War Dutti ein Pirat? - arnoldrusch.files.wordpress.com · & Jerry’s antrat. Jetzt heisst sie nur...

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737 Zu guter Letzt AJP/PJA 5/2014 2 BGE 58 II 449 ff., 458 ff. 3 BGE 59 II 15 ff., 17. Die originellste Anlehnung schuf Migros mit dem entkoffeinierten Kaf- fee Zaun, der dem deutschen Kaffee HAG Konkurrenz machen sollte. Die Grossschreibung HAG zeigt, dass es um die Abkürzung für Handels-Aktien- Gesellschaft ging, doch war die An- spielung auf den Gartenhag mit dem Wort Zaun besonders geglückt. Ich konnte dazu keine Gerichtsentschei- dungen finden – die Migros führt die- sen heute noch im Sortiment. Dabei wäre die Dialektform deutscher Wör- ter durchaus problematisch, wie ein aktuelles Beispiel der Migros-Tochter Denner zeigt. Diese verwendete für ihre Kaffeekapseln den Werbespruch «was suscht?» an Stelle des von Nes- presso als Wortmarke hinterlegten Slo- gans «what else?». Das Handelsgericht St. Gallen untersagte dies superprovi- sorisch, was sich mit der Verletzung der Wortmarke, der unlauteren Anleh- nung gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG und der schmarotzerischen Rufausbeu- tung, die unter die Generalklausel des Art. 2 UWG fällt, begründen lässt 4 . Ein nur kurzes Leben war der Eis- creme Jane & Mary’s beschieden, die gegen das erfolgreiche Speiseeis Ben & Jerry’s antrat. Jetzt heisst sie nur noch Mary Jane’s. Dasselbe Schick- sal ereilte die Donnerstag-Taschen als Konkurrenz zu den aus Lastwagen- blachen gefertigten Freitag-Taschen. Die Migros gab in beiden Fällen schon aussergerichtlich nach 5 . Viele weitere Migros-Produkte lehnen sich an Kon- desgericht hatte mit der Migros kein Erbarmen: Die herabsetzende und anlehnende Propaganda – heute wäre es Art. 3 Abs. 1 lit. a/e UWG – gegen das «Götzenbild Persil» und Henkel musste inskünftig unterbleiben. Die Verwendung von Hänkel war marken- rechtlich wegen Verwechslungsgefahr auch nicht mehr gestattet 2 . Die Migros verdeckte einen Teil der Etikette fort- an mit einem Feigenblatt – zu sehen war nur noch Ohä. Das Putzmittel Vim von Sunlight war das nächste Opfer der Migros. Päng hiesst die Kopie, kostete nur einen Drittel und war gleich gut. Auch hier liess die Migros nichts aus: ««Wim»- mern Sie nicht mehr wegen des zu hohen Preises, sondern «Päng»-en Sie hinfort fröhlichen Herzens.» Das Bundesgericht untersagte auch diese Werbung 3 . Päng konnte sich wegen der bereits eingetragenen Marke Peng aber ohnehin nicht halten. Migros er- setzte es durch Potz, mit dem ich auch schon geputzt habe. Kennen Sie den Kaffee Zaun, die Don- nerstags-Tasche und die Glacée Jane & Mary’s? Falls nein, sind Sie wahr- scheinlich im Unterschied zu mir kein Migros-Kind. Die Migros-Produkte- namen sorgen immer wieder für Hei- terkeit beim Publikum, aber auch für rote Köpfe bei der Konkurrenz. Der Grund des Wohlwollens trotz der Ge- setzesverstösse liegt im Erbe Duttwei- lers und dem neuen Kampf gegen die Hochpreisinsel. Persil war richtig teuer. Ein Kar- ton kostete einen Franken – im Jahre 1931. Zum Glück konnte die Hausfrau das Waschmittel Ohä im Migros kau- fen, für nur 50 Rappen! Ohä stand für «Ohne Hänkel». Die Assoziation lässt uns heute ratlos zurück, doch damals war der Fall klar. Hänkel ist das Dia- lektwort für Henkel. So heisst heute noch die Herstellerin von Persil. Die Werbung nahm kein Blatt vor den Mund: Henkel sei ein grosskapitalis- tisches ausländisches Unternehmen, das seine Machtstellung unbedingt und masslos ausnütze. Migros forder- te die Hausfrauen auf, solange Ohä zu kaufen, bis das Persil-Frankenpaket für 50 Rappen erhältlich sei 1 . Das Bun- War Dutti ein Pirat? ARNOLD F. RUSCH PD Dr. iur., Rechtsanwalt, LL.M., Zürich Die Ohä-Etikette mit Feigenblatt (Bild: MGB Dokumentation) 4 Vgl. die superprovisorischen Massnahmen vom 10. Januar 2011, beschrieben in Urteil BGer 4A_178/2011, B. Zur Anwendbarkeit der Generalklausel bei schmarotzerischer Rufausbeutung vgl. BGE 116 II 365 ff., 368 f. und BSK-RETO HILTY, in: Reto Hilty/ Reto Arpagaus (Hrsg.), Basler Kommen- tar, Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), 2. A., Basel 2013 (zit. BSK-Verfasser), UWG 2 N 124. 5 Internet: http://www.migrosmagazin.ch/ menschen/interview/artikel/wir-arbeiten- quasi-planwirtschaftlich (8.4.2014) und Tages-Anzeiger, 8.10.2012, 31. 1 BGE 58 II 449 ff., 452.

