionarische Ge- meinde sein und renoviert gerade neue Mitglieder der FeG-Bundesleitung in der ersten Reihe beim FeG-Bundestag 2014 (v.l.n.r.): Präses Ansgar Hörsting, Bundessekretär Burkhard Theis, Geschäftsführer Klaus Kanwischer, Inland-Missionsleiter Sascha Rützenhoff, Bundessekretär Reinhard Spincke, Direktor Otto Imhof und Rektor Prof. Dr. Andreas Heiser

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BUND FEG

CHRISTSEIN HEUTE 11/201428

FEG-BUNDESTAG 2014 Schuldbekenntnis: Wir haben zum Unrecht geschwiegen

Statt als Christen politische Verant-wortung im neutestamentlichen

Sinne als „Salz und Licht der Welt“ zu übernehmen, haben Freie evangelische Gemeinden zu den „bestialischen Mor-den“ an unzähligen Juden und anderen Menschen geschwiegen: Das erklären 17 Mitglieder der FeG-Bundesleitung in einem Schuldbekenntnis zum Ver-sagen im Dritten Reich. Präses Ansgar Hörsting verlas das Bekenntnis auf dem diesjährigen Bundestag der Frei-en evangelischen Gemeinden im Kron-berg-Forum in Ewersbach (Dietzhölztal/Mittelhessen). „Wir hätten gegen dieses Unrecht aufstehen müssen.“ Stattdes-sen habe man sich angepasst, um einen

„Freiraum für das gemeindliche Leben zu bewahren“. Zwar gab es auch FeGler, die „widerständig gelebt haben“, doch schwammen etliche FeG-Vertreter und ihre Gemeinden – das ist der eindeutige Befund historischer Zeugnisse – auf der Welle des Nationalsozialismus mit und stießen dabei politisch in dasselbe Horn wie das Hitler-Regime. Hörsting mahnte allerdings vor Überheblichkeit aus heutiger Sicht, denn wahrscheinlich hätten viele sich unter ähnlichen Um-ständen entsprechend verhalten. Mit diesem Bekenntnis vor über 300 Dele-gierten des höchsten FeG-Gremiums

griff die Bundesleitung frühere Schul-deingeständnisse auf, insbesondere das aus dem Jahr 1995 des damaligen Prä-ses Peter Strauch.

Die drei Jahrestage – 100 Jahre Aus-bruch des Ersten Weltkrieges, 75 Jahre Beginn des Zweiten Weltkrieges und 25 Jahre Öffnung der Berliner Mauer – ga-ben den Anlass zu diesem Bekenntnis, erklärte Hörsting. Die Berichterstat-tung zu den Jahrestagen habe ihn tief bewegt, so auch die Artikel zum Ver-halten Freier evangelischer Gemeinden und ihrer Leiter zu den beiden Welt-kriegen in der FeG-Bundeszeitschrift CHRISTSEIN HEUTE.

Das Schuldbekenntnis schließt mit den Sätzen: „Unsere Hoffnung liegt in Jesus Christus. Wir leben von Verge-bung. Wir vertrauen darauf, dass Gott sie uns schenkt.“ Anschließend folgten eine Zeit der Stille, ein Bußgebet und das Verlesen von Psalm 51.

MILITÄRGEWALT ALS „ULTIMA RATIO“Die Ereignisse der letzten Wochen, insbesondere der brutale Terror der Kämpfer für den „Islamischen Staat (IS)“, fordern uns heraus, mit allen posi-tiven Kräften dieser Spirale von Gewalt entgegenzutreten. „Unsere Geschichte

verpflichtet uns zu einem ernsthaften Engagement“, sagte Hörsting in sei-nem „Wort des Präses“. Das gleiche gelte für die gewalttätigen Auseinan-dersetzungen in der Ukraine. Es reiche nicht aus, die Verletzten zu heilen und Flüchtlingen Unterkunft zu gewähren. So müsse man den Mördern auch mit Gewalt Einhalt gebieten. Militärgewalt sei dabei jedoch die „Ultima Ratio“, das letzte Mittel, wenn alle Verhandlungen und gewaltlosen Maßnahmen versagten. Hörsting forderte die FeG-Mitglieder auf, sich nicht in eine fromme Nische zurückzuziehen, sondern ihre Stimme für die Unterdrückten zu erheben.

