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.SIAK-Journal – Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis Bociurko, Michaela-Maria (2007): Sprengstoffanschläge mittels IEDs. Präventionsansätze und Detektionstechnologien SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (1), 29-41. doi: 10.7396/2007_1_C Um auf diesen Artikel als Quelle zu verweisen, verwenden Sie bitte folgende Angaben: Bociurko, Michaela-Maria (2007). Sprengstoffanschläge mittels IEDs. Präventionsansätze und Detektionstechnologien, SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (1), 29-41, Online: http://dx.doi.org/10.7396/2007_1_C. © Bundesministerium für Inneres Sicherheitsakademie / Verlag NWV, 2007 Hinweis: Die gedruckte Ausgabe des Artikels ist in der Print-Version des SIAK-Journals im Verlag NWV (http://nwv.at) erschienen. Online publiziert: 4/2014

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.SIAK-Journal – Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis

Bociurko, Michaela-Maria (2007):

Sprengstoffanschläge mittels IEDs. Präventionsansätze und Detektionstechnologien

SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (1), 29-41.

doi: 10.7396/2007_1_C

Um auf diesen Artikel als Quelle zu verweisen, verwenden Sie bitte folgende Angaben:

Bociurko, Michaela-Maria (2007). Sprengstoffanschläge mittels IEDs. Präventionsansätze und Detektionstechnologien, SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (1), 29-41, Online: http://dx.doi.org/10.7396/2007_1_C.

© Bundesministerium für Inneres – Sicherheitsakademie / Verlag NWV, 2007

Hinweis: Die gedruckte Ausgabe des Artikels ist in der Print-Version des SIAK-Journals im Verlag NWV (http://nwv.at) erschienen.

Online publiziert: 4/2014

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SPRENGSTOFFANSCHLÄGE ALS TERRORISTISCHE TAKTIKBetrachtet man die hier geschilderten Er-eignisse, sind unschwer Parallelen erkenn-bar – sowohl hinsichtlich Anschlagszielals auch gewählter Taktik. Massentrans-portmittel wie Flugzeuge, Busse, Zügeund U-Bahnen gelten schon seit längeremals potentielles terroristisches Anschlags-ziel. Ebensowenig überrascht die Taktik.Sprengstoffanschläge haben bereits einelange "Tradition" im taktischen Repertoiredes modernen Terrorismus und werdenheute weit häufiger eingesetzt als jede an-dere Methode (wie etwa bewaffneter

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m 11. März 2004 detonierten in Ma-drid zehn Bomben in vier Zügen. Bei denAnschlägen in London am 07. Juli 2006sprengten sich drei der insgesamt vierSelbstmordattentäter im Londoner U-Bahn-Netz in die Luft, der vierte in einemDoppeldeckerbus. Zwei Wochen nach die-sen Anschlägen wurden in Londoner Zü-gen drei Sprengsätze gefunden, ein vierterin einem öffentlichen Bus. Am 31. Juli2006 entdeckte man in zwei lokalen Zügenin Dortmund Kofferbomben. Im Monatdarauf vereitelte die britische Polizei eineSerie von Anschlägen auf Transatlantik-flüge.

MICHAELA-MARIA BOCIURKO, MAG.,Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Österreichischen Institut fürEuropäische Sicherheitspolitik(OEIES), seit 2003 technischeRedakteurin am ZentralenInformatikdienst der Universität Wien.

A

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Die Terroranschläge in Europa der letzten Jahre (Madrid, London, ...) las-sen vermuten, dass Sprengstoffanschläge auf kritische Infrastruktur (idRTransport und Verkehr) mittels sog Improvised Explosive Devices (IEDs)auch in Hinkunft eines der wahrscheinlichsten Szenarien darstellen, mit demsich die Terrorismusbekämpfung auseinanderzusetzen hat. In diesem Kon-text kommt der Prävention von selbstgefertigten Sprengsätzen und der Wei-terentwicklung von Technologien zur Detektion von Sprengstoffen einenicht unwesentliche Rolle zu. Allerdings stellen technische Hilfsmittelimmer nur einen Teilaspekt dar, mindestens ebenso wichtig sind in diesemKontext Erfahrung, Ausbildung und Motivation des Kontrollpersonals.Weiters nicht unerwähnt bleiben soll, dass Sicherheitssysteme und -checksnicht nur für ihre Kontrollfunktion per se eingesetzt werden, sondern aucheinen wesentlichen Beitrag zu einer wirkungsvollen Abschreckungsstrategieleisten. Es stellt sich die Frage, wie die Beschaffung von dem zur Herstel-lung benötigtem Wissen und Material erschwert, und somit Aufwand undRisiko für die Terroristen erhöht werden kann. Der folgende Beitrag soll die-se komplexe Problematik thematisieren und die Möglichkeiten und Grenzender verschiedenen Ansätze aufzeigen.

SPRENGSTOFF-ANSCHLÄGE

MITTELS IEDS

Präventionsansätze und Detektionstechnologien

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Einschlussbehältnis, Auslösevorrichtung,Zünder, Energiequelle sowie Sprengstoff.

Als Einschlussbehältnis kommt eineVielzahl von Gegenständen in Frage (zBFeuerlöscher, Propangasflaschen, Koffer,...). Ähnliches gilt für die Auslösevorrich-tung – jenen Mechanismus, der sicher-stellt, dass die Vorrichtung zum ge-wünschten Zeitpunkt am vorgesehenen Ortdetoniert. Man unterscheidet hier verschie-dene Systeme.

Viele IEDs werden inzwischenmittels funkbasierter

Kommunikationstechnik(Garagentüröffner,

Handys, ...) ausgelöst.

