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Stadtnaturschutz Standpunkt Juni 2012 4

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Stadtnaturschutz

Standpunkt

Juni 20124

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Inhalt

1. Einleitung 3

2. Grundlagen für den Stadtnaturschutz 42.1 Technik und Arbeit als Basis der

Stadtentwicklung 42.2 Aber Natur ist wichtig für die Stadt 42.3 Stadt und die Natur um sie herum 52.4 Stadtentwicklung als gesellschaftlicher 5

Prozess 2.5 Dynamik und Konstanz 52.6 Die Stadt, ein Mosaik 62.7 Vier Kategorien von Natur in der Stadt 6

3. Wichtigkeit städtischer Freiflächen 73.1 Bedeutung für den Naturhaushalt 73.2 Lebensqualität für die Bewohner 73.3 Bedeutung im Zeichen des Klimawandels 83.4 Städtische Grünflächen – naturnah 8

gestalten und pflegen

4. Unsere Ziele für die städtischen 9Lebensräume4.1 Intensivierung der baulichen Nutzung – 9

Nachverdichtung – Innenentwicklung – Leitbild „Kompakte Stadt“4.1.1 Ziele und Hintergründe für die 9

bevorzugte Innenentwicklung4.1.2 Ausreichende Freiflächenversorgung

gewährleisten 104.1.3 Konflikt Freiflächenerhalt und

Innenentwicklung 104.1.4 Eingriffs-Ausgleichs-Regelung 11

4.2 Bebaute Gebiete 114.2.1 Wohngebiete 114.2.2 Gewerbeflächen 134.2.3 Brachen und Sukzessionsflächen 134.2.4 Verkehrswege 14

4.3 Bäume, Parks und Gewässer 144.3.1 Stadtbäume und warum sie 14

unseren Schutz brauchen

4.3.2 Grünstreifen 154.3.3 Parkanlagen 154.3.4 Gartendenkmal- und Naturschutz 154.3.5 Kleingärten und Community

Gardening 164.3.6 Guerilla Gardening 164.3.7 Gewässer schützen und erlebbar

machen 17

5. Artenschutz in urbanen Räumen 185.1 Sind Städte artenreicher als das platte Land? 185.2 Städtische Strategien für biologische

Vielfalt und Biotopvernetzung –Stadtbiotopkartierungen 19

5.3 Umgang mit gebietsfremden Arten 195.4 Bauliche Auflagen: Schutz für

Gebäudebrüter 205.5 Naturfreundliche Beleuchtung 215.6 Streusalz 21

6. Wege der Umsetzung 226.1 Wo kann der BUND eingreifen 226.2 Stadtplanung, Landschaftsplanung

und Eingriffsregelung 226.3 Umweltgerechtigkeit 236.4 Umweltbildungskonzepte – Bezug zur

Natur auch in der Stadt herstellen 236.5 Naturerfahrungsräume 236.6 Aktive Gestaltung des Wohnumfeldes √246.7 Ansprache von Menschen mit 24

Migrationshintergund

7. Zum Weiterlesen 267.1 Bücher / Zeitschriften 267.2 Wichtige Internetadressen 26

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3Stadtnaturschutz

In Deutschland leben 80 Prozent der Bevölkerung inStädten. Diese entscheiden in politischen Wahlen, durchihre Konsumgewohnheiten und durch ihren Lebensstil

wesentlich darüber, wie sich die Natur – nicht nur in denStädten, sondern insgesamt – entwickeln wird. Es kommtdaher darauf an, dieser Bevölkerung eine lebenswerteUmwelt zu erhalten und sie für den Schutz von Natur undUmwelt zu gewinnen. Auch wenn der Anteil der Stadtbe-völkerung noch steigen wird und die Ballungsräume sichnoch verdichten, muss das nicht zu einer Verschlechte-rung der Umweltbedingungen führen.

Ein wichtiger Schritt dabei ist es, Verständnis und Interessefür die Natur direkt am Wohnort zu wecken. Natur und derUmgang mit ihr ist aber auch von wesentlicher Bedeutungfür das Leben und die Lebensqualität der Menschen in ur-banen Räumen. Natur und ihre ökologischen Zusammen-hänge wahrzunehmen und zu erkennen, ist bedeutend fürdas menschliche Wohlbefinden, für das Verhalten der Na-tur gegenüber und auch für eine Identifikation mit der Stadt,in der man lebt. Attraktive Innenstädte senken den Ab-wanderungsdruck und vermindern somit die Suburbani-sierung und die Flächeninanspruchnahme.

Ein besonderes Augenmerk des BUND gilt den Bedürfnis-sen der Stadtkinder und der Schaffung von naturnahen Frei-räumen für deren spontanes Spielen und Naturerleben inihrem Wohnumfeld. Die dramatischen Verluste an vor Ver-kehr sicheren „wilden“ Spielmöglichkeiten im Laufe der letz-ten Jahrzehnte sind ein wesentlicher Grund für die wach-sende Naturentfremdung der heranwachsenden Genera-tionen. Stadtnaturschutz muss und kann in besonderer Wei-se für Stadtkinder wirken.

Der BUND legt deswegen großen Wert auf diese Möglich-keit der Wahrnehmung und will damit einen Dialog überSchutz- und Entwicklungsansprüche für die Natur einer-seits und menschliche Nutzungsansprüche an die Umweltandererseits anregen, auch um die Verantwortung des ein-zelnen zu stärken. Wir tragen deswegen den Natur- und Um-weltschutz in alle sozialen Gruppen. Unser Ziel ist es da-bei, alle in unserer Großstadt lebenden ethnischen Grup-

pen und Generationen für die Natur zu begeistern, ihr En-gagement für sie zu fördern sowie von ihren Erfahrungenzu lernen.

In diesem „Standpunkt“ konzentrieren wir uns auf das ty-pisch Städtische: Parks, Gärten, Brachflächen, Straßenbäumeusw. Für Wälder, Agrarland oder Flüsse, die sich auch oftim Stadtgebiet befinden, aber vom Charakter her eher ty-pisch für die freie Landschaft sind, haben wir in unserenPositionspapieren bereits die Ziele und unser Vorgehen de-finiert. Sie bleiben deswegen in diesem Papier außen vor.

1 Einleitung

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4 BUNDstandpunkt

2.1. Technik und Arbeit als Basis der Stadt-entwicklung

Städte haben sich entwickelt über Arbeits-, Produktions-und Lebensformen, die sich nicht mehr primär auf die Pro-duktivität der belebten Natur – wie Landwirtschaft, Jagdoder Fischerei – stützen. Für Handel, Gewerbe, Verwal-tung, Wissenschaft oder Kunst sind die natürlichen Pro-duktionsfaktoren wie Lebewesen, Böden, Wasser, Sonneetc. nicht mehr unmittelbar nötig und werden in der Stadtentsprechend vernachlässigt. Für die Stadtbewohnerund das dort ansässige Gewerbe werden Trinkwasser undNahrungsmittel in der Regel von außerhalb in die Stadtgebracht, so dass den Stadtbewohnern leicht das Be-wusstsein ihrer Abhängigkeit von diesen Ressourcen ab-handen gekommen ist. So erkennen sie das Wachsen derStädte auf Kosten des häufig sehr fruchtbaren Umlandesnicht als Beeinträchtigung ihrer eigenen Lebensgrundlage,so wenig wie sie die Belastung des Umlandes durch Zer-schneidung mit Straßen, Abwasserbelastungen und Luft-verschmutzung wahrnehmen. Der Erhalt von landwirt-

schaftlicher und gartenbaulicher Produktion in denStädten ist deswegen nicht nur wegen der Versorgungs-funktion in Krisenzeiten relevant, sondern auch weil da-durch die primären Produktionsformen erlebbar werden.

2.2 Aber Natur ist wichtig für die StadtFür die meisten Stadtbewohner stellte sich Natur und ihrSchutz lange Zeit als etwas außerhalb der Stadt statt-findendes dar. Im 19. Jahrhundert verbreitete sich jedochimmerhin die Erkenntnis, wie notwendig Natur – bei-spielsweise in Form der Volksparks – auch für die Ge-sundheit der Stadtbewohner ist. In den 70er Jahren des20. Jahrhunderts wurde die Natur der Stadt in den Blick-punkt gerückt und das Spezifische der Stadtnatur he-rausgearbeitet, was sich letztlich im §1 des Bundesna-turschutzgesetzes niederschlug: „Natur und Landschaftsind auf Grund ihres eigenen Wertes und als Lebens-grundlagen des Menschen auch in Verantwortung für diekünftigen Generationen im besiedelten und unbesiedel-ten Bereich so zu schützen, zu pflegen, zu entwickeln ...“

2 Grundlagen für den Stadtnaturschutz

Wildschweine, Füchse, Waschbären, Eichhörnchen und Co. zieht es zunehmend in die Städte. © pixelio.de/Hein Glack

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5Stadtnaturschutz

Für diesen besiedelten Bereich ist typisch, dass sich ent-sprechend der Nutzung und Struktur unterschiedliche städ-tische Bereiche mit vielfältigen Lebensräumen für Pflan-zen und Tiere herausgebildet haben, die sich durch dieanthropogenen Einflüsse in ihren ökologischen Bedin-gungen charakteristisch von den Biotopen der offenenLandschaft unterscheiden. Diese müssen in ihrer Vielfalt,Schönheit und ökologischen Bedeutung den ländlichenLebensräumen nicht nachstehen.

Die natürlichen Nischen innerstädtischer Gefüge erfül-len neben ihrer Biotop- und Naturhaushaltfunktioneine weitere, ganz wesentliche Funktion: sie erlauben dasErleben von spontaner Naturentfaltung im unmittelba-ren Wohnumfeld. Damit sind sie und eine wichtige Er-gänzung zu der Erfahrung großer naturnaher Lebensräumeaußerhalb der Städte.

Der Naturschutz in der Stadt erfüllt deswegen nicht nurdie Sicherung tierischer und pflanzlicher Lebensräume,sondern dient auch als Erfahrungsbereich für unmittel-bares Naturerleben.

2.3 Stadt und die Natur um sie herumStädte verlagern ihre Umweltprobleme ins Umland; fastalle Städte holen ihr Trinkwasser aus dem Umland. Fürdie Luft ist ebenfalls die weitere Umgebung nötig, um sievon den Belastungen der Stadt zu regenerieren. Die kon-sumierten Güter sind nur noch ganz selten in der Stadtselbst produziert, auch noch selten im Umland; sehr häu-fig entstammen sie weit entfernten Gebieten und so nimmtman als Bürger auch nicht mehr wahr, welche Belastungenvon diesem Konsum ausgehen, denn das städtische „Um-land“ wird in Zeiten der Globalisierung zunehmend globa -ler: Gülleprobleme der Intensivtierhaltung in Nieder-sachsen, das Pestizidproblem beim Blumenanbau inKolum bien, die Erzabbauprobleme im Kongo oder die Erd-gasförderung in Sibirien; was früher in der Stadt für Dreck,Lärm und Gestank sorgte ist nur zum Teil durch besse-re Technik gelöst, zum großen Teil aber schlicht räum-lich verlagert.

Dieser Aspekt verbindet den städtischen Naturschutz mitunseren übrigen Natur- und Umweltschutzzielen: hier lässtsich Notwendigkeit ökologischer Landwirtschaft ableitenund hier müssen auch die Käufer dafür gewonnen wer-den; das gleiche gilt auch für umweltfreundlichen Tou-rismus und lässt sich insgesamt in die Diskussion um das„Zukunftsfähige Deutschland“, um den „ÖkologischenFußabdruck“ einbinden.