SECHS GEMEINDEN AUFGENOMMENOhne Gegenstimme wurden sechs neue Gemeinden offiziell in den Bund Freier evangelischer Gemeinden aufgenom-men, vier aus dem Süden Deutschlands und zwei aus Berlin. Die FeG Berlinpro-jekt stellte sich als Gemeinde vor, die einen dreifachen Ansatz verfolgt: einen starken Gnaden-Bezug, den Inkarna-tions-Gedanken und einen ganzheit-lichen Lebensstil. In drei Gottesdiensten an drei verschiedenen Orten versam-meln sich sonntags rund 500 Besucher. Die FeG projekt_X Augsburg startete mit Gottesdiensten in einer Cocktailbar und engagiert sich gegen Menschenhan-del. Sie will „Kirche bei den Menschen“ sein. Ihre 14-täglichen Gottesdienste nennen sich „church_zone“ und die Kleingruppen an den anderen Sonn-tagen „home_zone“. Die FeG Ansbach präsentierte sich als kreative Gemeinde, die aus den Hobbys ihrer Mitglieder Ge-meindeangebote formulierte. So treffen sich zum Beispiel Strickbegeisterte im Gemeindehaus und laden dazu ein. Die FeG Reutlingen will missionarische Ge-meinde sein und renoviert gerade neue

Mitglieder der FeG-Bundesleitung in der ersten Reihe beim FeG-Bundestag 2014 (v.l.n.r.): Präses Ansgar Hörsting, Bundessekretär Burkhard Theis, Geschäftsführer Klaus Kanwischer, Inland-Missionsleiter Sascha Rützenhoff, Bundessekretär Reinhard Spincke, Direktor Otto Imhof und Rektor Prof. Dr. Andreas Heiser

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Räume, weil die alten zu klein geworden sind. Sie erleben, wie Gott ihre Gebete erhört und ihnen Begegnungen mit Menschen schenkt, die am christlichen Glauben Interesse haben. Die FeG Bruchsal hat rund 30 Jahre gebraucht, um den Antrag auf offizielle Aufnah-me in den Bund FeG zu stellen. Zu der Gemeinde gehören fast 100 Mitglieder. Sie haben Probleme identifiziert, mit denen ihre Mitglieder zu kämpfen ha-ben, und dafür Hilfsangebote geschaf-fen, zu denen sie öffentlich einladen, zum Beispiel Eheseminare. Ebenfalls wurde die FeG Immanuel Berlin in den Bund aufgenommen. Hier treffen sich vor allem Menschen mit indonesischem Hintergrund. Das Gemeindebild bei der Entstehung vor 23 Jahren war von Studenten geprägt. Heute kommen in den Räumen der FeG Moabit alle Alters-

gruppen zusammen. Einige von ihnen sind bereits seit drei Generationen in Deutschland. Ihnen ist die Öffnung hin zur deutschen Kultur und zu anderen Christen ein wichtiges Anliegen.

SONDERBUNDESTAG ZUR STRUKTURREFORM IM FRÜHJAHR 2015Zum dritten Mal wurden die Entwürfe zur Strukturreform im Bundestag dis-kutiert. Die Zielvorgaben der Reform sind unter anderen: „Effektive Struk-turen für einen wachsenden Bund FeG“ zu schaffen, die Kompetenzen der Lei-tungsgremien klarer abzugrenzen und das ehrenamtliche Engagement zu stärken. Der aktuelle Entwurf fand in den Rückmeldungen der Delegierten große Zustimmung. Ein Kritikpunkt ist das unzureichende Vorkommen der

Das Schuldbekenntnis zum Nationalsozialismus der FeG-Bundesleitung

Wir als Freie evangelische Gemeinden haben während des Hitler-Regimes versagt. Politische Abstinenz, ein falsches Obrigkeitsverständnis und sicher auch Angst haben uns schweigen lassen. Mit dem gettohaften Leben als Gemein-debund wollten wir einen Freiraum für gemeindliches Leben bewahren, aber dieser Freiraum kann das Unrecht nicht auf-wiegen, an dem wir durch unser Stillschweigen mitgewirkt haben. Wieviel Juden und andere Menschen wurden bestia-lisch ermordet?! Das von uns (Deutschen) ausgegangene Leid sprengt jedes Vorstellungsvermögen. „Wir haben gesündigt“ betet Daniel angesichts der Schuld seines Volkes (Daniel 9,15). Aber zu der Schuld, die wir als Deutsche auf uns geladen ha-ben, kommt die Schuld als Männer und Frauen, deren Leben Christus gehört. Salz und Licht der Welt werden solche Leute im Neuen Testament genannt (Matthäus 5,13-14). Als solche hätten wir gegen das Unrecht aufstehen müssen. Wir haben es nicht getan. Wir haben gesündigt und sind schuldig.

Wir leben von Vergebung. Wir vertrauen darauf, dass Gott sie uns schenkt. Wir können angesichts der Geschichte nur ver-trauen, dass er vergibt und mit uns weitermacht. Weil wir das erfahren haben, erfüllt uns Hoffnung.