Zur Initiierung des Sprengstoffes wirdein Sprengzünder eingesetzt. Es gibt un-terschiedlichste Zündsysteme (elektrisch,chemisch, ...) – so können als Zünder zBBlitzlichtlampen, Gasanzünder, Zeitzünd-schnüre, aber auch sprengkräftige Zünd-mittel wie Sprengkapseln verwendet wer-den.1 Äußerst breit ist auch die Palette anchemischen Stoffen (bzw Mischungen che-mischer Stoffe), die sich als Sprengstoffeeignen. Terroristen können somit auf zahl-reiche Möglichkeiten zurückgreifen, umIEDs zu realisieren. Es ist eben diese Viel-fältigkeit und Variabilität der Komponen-ten, die ganz allgemein die Prävention er-schwert. Dabei erweisen sich die Terroris-ten oft als äußerst innovativ und flexibel,dh sie können sich an die jeweiligen Be-dingungen adaptieren.

RELATIVE VERFÜGBARKEIT VONMATERIALIEN UND KNOW-HOWNun haben wir es bei Bombenanschlägenmit unterschiedlichen Tätern zu tun, denennicht allen dieselben Optionen (Verbin-dungen, Finanzen, Ausrüstung, etc) zurVerfügung stehen. Es stellt sich somit dieFrage, welche Faktoren für das Gelingen

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Überfall, Entführung, Brandstiftung, ...).So waren im Zeitraum von 1980 bis 2005weltweit jährlich durchschnittlich 45 bis70% aller Terroranschläge Sprengstoffan-schläge (Lal/Jackson 2006). Welches Mit-tel letztlich bei Anschlägen zum Einsatzgelangt, wird durch eine Vielzahl von Fak-toren bestimmt. Eine Rolle bei der Aus-wahl spielen neben einsatz- und täterspe-zifischen Aspekten insbesondere Aufwand(Zeit, Kosten, ...), Risiko (Beschaffung,Fabrikation, Handhabe, ...) sowie beab-sichtigte Wirkung. Die vorliegende Prä-ferenz für Sprengstoffe erklärt sich dabeiaus dem aus Sicht des Terroristen relativgünstigen Verhältnisses von Aufwand/Ri-siko und Effizienz/Wirkung (Massenan-schläge mit hohen Opferzahlen, medialeAufmerksamkeit, ...). Hinzu kommen diebeinahe unbegrenzten Einsatzmöglichkei-ten von Sprengstoffen sowie die hohe Va-riabilität der Komponenten.

IMPROVISED EXPLOSIVE DEVICES (IED)Bei Sprengstoffanschlägen kommen häu-fig so genannte Unkonventionelle Spreng-und Brandvorrichtungen (USBV) oder Im-provised Explosive Devices (IED) zumEinsatz. Als IED gilt ein nicht industriell,meist von Laien hergestellter Sprengsatz,der eine Explosion herbeiführen kann unddadurch Leib und Leben von Menschenund Sachwerten gefährdet. Für dessen Fer-tigung können gewerbliche Sprengstoffe,militärische Sprengstoffe und/oder Selbst-laborate verwendet werden.

IEDs variieren stark in Größe,Optik und Funktion und

können aus den unterschied-lichsten Bestandteilen

gefertigt werden.

In der Regel werden für deren Aufbaujedoch fünf Grundkomponenten benötigt:

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lige Verfügbarkeit stark regionsabhängig.So ist es idR in (Post-)Konfliktregionen(wie etwa gegenwärtig dem Irak) einfa-cher, an militärische Sprengstoffe zu ge-langen (zB aus Landminen, nicht detonier-ten Geschützen). Auch die zivile Anwen-dung von kommerziellen Sprengstoffen(zB im Berg- und Straßenbau) eröffnetTerroristen Beschaffungswege. So wurdeetwa der Sprengstoff für die Madrider An-schläge aus einer nordspanischen Berg-baumine entwendet. Gefahr eines Dieb-stahls besteht nicht nur bei der Lagerung(zB auf Baustellen) sondern auch beiHerstellung oder Transport. Sind "traditio-nelle" Sprengstoffe schwer zu besorgen(zu risikoreich, zu teuer, ...), wird meistder Weg der Eigenfabrikation beschritten.

Dabei basieren zahlreicheSelbstlaborate auf

Substanzen, die relativ risikolos und meist legal

verfügbar sind.

Als sehr gefährliche Substanzen geltenhier etwa Ammonium Nitrat, Urea Nitratund Triacetontriperoxid (TATP). Ammoni-um Nitrat findet sich in zahlreichen indus-triellen Produkten wie Medikamenten,Farben und Düngern. Auch Urea Nitratewerden in Düngern verwendet. Wird Am-monium Nitrat mit Treibstoff gemischt,ergibt dies einen äußerst gefährlichenSprengstoff (ANFO – ammonium nitrate/fuel oil mixture). Ein anderer relativ leichtzu produzierender, doch hochexplosiverSprengstoff ist TATP, der im Nahen Ostenvon Terroristen wie der Hamas bereits seitlängerem benutzt wird und auch bei denAnschlägen in London am 7. Juli 2005zum Einsatz kam.

Die für die Herstellung notwendigenKomponenten sind durchaus gängigeSubstanzen (Aceton, Wasserstoffperoxyd,etc), die unauffällig in Drogerien, Bau-

und die Qualität selbstgefertigter Spreng-sätze (bzw Sprengstoffe) verantwortlichsind. Zusammengefasst sind dies: Kennt-nisse bzw Befähigungen des Konstruk-teurs, Know-how, sowie zur Verfügungstehendes Material (und Werkzeug). Be-züglich der Kenntnisse des Konstrukteurswissen Experten heute, dass es keinerbesonderen technischen oder chemischenAusbildung bzw außergewöhnlichen Befä-higung bedarf, um IEDs selbst anzuferti-gen. Im Prinzip reicht es aus, wenn derKonstrukteur über ein gewisses naturwis-senschaftliches Verständnis und techni-sches Geschick verfügt. So ist bekannt,dass viele "Bombenbastler" ihre Fertigkei-ten erst bei der Umsetzung entsprechenderAnleitungen erwarben. Das notwendigeKnow-how kann dabei über verschieden-ste Kanäle bezogen werden.