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Z u g u t e r L e t z t

AJP/PJA 5/2014

2 BGE 58 II 449 ff., 458 ff.3 BGE 59 II 15 ff., 17.

Die originellste Anlehnung schuf Migros mit dem entkoffeinierten Kaf-fee Zaun, der dem deutschen Kaffee HAG Konkurrenz machen sollte. Die Grossschreibung HAG zeigt, dass es um die Abkürzung für Handels-Aktien-Gesellschaft ging, doch war die An-spielung auf den Gartenhag mit dem Wort Zaun besonders geglückt. Ich konnte dazu keine Gerichtsentschei-dungen finden – die Migros führt die-sen heute noch im Sortiment. Dabei wäre die Dialektform deutscher Wör-ter durchaus problematisch, wie ein aktuelles Beispiel der Migros-Tochter Denner zeigt. Diese verwendete für ihre Kaffeekapseln den Werbespruch «was suscht?» an Stelle des von Nes-presso als Wortmarke hinterlegten Slo-gans «what else?». Das Handelsgericht St. Gallen untersagte dies superprovi-sorisch, was sich mit der Verletzung der Wortmarke, der unlauteren Anleh-nung gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG und der schmarotzerischen Rufausbeu-tung, die unter die Generalklausel des Art. 2 UWG fällt, begründen lässt4.

Ein nur kurzes Leben war der Eis-creme Jane & Mary’s beschieden, die gegen das erfolgreiche Speiseeis Ben & Jerry’s antrat. Jetzt heisst sie nur noch Mary Jane’s. Dasselbe Schick-sal ereilte die Donnerstag-Taschen als Konkurrenz zu den aus Lastwagen-blachen gefertigten Freitag-Taschen. Die Migros gab in beiden Fällen schon aussergerichtlich nach5. Viele weitere Migros-Produkte lehnen sich an Kon-

desgericht hatte mit der Migros kein Erbarmen: Die herabsetzende und anlehnende Propaganda – heute wäre es Art. 3 Abs. 1 lit. a/e UWG – gegen das «Götzenbild Persil» und Henkel musste inskünftig unterbleiben. Die Verwendung von Hänkel war marken-rechtlich wegen Verwechslungsgefahr auch nicht mehr gestattet2. Die Migros verdeckte einen Teil der Etikette fort-an mit einem Feigenblatt – zu sehen war nur noch Ohä.

Das Putzmittel Vim von Sunlight war das nächste Opfer der Migros. Päng hiesst die Kopie, kostete nur einen Drittel und war gleich gut. Auch hier liess die Migros nichts aus: ««Wim»-mern Sie nicht mehr wegen des zu hohen Preises, sondern «Päng»-en Sie hinfort fröhlichen Herzens.» Das Bundesgericht untersagte auch diese Werbung3. Päng konnte sich wegen der bereits eingetragenen Marke Peng aber ohnehin nicht halten. Migros er-setzte es durch Potz, mit dem ich auch schon geputzt habe.