Unsere Hoffnung liegt in Jesus Christus und der erneuernden, Leben rettenden und schaffenden Kraft dieser Vergebung.

Die Bundesleitung des Bundes Freier evangelischer Gemeinden Deutschland, Dietzhölztal-Ewersbach, 20. September 2014

Gebet anlässlich des Wortes der FeG-Bundesleitung zur Schuld in der Zeit des Nationalsozialismus –

von Otto Imhof

Allmächtiger und barmherziger Gott, Vater im Himmel, als solche, die heute zum Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland gehören und Teil seiner Geschichte sind, haben wir Anteil an dem Segen und an der Schuld unseres Bundes von Gemeinden.

Wir wissen nicht genau, was die während der Zeit des Nati-onalsozialismus in Gemeinden und Bund Verantwortlichen bewegt hat. Wir kennen nicht genau die Motive für ihr Reden oder Schweigen, Handeln oder Nichtstun. Aber wir wissen, dass in vielen Fällen Unrecht nicht Unrecht genannt wurde und der Einsatz für Recht, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit nicht erfolgte. Böses wurde geduldet oder sogar gefördert. Dein Wille wurde missachtet.

So haben wir als Bund Freier evangelischer Gemeinden Schuld auf uns geladen, und als heutige Verantwortungsträger bitten wir: Herr, erbarme dich!

Barmherziger Gott, lass uns aus unserer Geschichte lernen! Gebrauche uns in der Gemeinschaft mit den vielen anderen Kirchen, dein wegweisendes und Leben schaffendes Wort zu sagen, immer neu Glauben zu wecken und Zeichen deines Rei-ches aufzurichten – bis dein Reich kommt!

So bitten wir, himmlischer Vater, im Namen deines Sohnes Jesus Christus durch den Heiligen Geist. Amen.

Pastorinnen und Pastoren in der neuen Verfassung und deren Zuordnung. Die große Mehrheit stimmte für einen Son-der-Bundestag am Samstag, 21. März 2015. Hier soll über die Verfassung ab-gestimmt werden. Änderungsanträge können in den üblichen Fristen gestellt werden, sobald der offizielle Entwurf der Bundesleitung vorliegt.

Der Rektor der Theologischen Hochschule Ewersbach, Prof. Dr. An-dreas Heiser, informierte die Delegier-ten, dass sich für das neue Studienjahr 20 Studierende angemeldet haben. Das ist eine konkrete Gebetserhörung, für die das Dozentenkollegium dankbar ist. Beschlossen wurde auch der Ta-gungsort der nächsten regulären Bun-destagssitzung: Er findet in der FeG Dortmund statt.

Dietrich Ebeling

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Ich habe lange gerungen um dieses Wort, das ich nun verlese. Es enthält ein Schuldbekenntnis im Hinblick

auf die Ereignisse vor allem in der Zeit des Nationalsozia-lismus. Dieses Schuldbekenntnis ist von der Bundesleitung offiziell verabschiedet. Aber es ist auch ein persönliches Wort. Immer wieder wurde ich mit der Frage konfrontiert, warum wir als Bund FeG niemals ein Schuldbekenntnis zu den Ereignissen der Nazi-Herrschaft und der Verstrickung der Freien evangelischen Gemeinden abgegeben haben. An-fangs habe ich oft gedacht: Das ist lange her, was haben wir heute damit zu tun? Dann habe ich manchmal empfunden, dass ein Wort des Schuldeingeständnisses billig werden kann. Es ist leicht, im 21. Jahrhundert so etwas zu sagen und man wird keinen Gegenwind bekommen. Es wurde oft gesagt, dass andere Kirchen und Gemeindebünde so et-was schon lange formuliert hätten, nur wir nicht. Daraus entstand ein Druck! Der Druck erhöhte sich, wenn der Ein-druck vermittelt wurde, als könne nur dann Segen Gottes fließen, wenn wir die Schuld bekennen und ich fand, dass das keine guten Voraussetzungen seien für ein aufrichtiges Wort der Buße. Und schließlich hatte ich das Argument ge-hört, dass „der Bund“ so ein Wort nicht sagen könne, denn der Bund, das sind ja selbständige Ortsgemeinden. Auch die Bundesleitung könne ja nur bedingt für „den Bund“ sprechen.