2.4 Stadtentwicklung als gesellschaftlicherProzess

Städte entwickeln sich weitgehend unabhängig von dernaturnahen Produktion und so ist auch ihre ständige Wei-terentwicklung, ihr Um- und Weiterbau von gesell-schaftlichen und kaum noch von natürlichen Bedingungengeprägt. Dementsprechend wird die Entwicklung der Städ-te weitestgehend von der ökonomischen Optimierung derBodennutzung bestimmt. Da Grün- und Freiflächen fürden einzelnen Grundstückseigner eine eher unprofitableNutzung darstellt, sieht sich der Schutz der Natur in ei-ner ständigen Konfrontation mit den Bodenverwer-tungsinteressen sowohl privater als auch öffentlicherGrundstückseigner; zahllose Konflikte um die Grünpla-nung in den Städten dokumentieren dies. Die für die Stadt-planung verantwortliche Politik, die eigent-lich die In-teressen aller Stadtbewohner vertreten soll, schafft es nurselten, den Investoreninteressen zu Gunsten der Natur zuwiderstehen.

Aufgabe des städtischen Naturschutzes ist es, in dieserAuseinandersetzung die Belange der Natur für die Be-wohner zu sichern. Dies ist keine sich in die Stadtent-wicklung organisch einfügende Aufgabe, sondern eineständige Auseinandersetzung, in der sich der Naturschutzals ein Teil des gesellschaftlichen, die Stadtentwicklungbestimmenden Prozesses verstehen muss.

2.5 Dynamik und KonstanzWir wissen einerseits um die Dynamik von Ökosystemen,ihren ständigen Änderungen und Fluktuationen. Die inder Stadt besonders häufig wechselnden Nutzungen – z.B.das zeitweilige Brachfallen von Flächen -, verleihen die-ser Dynamik eine zusätzliche Komponente. Das muss auch

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6 BUNDstandpunkt

der Naturschutz beachten und darüber hinaus als Chan-ce für eine Naturentwicklung auf Zeit nutzen. Anderer-seits wissen wir auch, dass alte Wälder oder älteres Grün-land für seltene und gefährdete Arten wichtiger sind alsjunge, dass ältere Bäume nicht nur für uns Menschen at-traktiver sind als junge, sondern dass diese alten Bäumefür viele Insekten lebensnotwendig sind und die Biodi-versität deswegen in hohem Maße von ihrem Vorhan-densein abhängt. Insofern kann und darf ein Naturschutzauf Zeit kein Ersatz für einen dauerhaften Schutz reiferEntwicklungsstadien sein.

Bestes Beispiel für eine solche Dynamik sind die Wälderauf alten Stadtbrachen: Die eigene ökosystemare Dyna-mik führt zu stabilen, der Stadt angepasste Wälder, dievon hohem Erholungswert und großer Bedeutung für städ-tischen Naturhaushalt und städtische Flora und Fauna sindund dennoch keinen Pflegeaufwand aufweisen.

2.6 Die Stadt, ein MosaikStädte sind vielfältig: ein Mosaik verschiedener Nutzungen,Bebauungen und vor allem auch verschiedener Lebens-räume. Die Unterschiede zwischen ihnen sind zu bewahren,denn sie sind Faktor der Biodiversität und Ausdruck derunterschiedlichen Standortfaktoren. Deswegen bedürfensie bezüglich ihrer Naturschutzrelevanz alle einer spezifi -schen Betrachtung. Auch wenn diese Strukturen wiederumin sich ein Mosaik darstellen, so ist es dennoch sinnvoll,für diese jeweiligen Nutzungen insgesamt Maxime des Na-turschutzes zu entwickeln.

Eine Hilfe dabei ist es, sich über das grundlegende Maßmenschlichen Einflusses in diesen Gebieten Klarheit zuverschaffen: Unberührte Naturlandschaft gibt es inStädten in der Regel nicht, aber es gibt die naturnahenRäume, die vom Menschen in ihrer natürlichen Produk-tivität genutzt wurden. Dazu zählen Landwirtschafts- undWaldflächen oder die Gewässer, die für die Fischerei inihrem Artenbestand und für den Transport in ihrer Struk-tur (Begradigungen und Stauhaltungen) verändert wur-den.

2.7 Vier Kategorien von Natur in der StadtEin bewährtes Modell teilt Natur in der Stadt in vier Ka-tegorien ein. Jede ist dabei ebenso erhaltenswert wie dieandere. Unterschiede finden sich allerdings im Grad derBedrohtheit. Diese im Folgenden vorgestellten Kategorienvon Natur machen jene Unterschiede nachvollziehbar undverdeutlichen, dass Aufrechnungen zwischen den Kate-gorien qualitative Dimensionssprünge beinhalten und des-wegen kritisch zu betrachten sind. Die Auflistung stelltdabei keine Hierarchie dar.

• Reste der ursprünglichen Naturlandschaft, zum BeispielWald, Binnendünen, Felsen, Moore oder Altwässer, dieüberaus selten und meist am Stadtrand beziehungsweiseam Rand des Ballungsraumes liegen.

• Landwirtschaftlich geprägte Kulturlandschaft: von ih-rer extensiven Form, zum Beispiel Magerrasen, Feucht-wiesen, Hecken oder Hohlwege, bis zur Intensivland-wirtschaft wie Maisäcker oder Fettwiesen.

• Gestalterisch geprägte Natur: Diese beinhaltet diebreite Palette „angelegter Natur“ von Blumenkübeln,Straßenbäumen, Straßenrandgrün über Gärten und Ra-batten bis zum Landschaftspark.

• Spontanvegetation als die eigentliche Stadt-Natur, dieurban-industriell geprägte Natur. Auf meist starküberformten Böden, ungeplant, nicht gepflegt oder ge-staltet, entwickelt sie sich spontan in perfekter An-passung an die städtischen Bedingungen. Zu ihr gehörenzum Beispiel Trittvegetation, Mauerbewuchs und Ru-deralfluren auf städtischen Brachen mit ihren typischenTierarten als „Bewohner“.

Während für die ersten beiden Kategorien der BUND be-währte Schutzkonzepte entwickelt hat, sind für die bei-den letzten Kategorien, den stadttypischen Biotopen, spe-zifische Bewertungen, Ziele und Maßnahmen zu entwi-ckeln – dies ist die zentrale Aufgabe dieses Standpunk-tepapiers.

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7Stadtnaturschutz

3.1 Bedeutung für den NaturhaushaltUnstrittige Bedeutung haben die Grünflächen für denSchutz des Bodens, den Erhalt günstiger Klimabedin-gungen, die Luftreinhaltung und für den städtischenWasser haushalt (Regeneration des Grundwassers und Ver-meidung von Abflussspitzen). Das Ausmaß dieser Bedeu -tung wird bestimmt durch Größe und innere Struktur desGrüns, durch Lage und Einbindung in das Stadtgebiet undder Vernetzung mit dem freien Umland (Frischluft-schneisen). Dies bezieht sich vor allem auf die beschat-tende und kühlende Wirkung der Vegetation, wobei dierichtige Kombination von Bäumen, Baumbeständen undoffenen Gras- bzw. Wiesenflächen besonders wirksam ist.Diese Bedeutung steigt noch mit der zunehmenden glo-balen Erwärmung, die für weite Teile Deutschlands vonnoch wärmeren und trockeneren Sommern ausgeht. Auchmüssen wir davon ausgehen, dass sich die Vegetation undTierwelt als Folge dieser Erwärmung ebenfalls ändern wird.Dies ist für die meist im Randbereich liegenden naturnahen

Feuchtgebieten und eventuell auch für die innerstädti-schen Parkgewässern bedeutsam.

3.2 Lebensqualität für die BewohnerZentraler Punkt unserer Betrachtung ist, dass Naturschutzin der Stadt vor allem dem Erhalt von stadttypischen Le-bewesen und ihrer Lebensgemeinschaften dient, so dassdie Stadtbewohner selbst in ihrer technik-bestimmten Um-gebung Erfahrung mit natürlichen Elementen und ihremErscheinungsbild sammeln können. Wie in der Agrar-landschaft die landwirtschaftliche Nutzung nicht ohne Be-rücksichtigung des Naturschutzes betrieben werden soll-te, so müssen in der Stadt Erholung, Naturerleben undNaturschutz zusammen betrachtet werden.

Dieser Ansatz verschlechtert nicht den Arten- und Bio-topschutz, sondern macht deutlich, wofür wir ihn in derStadt betreiben: nicht allein um die Rettung der Arten vordem Aussterben kann es hier gehen, sondern darum Ar-

3 Wichtigkeit städtischer Freiflächen

Fast drei Viertel der Deutschen leben in Städten – mit steigender Tendenz. © BUND/Nehle Hoffer

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8 BUNDstandpunkt

tenvielfalt und Naturzusammenhänge erlebbar zu machen. Unter diesem Aspekt sind städtische Freiflächen auch einwichtiger Standortfaktor für innerstädtisches Wohnen.Durch solchermaßen attraktive Innenstädte kann der Ab-wanderungsdruck gesenkt und somit die Suburbani sierungvermindert werden. Siedlungsnahe Frei- und Grünflächenverbessern das Stadtklima und werten Wohnumfeld so-wie Standortqualität – auf. Verbesserungen in diesem Be-reich steigern die Lebensqualität, das Image und damitden Gesamtwert einer Kommune.

3.3 Bedeutung im Zeichen des KlimawandelsDie Städte sind Zentren des Energieverbrauchs und derCO2-Emission. Jede auf die Stadt bezogene Planung undMaßnahme muss eine Reduktion dieses Verbrauchsbzw. dieser Emission beinhalten oder ermöglichen.

Die Städte werden aber auch besonders unter der zu erwar -ten den globalen Erwärmung leiden, denn Städte habenihr eigenes Klima. Urbane Räume weisen eine im Mittelhöhere Temperatur gegenüber dem Umland auf. Diesestädtische Wärmeinsel kann mehrere Grad Celsius aus-machen und hat verschiedene Ursachen:

Versiegelte Flächen leiten Wärme schlechter ab. Bebau-te und betonierte Flächen heizen sich also bei Sonnen-einstrahlung stärker auf und speichern mehr Wärme alsdie Vegetation im Umland. Obwohl in engen Straßen-schluchten Düseneffekte für unangenehme Windeffektesorgen können, wirkt Bebauung in der Regel als Strö-mungshindernis für die Luftzirkulation, so dass kein Aus-tausch mit kühlerer Luft aus dem Umland stattfinden kann.

Ein weiteres Problem der Versiegelung: Regenwasser läuftmeist rasch in die Kanalisation ab, so dass wenig Ver duns -tungskälte entsteht. Auch das Fehlen von Vegetationmacht sich bemerkbar: Wo keine Pflanzen wachsen, bleibtauch der kühlende Verdunstungseffekt aus. Weniger Bäu-me bedeuten auch weniger Schatten, der vor Strahlungschützt.

Zusätzlich belastet anthropogene Wärmeerzeugung dieStadt. So tragen alle Energie verbrauchenden Prozesse

(Verkehr, industrielle Prozesse, Klimaanlagen, Heizungen)zusätzlich zur Erwärmung der Umgebungsluft bei.

Um der Wärmebelastung von Städten entgegenzuwirken,ist es notwendig, Frischluftschneisen und Grünflächen zuerhalten beziehungsweise im Rahmen künftiger Planungenauch neu zu schaffen. Parks, Wiesen oder Seen ermög-lichen die Bildung kühler Luft durch Verdunstung, zu-dem erlauben die Freiflächen einen Abtransport der Wär-me durch Wind. Auch in den Zentren der Städte muss esGrün geben. Dabei reichen einzelne Bäume jedoch nichtaus. Mittlere und größere Flächen sollten durch geschickteStadtplanung miteinander verbunden werden.

Da die im Zuge des Klimawandels lange bekannte kli ma -tische Belastungen der Innenstadt zunehmen werden, istein effektiveres Gegensteuern dringlicher denn je; all-mählich verstehen auch die Stadtplaner dieses Argumentfür Grünflächen.