Kennen Sie den Kaffee Zaun, die Don-nerstags-Tasche und die Glacée Jane & Mary’s? Falls nein, sind Sie wahr-scheinlich im Unterschied zu mir kein Migros-Kind. Die Migros-Produkte-namen sorgen immer wieder für Hei-terkeit beim Publikum, aber auch für rote Köpfe bei der Konkurrenz. Der Grund des Wohlwollens trotz der Ge-setzesverstösse liegt im Erbe Duttwei-lers und dem neuen Kampf gegen die Hochpreisinsel.Persil war richtig teuer. Ein Kar-ton kostete einen Franken – im Jahre 1931. Zum Glück konnte die Hausfrau das Waschmittel Ohä im Migros kau-fen, für nur 50 Rappen! Ohä stand für «Ohne Hänkel». Die Assoziation lässt uns heute ratlos zurück, doch damals war der Fall klar. Hänkel ist das Dia-lektwort für Henkel. So heisst heute noch die Herstellerin von Persil. Die Werbung nahm kein Blatt vor den Mund: Henkel sei ein grosskapitalis-tisches ausländisches Unternehmen, das seine Machtstellung unbedingt und masslos ausnütze. Migros forder-te die Hausfrauen auf, solange Ohä zu kaufen, bis das Persil-Frankenpaket für 50 Rappen erhältlich sei1. Das Bun-

War Dutti ein Pirat?

Arnold F. rusch

PD Dr. iur., Rechtsanwalt, LL.M., Zürich

Die Ohä-Etikette mit Feigenblatt (Bild: MGB Dokumentation)

4 Vgl. die superprovisorischen Massnahmen vom 10. Januar 2011, beschrieben in Urteil BGer 4A_178/2011, B. Zur Anwendbarkeit der Generalklausel bei schmarotzerischer Rufausbeutung vgl. BGE 116 II 365 ff., 368 f. und BSK-Reto Hilty, in: Reto Hilty/Reto Arpagaus (Hrsg.), Basler Kommen-tar, Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), 2. A., Basel 2013 (zit. BSK-Verfasser), UWG 2 N 124.

5 Internet: http://www.migrosmagazin.ch/menschen/interview/artikel/wir-arbeiten-quasi-planwirtschaftlich (8.4.2014) und Tages-Anzeiger, 8.10.2012, 31.1 BGE 58 II 449 ff., 452.

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A r n o l d F . R u s c h

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kurrenzprodukte mit der Kennzeich-nung oder der Ausstattung an: so z.B. Quadretti bei Chocoletti (Lindt), Ma-hony bei der Toblerone (Mondelēz), Delta-Jet bei der Rakete (Frisco), Blox bei Twix (Mars) sowie Eimalzin bei Ovomaltine (Wander)6.

Weshalb ist die Schweizer Bevöl-kerung den Migros-Produkten so po-sitiv gesinnt, obwohl handfeste Geset-zesverstösse vorliegen? Zwei Gründe lassen sich ausmachen. Erstens wirkt das Erbe Gottlieb Duttweilers nach, der eigentlich ganz gerne Markenar-tikel verkauft hätte, sich aber immer wieder Lieferboykotten ausgesetzt sah. Die Schaffung von Eigenmarken haben die Konkurrenzmarken sich teilweise selbst zuzuschreiben, weil sie ihre Hochpreispolitik durchset-zen wollten7, was mit der Schweizer Hochpreisinsel erneut stark an Aktu-alität gewonnen hat. Zweitens schim-mert deshalb der provokative Verdacht durch, dass das UWG eigentlich gar nicht anwendbar sein sollte: Die An-näherungen an die Konkurrenzpro-dukte durch die Migros insbesondere in der Vergangenheit schaffen gerade erst den notwendigen Wettbewerb, der folglich nicht unlauter sein kann. Sie

N 34 ff.; BSK-ScHmid (FN 4), UWG 3 Abs. 1 lit. e N 76 ff., 83 f., 94.

12 Vgl. JocHen GlöcKneR, in: Otto Teplitzky/Karl-Nikolaus Pfeifer/Matthias Leistner (Hrsg.), UWG, 2. A., Berlin 2013, § 6 N 31; zum Humor als Rechtfertigung vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2009 – I ZR 134/07, in GRUR 2010, 161 ff., 164, N 17 ff., insb. N 20.

13 Vgl. dazu BSK-ARpAGAuS (FN 4), UWG 3 Abs. 1 lit. d N 112 und mAyA HeRtiG RAn-dAll, Le regard d’une constitutionnaliste sur la parodie des marques, in: Peter Kunz et al. (Hrsg.), Wirtschaftsrecht in Theorie und Praxis, Festschrift für Roland von Bü-ren, Basel 2009, 415 ff., insb. 443 ff.

14 Tages-Anzeiger, 8.10.2012, 31.

8 Vgl. cHRiStiAn oetiKeR, in: Peter Jung/Philippe Spitz (Hrsg.), Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Bern 2010, UWG 3 lit. e N 61, m.w.H.; vgl. BGE 129 III 426 ff., 430 ff., BGE 81 II 65 ff., 70 f.

9 Vgl. die ähnliche, aber verworfene Argu-mentation der Beklagten in Urteil BGer 4C.316/1999, E. 5a.

10 Vgl. den Gedanken bei HeRBeRt WoHl-mAnn, NZZ 21.2.2012, 26.

11 Vgl. cARl BAudenBAcHeR/JocHen GlöcK-neR, in: Carl Baudenbacher (Hrsg.), Lau-terkeitsrecht, Basel 2001, UWG 3 lit. e

fest, dass Päng gleich gut wie Vim sei. Wenn die Migros mit dieser Tatsache nicht auch mit smarten Sprüchen und Slogans Werbung machen darf, nimmt dies die grundsätzliche Zulässigkeit der vergleichenden Werbung wieder zurück12. Damit lässt sich gut die Brü-cke zur Markenparodie schlagen13. Die träfen Sprüche zu Päng und Ohä muss man als rechtfertigende Satire und Humor verstehen, was in den Ent-scheiden aber kein Thema war.

Das Ganze hat aber auch einen Haken. Man muss kritisch festhalten, dass die Migros mittlerweile selber sehr potent im Schweizer Markt auf-tritt, aber recht dünnhäutig reagiert, wenn man sich ihren Produkten an-nähert, die längst etablierte Marken bilden – so geschehen bei den Farmer-ähnlichen Riegeln des Aldi14. Guter Rat ist teuer. Was würde Dutti tun? Er wäre sicher grosszügiger gewesen!

bilden die richtige Antwort auf das Verhalten der Hochpreisanbieter. Sie sollten deshalb – ähnlich wie der von der h.L. und Rechtsprechung verwor-fene Einwand der unclean hands8 – durch einen «Wettbewerbsnotstand» gerechtfertigt sein. Die preisdämp-fende Wirkung der Eigenmarken kann sich nur entfalten, wenn die Menschen merken, dass es Alternativen zu den Markenprodukten gibt. Dazu bedarf es pointierter Aussagen9 – wenn es funktioniert, wären die bedeutend här-ter in den Wettbewerb eingreifenden Kartellgesetzrevisionen überflüssig10. Es fällt ohnehin schwer, überhaupt eine Herabsetzung des Originals in der Werbung mit dem viel günstige-ren Preis des Migros-Produkts zu se-hen. Die vergleichende Werbung als solche ist nicht verboten. Erst wenn sie mit einer unnötigen Herabsetzung oder sich einer Rufausbeutung be-dient, greift Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG ein11. Das Bundesgericht hielt selber

6 Zu den Grenzen der Zulässigkeit BGE 135 III 446 ff.

7 Spiegel 47/1954, 31 f.: http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=28957842 &aref=image035/E0343/sp19544727-T 2 P - 2 8 9 5 7 8 4 2 . p d f & t h u m b = f a l s e (8.4.2014).

Varianten eines Themas: Kaffee HAG und Kaffee Zaun; Ben & Jerry’s (Unilever) mit den Migros-Annäherungen Jane & Mary’s sowie später Mary Jane’s.