Aber mir wurde klar: Ich identifiziere mich mit dem Bund FeG in vielerlei Hinsicht, engagiere mich und freue mich über die vielen guten Seiten, Entwicklungen und Er-fahrungen. Auch über die, die schon lange her sind. Wa-rum sollte ich mich nicht auch mit den negativen Seiten identifizieren und ehrlich dazu stehen? Und sicher: Ein Schuldeingeständnis kann billig sein oder wirken. Aber

das darf ja nicht dazu führen, keines zu formulieren, wenn die Überzeugung gewachsen ist, dass es an der Zeit ist. Es kann auch nicht darum gehen, einem möglichen Druck nachzugeben. Es soll ein ehrliches, von Herzen kommen-des, reflektiertes Bekenntnis sein, das vor Menschen und Gott ausgesprochen wird. Schließlich: Als Bundesleitung finden wir immer wieder Worte oder geben Stellungnah-men ab, die wir nicht jedes Mal mit allen Gemeinden ab-stimmen. Denn das kann nicht gemeint sein und ist auch nicht die Praxis.

PSALM 103 ALS LEITWORTDurch die Beschäftigung mit den Hintergründen der letz-ten 100 Jahre während der letzten Wochen und Monate, durch viele Gespräche und Korrespondenz und nicht zu-letzt durch Gebet und der Begegnung mit dem Wort Gottes, habe ich umgedacht. In die Zeit des Nachdenkens, Ringens und Verstehens leitete mich Psalm 103. Dieses Wort wurde ein Leitwort für mich: „Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat! Der da ver-gibt alle deine Sünde, der da heilt alle deine Krankheiten. Der dein Leben erlöst aus der Grube, der dich krönt mit Gnade und Erbarmen.“ (Psalm 103,1-4). Wenn wir heute, 2014, den Bun-destag des Bundes FeG erleben, jähren sich verschiedene Ereignisse, die unser Land und Europa nachhaltig geprägt und verändert haben. Der Ausbruch des Ersten und des Zweiten Weltkrieges und der Fall der deutsch-deutschen Grenze. Der Psalmist ruft sich selbst auf, Gott zu loben für das, was Er Gutes getan hat! Wir wollen Gott loben. Aber wer bräuchte nicht ab und zu eine Erinnerung daran, was Gott getan hat? Es ist ein Psalmwort gegen das Vergessen.

FEG-BUNDESTAG 2014Wort des Präses – Teil 1

Holocaust Mahnmal in Berlin zur Erinnerung an die unter der Herrschaft der Nationalsozialisten ermordeten Juden

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WORT DES PRÄSES

Der Psalmist gedenkt daran, dass Gott Sünden vergibt, Krankheiten heilt, Gnade und Erbarmen schenkt. Die Ver-gebung von Sünde und Schuld erfahren und bekennen, das möchten wir – aber wir wissen auch: Es ist wichtig, sich Sünde und ihre Konsequenzen ehrlich anzusehen, zu be-kennen, anstatt darüber hinwegzusehen.

1914 Die weitreichenden Dimensionen und die Bedeutung des Ersten Weltkrieges sind mir durch die vielen Veröffentli-chungen und Diskussionen in diesem Jahr sehr deutlich geworden. Wie stark dieser Krieg, der in vielen Ländern als der „Große Krieg“ bezeichnet wird, die Welt bis heute prägt, ist oft vergessen worden. Die Grenzziehungen im Orient und auf dem Balkan beschäftigen uns bis heute. Die geo-strategischen Konsequenzen reichen bis in die Gegenwart. Es war der erste industrielle Krieg in großem Maße mit ei-ner weltweiten Verflechtung und deswegen mit einer un-ermesslichen Zahl von Toten und von unbeschreiblichem Leiden. Ein Krieg, dem Millionen von Menschen auf den Schlachtfeldern geopfert wurden. Nicht selten haben Kir-chen europaweit die kriegstreiberischen Parolen der Macht-haber noch verstärkt. Obwohl die Kinder Gottes doch zu dem einen Leib Christi gehören, haben sie häufig die natio-nalistischen Vorurteile und Abgrenzungen bedient. Das ist in vielen Vorträgen und Symposien in den letzten Monaten noch einmal herausgearbeitet worden. Hartmut Weyel hat in CHRISTSEIN HEUTE August 2014 (S. 6-11) beschrie-ben, wie sich FeGs darin verhalten haben und dabei vor allem auf die Veröffentlichungen in DER GÄRTNER ver-wiesen, der in gewisser Weise als ein Sprachrohr leitender Brüder des Bundes FeG fungierte. Es ist zu erkennen, dass im Bund und in Gemeinden führende Personen die Paro-len der Machthaber und Medien nachsprachen. Da es in der allgemeinen Meinung um eine gerechte Verteidigung Deutschlands ging, mit dem Ziel ausländische Aggressoren abzuwehren, konnte man dazu aufrufen, mit Begeisterung die Waffen zu ergreifen. Das stellt nicht die Lauterkeit un-serer Vorfahren in Frage und auch nicht die vielen geist-lichen Erfahrungen, die Menschen mitten in dem Leid ge-macht haben. Im Gegenteil. Gerade weil wir von der Lauter-keit unserer Vorfahren auch in den FeGs ausgehen, werden wir nachdenklich über die Gefahr, in der wir immer stehen, dass wir nur das sehen, was man uns in der Öffentlichkeit zeigt – auch als Christen.