Einige Terrorgruppen versorgen Mitglieder und

Sympathisanten mit eigenemDokumentationsmaterial (CD-Roms, Videos, ...).

Aber auch ohne entsprechende Verbin-dungen kann auf derlei Informationenzugegriffen werden. Insbesondere dasInternet ermöglicht einen unkompliziertenZugang zu entsprechenden Anleitungen.Es muss also demnach von einer relativenVerfügbarkeit von Wissen und Dokumen-tationsmaterial ausgegangen werden.

Eine ähnlich problematische Situationbesteht hinsichtlich der zur Fertigung vonIEDs notwendigen Materialien. So lassensich einige Komponenten (Behältnis, Aus-löser, Energiequelle) aus (manipulierten)Alltagsgegenständen fertigen. Eine etwasgrößere, aber ebenfalls überwindbare Hür-de stellen Sprengstoff und Zünder dar. Be-schafft werden können diese Komponen-ten durch Diebstahl, Eigenproduktion oderüber illegalen Handel. Dabei ist die jewei-

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Düngemitteln der Genehmigungspflichtzu unterwerfen. Aufgezeigt wird in derMitteilung auch, wie wichtig es ist, dassdie Sicherheitsvorkehrungen über die ge-samte Produktions- und Lieferkette hin-weg, insbesondere aber im Hinblick aufdie Lagerung und Beförderung, verbessertwerden (Mitteilung der Kommission19.07.2005).

Diese Vorstöße sind im Allgemeinen zubegrüßen, doch gilt es bei allen Maßnah-men stets im Auge zu behalten, inwieweitdiese in der Praxis umsetzbar und prakti-kabel sind. Da etwa Dünger weltweit ton-nenweise für die Landwirtschaft produ-ziert wird, ist eine 100%ige Kontrollebeim Verkauf und Sicherheit bei der Lage-rung kaum zu gewährleisten. Demgemäßsollten hier die daraus resultierenden zu-sätzlichen Kosten bzw das Plus an admi-nistrativem Aufwand abgewogen werdengegenüber dem realen Gewinn an Sicher-heit. Bei entsprechenden Bestimmungensind auch immer die Aspekte der hohenVariabilität und der relativen Verfügbar-keit der einzelnen Komponenten mitzube-denken.

Wird der Zugriff auf einMittel verwehrt, so findet

sich gewöhnlich ein anderes, auf das ausgewichen

werden kann.

Besonders der Sprengstoff TATP führtsehr klar vor Augen, dass auch herkömm-liche Chemikalien als Basis für Spreng-stoffe herangezogen werden können. DieBeschränkung der Ausgabe von derartigenSubstanzen zB auf Haushaltsmengen istsicherlich nicht zielführend; zum einen, daabhängig vom Einsatz eventuell bereitsgeringere Mengen für einen Anschlag ge-nügen würden2, zum anderen, weil ent-sprechende chemische Verbindungen auchmit anderen Substanzen realisiert werden

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märkten und Apotheken besorgt werdenkönnen.

PRÄVENTIONSANSÄTZEUND PROBLEMATIKENResümiert man die oben beschriebene Pro-blematik, so stellt sich die Frage, welcheMöglichkeiten zur Prävention in diesemKontext bestehen. Ein nahe liegender An-satz ist es, den Zugriff auf Materialien undKnow-how zu erschweren und somit Auf-wand und Risiko für Terroristen zu erhö-hen. In diesen Bereich fallen etwa Maß-nahmen zur Verbesserung der Sicherheitbei Lagerung und Transport von Spreng-stoffen oder die Beschränkung bzw Nach-verfolgung bestimmter Chemikalien amMarkt. So hat die EU auf die Anschläge inLondon im Juli 2005 noch im selben Mo-nat reagiert und eine Mitteilung über Maß-nahmen für mehr Sicherheit in Bezug aufExplosiv- und Sprengstoffe, Materialienfür die Bombenherstellung und Schuss-waffen angenommen. In diesem Rahmenwurden auch konkrete Vorschläge in sämt-lichen damit zusammenhängenden Berei-chen präsentiert, wie etwa den Kauf von

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H3C

H3C

H3C

H3C CH3

CH3

C

C C

TATP

Grafik: GDCh-FG Angew. Elektrochemie

Chemische Struktur des ExplosivstoffsTriacetontriperoxid (TATP)

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äußerst instabil und gefährlich (Byall2001).

Als sehr sinnvoller Ansatz erscheint esauch, die Aufmerksamkeit und Sensibilitätder Bevölkerung hinsichtlich der Thema-tik zu erhöhen (so werden britische Land-wirte sehr gründlich über die Problemati-ken des Dual-use-Gebrauchs ihrer Dünge-mittel informiert und zu entsprechenderSorgfalt aufgerufen). Auch hinsichtlichdes Internets – das schon aufgrund seinerAusmaße von Experten ohnehin nur par-tiell überprüft werden kann – wäre es nütz-lich, die Bevölkerung zwecks sachdienli-cher Hinweise in den Regulierungspro-zess miteinzubinden.