3.4 Städtische Grünflächen – naturnah gestalten und pflegen

Für Planung und Gestaltung von Grünanlagen bedeutetdie gemeinsame Beachtung von Naturschutz und Erho-lung, dass in der Regel natürliche Prozesse gegenüber den„gärtnerischen“ Eingriffen dominieren müssen. So erlaubendie richtige Arten- und Sortenwahl und das Belassen vonTeilflächen in einer spontanen Sukzession eine nur ex-tensive Pflege und ermöglichen tatsächliche Naturer-lebnisse und nicht nur Erfahrungen der gärtnerischen Leis-tungsfähigkeit.

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9Stadtnaturschutz

4 Unsere Ziele für die städtischenLebensräume

4.1 Intensivierung der baulichen Nutzung –Nachverdichtung – Innenentwicklung –Leitbild „Kompakte Stadt”

4.1.1 Ziele und Hintergründe für die bevorzugte Innen-entwicklung

Weitere Siedlungsentwicklung sollte sich auf urbane Ker-ne konzentrieren und sich am Netz der öffentlichen Ver-kehrsmittel ausrichten um nicht weiterhin die freieLandschaft zu verbauen. Vorrangig geht es um „Flächen -recycling“, also die Wiedernutzung ehemals bebauter Flä-chen, und „Innenentwicklung“, die Nachverdichtungmin dergenutzter Flächen, wie sie zum Beispiel Flachbau-Gewerbegebiete, Viertel mit Zeilenbebauung der 50er Jah-re und Siedlungen freistehender Einfamilienhäuser dar-stellen.

Dabei ist diese Innenentwicklung zwangsläufig be-schränkt, denn auch die größten Brachflächenpotenzia-le sind irgendwann bebaut. Eine wirkliche Änderung lässt

sich nur erreichen, wenn das uns bekannte Wirtschafts-wachstum nicht mehr erstes Ideal des Wirtschaftens ist,sondern im Rahmen der begrenzten Ressourcen dieser Erdezu einer neuen Maxime findet. Flächenverbrauch und Bo-denversiegelung sind der augenfälligste Beweis dafür, dassständiges Wachstum auf der begrenzten Erde unmöglichist. Der BUND fordert aus diesen grundsätzlichen Aspektenheraus, dass brutto keine Neuversiegelung von Flächenmehr stattfindet („0-Hektar-Ziel“).

Die sozial verträgliche Mischung von Wohnen und Ge-werbe soll zur Stadt der kurzen Wege (zurück-)führen. DieAusrichtung der Siedlungsentwicklung am Netz des Öf-fentlichen Personennahverkehrs soll eine polyzentrischeStadtstruktur mit Subzentren ermöglichen.

Das Ziel sind verdichtete Stadtteile und Kleinstädte.

• Stadt-/Dorferneuerung hat Vorrang vor der Stadt-/Dorf-erweiterung,

Kleingärten haben bei naturnaher Gestaltung große Potenziale für Artenschutz und Biotopverbund. ∂© BUND Berlin/Feansen-Thiebes

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10 BUNDstandpunkt

• Durchsetzung von Baugeboten statt langfristige Hor-tung von Bauflächen

• Nachverdichtung durch Aufstockung und /oder Neu-aufteilung vorhandener Gebäude sowie durch dieSchließung von Baulücken

• Flächenrecycling von Altgewerbe und ehemaligenmilitärischen Liegenschaften. Zu dessen Förderung sindökonomische Steuerungsmodelle zu entwickeln.

• Mischgebiete aus Wohnen und Gewerbe statt mono-funktionaler Flächennutzungen

• Entwicklung von Stadtteilzentren in Großstädten mitöffentlichen und privaten Dienstleistungen mit kurzenWegen.

Ob zur Arbeit, in die Schule oder zum Einkaufen – in ei-ner kompakten Stadt sind die täglichen Wege relativ kurzund können oftmals zu Fuß oder mit dem Fahrrad be-wältigt werden. Im zersiedelten Umland hingegen sehensich viele Menschen gezwungen, einen Großteil der täg-lichen Wege im Auto zurückzulegen. Dies schadet nichtnur dem Klima, sondern trägt zum Bewegungsmangel derBevölkerung und der Entstehung von Volkskrankheitenwie Adipositas und Diabetes bei.

Zur Reduzierung des Energieverbrauches, des CO2-Aus-stoßes und zur Vermeidung motorisierten Individual-verkehrs werden kompakte Siedlungsstrukturen angestrebt,die Wohnen, Arbeiten, Versorgung und Erholung ge-währleisten. Dazu gehört eine synchrone Planung vonZentren und ÖPNV-Knoten. Zur Verbesserung der Dich-testruktur und zur Unterstützung der Zentrenfunktionensollen überall geeignete Dichtemodelle erarbeitet werden(„gerichtete Dichte“).

4.1.2 Ausreichende Freiflächenversorgung gewähr -leisten

Zu einem Leitbild der „kompakten Stadt“ gehört jedochauch, eine ausreichende Freiflächenversorgung sicher-zustellen und Überverdichtung zu vermeiden. Es gilt le-benswerte Strukturen zu schaffen – nicht zuletzt auch,um dadurch die Stadtflucht in die Ballungsraumrandzo-nen mit ihren negativen Folgen zu beenden. In Groß-

städten soll ein Netz von Grünzügen entwickelt werden.Modellprojekte zum verdichteten, flächensparendenBauen und ökologisch orientierte Stadtteilsanierungen inGründerzeitvierteln zeigen, dass auch in Vierteln mit Ge-schosswohnungsbau und verdichtet gebauten Reihen-häusern eine Mischung aus attraktiven öffentlichen, halb-öffentlichen und privaten Grünflächen möglich ist.

• Wirksame Umsetzung der Vorgaben der Landschafts-planung über die Bauleitplanung, statt sie in soge-nannten Abwägungsprozessen unter den Tisch fallenzu lassen, wie es zurzeit regelmäßig geschieht.

• Verdichtung in Grünflächendefizitgebieten nur beiSchaffung zusätzlicher Freiräume.

• Konsequente Nutzung von Flachdächern, Hinterhöfenund anderen geeigneten Strukturen (siehe Beispiel ausNew York unter 4.1.1) zur Schaffung neuer Grünzonen.

• In Städten mit schrumpfenden Einwohnerzahlen soll-ten freiwerdende Flächen bei der Freiraumplanung be-sonders berücksichtigt werden.

4.1.3 Konflikt Freiflächenerhalt und InnenentwicklungZwischen kompakter Bebauung und der Sicherung vonFreiflächen muss jeweils im Einzelfall abgewogen und dif-ferenziert werden. Es besteht durchaus die Gefahr, dassunter dem Deckmantel des Umwelt- und Naturschutzesmissbräuchlich nachverdichtet (oder überverdichtet)wird und dabei schutzwürdige Freiräume zerstört werden.Bei der Abwägung muss deshalb die besondere Funkti-on von Freiflächen für die Stadtökologie und die Lebens -qualität in der Stadt entsprechend vorrangig berücksichtigtwerden. Besondere Beachtung verdienen dabei die unterArten- und Biotopschutzaspekten wertvollen Stadtbiotope.

Weiterhin ist bei der Abwägung zu beachten, dass fuß-läufig erreichbare, zusammenhängende Freiräume unterdem Gesichtspunkt der Naherholung und für spontanesSpielen und Naturerleben für Kinder besonders wertvollsind.

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11Stadtnaturschutz

Der Erhalt von Grünflächen als Frischluftschneisen soll-te weiterhin auf der Grundlage lokalklimatischer Unter-suchungen bewertet werden.

Die positive Rolle von Kleingrünflächen bezüglich desLichteinfalls in Wohnungen sollte in der Abwägung be-sonders berücksichtigt werden.

Stadtentwicklung stellt einen dauerhaften Prozess dar, indem die ökologischen, volkswirtschaftlichen und sozia-len Zielvorstellungen gleichberechtigt miteinander ab-gestimmt werden müssen. Der Stadtnaturschutz ist dabeiein wesentlicher Bestandteil einer integrierten, nachhal-tigen Stadtplanung, zu der Klimaschutz, Luftreinhaltung,Energieeinsparung und andere Aspekte gehören.

Die Gratwanderung „dichte Stadt“ einerseits gegen „Frei-flächenversorgung“, „Wohnumfeldverbesserung“ oder„Schutz gefährdeter Arten“ andererseits stellt hohe An-forderungen an den zukünftigen Naturschutz in den Städ-ten. Aus diesem Grunde lehnt der BUND alle pauschalenRegelungen zur Vernachlässigung der Umweltprüfung inder Bauleitplanung ab (z.B. §1a BauGB).

4.1.4 Eingriffs-Ausgleichs-RegelungDie im Bundesnaturschutzgesetz festgelegten Ausgleichs -maßnahmen für Eingriffe in den Naturhaushalt müssendem originären Natur- und Artenschutz zugute kommen.Handelt es sich um einen finanziellen Ausgleich, dürfendie Mittel nicht für naturschutzfremde Zwecke eingesetztwerden (beispielsweise Parkbänke, asphaltierte Wege). DieAusgleichsmaßnahmen sollen den ursprünglichen Verlustkompensieren und qualitativ gleichwertige Refugienfördern – artifizielle Parklandschaften sind dabei nichtzweckdienlich.

Ein besseres Monitoring der Maßnahmen ist unabding-bar. Bislang wird ein großer Teil der Ausgleichsprojektenicht realisiert oder es wird kein Geld für Unterhal-tungsmaßnahmen eingeplant. Es ist keine Seltenheit, dassneu angelegte Flächen vertrocknen und junge Pflanzeneingehen. Wir fordern deswegen ein kontinuierliches Mo-

nitoring mit einer öffentlich einsehbaren Auflistung derangeordneten Kompensationsmaßnahmen.

Um Fehlplanungen zu vermeiden, sollten von vornhereinNaturschutzverbände an der Entscheidung beteiligt wer-den, in welchen Bereichen die Ausgleichsmittel Ver-wendung finden.

4.2 Bebaute Gebiete

4.2.1 WohngebieteDie Wohngebiete nehmen den überwiegenden Teil der be-bauten Stadt ein und stellen das alltägliche Umfeld derBewohner dar. Daher kommt der Natur in diesen Berei-chen besondere Bedeutung zu. Allerdings gibt es erheb-liche Unterschiede zwischen verschiedenen Stadtvierteln.

Im Einzelnen spielt die naturräumliche Ausstattung einegroße Rolle – vor allem für den Artenschutz, doch lässtsich aus Sicht des Umweltschutzes und der Erholungs-nutzung grob unterscheiden zwischen:

• den dicht bebauten, stark versiegelten Innenstadtbe-reichen mit – je nach Stadtentwicklung mittelalterlicherbis gründerzeitlicher Blockbebauung,

• den offeneren Bebauungen des Mietwohnungsbaus wieBlockrand-, Zeilen- und Hochhausbebauungen mit we -sent lich mehr wohnungsnahem Grün als die Blockbe-bauung und

• den Einzelhausbebauungen offener Bauweise mit Haus-gärten, die oft noch die frühere Nutzung erkennen las-sen (Waldsiedlungen, Obstbaumsiedlungen etc.).

Diese Wohnquartiertypen lassen sich in ihrer Artenzu-sammensetzung, ihrer charakteristischen Vegetation undihren typischen Böden, aber auch im Vorhandensein oderFehlen von Grünflächen deutlich voneinander abgrenzen.Die Grünflächen werden, beispielsweise nach dem Deut-schen Rat für Landespflege (2006), differenziert in:

• Unmittelbares Wohnumfeld (Garten, Fassade, Hof,Balkon)

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12 BUNDstandpunkt

• Wohngebietsbezogenes Grün (0,5 bis 5ha, 300–750mEntfernung, empfohlen: 6-7m² /Einw.)

• Siedlungsnahe Freiräume (mind. 10ha, 1000m Ent-fernung, empfohlen: 7m² /Einw.)