Wie schnell kann es passieren, dass wir Christen in das Horn stoßen, das politisch opportun erscheint. Wenn wir das erkannt haben, kann die Reaktion auch nicht sein, prin-zipiell gegen die Meinung von denen „da oben“ zu sein. Wir leben heute in einer politisch völlig anders geordneten Welt. Aber es ist immer noch dieselbe gefallene Welt. Wir sind nachdenklich und sensibilisiert, weil wir erkennen, wie sehr wir die prophetische Erleuchtung durch den Heiligen

Geist brauchen, um wirklich unterscheiden und verstehen zu können und um den Mut zu haben, solchen Trends ent-gegenzutreten.

1939Dass Freie evangelische Gemeinden insgesamt (nicht in je-dem individuellen Fall) dazu neigten, auch in der allgemei-nen Stimmung der 30er- und 40er-Jahre und auf der Wel-le des Nationalsozialismus mitzuschwimmen, ist anhand vieler Dokumente festzuhalten. Dieses Mitschwimmen geschah teilweise, weil manche tatsächlich in Adolf Hitler eine wegweisende und geradezu entscheidende Person der Geschichte, die Gott geschenkt habe, sahen. Teilweise, weil man die Trennung zwischen Staat und Gemeinde Jesu der-art überbetonte, dass man sich einfach aus allem heraus-hielt, teilweise mit der Motivation, ungestört das Evange-lium verkünden zu können und nicht mit Redeverbot be-schlagen zu werden, teilweise aus Angst.

Im DER GÄRTNER der damaligen Zeit wurde zwar an manchen Stellen den nationalsozialistischen Lehren wider-sprochen, aber zu einem anderen Teil eine Kriegsrhetorik gepflegt, die jede Distanz zu den herrschenden Kräften ver-missen ließ.

Es ist relativ leicht, dies im Nachhinein zu beurteilen. Es kostet heute wenig bis nichts und kann deswegen billig da-herkommen. Wer das tut, lädt gleich die nächste Schuld auf sich durch eine arrogante, besserwisserische Haltung. Das soll uns fernliegen. Wir befürchten, dass wir nach mensch-lichem Ermessen wahrscheinlich ähnlich gehandelt hätten.

Außerdem melden sich jene schmerzhaft zu Wort, deren Eltern oder Großeltern durchaus widerständig lebten, im Kleinen oder Großen. Denn die gab es auch in Freien evan-gelischen Gemeinden. Und sicher gab es sehr viele, die ihre eigene, distanzierte Meinung zu Hitler und den National-sozialisten hatten. Wir wissen, dass es in Gemeinden und auch in der Bundesleitung sehr verschiedene Meinungen zu den Ereignissen gab. Es darf auch gesagt werden, dass Bemühungen im Bund FeG das sogenannte Führerprinzip durchzusetzen und sich im Reichsverband der Freikirchen zu verbinden, nach heftigen Auseinandersetzungen abge-lehnt wurden. Mitglieder von FeGs wurden auch Opfer des NS-Regimes, sind gestorben oder wurden ausgebombt und haben diese Zeit erlitten wie viele andere.

Dennoch gab es durch alle Jahrzehnte hindurch immer wieder Stimmen, die die eigene Schuld bekannten. Berich-tet wird von einer Gebetsgemeinschaft vieler Ältester und Prediger der FeGs 1946 auf dem Kronberg, wo dies durch einzelne Personen geschah. Friedrich Heitmüller, der erst selbst der nationalsozialistischen Idee folgte, aber dann sei-nen Irrweg erkannte und von ihr Abstand nahm, schrieb: „Wir hätten die grundstürzenden religiösen und rassischen Irrtümer des Nationalsozialismus und seinen satanisch-dämonischen Versuch zur Lösung der Judenfrage viel

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deutlicher und schärfer geißeln müssen, als es geschehen ist.“ Bundesvorsteher (Präses) Karl-Heinz Knöppel schrieb 1985: „Wir können die Schuld der Väter nicht leugnen. Aber wir stellen uns in Demut zu ihnen mit dem Danielwort (9,5): ,Wir haben gesündigt und Unrecht getan, sind gottlos gewesen!ʻ Wir sagen das nicht als Richter, sondern als Gleichgefährdete, die sich lediglich dadurch von den Vätern unterscheiden, dass ihnen die Versuchung erspart blieb – bis jetzt.“1