STELLENWERT DETEKTIONDennoch muss realistisch davon ausge-gangen werden, dass es – selbst bei Reali-sierung aller angedachter Maßnahmen –Terroristen auch hinkünftig möglich seinwird, an Sprengstoffe zu gelangen. Wasuns bereits zum nächsten Schritt in unsererÜberlegung führt – der Frage, wie verhin-dert werden kann, dass diese Sprengstoffebzw Sprengsätze an ihren Zielort (zB Mas-sentransportmittel) gelangen und dort denvon den Terroristen beabsichtigten Zweckerfüllen. In diesem Zusammenhang spie-len sicherheitstechnische Systeme zur De-tektion von Sprengstoffen eine wichtigeRolle. Ihre Aufgabe ist dabei das Aufspü-ren von versteckten Sprengstoffen an Per-sonen oder in Gepäck. Im Flugverkehrsind Detektionsgeräte schon seit vielenJahren im Einsatz. Allerdings waren diehier standardmäßig für das Fluggepäckverwendeten Röntgengeräte und die fürPassagierkontrollen benutzten Metallde-tektoren in Türrahmen ursprünglich aufdie Detektion von Objekten mit hoherDichte (Metalle) hin ausgerichtet, und nursehr beschränkt für das Aufspüren vonSprengstoffen geeignet. Inzwischen hatsich auf diesem Gebiet vieles getan. Zahl-

könnten. So ist auch mit Weiterentwick-lungen und dem Auftauchen neuer Spreng-stoffe zu rechnen.

Ein anderer Punkt ist das zuvor themati-sierte Problem der relativen Verfügbarkeitvon Know-how über das Internet.

Laut Medienberichten werden jedenMonat 4.000 neue Bombenbau-Anleitun-gen ins Internet gestellt – allein auf deut-schen Seiten (Panorama Nr 657).

In letzter Zeit wurde immer häufigergefordert, dass man solche Webseiten ent-fernen und/oder nicht mehr auffindbar ma-chen müsse, wie das ja in einigen Ländernbereits geschieht. Dies könne zB durchderen physisches Entfernen (Providernimmt die Webseite vom Netz) oder auchdurch entsprechende Filter geschehen.Allerdings ist die technische Struktur desInternets nicht unbedingt optimal fürRegulierungen angelegt. So existieren etli-che technische Möglichkeiten, um sichüber Regulierungen (zB das Sperren vonInhalten) hinwegzusetzen (sowohl fürUser als auch für Anbieter/Server). Zu-dem zirkulieren vergleichbare Inhalte auchper E-Mail, in Foren, Newsgroups undChatrooms, wo sich eine Regulierungnoch weit schwieriger gestaltet.

Andere Ansätze wärenStrafandrohungen beimHerunterladen solcher

Anleitungen oder bewussteDesinformation durch

Verbreitung entsprechendmodifizierter Informationen.

Zum Teil erfüllen auch bereits existie-rende Anleitungen (unbewusst oder be-wusst) diesen Zweck indem sie dem Her-steller einzelne kritische Schritte bei derFertigung unterschlagen und dadurch mas-siv dessen Sicherheitsrisiko erhöhen. Wirdetwa bei TATP die Schwefelsäure nichtgründlich entfernt, ist der Sprengstoff

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rungsgebäuden, militärische Anlagen oderGroßevents wie Sportveranstaltungen. Be-günstigt wird hier der Einsatz insbesonde-re durch die relativ geschlossene Struktur(dh verhältnismäßig wenige Zugangsmög-lichkeiten).Aufwendiger gestaltet sich diesschon bei komplexeren Anlagen wie bei-spielsweise U-Bahn-Netzen. Ganz allge-mein stellt der Einsatz im Bereich Trans-port und Verkehr spezifische Anforderun-gen an Detektionsgeräte. Ein sehr wichti-ger Aspekt ist dabei der Zeitfaktor.

Um den laufenden Betriebaufrecht zu erhalten, muss

die Überprüfung von sehr vielen Personen und

Gepäckstücken in möglichst kurzer Zeit

realisiert werden.

Einige Technologien arbeiten im Ver-hältnis immer noch viel zu langsam. Beiverstärkten allgemeinen Kontrollen ist oftmit unglaublichen Zeitverlusten zu rech-nen. Eine RAND-Studie kommt zudem zudem Schluss, dass sich durch eine zu lang-same Überprüfung ein zusätzliches Sicher-heitsrisiko ergibt – so würden Menschen-schlangen vor Kontrollpunkten ebenfallsein potentielles Anschlagsziel darstellen.Ein möglicher Lösungsansatz (neben derEntwicklung schnellerer Geräte) wäre hiereine Vorauslese, wie dies beispielsweisedurch Profiling geschehen könnte. DieKontrollen würden sich dadurch auf Per-sonen bzw Fracht konzentrieren, die mög-licherweise ein höheres Sicherheitsrisikodarstellen und der allgemeine Check-inginge schneller vonstatten. Die US-Trans-portsicherheitsbehörde TSA experimen-tiert zurzeit mit so genannten Trusted Tra-veler Programs wie etwa dem Fly ClearRegistered Passenger Program. Der Passa-gier zahlt hier freiwillig eine geringe Ge-bühr, stellt Fingerabdrücke und persönli-

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reiche neue Technologien zur Detektionvon Sprengstoffen wurden entwickelt –einige davon sind bereits ausgereift und inVerwendung, andere vielversprechendeSysteme befinden sich nach wie vor imEntwicklungsstadium.