Das wohnungsunmittelbare Grün, das privat oder halb-öffentlich ist, ist sehr stark auf die eigentliche Baustrukturbezogen: Die Einzelhausbebauung mit umliegendenGärten ist naturgemäß am besten mit wohnunmittelba-ren Grün versorgt. Die offenere Bebauung des Miets-wohnungsbaus der 20er bis 80er Jahre mit Zeilenbe-bauung oder Hochhaussiedlungen lässt viel Abstandsgrün.Den dicht bebauten Innenstadtbereichen fehlt dies amdeutlichsten, da die enge Hofbebauung oder die ver-dichteten Kern- und Mischgebiete kaum Raum dafür las-sen. Aus diesem Grund ist der Nutzungsdruck auf das öf-fentliche Grün besonders hoch. Diese Gebiete haben dannmeist auch noch das größte Defizit an siedlungsnahen Frei-räumen und an wohngebietsbezogenem Grün. In Ein-zelfällen – beispielsweise in der Nähe von Parkanlagenoder bei alten Bauweisen mit großen begrünten Innen-höfen – kann sich die Situation auch mal anders darstellen.Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass viele Städte mitsiedlungsnahem und wohngebietsbezogenem Grün un-terversorgt sind.

Fassaden- und Dachbegrünungen können hier eine ge-wisse Kompensation leisten. Neben ihrer ästhetischen Wir-kung haben sie auch positive Effekte auf Umwelt und Klima. Die Pflanzen binden Staub, sorgen für Luftver-besserung und Kühlung. Gerade in Stadtvierteln mit ei-nem Mangel an Grünflächen verbirgt sich hier noch einPotenzial zur Verbesserung des Stadtklimas. Doch Fassa -denbegrünungen sind auch Lebensraum: Hier findet eineVielzahl von Insekten- und Vogelarten Brut- und Le-bensstätten vor. Dies kann erheblich zur Erhaltung vonArten beitragen. Gerade in Städten sind bewachsene Fassa -den und Dächer relevant als Elemente des Biotopver-bundes. Wenn auch Dach- und Fassadenbegrünungnicht die bodenständige, flächige Vegetation ersetzenkann, so sollte diese dennoch bei Baumaßnahmen in derInnenstadt prinzipiell verpflichtend werden.

In den dicht bebauten Innenstadtbereichen sind uns fol-gende Maßnahmen besonders wichtig:

• Innenverdichtung nur bei Erhalt wohnungsnahenGrüns, angemessener Versorgung mit Grünflächen füralte und neue Bewohner und nur bei einer Netto-Neu-versiegelung von „0“

• Aufwertung von Grün- und Freiflächen für den Natur -schutz und die naturnahe Erholung

• Hof- und Dachbegrünungen bei Neubauten und auchim Bestand

• Zulassung freier Sukzession auf Brachflächen als grü-ne Zwischennutzungen

• Erhalt wesentlicher, real als Freifläche genutzter Frei räu -me, auch wenn auf ihnen Bebauung geplant sein sollte

• Bessere Erreichbarkeit und Nutzungsmöglichkeit vonFreiräumen, indem umgebende Straßen passierbar ge-macht werden und ihre Lärmwirkung auf die Parkan-lage möglichst vermindert wird (Verkehrsaufkommen,Straßenbelag, Lärmschutz)

• Gleichzeitig weitestgehende Sperrung von Straßen, dieGrünzonen zerschneiden, oder Überbauung solcher Stra-ßen mit Grünbrücken

• Neue Parkanlagen in unterversorgten Gebieten, wobeiman auch ungewöhnliche Lösungen finden kann (zumBeispiel wurde in New York auf einer still gelegtenHochbahntrasse ein neuer Park eröffnet, statt dieTrasse abzureißen; dieser Park auf Stelzen ist inzwischeneine Touristenattraktion!)

• Da es nur begrenzt und nur langfristig möglich sein wird,mehr originäre Grünflächen zu schaffen, müssen die bis-herigen Freiflächen besser genutzt werden (Sportanla-gen mit längeren Öffnungszeiten, Verkehrsflächenstärker zu Gunsten der Fußgänger aufteilen, Straßen-bäume erhalten und den Bestand erweitern)

• Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, Einrichtungvon Wohnstraßen mit Rückbau und Begrünung der Stra-ßen.

• Einbeziehung naturnaher freier Spielmöglichkeitenfür Kinder in die Grünplanung.

Die offenen Bebauungen des Mietswohnungsbaus ver-langen vor allem:

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13Stadtnaturschutz

• Aufwertung der Freiflächen (Abstandsgrün) zur Erho-lungsnutzung und ökologische Aufwertung; Schaffungvon Mietergärten

• Verbindungen schaffen zwischen den Grünanlagen undin den Bereich stadtnaher Erholung (vor allem entlangvon Flüssen und Kanälen) – hier bietet das Grünwe-genetz im Ruhrgebiet gute Beispiele

• Offenhaltung bzw. Wiederherstellung von Frischluft-schneisen aus dem Umland

• Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, Einrichtungvon Wohnstraßen mit Rückbau und Begrünung der Stra-ßen.

• Einbeziehung naturnaher freier Spielmöglichkeitenfür Kinder in die Grünplanung

In den Einzelhausbebauungen sehen wir vor allem fol-genden Bedarf:

• Erhalt der naturnahen Reste im Siedlungsbereich, bei-spielsweise Pfuhle oder Waldreste und ihr Schutz vorVermüllung auch durch Gartenabfälle

• Keine Neuausweisung von Baugebieten für Einzelhäuser• Keine Ausweitung Flächen verbrauchender Einzel-

handelsstandorte• Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, Einrichtung

von Wohnstraßen mit Rückbau und Begrünung der Stra-ßen.

• Einbeziehung naturnaher freier Spielmöglichkeitenfür Kinder in die Grünplanung

4.2.2 GewerbeflächenDiese Nutzung weist sehr heterogene Strukturen auf: alte,mit großen Arealen ausgestattete Industrieflächen bis hinzu praktisch vollständig versiegelten Büro- und Einzel-handelsgebieten. Einflussmöglichkeiten bestehen faktischnur bei Neuausweisung von Gewerbegebieten; hier soll-te Wert gelegt werden auf:

• Ausweisung nur als Nachnutzung auf bereits über-prägten Böden

• Bauweise mit geringem Flächenverbrauch (mehrstöckig,Ausweisung einer Mindest-Geschossflächenzahl)

• Ausweisung nur bei guter Anbindung an den ÖPNV

• Reduzierung der Bereitstellungspflicht von Pkw-Stell-flächen im Falle kostenloser Ausgabe von ÖPNV-Fahr-scheine durch die Betriebe

• Reduzierung von Parkplatzflächen auf ein absolutes Mi-nimum, z.B. durch mehrgeschossige Parkflächen. BeiNeubauten sind Untergeschoße und Dachflächen alsParkflächen einzurichten, statt umgebende Flächen fürAutostellplätze zu verbrauchen. Parkflächen auf Dächernsollen zudem mit Überdachungen aus Sonnenkollek-toren versehen werden

• Verbindliche Dach- und Fassadenbegrünung, wo im-mer möglich

• Extensive Pflege bzw. Zulassung natürlicher Sukzes-sion auf unversiegelten Teilflächen der Gewerbe-grundstücke

• Ausweisung von vernetzten ungenutzten Grünschnei-sen zwischen den Gewerbegrundstücken

4.2.3 Brachen und SukzessionsflächenDie Stadt lebt von ständigen Veränderungen und so wer-den Flächen immer wieder umgenutzt, teilweise aber aucherst mal völlig aus der baulichen Nutzung genommen. Die-se Areale haben eine ganz besondere Bedeutung für denstädtischen Naturschutz bekommen: Sie zeigen, wie sichFlora und Fauna auch in städtischer Umgebung zu einerartenreichen, ästhetisch anspruchsvollen und für exten-sive Erholung gut nutzbaren Stadtlandschaft entwickelnkönnen.

Ziel muss es sein, große, wesentliche, für die Stadt unddie unmittelbare Umgebung als Freifläche bedeutsame oderfür den Artenschutz wichtige Flächen zu erhalten.

Darüber hinaus sollten diese Erfahrungen genutzt wer-den, auch auf kleineren Brachen spontane Vegetationsent -wicklung zuzulassen und Formen zu finden, wie diese mitErholungsnutzung und freien Kinderspielmöglichkeitenzu verbinden ist. Hilfreich sind hier neue Konzepte wiedas der Naturerfahrungsräume.

Notwendig sind auch Lösungen, wie diese Nutzung in ei-ner dynamischen Stadt als explizite Zwischennutzung füreinen „Naturschutz auf Zeit“ zu gestalten ist, um einer-

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14 BUNDstandpunkt

seits auf solchen Flächen eine spätere bauliche Nutzungnicht auszuschließen und sie andererseits tatsächlich füreine zeitlich begrenzte Naturentwicklung zu nutzen. Aufdiese Weise kann die Akzeptanz für diese Zwischennut-zungen erhöht werden.

• Langfristiger Erhalt von großen, stadttypischen Brach-flächen, die eventuell auch zu Naherholungszonen he-rangezogen werden können

• Ermöglichen einer naturschutzrelevanten Zwischen-nutzung von Brachflächen inklusive altem, auch leerstehendem oder baufälligen Gebäudebestand (Fleder-mausquartiere, Vogelbrutplätze); hierfür muss aber eineRegelung gefunden werden, wie zwischenzeitlich ent-standener „Naturwert“ eine spätere Bebauung trotzdemermöglicht und möglichst eine Abwanderung der be-troffenen Arten auf inzwischen neu entstandene Frei-flächen zulässt.

4.2.4 VerkehrswegeNeben der Gebäudemasse sind die Verkehrswege prägendfür die Stadt. Diese haben sich aber durch den Autover-kehr von Verbindungssträngen zwischen den Menschenzu Barrieren entwickelt, die nicht nur Stadtquartiere von-einander trennen, sondern aufgrund ihres Gefährdungs-potentials die Spielmöglichkeiten der Stadtkinder im Frei-en massiv eingeschränkt haben. Da auch Wohngebiete vonihren Grünflächen getrennt und Grünflächen durch denVerkehrslärm für die Erholungsnutzung degradiert wer-den, spielt die Verkehrsfrage auch für den Naturschutzeine große Rolle.

• Gestaltung der Straßen an Grünanlagen so, dass die-se die Grünanlagen weder absperren, zerschneiden, nochdurch Lärm praktisch unbrauchbar machen – Verlegungnotwendiger Straßen in Tunnel oder Überbauung mitgrünbrückenartigen Strukturen

• Extensivierung der Pflege des sog. Straßenbegleitgrünszum Teil mit gezielter Aussaat und Duldung der Wild-pflanzen.

• Durch Umsetzung der Verkehrsforderungen des BUNDviele Stadtstraßen wieder zu Lebensräumen für die Be-wohner machen und neue Funktionen – wie zum Bei-

spiel Frischluftschneisen – eröffnen. Dann machen auchPflanzungen an Straßen und Plätzen in Verbindung mitVerkehrsberuhigungsmaßnahmen, Straßenrückbau undUmwidmung zu Wohnstraßen wieder richtig Sinn.

• Um auch dicht bebaute Innenstädte mit mehr begrün-ten Freiräumen ausstatten zu können, sollten Zu-fahrtstraßen in die Stadtzentren grundsätzlich nichtdurchgängig sein, sondern an Parkhäusern enden. Fern-halten des Durchgangsverkehrs sollte durch Ringstra-ßen vom Stadtkernbereich werden, so dass ein Stadt-zentrum ohne Autoverkehr möglich wird.

• Aufbau eines Leihgepäckwagensystem in der autofreienStadtzone, so dass auch umfangreichere Einkäufe er-möglicht werden, ohne mit dem Auto vorfahren zu müs-sen.

• Die mit Hilfe oben genannter Maßnahmen verkehrs-beruhigten Straßenzüge sind konsequent mit begrün-ten Ruhe- und Rastbereichen auszustatten.