Bei aller individuellen Unterschiedlichkeit und gerade wegen des Respekts vor jenen, die Nachteile oder sogar Bedrohung und Lebensverlust in Kauf genommen haben, wollen wir heute festhalten und unterstreichen, was Peter Strauch 1995 im Auftrag der Bundesleitung schrieb und was auch in Bezug auf die offiziellen Verlautbarungen des Bundes und der Bundesleitung der damaligen Zeit, sofern sie uns bekannt sind, zu sagen ist:

DAS SCHULDBEKENNTNIS DERFEG-BUNDESLEITUNG

„Wir als Freie evangelische Gemeinden haben während des Hitler-Regimes versagt. Politische Abstinenz, ein falsches Ob-rigkeitsverständnis und sicher auch Angst haben uns schweigen lassen. Mit dem gettohaften Leben als Gemeindebund wollten wir einen Freiraum für gemeindliches Leben bewahren, aber dieser Freiraum kann das Unrecht nicht aufwiegen, an dem wir durch unser Stillschweigen mitgewirkt haben. Wie viele Ju-den und andere Menschen wurden bestialisch ermordet?! Das von uns ausgegangene Leid sprengt jedes Vorstellungsvermögen. ,Wir haben gesündigtʻ betet Daniel angesichts der Schuld seines Volkes (Dan 9,15). Aber zu der Schuld, die wir als Deutsche auf uns geladen haben, kommt die Schuld als Männer und Frauen, deren Leben Christus gehört. Salz und Licht der Welt werden solche Leute im NT genannt (Mt 5,13.14). Als solche hätten wir gegen das Unrecht aufstehen müssen. Wir haben es nicht getan. Wir haben gesündigt und sind schuldig.“2

Dies unterstreichen wir heute als Bundesleitung und be-kennen unsere Schuld mit diesen Worten. Scham erfüllt uns, wenn wir an die deutsche, und im speziellen an die FeG-Geschichte, in dieser Zeit denken. Wir haben Schuld auf uns geladen.

Wir leben von Vergebung. Wir vertrauen darauf, dass Gott sie uns schenkt. Wir können angesichts der Geschichte nur ver-trauen, dass er vergibt und mit uns weitermacht. Weil wir das erfahren haben, erfüllt uns Hoffnung. Unsere Hoffnung liegt in Jesus Christus und der erneuernden, Leben rettenden und schaf-fenden Kraft dieser Vergebung.

1 Der komplette Text in DER GÄRTNER, Mai 1985, S. 293

2 Der komplette Text in CHRISTSEIN HEUTE, Mai 1995, S. 296-297

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Wort des

Präses – Teil 2 erscheint in CHRISTSEIN HEUTE November 2014 zusammen mit dem Be-richt vom Bundestag in Ewersbach.

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WORT DES PRÄSES – TEIL 2Aus der Vergangenheit lernen – politische Verantwortung übernehmen

CHRISTSEIN HEUTE dokumentierte in seiner Oktober-Ausgabe den ersten Teil vom „Wort des Präses“, das Präses Ansgar Hörsting am 20. September zu den Delegierten auf dem Bundestag in Dietzhölz-tal-Ewersbach sprach. Hier folgt nun der Teil 2.

Wenn wir unsere Schuld bekennen, stimmen wir Gott nicht gnädig. Sondern wir bekennen unsere

Schuld vor einem gnädigen Gott! Und wenn er nicht schon Vergebung geschenkt hätte, könnten wir nicht leben, wäre die Geschichte Deutschlands und der Freien evangelischen Gemeinden anders verlaufen.

INTERNATIONALE VERNETZUNGAuch die Völker um uns haben uns Vergebung zugespro-chen. Wir leben heute in völlig veränderten Rahmenbedin-gungen. Und dennoch ist ein Gedenken ohne ein solches Bekenntnis nicht möglich. Es ist unfassbar, was seit 1945 geschehen ist. Dass sich Deutschland demokratisch gefe-stigt und Teil der internationalen Gemeinschaft geworden ist, sind großartige Entwicklungen und auch Zeichen der Güte Gottes.

2008 fand die Theologische Konferenz des Internati-onalen Bundes Freier evangelischer Gemeinden (IFFEC) in Ewersbach statt. Wir fuhren an einem Abend zu einem festlichen Essen zum Kloster Arnsburg bei Lich. Wir ka-men etwas zu früh an, weswegen sich die Teilnehmer die Beine vertraten. Was ich nicht wusste und niemand ahnte, war, dass hinter den Mauern der Anlage ein Friedhof aus dem Zweiten Weltkrieg liegt. Tote aus allen europäischen Ländern sind dort begraben. Außerdem die Leichen von 81 Frauen und 6 Männern, die im März 1945 im Arbeitslager Hirzenhain von SS und Gestapo erschossen wurden und noch 128 weitere unbekannte Tote. Mich erfüllte Scham. Alle internationalen Gäste waren durch die Reihen der Grabsteine gegangen. Meine Stimmung sank. Die Schuld Deutschlands und das grausame Morden standen uns vor Augen. Zugleich waren wir als eine geistliche und ver-