Auch die vereitelten Anschläge in Groß-britannien im Juli 2006, bei denen Bom-benkomponenten, inklusive Zutaten fürFlüssigsprengstoffe und Zünder, im Hand-gepäck ins Flugzeug geschmuggelt wer-den sollten, haben erneut vor Augen ge-führt, dass in diesem Bereich noch ein gro-ßer Handlungsbedarf besteht. Tatsache ist,dass wir es heute mit sehr vielen verschie-denen Sprengstoffen zu tun haben, die sichzum Teil auch stark in ihrer Zusammen-setzung und in ihren Eigenschaften unter-scheiden (zB Dichte, Kernladungszahl,Flüchtigkeit, Adsorption, organisch/anor-ganisch, stickstoffhältig, etc). Geräte, diesich einzelne dieser Eigenschaften zunutzemachen, um den jeweiligen Sprengstoff zudetektieren, können idR nur ein gewissesSpektrum an Substanzen identifizieren/analysieren. Hinzu kommt, dass sowohlEinsatzanforderungen als auch die jeweili-gen Umgebungsbedingungen stark variie-ren. Es existiert also keine "Universallö-sung", wohl aber eine Vielzahl technologi-scher Ansätze, aus denen verschiedeneSysteme entwickelt wurden, die je nachErfordernis unterschiedlich gut für denjeweiligen Einsatz geeignet sind (wobei esmöglich und üblich ist, mehrere Systememiteinander zu kombinieren).

EINSATZBEREICHE UNDANFORDERUNGENWelche Einsatzbereiche bieten sich nun anfür Sprengstoffdetektoren und welche An-forderungen ergeben sich dabei an die Ge-räte? Klassischerweise werden Detekti-onstechnologien auf Flughäfen eingesetzt– andere Anwendungsgebiete wären bei-spielsweise Zugangskontrollen zu Regie-

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ge Schulungen und Trainingsprogrammeunabdingbar.3

DETEKTIONSTECHNOLOGIENWelche Detektionstechnologien stehennun in der Praxis zur Verfügung und woliegen deren Stärken und Schwächen? Wiebereits vorausgeschickt, existieren hiersehr viele verschiedene Systeme in unter-schiedlichen Entwicklungsstadien. Im Fol-genden sollen die wichtigsten Ansätzeskizziert und einige ausgewählte Systemenäher vorgestellt werden. Ziel ist es dabeinicht, einen kompletten Ist-Stand-Berichtaller verfügbarer Technologien zu geben,sondern vielmehr Einsichten in grundsätz-liche Herausforderungen an diese Techno-logien zu vermitteln.

Im Allgemeinen unterscheidet man in der

Sprengstoffdetektion je nachzugrunde liegendem Prinzip

Bulk-, Vapour- bzwTracetechnologien.4

Bulk-Detektionstechnologien werdenidR für die direkte Detektion von makro-skopischen (dh mit dem bloßen Augewahrzunehmenden) Mengen von explosi-ven Stoffen eingesetzt. Vom Prinzip herwird hier eine Art Strahlung benutzt, umdas Innere eines Objektes zu untersuchen.Dabei werden die innere Struktur des Ob-jektes oder dessen Inhalt visualisiert undeinige charakteristische Eigenschaften vonSprengstoffen detektiert. Wichtige Eigen-schaften für die Bulk-Detektion sind etwaDichte und Kernladungszahl. Explosiv-stoffe haben idR eine hohe Dichte und ei-ne niedrige Kernladungszahl (Z). So ba-sieren viele Sprengstoffe auf Verbindun-gen, die die chemischen Elemente Stick-stoff (N), Sauerstoff (O), Kohlenstoff (C)und Wasserstoff (H) enthalten – Materia-lien, die allesamt niedrige Kernladungs-

che Daten zur Verfügung und gelangt da-für schneller an Bord der Maschine. (Ri-ley/Willis 2006). Allerdings gibt es Zwei-fel, ob solche Programme nicht auch mög-liche neue Sicherheitslecks öffnen. Regel-mäßige stichprobenartige Kontrollen unterallen Passagieren sind deshalb unbedingtnotwendig.

Ein anderer wichtiger Aspektneben dem Zeitfaktor sind

die mit dem Einsatz von Detektionsgeräten verbundenen Kosten.

Die Geräte sind im Allgemeinen teuer,nicht nur bei der Anschaffung, sondernauch bei Betrieb und Wartung (komplexeSysteme wie U-Bahnen würden demnachsehr hohe Kosten verursachen). Da es sichzudem eben auch um Personenkontrollenhandelt, kommt hinzu, dass die Detektionweder allzu invasiv sein (dh nicht in diePrivatsphäre der Personen eingreift) nocheine Gesundheitsbelastung darstellen darf.Umfangreiche Anforderungen an Detekto-ren ergeben sich auch in Bezug auf derenZuverlässigkeit. Wünschenswert wäre ei-ne hohe Sensitivität der Geräte auf Explo-sivstoffe mit gleichzeitig geringer Fehl-alarm-Rate. Zudem müsste die Zuverläs-sigkeit der Ergebnisse auch unter verschie-densten Umgebungsbedingungen (Tempe-ratur, Luftfeuchtigkeit, etc) gegeben sein.Da kein System alle diese Ansprüche glei-chermaßen erfüllt, muss je nach Anwen-dung das jeweils geeignetste ausgewähltwerden. Dabei stellt das technologischeHilfsmittel meist nur einen Teilaspekt dar.Bei zahlreichen Systemen bedarf es aucheiner korrekten Bedienung und Interpre-tation der Ergebnisse durch den Operator.Scheitert etwa diese Interpretation, wirdeine Gefahr eventuell nicht erkannt. Des-halb sind Ausbildung und Erfahrung imUmgang mit Detektoren sowie regelmäßi-

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neben dem Schattenbild (welches ermög-licht, Struktur und Geometrie zu bestim-men) zusätzlich ein färbiges Bild mit wei-teren Informationen über die Materialien(organisch, anorganisch oder metallisch)zur Verfügung (vgl Wtorek 2003). Com-putertomographie (CT) ermöglicht durchBestrahlung von verschiedenen Winkelnaus zusätzlich die dreidimensionale Dar-stellung des zu untersuchenden Objektes.

Da Röntgenstrahlen ionisierend wirken, eignet

sich keines der zuvor beschriebenen Systeme für

Personenkontrollen.

Im Gegensatz zu Standard-Röntgenge-räten erzeugen Backscatter-Röntgenge-räte ein Bild jener Röntgenstrahlen, dievom Objekt zur Quelle rückgestreut wer-den. Da Materialien mit niedriger Kern-ladungszahl Röntgenstrahlen stärker rück-streuen, werden explosivstoffartige Ma-terialien bei diesem System deutlichersichtbar – es entsteht ein stärkerer Kon-trast.

Ein Vorteil dieser Technologie ist diebreite Detektionspalette. Selbst Plastik-sprengstoff, der von einer Person am Kör-per getragen wird, könnte mit diesen Ge-räten detektiert werden (weil Plastik dich-ter ist als der stark wasserhältige mensch-liche Körper). Da bei diesem Verfahren dieStrahlenbelastung insgesamt sehr niedrigist, wäre auch dessen Einsatz bei Perso-nenkontrollen denkbar. Vereinzelt wirddies bereits auf einigen Flughäfen getestet.Dennoch ist mit einer geringen Akzeptanzvon Seiten der Bevölkerung zu rechnen –zum einen aufgrund der gesundheitlichenBedenken (zB Vielflieger), zum anderen,weil diese Geräte eine Art "Nacktbild" dergescannten Person erzeugen. Eine weitereProblematik ist die noch zu lange Dauerder Kontrolle; schnellere Geräte sind je-

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zahlen (< 20) besitzen. Die mit Abstandhäufigsten Bulk-Systeme sind Röntgen-technologien. Diese werden meist zurKontrolle von Gepäck, Frachtgut oderPost verwendet. Nachteilig ist hier beson-ders die starke Abhängigkeit von der Er-fahrung und Qualifikation des Operators,da die Ergebnisse interpretiert werdenmüssen. Bei Standard-Röntgensystemenwird das zu untersuchende Objekt mitRöntgenstrahlen durchleuchtet. Am Moni-tor betrachtet, erzeugen diese Röntgen-strahlen ein Schattenbild, das daraus re-sultiert, dass die Strahlen von Materialienmit unterschiedlicher Dichte absorbiertwurden. Wie bereits erwähnt, eignen sichdiese Systeme zwar gut zum Aufspürenvon Metallen, aber weniger für Materia-lien mit niedriger Kernladungszahl.

Die Dual-Energy-Technologie verwendetRöntgenstrahlung auf zwei verschiedenenEnergieniveaus und ermöglicht dadurchdie Kernladungszahlen bzw Dichte derMaterialien im Inneren des untersuchtenObjektes zu bestimmen. Diese Werte wer-den zB mittels Einfärben visualisiert. DemKontrollpersonal steht dann zur Erleich-terung der Klassifizierung des Objektes

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Foto: American Science and Engineering, Inc.

Links: Die Backscatter-Röntgentechnologie bringteine Zündschnur und Plastiksprengstoffe zumVorschein

Rechts: Im Schattenbild des Standard-Röntgen-geräts sind diese Gegenstände nicht erkennbar

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genschaften für Detektionsanwendungen:Zum einen sind sie nicht-ionisierend undsomit nicht-gesundheitsbelastend, zumanderen durchdringen sie zahlreiche Ma-terialien wie Kleidung, Schuhe, aber auchmenschliches Gewebe. Zurzeit stehen ei-ner Anwendung jedoch noch die viel zuhohen Herstellungskosten entgegen. Be-denken von Seiten der Bevölkerung könn-ten sich auch hinsichtlich der mittels die-ser Methode produzierten "Nacktbilder"ergeben.

Zur Trace- bzw Vapourdetektion zählenelektrochemische Sensoren wie etwa Io-nen-Mobilitäts-Spektrometer (IMS) oderMassenspektrometrie (MS), aber auch bio-sensorische Systeme wie Spürhunde und"elektronische Nasen". Das Grundprinzipder Trace- bzw Vapourdetektion ist diechemische Identifikation von mikroskopi-schen Rückständen von Sprengstoffen,entweder in Form von Ausdampfung oderin Partikelform (oder beides). Dabei be-zieht sich Vapour auf die von der Oberflä-che des Sprengstoffs abgegebenen Mole-küle (Verdampfung), Trace auf mikrosko-pische Partikel festen Materials, die jenenOberflächen anhaften, welche direkt oderindirekt mit Sprengstoffen in Kontakt ka-men.

Solche Spuren sind für dasbloße Auge nicht sichtbar und

können auch nicht einfachabgewaschen werden.

So können detektierbare Partikel vonSprengstoffen auch an Personen gefundenwerden, die mit dem Sprengstoff in Be-rührung kamen bzw auf Gegenständen,mit denen diese Personen hantierten. ZurProbennahme existieren verschiedensteLösungen. Gewöhnlich werden diese tro-cken oder flüssig abgewischt oder abge-saugt. Mobile Geräte ähneln kleinen"Staubsaugern", die direkt an das Objekt

doch in Entwicklung.Nun beschränken sich Bulk-Techno-

logien nicht auf Röntgenstrahlung. DieKern-Quadrupol-Resonanz (NQR) etwamacht sich zunutze, dass in fast allenSprengstoffen Stickstoff (N) vorhandenist. So erlaubt NQR, feste N-haltige Ex-plosivstoffe über den N14-Kern zu identi-fizieren und zu unterscheiden. Durch Ein-strahlung von gepulsten Radiowellen wer-den die Kernspins angeregt. Bei Rückkehrin ihren ursprünglichen Zustand folgen sieeiner speziellen Frequenz. Das Rücksignalauf der NQR-Frequenz wird mit der An-tenne aufgespürt, im Anschluss analysiertund dient zur Identifikation des Materials.Da viele Sprengstoffe sehr charakteristi-sche NQR-Frequenzen haben, ist die Ratevon Fehlalarmen aufgrund anderer stick-stoffhältiger Materialien gering. AuchPlastiksprengstoffe können mit dieser Me-thode aufgespürt werden. Der SprengstoffTrinitrotoluol (TNT) stellt allerdings auf-grund seines geringen Signals ein Problemfür die NQR-Detektion dar.

Als äußerst viel versprechend, aber technisch

noch weitgehend unausgereift, gelten

Detektoren, die das bisherkaum erschlossene

Terahertz-Spektrum nutzen.

Hauptproblem war (bzw ist nach wievor) die Herstellung von geeigneten undeinigermaßen kostengünstigen Sendernund Empfängern. Zurzeit benötigt man zurErzeugung der Terahertzstrahlung nochextrem komplexe und teure Lasersysteme(sog Femtosekundenlaser). Mit der hiermiterzeugten Strahlung wird das Untersu-chungsobjekt durchleuchtet, ein Detektorfängt den Reststrahl auf und analysiert diedarin enthaltenen Informationen. Dabeihaben Terahertz-Wellen interessante Ei-

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Taggants sind Zusatzstoffe, die be-stimmten Sprengstoffen zur Markierungbeigemischt werden. Da weit verbreitete,auf RDX und PETN basierende, Plastik-sprengstoffe mittels Gasanalysetechnikennicht aufgespürt werden konnten, wurde1991 im Rahmen der sog Montreal-Kon-vention ein Übereinkommen über die Mar-kierung von Plastiksprengstoffen zumZweck des Aufspürens getroffen. Die vierhier zugefügten Taggants (EGDN, DMNB,o- und p-MNT) haben allesamt einen we-sentlich höheren Dampfdruck als die da-mit markierten Sprengstoffe und erleich-tern somit die Detektion. Inzwischen wur-de angedacht, diese Methode der Markie-rung auch auf andere gewerbliche und mi-litärische Sprengstoffe auszuweiten. Sehrhäufig werden für die Trace-DetektionIonen-Mobilitäts-Spektrometer (IMS) ein-gesetzt. Bei dieser Methode wird das zuuntersuchende Material ionisiert und dieIonen mithilfe eines elektrischen Feldesdurch ein Gas bewegt – während dieser Be-wegung werden die Ionen je nach Mobi-lität aufgetrennt. Gegenüber anderen ana-lytischen Geräten sind IMS schnell, relativgünstig und können auch unter verschiede-nen Umgebungsbedingungen eingesetztwerden – wobei die Bedienung eher ein-fach ist und nur ein minimales Trainingvoraussetzt.

Allerdings fällt die Identifikation der

Sprengstoffkomponenten imVergleich zu anderen Geräten

bei IMS nicht so eindeutigaus (Saver 2006).

Eine (nicht ausschließlich IMS-spezifi-sche) Problematik in diesem Bereich sindFehlalarme – so können einige Chemika-lien, die ähnliche Eigenschaften wieSprengstoffe aufweisen, Fehlalarme auslö-sen (solche Stoffe befinden sich zB auch

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oder an die Person herangeführt werdenkönnen und dort eine Probenmenge Luft(Verdampfung) ansaugen. Auch weit kom-plexere Systeme wurden für die Personen-kontrolle entwickelt, wie etwa Portale,durch die die Passagiere geschleust wer-den. Kleinste Partikel werden dann zBmittels Windstoß von der Person und de-ren Kleidung gelöst, angesaugt und analy-siert. Einen etwas anderen Ansatz verfol-gen Geräte, die die Flugtickets der Passa-giere automatisch auf Sprengstoffpartikelüberprüfen. Welche Methode (Trace oderVapour) im Einzelfall am geeignetsten ist,hängt von den physikalischen Eigen-schaften des Gesuchten ab. Wichtigste Ei-genschaft des Sprengstoffs für die Va-pourdetektion ist dessen Flüchtigkeit – fürdie Detektion muss der Dampfdruck desSprengstoffs genügend hoch sein. Bei denmeisten Sprengstoffen ist dieser allerdingsnieder, sie geben somit nicht genug Ver-dampfung ab um zuverlässig mittels dieserMethode nachgewiesen zu werden. Solässt sich etwa PETN leichter über ein Par-tikeldetektionsverfahren aufspüren, Dyna-mit oder Nitroglycerin hingegen lassensich besser anhand ihrer Ausdampfungenermitteln. Eine andere Problematik bei derVapourdetektion ist zudem, dass dieZusammensetzung der untersuchten Gas-phase variiert, abhängig von Luftfeuchtig-keit und Temperatur. Auch die Umgebungkann die chemische Zusammensetzungbeeinflussen und selbst das Behältnis, indem sich der Sprengstoff befindet, beein-flusst die Detektion (Abstracts 2003).

Ein Ansatz, um zumindestkommerziell produzierte

Sprengstoffe mit der Vapour-methode leichter detektierbar

zu machen, ist die Beigabesogenannter Taggants.

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in der Praxis alle an sie gestellten Anfor-derungen (zuverlässige Detektion bei allenSprengstoffen auch unter verschiedenenUmgebungsbedingungen, wenige Fehl-alarme, schnell, günstig, nicht invasiv undgesundheitsgefährdend, ...) optimal erfüllt.Auch befinden sich viele Technologienzurzeit noch in der Entwicklungsphase. Dadie Forschung in diesem Bereich gefördertwird und die Nachfrage nach solchen Pro-dukten eher steigt, ist wohl mit Weiterent-wicklungen und Verbesserungen zu rech-nen – was zukünftig auch das Einsatzspek-trum dieser Geräte ausweiten könnte. Aberauch mit aktuell verfügbaren Technolo-gien lässt sich durch einen systematischaufeinander abgestimmten Einsatz mehre-rer Methoden in einigen Einsatzbereichen(zB Flughäfen, zentrale Zug- und Bus-bahnhöfe, ...) bereits jetzt ein deutlicherSicherheitsgewinn erzielen. Zeit- undKostenfaktoren können dabei durch ver-schiedene selektive Maßnahmen reduziertwerden (zB Stichproben, Profiling, etc).Dabei stellen technische Hilfsmittel im-mer nur einen Teilaspekt dar, mindestensebenso wichtig sind in diesem Kontext Er-fahrung, Ausbildung und Motivation desKontrollpersonals. Nicht unerwähnt blei-ben soll zuletzt noch, dass Sicherheitssys-teme und -checks nicht nur für ihre Kon-trollfunktion per se eingesetzt werden,sondern auch einen wesentlichen Beitragzu einer wirkungsvollen Abschreckungs-strategie leisten. Die Terroranschläge inEuropa der letzten Jahre (Madrid, London,...) lassen vermuten, dass Sprengstoffan-schläge auf kritische Infrastruktur (idRTransport und Verkehr) auch in Hinkunfteines der wahrscheinlichsten Szenariendarstellen, mit dem sich die Terrorismus-bekämpfung auseinanderzusetzen hat. Da-bei kommen immer häufiger selbstgefer-tigte Sprengsätze, sog Improvised Explo-sive Devices (IEDs) zum Einsatz. Proble-matiken bei der Prävention ergeben sich

in Parfums oder Cremen). Eine andereForm von (Fehl)Alarm wird durch Chemi-kalien verursacht, die zwar auch in Spreng-stoffen vorkommen, aber ebenso für lega-le Zwecke eingesetzt werden (so befindetsich Nitroglycerin auch in Medikamen-ten). Falsche Ergebnisse können aber auchdurch Verunreinigungen der Probe oderfalsche Handhabe herbeigeführt werden.

Der prinzipiellen Problematik bei Va-pour-Methoden – dem zu niedrigenDampfdruck von Sprengstoffen – versu-chen sog Sniffer ("elektronische Nasen")von einem anderen Ansatz her zu begeg-nen. So ist die Verdampfung vieler Explo-sivstoffe bei durchschnittlichen Umge-bungsbedingungen zwar sehr niedrig,deren Zusätze, Verunreinigungen und Ver-packungsmaterial haben aber einen deut-lich höheren Dampfdruck. Dieses Ensem-ble an Dämpfen, das von all diesen Kom-ponenten abgegeben wird, schafft eine Arteinzigartiges "Bouquet" – ähnlich einemFingerabdruck. Genau dieses Geruchsbou-quet wird gewöhnlich von Spürhunden er-kannt. Sniffersysteme behelfen sich zudiesem Zweck mit verschiedenen chemi-schen Detektoren (zB Polymersensor,Quarzsensor, ...). Allerdings sind diese Ge-räte noch zu groß, kaum transportabel, teu-er (Abstracts 2003) und reichen nicht anreale Spürhund-Fähigkeiten heran. Über-haupt gelten Spürhunde nach wie vor alseine der zuverlässigsten Methoden zur De-tektion von Sprengstoffen. Sie sind äu-ßerst mobil und können für verschiedensteZwecke eingesetzt werden. Allerdings istihre Ausbildung, Haltung und Pflege kos-ten- und zeitaufwendig und ihre Einsatz-dauer stark begrenzt.

RESÜMEE & AUSBLICKBei der Betrachtung der verschiedenenAnsätze und Problematiken wird klar, dasskeine der gegenwärtig verfügbaren Tech-nologien zur Detektion von Sprengstoffen

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1 Bei Verwendung von sehr unempfindli-

chen Sprengstoffen ist zudem zwischen

Sprengzünder und Hauptladung eventuell

eine zusätzliche Verstärkungsladung

("Booster") erforderlich.2 So könnten möglicherweise bei bestimm-

ter Platzierung schon 150g Sprengstoff

ein Flugzeug zum Absturz bringen (ist

davon abhängig, wo der Sprengstoff plat-

ziert wird und in welcher Flugphase sich

das Flugzeug befindet) (Hirz 07.09.2006).3 Es ist möglich, mittels spezieller

Software die Aufmerksamkeit der Kon-

trolleure zu verbessern. Die Software

Threat Image Projection zeigt beispiels-

weise sporadisch imaginäre Bilder von

Taschen an, die irgendeinen gefährlichen

Inhalt in sich bergen.4 Einige Quellen nennen hier zudem

Shape-Technologien als eigene Katego-

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Da es wahrscheinlich ist, dass Terroris-ten auch in Zukunft Wege finden werden,IEDs zu realisieren, müssen zudem Über-legungen angestellt werden, wie Massen-transportmittel (und andere kritische Infra-struktur) in Hinkunft besser vor Spreng-

stoffanschlägen geschützt werden können.Technologien zur Detektion von Spreng-stoffen können hier einen nicht unwesent-lichen Beitrag leisten. Allerdings zeigtesich auch, dass diese Systeme nicht füralle Einsatzgebiete gleichermaßen geeig-net sind und dass zZt kein Gerät alle indiesem Zusammenhang notwendigen An-forderungen (zuverlässig, wenige Fehl-alarme, schnell, günstig, nicht invasiv undgesundheitsgefährdend, ...) optimal erfüllt.Dennoch kann durch den systematischaufeinander abgestimmten Einsatz mehre-rer Methoden in einigen Einsatzbereichenein deutlicher Sicherheitsgewinn erzieltwerden.

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