4.3 Bäume, Parks und Gewässer

4.3.1 Stadtbäume und warum sie unseren Schutz brau-chen

Straßenbäume, als heraus ragende natürliche Elementeim Straßenraum, unterliegen in der Zahl zwar denPark- und Gartenbäumen, haben für die Stadt aber we-gen ihrer Exponiertheit eine besonders große Bedeutung:sie sind im alltäglichen Leben unmittelbar erlebbar, siespenden in heißen Sommern Schatten, lassen die Jah-reszeiten erleben und sind Lebensort für Tiere und in ih-ren Baumscheiben auch für weitere Pflanzen.

Dies macht sie für viele Stadtbewohner zu einem Kristal -li sationspunkt für Naturschutzbewusstsein. MangelndePflege durch die zuständigen Ämter und schlechteBehand lung bei Baumaßnahmen ist ein ständig wieder-kehrender Reibungspunkt zwischen Bürgern und Ämtern.

Da Bäume bis zur vollen Entfaltung ihrer Wohlfahrts-wirkungen Jahrzehnte benötigen, ist dem Schutz alter Bäu-me absoluten Vorrang vor Nachpflanzungen einzuräumen.

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15Stadtnaturschutz

Städtischer Naturschutz setzt sich gerade aus diesen fürden Bürger unmittelbar erfahrbarem Naturerlebnis für Er-halt und sorgsame Pflege von Straßenbäumen samt ih-rer Baumscheibe ein.

• Erhalt der Straßenbäume durch bessere Pflege und scho-nendere Behandlung

• Baumschutzverordnungen bzw. -satzungen müssen sogestaltet sein und so umgesetzt werden, dass sie eineneffektiven Erhalt des Baumbestandes sichern

• Führen eines kommunalen Baumkatasters um die Bestandesentwicklung zu erkennen und zu dokumen-tieren

• Sachgemäße Nachpflanzung bei Ausfällen• Neupflanzung an neu angelegten Straßen und – wo ir-

gend möglich – an existierenden, baumlosen Straßen.

Bei Neupflanzungen muss entsprechendes Augenmerk aufdie Auswahl der Baumarten gelegt werden. Diese solltendem Stadtklima angepasst sein und den höheren Tem-peraturen, Trockenperioden und Belastungen durch Ab-gase standhalten können

4.3.2 GrünstreifenGrünstreifen am Rand von Straßen und Wegen haben alsStandorte von Wildpflanzen in der Stadt (einschließlichvon Straßenbäumen) und als Lebensräume für davon ab-hängige Insekten eine nicht zu unterschätzende tat-sächliche oder potentielle Bedeutung. Durch ihre linien-hafte Struktur kommt ihnen u.U. eine biologische Ver-netzungsfunktion zwischen innerstädtischen Freiräumenund zur freien Landschaft zu.

Entlang von Fußwegen und Wohnhäusern bieten sie An-wohnern und Passanten Gelegenheit spontan aufge-wachsene oder durch Aussaat geförderte Wildgräser undWildkräuter zu erleben, sofern die Streifen nicht inten-siv gemäht oder zugeparkt werden. In einigen Städten ha-ben Anwohner sogar Patenschaften für den Erhalt unddie Pflege des naturnahen Grünstreifens vor ihrem Hausübernommen.

Der BUND setzt sich dafür ein, dass• Grünstreifen und Verkehrsinseln von den zuständigen

Ämtern als Standorte von Wildpflanzen durch eine för-dernde Pflege entwickelt und erhalten werden.

• Grünstreifen nicht zu Parkstreifen umgewandelt und ge-gen illegales Parken gesichert werden.

• Die Bereitschaft von Naturfreunden und Anwohnern zurnaturnahen Entwicklung und Pflege von Grünstreifengenutzt und gefördert wird, z.B. durch das Anbieten vonPatenschaften.

4.3.3 ParkanlagenParkanlagen haben auf Grund ihrer Größe, Historie, Nut-zung und Lage im Stadtgebiet eine sehr unterschiedlicheCharakteristik, die nicht mit einheitlichen Maßnahmen-katalogen oder Pflege-konzepten abzudecken ist. Dennochgibt es für den BUND wesentliche gemeinsame Ziele fürdiesen Bereich:

• Wo möglich Einbeziehen der Nachbarschaft in die Pfle-ge der Grünanlagen z.B. durch Patenschaften von Bür-gergruppen

• Erhalt niedrigastiger Bäume als Kletterbäume• Ausreichende personelle, finanzielle und geeignete ma-

terielle Ausstattung der Gartenbauämter zur sachge-mäßen, vorrangig extensiven Pflege der Grünanlagen

• Zur Erhöhung des Naturschutzwertes der GrünanlagenUmsetzung einer möglichst naturnahen Pflege unterVerzicht auf Chemiedüngern und Pestiziden, ggf. in Ver-bindung mit einer naturnahen Umgestaltung

• Umwandlung aller nicht als Liege- und Picknickflächenbenötigten Rasen in Wiesen, unter Umständen mit Ein-führung geeigneter Weidesysteme, wie zum Beispiel dieWanderschäferei auf der Panzerwiese in München

• Wo möglich kranke und abgestorbene alte Parkbäumeals Habitatbäume möglichst stehen lassen und absichern(z.B. als Hochstumpf)

4.3.4 Gartendenkmal- und NaturschutzHistorische Parkanlagen haben häufig eine herausragendeBedeutung für den Naturschutz. Hier finden sich nochJahrhunderte alte Baumbestände, die in forstwirtschaft-lichen Flächen oft gar nicht mehr anzutreffen sind. Sie

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16 BUNDstandpunkt

stellen besondere Lebensbereiche und Rückzugsnischenfür Flora und Fauna dar und haben nicht selten hohe Be-deutung für den (gesetzlichen) Artenschutz. Sie solltendeshalb besonders geschützt werden. Ein besseres Alt-baummanagement (Belassen von liegenden und stehen-den abgestorbenen Bäumen, eventuell Wegeverlegung beinicht ausreichender Verkehrssicherheit, Kennzeichnungund Sicherung von Bäumen mit Biotopholzstrukturen alsLebensraum seltener und streng geschützter Arten) sichertund bereichert die Artenvielfalt und ist oft aus Gründendes gesetzlichen Artenschutzes zwingend. Entsprechen-de Schutzmaßnahmen werden von den meisten Parkbe-nutzern nicht als störend wahrgenommen, vor allem, wennsie den Menschen erläutert werden.

(Garten-) Denkmalschutz und Naturschutz werden häu-fig als Gegensätze wahrgenommen. In der Praxis über-schneiden sich die Kompetenzen beider Fachbereiche undbringen so Missverständnisse oder sogar Misstrauen zwi-schen den jeweils zuständigen Behörden mit sich.

• Der BUND setzt sich für Konfliktlösungen zwischen Na-turschutz und Denkmalpflege in historischen Parkan-lagen ein und sucht in einem aktuellen Kooperations-projekt nach Lösungen, wie beides in der täglichen Park-pflege erfolgreich umgesetzt werden kann.

• Die Gartendenkmalpflege muss so gestaltet werden, dasssie dem Natur- und Artenschutzrecht und den Nut-zungsinteressen nicht entgegenläuft

4.3.5 Kleingärten und Community GardeningKleingärten wurden lange Zeit als wenig relevant für denstädtischen Naturschutz angesehen, da die konkrete Nut-zung, die intensive Pflege und die oft abgeschlosseneStruktur den Wert für den Artenschutz und für die Er-holung durch Dritte deutlich senkte. Doch sowohl in derGestaltung der Kleingärten als auch in der Betrach-tungsweise des Naturschutzes haben sich inzwischen neueErkenntnisse und Bewertungen durchgesetzt. So sieht auchder BUND durchaus positive Aspekte in Kleingärten undfordert:

• Erhalt aller vorhandenen Kleingärten, sofern nicht Naturschutzbelange dagegen sprechen

• Bei bereits praktizierte Wohnnutzung und entsprechen -der baulicher Gestaltung: Umwidmung in Wohngebietgeringer Dichte (die nicht unproblematische nach-trägliche Legalisierung ist immer noch besser als fak -ti sche Einzelhaussiedlungen, die den planungsrechtli-chen Status von Kleingärten haben und deswegen beider Infrastruktur (Schulen, Kindergärten, Abwasser etc.)nicht richtig berücksichtigt werden.)

• Förderung Interkultureller Gärten• Förderung naturnaher Bewirtschaftung und Nutzung der

Kleingärten• Einbindung in Grünverbindungen und bessere Durch-

wegung der Kleingärten

4.3.6 Guerilla GardeningEine neue, in Nordamerika unter dem Namen „GuerillaGardening“ entstandene Bewegung hat auch in Deutsch-land Anhänger gefunden. Darunter versteht man einer-seits die Besetzung ungenutzter städtischer Freiflächenmit dem Ziel, Kleingärten für die Besetzer anzulegen, ande-rerseits das Ausstreuen von Zierblumensamen (in der Re-gel, indem sogenannte „Seed Bombs“ – mit Samenmi-schungen gefüllte, angefeuchtete Papiertüten – aus fah-renden Autos geworfen werden) zur Verschönerung vonals hässlich empfundener Brachflächen. Diese Praktikenwerden in weiten Kreisen – auch von Naturschützern -als spontaner Ausdruck eines neuen städtischen Natur-gefühls gefeiert. Aus Naturschutzsicht sind sie jedoch nichtunproblematisch, da Brachflächen einen hohen Wert als

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17Stadtnaturschutz

Naturraum haben können. Werden solche Flächen unkon-trolliert zu Gartenbauzwecken umgebrochen, gehen sieals Lebensraum für mitunter bedeutsame Tier- undPflanzenbestände verloren, so daß derartige Landnahmennicht immer unwidersprochen bleiben dürfen.

Noch bedenklicher ist das Werfen von „Seed Bombs“, dafast immer die Samen gezüchteter Zierpflanzen benutztwerden. Das Problem liegt hier weniger bei exotischenArten, die in der Regel bald wieder verschwinden, son-dern bei den Zuchtsorten einheimischer Arten, die sichfrei mit ihren Wildformen vermischen und damit sowohldas Erscheinungsbild der jeweiligen Arten ändern als auchihre Vitalität herunter setzen können. So gibt es durch-aus bereits städtische Bereiche, in denen Klatschmohn undKornblumen fast nur noch in Gartenformen und kaumnoch als Wildformen vorkommen.

Dementsprechend ist eine differenzierte Bewertung von Ak-tivitäten des „Guerilla Gardenings“ durch den Naturschutzdringend geboten: wir begrüßen dieses Interesse und Enga -ge ment für die Natur in der Stadt und suchen in konstruk -tiver Kooperation mit den Akteuren des Guerilla Garde-ning Aspekte des Naturschutzes in diese Aktivitäten zu in-tegrieren.

4.3.7 Gewässer schützen und erlebbar machenUnter den städtischen Gewässern finden sich neben selte -nen Teilen der ursprünglichen Naturlandschaft, vor al-lem Teiche, Kanäle und begradigte und befestigte Flüs-se. In diesen städtisch überprägten Bereichen gilt es, Erho -lungsfunktionen mit einem Maximum an natürlichenFunktionen zu sichern; hierbei sind die Anforderungender EU Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) eine gute Un-terstützung, da sie die Aufmerksamkeit nicht nur auf dieQualität des Wasserkörpers sondern auch auf die Quali-tät der Gewässerufer und ihrer Umgebung lenkt.

Diese Uferbereiche sind wichtig für die Erholung und dieIdentifikation mit dem Wohnquartier, bei Fließgewässernund teilweise auch Kanälen verbinden sie Biotope mit-einander, wirken als Frischluftschneisen und ermöglichenauch Grünverbindungen für Fußgänger und Radfahrer.

Aus diesem Grund fordert der BUND:• Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität ent-

sprechend den Vorgaben der EU-WRRL • Effektive Renaturierung der Fließgewässer im Rahmen

der EU-WRRL• Beseitigung von Querbauwerken oder – wenn das nicht

möglich ist – Einbau von Fisch-treppen und anderenHilfen für Otter und Biber

• Grundsätzliches Freihalten der Uferbereiche von Bebau -ung und Versiegelung; Erhalt bzw. Schaffen deröffent lichen Nutzung und als Biotopverbindung

• Neuanlage von der Sukzession überlassenen Inseln inoffeneren Gewässern im Stadtbereich (insbesondere sol-chen, die von, balkonartig verbauten Uferpromenadengesäumt werden), die gleichermaßen als störungsarmeFreiräume für Pflanzen und Tiere dienen und als natür -liche Kulisse die Aussicht vom verbauten Ufer berei-chern.

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18 BUNDstandpunkt

5.1 Sind Städte artenreicher als das platteLand?

Immer wieder wird die hohe Artenvielfalt von urbanenRäumen im Vergleich zum intensiv landwirtschaftlich ge-nutzten Umland angeführt1. Städten wird nachgesagt, eine„Insel der Vielfalt in einem Meer der Monotonie“ zu sein.Doch zum einen ist diese These fraglich, da sie z.B. dieArtenvielfalt der meist wirbellosen Bodenorganismen nichtberücksichtigt, die im Prinzip zwar weniger sichtbar, aberviel größer ist als die der augenfälligen Wirbeltiere; zumanderen hält diese These einer ernsthaften Nachprüfungauch bezogen auf die angeführten Tier- und Pflanzen-gruppen nicht stand (es besteht kein höherer Arten-reichtum im städtischen Raum als im Umland2); zum an-deren ist zu fragen was diese Argumentation überhauptbedeutet? Dazu Folgendes:

Bezogen auf die reine Artenzahl schneidet ein Kleingar-tengelände wohl besser ab als ein Hochmoorgebiet, dochdamit ist es für den Naturschutz nicht wertvoller. Auchwenn gerne mit Biodiversität argumentiert wird – eine

hohe Artenzahl ist nicht per se ein Qualitätsmerkmal. Siekann im Gegenteil auch auf einen beeinträchtigten, natur -fernen Lebensraum hinweisen („Störungszeiger“), der un-ter ständigen menschlichen Eingriffen steht. Andere Natur -schutzkriterien sind ebenso wichtig oder zum Teil sogarbesser geeignet, eine Fläche zu bewerten. Dazu gehörenneben der biotopspezifischen Artenzahl auch die Anzahlgefährdeter oder endemischer Arten oder Merkmale wieNaturnähe.

Die behauptete relativ hohe Biodiversität in urbanen Räu-men ist teilweise historisch begründet. So wurden Groß-städte häufig an Flüssen und klimatisch günstigen Lagengegründet. Dort finden nicht nur Menschen, sondern auchviele Tier- und Pflanzenarten günstige Standortfaktorenvor. Gleichzeitig ist „Stadt“ eine willkürlich abgegrenz-te Verwaltungseinheit, keine Nutzungs- oder Natur-raumgrenze: Stadt besteht immer auch aus ländlichen Flä-chennutzungen. Dazu bewirkt die erwähnte Mosaikstrukturvon urbanen Räumen ein ganzes Muster kleinteiliger Flä-chen, die eine unterschiedliche Besiedlung von Flora und

5 Artenschutz in urbanen Räumen

1 Reichholf, J.H.,2007: Stadtnatur.Eine neue Heimatfür Tiere und Pflan-zen. 318 S. Mün-chen

2 WissenschaftlichePrüfung der Thesenvon Prof. Reichholfzum Naturschutz inder Stadt. Studie imAuftrag des BundNaturschutz in Bay-ern, Landesfachge-schäftsstelle Nürn-berg (in Arbeit)

Städtische Spontanvegetation ist auch für die Insektenfauna wichtige Nahrungsquelle. © BUND Berlin/Faensen-Thiebes

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Fauna zeigen. Schon rein rechnerisch muss eine Groß-stadt als Konglomerat fast aller menschlichen Nut-zungstypen daher eine hohe Artenzahl aufweisen. Hin-zu kommen völlig neuartige Biotope, die es in der vor-herigen Naturlandschaft überhaupt nicht gegeben hat, unddie mit ihren „exotischen“ Umweltbedingungen unge-wöhnliche, neue Lebensgemeinschaften zur Entwicklungkommen lassen, zum Beispiel Abraumhalden, Hafenflä-chen, Straßenränder, Schotterflächen der Bahngleise, Kies-gruben u.v.m. Diese künstlich geschaffenen, meist nähr-stoffarmen Flächen bieten konkurrenzschwachen ArtenÜberlebensmöglichkeiten, die sie in der eutrophiertenAgrarlandschaft kaum noch finden (z.B. Trockenrasen).Dazu kommen Flächen mit einer langen Nutzungskon-stanz hinsichtlich der Grünpflege wie z.B. Parks und Fried-höfe, wo Bäume alt werden konnten, Wiesen und Rasengleichförmig gemäht wurden und so artenreiche Lebens -gemeinschaften erhalten blieben.

Der behauptete Artenreichtum ist zum einen fraglich re-sultiert also aus der Mischung der Flächennutzungen.

Des Weiteren macht sich bemerkbar, dass in Städten nichtgejagt wird. Dies führt nicht nur zu einem relativ hohenWildbestand, sondern auch zu weniger Scheu bei den In-dividuen („Insel des Friedens“). Zudem herrscht in Städ-ten meist ein hohes Nahrungsangebot durch Abfälle, Zu-fütterung, etc.

Zum Schutz unserer Biodiversität müssen deswegen auchkünftig vor allem Agrar- und Forstflächen sowie die groß-räumigen nutzungsfreien Regionen in ihrer Nutzung undBearbeitung diesen Schutz einschließen. Städte spieleneine Rolle für den Schutz der Arten, die genau auf die-sen Lebensraum angewiesen sind.

5.2 Städtische Strategien für biologischeVielfalt und Biotopvernetzung –Stadtbiotopkartierungen

Grundlage für den Arten- und Biotopschutz sollte eineflächendeckende Stadtbiotopkartierung sein. Diese wur-den bis 1993 fast ausschließlich zur Auffindung wertvollerFlächen für den Arten- und Biotopschutz durchgeführt.

Tatsächlich macht die Beschäftigung mit besondersschutzwürdigen Arten und Biotopen nur einen Teil derNaturschutzaktivitäten in der Stadt aus. Städtischer Naturschutz ist nicht auf den Arten- und Biotopschutzper Gebietsschutz reduziert, sondern versucht günstigeRahmenbedingungen für die Naturentwicklung in der gan-zen Stadt auch ohne ein grundsätzliches Infragestellender städtischen Nutzung zu fördern.

• Stadtbiotope sollten flächendeckend-repräsentativ stattwie bisher meist selektiv kartiert werden, d.h. exempla -rische Kartierungen repräsentativer, typischer Biotopeeines jeden Biotoptyps.

• Wenigstens die großen Städte sollten eine Strategie zurSicherung und Entwicklung ihrer Biodiversität aufstellenund in die allgemeine Stadtplanung bindend integrie-ren. Diese sollten das gesamte Stadtgebiet umfassen, alsoauch den bebauten Bereich. Darin müssen Artenschutz -programme und Konzepte der Biotopvernetzung ent-halten sein. Letztere sind in der Stadt besonders wich-tig, da wegen der Mosaikstruktur der Stadt und den zahl-reichen Barrieren (stark befahrene Straßen, massive Ge -bäu deriegel), die einzelnen Biotope mit ihren Popula-tionen besonders stark isoliert sein können.

• Sofern nicht Aspekte des Denkmalschutzes dem ent-gegen stehen, sollten schräge Dachflächen zur Ener-giegewinnung, flache Dachflächen für Begrünung he-ran gezogen werden. Dementsprechend Anlage eines Ka-tasters der für Energiegewinnung, Naherholung oderBiodiversitätsschutz nutzbaren Dachflächen; Einführungentsprechender Förderprogramme und Sanktionie-rungsmöglichkeiten.

• Darauf beruhend Begrünung vorhandener Bausubstanzunter Berücksichtigung wünschenswerter Bewahrunghistorischer Baustile.

• Genehmigung von Neubauten in der Regel nur mit Fas-saden- bzw Dachbegrünung.

5.3 Umgang mit gebietsfremden ArtenStädte zeichnen sich durch einen hohen Anteil an Artenaus, die erst spät durch den Menschen in dieses Gebieteingebracht wurden und nicht ursprünglich heimisch sind(gebietsfremde Arten, Neobiota). Diese sind durch den Wa-

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20 BUNDstandpunkt

renverkehr oder über die Verwendung als Zierpflanzenbe-absichtigt oder unbeabsichtigt eingeschleppt undfinden in den Städten die für sie günstigen Standorte vor.Vor allem Neophyten – Pflanzen die erst seit Beginn des16. Jahrhunderts in Mitteleuropa eingewandert sind – wer-den bisweilen als Naturschutzproblem angesehen. AufStadtbrachen beträgt ihr Anteil zuweilen 30 Prozent derVegetation, da sie oft besser als die heimischen Arten andie städtischen Störungen, Bodenveränderungen und dastypische Wärme-Insel-Klima angepasst sind. Viele die-ser Arten kommen gerade wegen dieser erhöhten Jah-resmitteltemperaturen nur in Großstädten vor. Zwar gibtes z.B. mit Ambrosia artemisifolia durchaus Gesundheits -probleme (stark allergene Pollen), die allermeisten Neo -phyten, die sich bei uns ansiedeln konnten, haben aberkeine erkennbaren negativen Auswirkungen auf unsereNatur oder Gesundheit.

• Neophyten sollten in der Regel als stadttypische Artenvom Naturschutz nicht nur zu akzeptieren werden, son-dern naturinteressierten Stadtbewohnern als Identifi-kationsobjekt nahe gebracht werden – nicht zuletzt we-gen ihrer meist faszinierenden Einwanderungs-ge-schichte, ihrer erstaunlichen Überlebensstrategien in derStadt und ihres oft erfreulichen Blühaspekts. Außerhalbvon Städten kann die Bewertung durchaus auch anderssein.

• Manche Arten sind jedoch wegen ihres Ausbreitungs-potenzials naturschutzfachlich problematisch und ins-gesamt wird die Förderung ihrer Verbreitung durch denBUND abgelehnt. Auch für private Gärten fördern wirim Gegenteil die Kultivierung heimischer Arten, die nichtnur eine bessere Basis für die heimische Fauna bietet,sondern auch das Bewusstsein für die Bedeutung desNaturschutzes fördert. In Ausnahmefällen ist es sogarsinnvoll, seltene oder schön blühende heimische Artenzu kultivieren, und dann deren Samen wieder auf ver-armten städtischen Wiesen auszubringen.

• Neophyten können auf naturfremden industriell-urbanenRuderalstandorten eine besondere Bedeutung als Pio-nierpflanzen bekommen, da sie den dort herrschenden„exotischen“ Lebensbedingungen oft besser gewachsensind als einheimische Arten. So können sie eine Suk-

zession einleiten, in deren weiteren Verlauf nach undnach wieder Lebensbedingungen und Artengemein-schaften einkehren, die eher der heimischen Natur ent-sprechen.

• Unter bestimmten Umständen, zum Beispiel unter be-engten Verhältnissen können immergrüne Sträucher undBäume als Sichtschutz oder zur Kaschierung hässlicherBaulichkeiten sowie Kletterpflanzen für die Fassaden-begrünung wichtig sein. Da bei solchen Pflanzen dasheimische Artenspektrum besonders gering ist, muß hierbei Pflanzungen auch auf exotische Arten zurück ge-griffen werden können.

5.4 Bauliche Auflagen: Schutz fürGebäudebrüter

Spezifisch für den städtischen Artenschutz ist der Schutzder Gebäudebrüter. Mauersegler, aber auch andere Ge-bäude bewohnende Vogel- und Fledermausarten wieHaussperling, Hausrotschwanz, Zwerg- und Breitflügel-fledermaus sind sehr standorttreu. Sie haben sich nachdem Verlust ihrer natürlichen Brutplätze (alte Buchen-und Eichenbestände mit Spechthöhlen in naturnahen Wäl-dern) als Kulturfolger an unsere Städte gut angepasst undhier einen neuen Lebensraum unter und in Dächern, hin-ter Fassadenverkleidungen oder in Ritzen im Mauerwerkgefunden. Doch mittlerweile sind auch diese Brut- undSchlafplätze an Gebäuden in unseren Städten in Gefahr:Sanierungsarbeiten sind zwar unstrittig sinnvoll und not-wendig, ebenso Dachausbauten und natürlich Wärme-dämmung von Fassaden, die wiederum zum Klimaschutzbeiträgt. Durch Sanierung und Wärmedämmung von Ge-bäuden dürfen die Quartiere der Gebäudebrüter jedochnicht verloren gehen.

• Bei allen Modernisierungsmaßnahmen gilt es Nistplätzevon Fledermäusen, Mauerseglern und anderen Ge-bäudebrütern wo immer möglich zu erhalten und neueQuartiere für Gebäude bewohnende Arten gezielt zuschaffen. Damit sollen die Bestandsverluste der sehrstandorttreuen, nützlichen und streng geschütztenTiere aufgehalten werden.

• Auch Flachdächer, die nicht für öffentliche Dachgär-ten in Frage kommen, sollen als Trittsteinbiotope her-

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gerichtet werden; so haben Nachtschwalben in Nord-amerika ausgerechnet auf kiesgedeckten Hochhaus-flachdächern einen wichtigen Sekundärlebensraum ge-funden! Ein gutes botanisches Beispiel bieten die Flach-dächer des Flughafens Bremen, das mit einem Umwelt-preis prämiert wurde.

5.5 Naturfreundliche BeleuchtungNächtliches Kunstlicht beeinträchtigt den Schlaf und dieGesundheit von betroffenen Bürgern und schadet dane-ben zahlreichen nachtaktiven Organismen. Urbane Räu-me kommen nicht ohne Beleuchtung aus, doch ein moder -nes Beleuchtungskonzept, das den Prinzipien der Nach-haltigkeit verpflichtet ist, sollte grundsätzlich mindestensfolgende Ziele verfolgen:

• Reduktion des Energieverbrauchs• Erhalt nächtlicher Dunkelheit an und in Wohngebäu-

den• Schutz von nachtaktiven Insekten, Fledermäusen und

Zugvögeln vor zu viel Kunstlicht

Um diesen Zielen gerecht zu werden plädiert der BUNDdafür:

• langfristig auf LED-Beleuchtung umzusteigen,• Auf Halogen-Metalldampflampen gänzlich zu verzichten• Als Übergangs- oder Kompromisslösung Natrium-

dampf-Hochdrucklampen zu verwenden• Künstliche Beleuchtung in Grünflächen und Gewässer -

nähe zu unterlassen• Nach oben strahlende Scheinwerfer – z.B. für die Illu -

mination von Baudenkmälern – durch weniger streu-ende Beleuchtung zu ersetzen oder ganz zu vermeiden

• Laserstrahler in den Nachthimmel generell zu verbie-ten und nur bei besonderen Veranstaltungen per Aus-nahmegenehmigung zu erlauben

5.6 StreusalzUm Schnee und Eisglätte im Winter zu begegnen, wer-den häufig immer noch Streusalz oder andere Taumitteleingesetzt. Deren Einsatz auf Bürgersteigen und Grund-stücken ist jedoch in vielen Städten und Gemeinden ver-boten. Aus gutem Grund: Die Salze schädigen Bäume undandere Pflanzen, Tiere, Boden, Grundwasser und verur-sachen zudem Schäden an Häusern und Fahrzeugen. Be-sonders salzempfindlich sind Ahorn, Linde, Rosskastanie,Roteiche, Fichte und Douglasie. Die Ergebnisse desStreusalzeinsatzes zeigen sich meist erst im Sommer, wennsich Blätter an den Rändern braun verfärben oder Bäu-me einen vertrockneten Eindruck machen. Vergiftungendurch Salz, weniger Nährstoffe und Wasser machen dieBäume zudem anfälliger für Infektionen durch Pilze undBakterien. Des Weiteren stellt Streusalz eine Gefahr fürdas Grundwasser dar: Durch versickerndes Wasser im Bo-den und über defekte Rohre des Abwasserkanalsystemsgelangt es rasch dorthin. Streusalz kann sehr aggressivwirken. So führt es bei Hunden und anderen Haustierenzu Entzündungen an Pfoten und Augen.

• Um solche Schäden zu vermeiden, sollte der Einsatz vonStreusalz im privaten Bereich flächendeckend verbo-ten und sonst nur auf Extremsituationen beschränktwerden.

21Stadtnaturschutz

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22 BUNDstandpunkt

6.1 Wo kann der BUND eingreifenStärker noch als im ländlichen Bereich liegt das Schwer-gewicht weniger auf eigener Gestaltung auf eigenen Flä-chen als darin, Einfluss auf die „Flächennutzer“ zu neh-men. Der Nutzungsdruck ist in Städten zu hoch und dieGrundstückspreise zu teuer als dass der BUND auf eige-nen Flächen zeigen könnte, wie Stadtnaturschutz aussehensoll. Dennoch brauchen wir nicht tatenlos zusehen, dennes gibt viele Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen.

6.2 Stadtplanung, Landschaftsplanung undEingriffsregelung

Der Nutzung und Gestaltung der Flächen sind dem Eigen -tümer durch Gesetze und Vorgaben der Stadtplanung Gren -zen gesetzt, die das Interesse des Gemeinwohls sichern sol-len. Im Rahmen der Bauleitplanung (Aufstellung des Flächennutzungsplans und der Bebauungspläne) und derLandschaftsplanung (Aufstellung von Landschafts- undGrünordnungsplänen) sind im Prinzip Bürgerbeteiligun-gen und Umweltprüfungen vorgesehen. In diesem Rah-men lassen sich die hier aufgeführten Ziele prinzipiell ein-bringen, wobei jedoch in der Realität deutliche Einschrän -

kungen zu sehen sind, die im Rahmen besserer Parti -zipation unbedingt abgebaut werden müssen. Auch fin-det ein kontinuierlicher Abbau der Landschaftsplanungstatt. Weiterhin unterliegen in der Bauleitplanung die Zie-le und Aussagen der Landschaftspläne der Abwägung mitden baulichen Interessen und werden in vielen Fällen nichtoder nur mangelhaft berücksichtigt. Zudem sind die Land-schaftspläne in der Regel nicht finanziell unterfüttert, sodass ihre Umsetzung von günstigen Gelegenheiten abhängt. • Die Kommunalpolitik muss die Belange des Stadtnatur -

schutzes als gleichberechtigtes öffentliches (politi-sches) Anliegen anerkennen und in die Stadtplanungintegrieren. Diese Gleichberechtigung muss sich in denEntwicklungsleitbildern einer Stadt widerspiegeln.

• Entwicklung einer Bürgerbeteiligung bei der Bauleit-planung, die Beteiligung nicht als lästige Notwendig-keit, sondern als Bereicherung und Sicherung des Pla-nungsprozesses begreift

• Anwendung der vorgeschriebenen Umweltprüfungennicht als formale gesetzliche Pflichtaufgabe „Abhaken“sondern als Möglichkeit, wirklich ökologisch nachhaltigeLösungen zu finden.

6 Wege der Umsetzung

Jung und Alt gärtnern gemeinsam im Garten Herlet – dem ersten Generationenschul garten in Koblenz. © Birgitta Goldschmidt

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23Stadtnaturschutz

• Weiterführung der Landschaftsplanung als Fachplanungzur Sicherung der Umweltqualität der Städte

• Verbindliche Übernahme der Landschaftsplanung in dieBauleitplanung entsprechend den Bedingungen inden einzelnen Bundesländern

Die Eingriffsregelung des Naturschutzrechtes wird in derStadt weitgehend durch das Baugesetzbuch durch eige-ne, aber schwächere Regelungen ersetzt. Hier ist wich-tig, dass Eingriffe in die Natur in der bauleitplanerischenAbwägung nicht unter den Tisch fallen, sondern ausge-glichen werden. Insgesamt sind hier aber noch vieleVerbes serungspotenziale:• Führen eines öffentlich zugänglichen Katasters mit al-

len Eingriffen und deren Kompensation, so dass derVollzug auch im Nachhinein kontrollierbar ist

• Priorität des sachlichen Ausgleichs gegenüber nurgleichwertigen Ersatz oder gar nur Ersatzzahlungen

• Verbindliche Vorgaben zum Monitoring der Kompen-sationsleistungen mit Nachbesserungspflichten und lang-fristige Sicherung ihrer Pflege

• Keine Finanzierung „normaler“ Aufgaben der Grün-flächenämter über Ersatzzahlungen

6.3 UmweltgerechtigkeitUnter dem Stichwort Umweltgerechtigkeit wird in den letz-ten Jahren das Ziel verfolgt, das allen Stadtbewohnernin allen ihren Wohnquartieren ein Wohnen und Lebenohne gesundheitsbeeinträchtigende Umweltbelastungenermöglicht. Die städtische Tradition der guten undschlechten Wohngebiete hat dazu geführt, dass Menschenmit geringerem Einkommen mit mehr Lärm, weniger Grünund höherer Luftbelastung konfrontiert werden. Auchwenn es in jedem Einzelfall schwer ist nachzuweisen, dassdiese Belastungen auch zu Gesundheitsgefährdungen füh-ren, so ist dieser Zusammenhang grundsätzlich er-kannt3, und es verträgt sich nicht mit dem Anspruch aneine gesunde Umwelt für alle Bewohner.

• Vor allem in der Stadt- und Verkehrsplanung, ist dasZiel „Umweltgerechtigkeit“ deswegen unbedingt zu ver-folgen.

6.4 Umweltbildungskonzepte – Bezug zurNatur auch in der Stadt herstellen

Der Naturschutz in der Stadt dient nicht nur primär demArtenschutz und der Sicherung von Lebensräumen,sondern ermöglicht auch unmittelbare Naturerfahrungen.Die Anwesenheit von Pflanzen und Tieren im Wohnumfeldkönnen helfen, eine Beziehung zur Umwelt aufzubauenund ein Bewusstsein für ökologische Belange zu schaf-fen. Nur wenn etwas bekannt ist, kann auch der Wunschentstehen, es erhalten und schützen zu wollen. Es kannnicht allein um die Rettung der Arten vor dem Ausster-ben gehen, sondern darum, Artenvielfalt und Naturzu-sammenhänge erlebbar zu machen. Gerade in Ballungs-räumen, die in der Regel von außerhalb mit Trinkwas-ser und Nahrungsmitteln versorgt werden und die auf Kos-ten des Umlands wachsen, wird die Abhängigkeit von na-türlichen Ressourcen nicht mehr wahrgenommen. Ent-sprechend nachlässig wird oft mit ihnen umgegangen.

• Grünanlagen, Naturerlebnispfade, Kleingärten oderStraßenbäume ermöglichen das Erfahren von Natur undsind deshalb auch in die Umweltbildung einzubinden.

6.5 NaturerfahrungsräumeWährend Kinderpsychologen immer wieder die große Be-deutung von spielerischen Naturerfahrungen für eine ge-sunde kindliche Entwicklung hervor heben, finden Kin-der und Jugendliche in einer sehr medien-, konsum- undautoverkehrsorientierten Umgebung immer seltenerMöglichkeiten und Anreize, Natur unmittelbar zu erle-ben. Bestenfalls bietet Natur noch die Kulisse für Frei-zeitangebote, doch wird sie selten aktiv wahrgenommen.Die Abhängigkeit des Menschen von einer intakten Um-welt (Wasser, Böden) ist vielen Stadtbewohnern nicht mehrbewusst. Obwohl sich Nachhaltigkeit zu einem „Mode-thema“ entwickelt hat, fällt es gerade jungen Menschenschwer, wirklich ein Verständnis für die zugrundeliegendenProzesse zu entwickeln. Besonders Kinder aus bildungs-fernen Haushalten müssen größere Hürden überwinden,um überhaupt an Naturerfahrungen und Umweltbil-dungsangeboten teilnehmen zu können.

3MUNLV (Ministeri-um für Umwelt undNaturschutz, Land-wirtschaft und Ver-braucherschutz desLandes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.)(2004). Umwelt undGesundheit anindustriellen Belas-tungsschwerpunk-ten („Hot Spots”),UmweltmedizinischeWirkungsuntersu-chungen in Dort-mund und Duisburg,Düsseldorf.UMID: Umwelt und Mensch-Infor-mationsdienst, Nr.2/2011, II. Themen-heft Umweltgerech-tigkeit. Herausgeber:Bundesamt fürStrahlenschutz(BfS), Bundesinstitutfür Risikobewertung(BfR), Robert Koch-Institut (RKI),Umweltbundesamt(UBA) BerlinWichmann, H.-E.;Thiering, E.; Heinrich,J. (2011). Feinstaub-kohortenstudieFrauen in NRW.Langfristige gesund-heitliche Wirkungenvon Feinstaub, Fol-geuntersuchungenbis 2008. Hrsg.: Landesamt fürNatur, Umwelt undVerbraucherschutzNordrhein-Westfa-len (LANUV),LANUV-Fachbericht31, Recklinghausen:LANUV.

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24 BUNDstandpunkt

• Um eine persönliche Beziehung zur Natur mit ihren Ge -schöp fen entwickeln zu können und um den Gedan-ken der Nachhaltigkeit der gesamten zukünftigenGene ration zu vermitteln, müssen Naturerfahrungenüber naturnahe Spielmöglichkeiten im Wohnumfeld undüber gezielte Umweltbildung flächendeckend ermög-licht werden – unabhängig von sozialer Herkunft undBildungshintergrund der Kinder.

• Themen wie Biodiversität, Energie und Klima sowienach haltige Entwicklung müssen Eingang in die ver-pflichtenden Lehrpläne der Schulen finden und die Leh-rerausbildung darauf ausgerichtet werden.

• Naturbezogene Freizeitangebote können Heranwach-sende für einen schonenden Umgang mit Natur undLandschaft sensibilisieren.

Um Naturerlebnisse auch in städtischen Strukturen zu er-möglichen, haben sich Naturerfahrungsräume (NER)bewährt. Diese naturnahen, 1-2 Hektar großen Grünflä-chen sind in Wohnbereiche integriert oder befinden sichin erreichbarer Nähe. Sie bestehen aus ungestalteten Flä-chen mit natürlichem Bewuchs (natürliche Sukzession, zu-rückhaltende Pflege auf Teilflächen) und weisen keine Ge-bäude, Geräte oder befestigte asphaltierte Wege auf. NERbieten Heranwachsenden (vor allem im Alter von 7 bis14 Jahre) Zugang zur Natur in ihrem Wohnumfeld, för-dern Interesse und Neugierde und regen zur Aktivität an.Die Erlebnismöglichkeiten schließen alle Formen desSpiels, der körperlichen Bewegung und der Ruhe ein, ohnedabei auf Infrastruktur oder Geräte angewiesen zu sein.• Einrichten von Naturerfahrungsräumen in Träger-

schaft der Kommunen, da Haftung und langjährige Ver-antwortung durch spendenfinanzierte Verbände nichtauf Dauer gesichert werden kann.

• Verankerung von Naturerfahrungsräumen in der Stadt-entwicklungsplanung mit der Zielsetzung allen Stadt-kindern in nahen Wohnumfeld Naturbegegnungen zuermöglichen.

• Öffnung auch von firmeneigenen Brachflächen für sol-che Zwecke.

• Anlage von Spielgärten und –parks, in denen Baum-häuser, Erdgruben, Wildobsternte u. ä. möglich sind.

6.6 Aktive Gestaltung des WohnumfeldesWenn die Möglichkeiten für eine eigenständige aktive Ge-staltung des Wohnumfeldes gering sind, so können docheinige Möglichkeiten genutzt werden.

So lassen sich Haus-/Grundstücksbesitzer motivieren, aufihrem Gelände Freiflächen naturnah zu gestalten undmöglichst für Kinder zugänglich zu machen. Gerade hierlassen sich auch solche neuen Konzepte verwirklichen,wie z.B. Anlage urbaner Wiesen mit gebietsheimischenSaatgutmischungen oder Umwandlung von Abstandsgrünin Gewerbegebieten in buntblühende Wiesen. Hier las-sen sich Bürger beteiligen, oder Schulen, die solche Pro-jekte durchführen bzw. Flächen betreuen und so auch we-sentliche Naturerfahrungen sammeln können.

Darüber hinaus lassen sich Fassaden, Dächer oder Höfebegrünen. Dies wäre auch möglich durch Partnerschaf-ten mit Schulen oder anderen öffentlichen Einrichtungenoder auch mit Trägern von Sportflächen oder Garten-anlagen.

6.7 Naturschutz als Brücke und Partizipations-element

In Deutschland finden wir vor allem in Städten eine sehrheterogene Bevölkerung – sei es sprachlich, kulturell odersozial. Diese Vielfalt in der Gesellschaft versucht der BUNDgezielt anzusprechen und hat bereits positive Ansätze ent-wickelt. So bietet die tü� rkischsprachige Umweltgruppe Yesil Çember u. a. Naturexkursionen und Stadtfü�hrungenan; in interkulturellen Gärten (s. Kap. 4.3.5) arbeiten Men-schen unterschiedlicher Herkunft Beet an Beet; und mitdem Berliner Energiecheck erreichte der BUND sozial be-nachteiligte Menschen aus verschiedensten Ländern. Mitden unterschiedlichen Angeboten und Anreizen könnenauch die Menschen eingebunden werden, die normaler-weise wegen sprachlicher, kultureller oder sozialer Bar-rieren oder anderer Hürden keinen so leichten Zugang zuUmwelt themen hätten. Die Potenziale unterschiedlicherMenschen mit verschiedenen Erfahrungen können für denSchutz der gemeinsamen Natur genutzt werden, und dieskann für alle sehr bereichernd sein. In der Stadt für denNaturschutz aktiv werden zu können, kann auch eine bes-

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25Stadtnaturschutz

sere Partizipation dieser Menschen ermöglichen. Das wiederum stärkt das nachbarschaftliche Zusammenlebenund den Gemeinsinn – trotz Heterogenität.

Um möglichst viele unterschiedliche (soziale) Milieus inder Gesellschaft für das Thema erreichen zu können, soll-ten deshalb die Konzepte der Umwelt- und Natur-schutzorganisationen erweitert werden:

• Neben den fachlichen auch niedrigschwellige Infor-mationsangebote mit direktem Bezug zu den jeweili-gen Lebenswelten erstellen (Energiesparen hilft nichtnur, CO2 einzusparen, sondern entlastet auch dieHaus haltskasse)

• Konzipierung der Angebote unter Berücksichtigung un-terschiedlicher kultureller, ethnischer und religiöser Hin-tergründe(Dabei immer Personen aus dem jeweiligenKreis in den Prozess einbinden)

• Einrichtung bzw. Unterstützung interkultureller Gärten(s. Kap. 4.3.5)

• Erstellung von Broschüren zur Umweltbildung in ver-schiedenen Sprachen (Zweisprachige Materialien die-nen zusätzlich noch der Sprachförderung)

• Ausbildung von Multiplikatoren bzw. Einbindung vonSchlüsselpersonen, die das Wissen in ihrer jeweiligenLandessprache an Interessierte weitergeben (So könnenkulturelle Besonderheiten und Bedürfnisse des jewei-ligen Kreises in den Vermittlungsprozess besser inte-griert werden) als Berater akzeptiert.

Lebendige, bunte Stadtwiesen statt sterilem Abstandsgrün © BUND/Berlin Faensen-Thiebes

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26 BUNDstandpunkt

7.1 Bücher / Zeitschriften:Es gibt zahlreiche gute Bücher und Zeitschriftenartikel zurNatur in der Stadt. Hier folgt eine kleine Auswahl daraus:

• Auhagen, A., Sukopp, H. 1983: Ziel, Begründungen undMethoden des Naturschutzes im Rah-men der Stadt-entwicklungspolitik in Berlin. Natur und Landschaft 58,9-15

• Berger, Roland und Ehrendorfer, Friedrich (Hrsg.) 2011Ökosystem Wien: Die Naturgeschichte einer Stadt Reihe: Wiener Umweltstudien, Band 2. Böhlau Verlag744 S.

• Bonn 2008: Biodiversitätsbericht. Natur in der StadtBonn 124 S. als download unter: www.bonn.de/wirtschaft_wissenschaft_internationales/internationale_aktivitaeten/9_vertragsstaatenkonferenz_der_un_konvention_zur_biodiversitaet_bonn/bonn_und_biodiversitaet/index.html?lang=de

• Brunner, Karl und Schneider, Petra (Hrsg.) 2005: Um-welt Stadt. Geschichte des Natur- und LebensraumesWien. Reihe: Wiener Umweltstudien, Band 1. BöhlauVerlag 659 S.

• Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (BMVBS), Berlin (Hrsg) 2011: Klimawandel -gerechte Stadtentwicklung. Ursachen und Folgen desKlima wandels durch urbane Konzepte begegnen. For-schungen Heft 149. 104 S.

• Hannover 2009: Mehr Natur in der Stadt. Ein Programmzur Verbesserung der biologischen Vielfalt in Hanno-ver. Schriftenreihe kommunaler Umweltschutz derStadt Hannover Nr. 48. 24 S. als download unter:www.biologische-vielfalt.de/fileadmin/NBS/documents/Kommunen/Mehr_Natur_in_der_Stadt[1].pdf

• Meyer, F.H. 1978: Bäume in der Stadt. Ulmer Stuttgart.327 S. (wohl nur noch antiquarisch zu haben)

• Müller, Christa 2011: Urban Gardening. Über dieRück kehr der Gärten in die Stadt. Oekom, München, 349S.

• Reichholf, J.R. 2007: Stadtnatur. Eine neue Heimat fürTiere und Pflanzen. Oekom, München 318 S. (auch wennwir seine These, dass die Stadt artenreicher als die freieLandschaft ist, nicht teilen)

• Rasper, Martin 2012: Vom Gärtnern in der Stadt. Dieneue Landlust zwischen Beton und Asphalt. OekomMünchen. 208 S.

• Sukopp, H. & R. Wittig (Hrsg.) 1993: Stadtökologie. Fischer Stutgart u.a. 402 S. (wohl nur noch antiquarischzu haben)

• Werner, Peter und Rudolf Zahner 2009: Biologische Viel-falt und Städte. Eine Übersicht und Bibliographie. BfNSkript 245

• Westphal, Uwe und Helm, Günther 2006: Wilde Ham-burger – Natur in der Großstadt. Murmann Verlag, Ham-burg 285 S.

• Wittig, Rüdiger 2008: Siedlungsvegetation Ulmer,Stuttgart 254 S.

7.2 Wichtige Internetadressen:BUND:www.bund.net/themen_und_projekte/aktion_stadtnatur/

Bundesamt für Naturschutz:www.bfn.de/0321_siedlung.html

Deutsches Institut für Urbanistik (difu):www.difu.de/themenfelder/umwelt-nachhaltigkeit.html

Kompetenznetzwerk Stadtökologie CONTUREC: www.conturec.de/home/

7 Zum Weiterlesen

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Impressum

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Die Erde braucht Freundinnenund FreundeDer BUND ist ein Angebot: an alle, die unsere Natur schützen und den kommendenGenerationen die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten wollen. Zukunft mit -gestalten – beim Schutz von Tieren und Pflanzen, Flüssen und Bächen vor Ort oder

national und international für mehr Verbraucherschutz, gesunde Lebensmittel und

natürlich den Schutz unseres Klimas.

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