söhnte internationale Gemeinschaft beieinander. Was für ein Wunder. Ich musste das bei meinen Willkommenswor-ten ansprechen. Am Tisch mit führenden Vertretern der FeG-Bünde aus vielen Nationen, aus Europa und Amerika, setzten wir das Gespräch fort. Es war für mich bewegend zu spüren: Wir leben in einer neuen Zeit. Vergebung und Versöhnung hat stattgefunden. Nicht mehr Scham soll das Miteinander bestimmen, sondern Annahme, Neuanfang, ein Miteinander auf Augenhöhe. Ich habe das dort konkret erlebt. Ich möchte das hier so weitergeben. Wir sind als Bund FeG im IFFEC gerne gesehen. Wir haben dort diese Annahme erfahren und wir tun gut daran, uns in diese Gemeinschaft einzubringen.

Zu diesem Bundestag haben uns spezielle Grüße vom Präsidenten des IFFEC, Donn Engebretson aus den USA, vom Generalsekretär des IFFEC, Francisco Ortegas Portil-lo und vom Leiter des griechischen Bundes FeG, Vassilios Tsirmpas erreicht.

1989Ohne Zweifel ist ein Höhepunkt der Nachkriegsgeschichte Deutschlands das Ereignis, das sich dieses Jahr zum 25. Mal jährt: der Fall der Mauer, die Aufhebung der inner-deutschen Grenze und die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland. Wie schnell vergessen wir auch diese Ereignisse und Wunder. Psalm 103 ruft uns auf: „Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ Die Wiedervereinigung und der Weg dorthin erscheinen uns heute selbstverständ-lich und sind es doch nicht. Ost- und Westdeutschland fan-den wieder zusammen ohne Krieg und Blutvergießen. Das ist das Wunder von 1989. „Wir haben mit allem gerechnet, nur nicht mit Gebeten und Kerzen“ wird immer wieder

Der Fall der Mauer – das Wunder von 1989. Im Bild der Potsdamer Platz am Morgen des 11. November: Menschen warten im Westen auf die Öffnung der Berliner Mauer. Im Hintergrund Ost-Berlin.

Page 7: BUND FEG FEG-BUNDESTAG 2014 - th-ewersbach.de · Erbarmen.“ (Psalm 103,1-4). Wenn wir heute, 2014, den Bun-destag des Bundes FeG erleben, jähren sich verschiedene Ereignisse, die

WORT DES PRÄSES

CHRISTSEIN HEUTE 11/2014 31

ein Stasi-Offizier zitiert. Dass es vor 25 Jahren nicht zum Gemetzel kam, dass es wirklich eine friedliche Revolution war, ist ein in der Geschichte äußerst seltenes Ereignis! Zu schnell vergessen wir die Besonderheit dieser Tage, Wochen und Monate.

Im Buch „Das Wunder der Freiheit und Einheit“ (SCM Hänssler) werden die Ereignisse der entscheidenden Wo-chen nachgezeichnet. Personen, die es selbst erlebt haben, interpretieren die Umstände sachkundig und ziehen Linien in die Gegenwart. Im nächsten Jahr, 2015, findet das Bundesjugendtreffen des Bundes FeG das dritte Mal in Erfurt statt. Die Einheit ist Normalität geworden. Wir sprechen immer weniger von „Ossis“ und „Wessis“ – und wenn, dann eher augenzwinkernd aber nicht verurtei-lend und pauschalisierend. Mir ist bewusst, dass es auch leidvolle Geschichten der Wiedervereinigung gibt, seien es individuelle Schicksale, sei es das Gefühl, als Osten in den Westen einverleibt und damit abgewertet worden zu sein. Insgesamt sind sich aber dennoch fast alle einig: Gott sei Dank für dieses Geschenk. Es beweist geradezu die Gültigkeit von Psalm 103,10: „Er hat uns nicht getan nach unseren Vergehen …“

Dass ich, der ich 1965 geboren wurde, noch keinen Krieg direkt erlebt habe, beschreibt eine Biographie, die viele Generationen vor uns nicht erlebt haben. Ich will Gott dafür loben. Er hat uns aus der Grube gezogen und mit Er-barmen beschenkt (Psalm 103,4). Und der größte Dank ist der, dass wir überhaupt eine Adresse haben, unseren Dank loszuwerden. Da ist Gott, der uns mit sich versöhnt hat, der in Jesus Christus gezeigt hat. Durch Christus sind wir Gott nah. Durch den Heiligen Geist wohnt er in uns.

Als Bund FeG haben wir eine Perspektive, eine Zu-kunft. Wir haben sie nicht, weil wir Gott gnädig stimmen könnten, nicht, weil wir eine gute oder eine schlechte Ver-gangenheit hatten, nicht aufgrund unserer Gerechtigkeit, sondern durch die Gnade, die uns in Jesus geschenkt ist. Durch sie gilt: „So fern der Osten ist vom Westen, hat er von uns entfernt unsere Vergehen.“ (Psalm 103,12).

GEGENWARTZu manchen Herausforderungen der Gegenwart habe ich im Berichtsheft geschrieben. Bei der Abfassung des Be-richtes war, zumindest nicht in den üblichen Medien, noch nicht einmal die Rede von der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS). Der Konflikt in der Ukraine hält uns in Atem. Die Ereignisse der letzten Wochen und Monate zeigen uns, wie labil Frieden ist. Angesichts dieser Situationen spüren wir, dass es geboten sein kann, nicht nur die Verletzten zu heilen, Flüchtlingen Unterkunft und Opfern humanitäre Hilfe zu gewähren. Es drängt sich die Frage auf, ob man den Mördern mit Gewalt Einhalt gebieten muss, oder wie Bonhoeffer es im Blick auf Hitler formulierte „dem Rad in die Speichen zu fallen“. In diesen Entscheidungen zeigt

sich, ob wir die Lektionen aus der Geschichte wirklich in unsere Urteilbildung mit aufgenommen haben. Im Be-richtsheft habe ich angemahnt, dass „Militäreinsätze ,Ul-tima Ratio‘ sind und alle anderen Maßnahmen (diploma-tische, zivilgesellschaftliche, Aufbau demokratischer Struk-turen, Versöhnungsprozesse) – ich ergänze: der zivile Frie-densdienst – ernsthaft verfolgt werden.“ Denn wir fürchten nicht zu Unrecht eine weitere Spirale der Gewalt, aus der wir nicht herausfinden. Heute gelieferte Waffen können morgen schon in die falschen Hände gelangen. Und wer maßt sich an zu beurteilen, was „richtige“ und „falsche“ Hände sind?

ES GIBT KEINE EINFACHEN ANTWORTEN. DAS IST NICHT NEU. Wenn wir nicht politisch abstinent leben oder in schlich-ter Obrigkeitsunterordnung verharren wollen, werden wir keine fromme Nische finden, in der wir ohne Schuld Teil dieser Gesellschaft sein könnten, auch wenn wir das gerne so hätten. Wir stehen ständig in ethischen Entscheidungen, in denen wir unsicher sind. Viele Politiker sind genauso unsicher und können meist nur das kleinere Übel wählen. Schuldig wird man immer, wenn man Verantwortung über-nimmt. Aber auf jeden Fall müssen wir jeder Kriegsrhetorik und Propaganda widerstehen. Sie ist schnell daran zu er-kennen, dass sie leichtfertig in „böse“ und „gut“ unterteilt. Wir müssen kritische, mitdenkende und mitredende Bürger einer freiheitlichen und damit auch pluralistischen Gesell-schaft sein und sie stärken. Diese Freiheit muss immer wie-der erstritten werden und dazu müssen Feinde dieser Frei-heit in Schranken gewiesen werden. Es gilt der Grundsatz: Ob ich wirklich für Religionsfreiheit und Menschrechte bin, zeigt sich daran, ob ich die der anderen verteidige, denn für die eigenen einzustehen, ist nicht schwer.

Neben diesen Herausforderungen stehen andere, die unser Denken betreffen. Die Genderideologie z.B. verän-dert unsere Gesellschaft. Nicht sofort, aber langfristig. Oder: Heute findet in Berlin der sogenannte „Marsch für das Leben“ statt, bei dem es um den Schutz ungeborenen Lebens geht! Dieser Marsch wird stark angefeindet und bedroht. Nur an diesen wenigen Beispielen zeigt sich: Es bleibt viel zu tun.

Unsere Geschichte verpflichtet uns zu einem ernst-haften Engagement mitten in dieser Welt. Wir leben vom Evangelium in Jesus Christus. Es rettet uns und beauftragt uns, diese Welt zu lieben. Denn sie ist und bleibt von Gott wertgeschätzt und geliebt. Gott erhebt Anspruch auf alle seine Werke und Geschöpfe, wie es im letzten Vers des Psalm 103 heißt: „Preist den Herrn, alle seine Werke, an allen Orten seiner Herrschaft! Preise den Herrn, meine Seele!“ (Psalm 103,22).

Ansgar Hörsting, Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden