C G »Hör auf der Flöte Lied«...Rumi erhielt. Die Familie ließ sich in Karanda, dem heutigen...

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C ARL -O RFF -S AAL IM G ASTEIG 44 APPLAUS 10/2007- 10/2007 D ie Begegnung mit einem Derwisch in seiner Geburts- stadt Teheran weckte in Moham- mad Eghbal die Begeisterung für die persische Rohrflöte Ney. Er studierte verschiedene Instru- mente, ehe er sich ganz der Flöte und der Musik des Sufismus wid- mete. Im Zuge der Verbreitung eines toleranten und lebensfro- hen Glaubens pflegen die islami- schen Mystiker seit Jahrhunder- ten eine reiche und vielfältige Musiktradition. Befruchtet von jeweils anderen Kulturen, ent- stand ein Klangkosmos unter- schiedlicher Ausprägungen und Genres. Er reicht von ekstati- schen Gesängen über schamanisch beeinflusste Trance- musik bis hin zu volkstümlichen Me- lodien und mystisch inspirierter Liebes- lyrik. Der mystische Vogel Simurgh 1989 rief Eghbal, der seit 1985 in Österreich lebt, die Weltmusikgruppe Ahura ins Leben. Als Zeichen seiner Gruppe wähl- te er den mystischen Vogel Si- murgh, der auf dem weltumspan- nenden Berg Qaf lebt. Für die mystischen Dichter war der Vo- gel zugleich ein Symbol für die Seele auf ihrem mystischen Pfad. »Jedermanns Reise geht zu seiner Vollkommenheit«, schrieb der mystische Dichter Fariduddin Attar. In seinem Epos Die Spra- che der Vögel erzählt er die Ge- schichte von 13 Vogelarten, von denen jede eine menschliche Ei- genschaft versinnbildlicht und die gemeinsam eine Reise unter- nehmen, um den König der Vögel, den Simurgh, zu finden. Sieben Täler müssen sie durch- fliegen und viele Jahre dauert die Reise. Nur 30 Vögel gelangen an ihr Ziel und entdecken, dass sie selbst – 30 Vögel, - si murgh – der Simurgh sind. Damit haben sie die höchste Stufe der Voll- kommenheit, die Entwerdung er- langt. Für Eghbal verwirklicht sich die Verheißung des Simurgh im Zusammenwirken der Grup- pe in Richtung auf ein gemeinsa- mes Ziel, wobei jedes Mitglied sich im anderen widerspiegelt. Grundlage seiner Musik sind die Verse des persischen Mystikers Dschelaleddin Rumi. Dieser sah »das Haus der Liebe ganz aus Lie- dern, Versen und Sang gemacht«. »Ich bin er und er ist ich« Rumi wurde 1207 in Balch am nördlichen Rand des afghani- schen Zentralmassivs geboren. Sein Vater Bahauddin Walad war ein angesehener Theologe. Aus Furcht vor den mongolischen Horden verließ die Familie die Stadt. Anfang der 20er-Jahre er- reichte sie Zentralanatolien, ge- nauer gesagt Rum, woher Dschelaleddin den Beinamen Rumi erhielt. Die Familie ließ sich in Karanda, dem heutigen Karaman, nieder. Hier heiratete Rumi und 1226 wurde sein erster Sohn Sultan Walad geboren. 1228 erhielt Bahauddin Walad eine Berufung nach Konya, der Hauptstadt des Seldschukenrei- ches, an einer der zahlreichen Hochschulen Theologie zu leh- ren. Bereits 1231 verstarb er je- doch. Das Feuer der mystischen Liebe Erst jetzt wurde Rumi von Burha- neddin Muhaqqiq, einem Schüler seines Vaters, in das mystische Denken eingeführt. Die entschei- dende Wende seines Lebens löste das Auftauchen des wandernden Derwischs Schamseddin von Tä- briz aus. Dieser entzündete in Ru- mi das Feuer der mystischen Lie- be. Sechs Monate lang saß Rumi Tag und Nacht mit dem Derwisch zusammen. Nach zwei Jahren ver- schwand Schamseddin aus Konya. Rumi ließ ihn überall suchen. Aus Schmerz über den Verlust ergab er sich völlig der Musik, dem Tanz und der Dichtung. Als aus Syrien Nachricht über Scham- seddin kam, schickte er seinen Sohn Sultan Walad mit Gold und Silber, um den Derwisch zurück- zuholen. Bald darauf aber ver- schwand Schamseddin abermals und es steht zu vermuten, dass er aus Eifersucht von Rumis Sohn er- mordet und begraben worden war. In seinen Gedichten steigerte sich Rumi nun dermaßen in seine Liebe zu dem Toten hinein, dass er sich völlig mit diesem identifi- zierte: »Ich bin er und er ist ich, o Suchender!« Eine neue Quelle der Inspiration fand Rumi in dem Goldschmied Salaheddin Zarkub, seinem Lieb- lingsjünger. Aus Entzücken über das Geräusch des Hämmerns in der Schmiede begann er, sich zu drehen. Und als Salaheddin 1258 starb, endete die Totenfeier in einem mystischen Reigen. Der wirbelnde Tanz verkörperte für Rumi das Geheimnis des Lebens und war der letzte Schritt auf dem Weg zur geistigen Freiheit. Er bedeutete, in der irdischen Welt abzusterben und in Gott wieder- erweckt zu werden: »Wer die Kraft des Reigens kennt, lebt in Gott.« WORLD-MUSIC Ney-Spieler Mo- hammad Eghbal Der mystische Vogel Simurgh »Hör auf der Flöte Lied« Der Flötist Mohammad Eghbal und sein Ensemble Ahura erinnern an den 800. Geburtstag des persischen Mystikers Dschelaleddin Rumi. Mohammad Eghbal und seine Gruppe Ahura FOTOS: KLANG DER STILLE

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CA R L-OR F F -SA A L I M GA S T E I G

44 APPLAUS 10/2007- 10/2007

D ie Begegnung mit einemDerwisch in seiner Geburts-

stadt Teheran weckte in Moham-mad Eghbal die Begeisterung fürdie persische Rohrflöte Ney. Erstudierte verschiedene Instru-mente, ehe er sich ganz der Flöteund der Musik des Sufismus wid-mete. Im Zuge der Verbreitungeines toleranten und lebensfro-hen Glaubens pflegen die islami-schen Mystiker seit Jahrhunder-ten eine reiche und vielfältigeMusiktradition. Befruchtet vonjeweils anderen Kulturen, ent-stand ein Klangkosmos unter-schiedlicher Ausprägungen undGenres. Er reicht von ekstati-

schen Gesängenüber schamanischbeeinflusste Trance-musik bis hin zuvolkstümlichen Me-lodien und mystischinspirierter Liebes-lyrik.

Der mystische Vogel Simurgh1989 rief Eghbal,der seit 1985 inÖsterreich lebt, dieWeltmusikgruppeAhura ins Leben.

Als Zeichen seiner Gruppe wähl-te er den mystischen Vogel Si-murgh, der auf dem weltumspan-

nenden Berg Qaf lebt. Für diemystischen Dichter war der Vo-gel zugleich ein Symbol für dieSeele auf ihrem mystischen Pfad.»Jedermanns Reise geht zu seinerVollkommenheit«, schrieb dermystische Dichter Fariduddin

Attar. In seinem Epos Die Spra-che der Vögel erzählt er die Ge-schichte von 13 Vogelarten, vondenen jede eine menschliche Ei-genschaft versinnbildlicht unddie gemeinsam eine Reise unter-nehmen, um den König derVögel, den Simurgh, zu finden.Sieben Täler müssen sie durch-fliegen und viele Jahre dauert dieReise. Nur 30 Vögel gelangen anihr Ziel und entdecken, dass sieselbst – 30 Vögel, - si murgh –der Simurgh sind. Damit habensie die höchste Stufe der Voll-kommenheit, die Entwerdung er-langt. Für Eghbal verwirklichtsich die Verheißung des Simurghim Zusammenwirken der Grup-pe in Richtung auf ein gemeinsa-mes Ziel, wobei jedes Mitgliedsich im anderen widerspiegelt.Grundlage seiner Musik sind dieVerse des persischen MystikersDschelaleddin Rumi. Dieser sah»das Haus der Liebe ganz aus Lie-dern, Versen und Sang gemacht«.

»Ich bin er und er ist ich«Rumi wurde 1207 in Balch amnördlichen Rand des afghani-schen Zentralmassivs geboren.Sein Vater Bahauddin Walad warein angesehener Theologe. AusFurcht vor den mongolischenHorden verließ die Familie dieStadt. Anfang der 20er-Jahre er-reichte sie Zentralanatolien, ge-

nauer gesagt Rum, woherDschelaleddin den BeinamenRumi erhielt. Die Familie ließsich in Karanda, dem heutigenKaraman, nieder. Hier heirateteRumi und 1226 wurde sein ersterSohn Sultan Walad geboren.

1228 erhielt Bahauddin Waladeine Berufung nach Konya, derHauptstadt des Seldschukenrei-ches, an einer der zahlreichenHochschulen Theologie zu leh-ren. Bereits 1231 verstarb er je-doch.

Das Feuer der mystischen Liebe

Erst jetzt wurde Rumi von Burha-neddin Muhaqqiq, einem Schülerseines Vaters, in das mystischeDenken eingeführt. Die entschei-dende Wende seines Lebens löstedas Auftauchen des wanderndenDerwischs Schamseddin von Tä-briz aus. Dieser entzündete in Ru-mi das Feuer der mystischen Lie-be. Sechs Monate lang saß RumiTag und Nacht mit dem Derwischzusammen. Nach zwei Jahren ver-schwand Schamseddin aus Konya.Rumi ließ ihn überall suchen. AusSchmerz über den Verlust ergab ersich völlig der Musik, dem Tanzund der Dichtung. Als aus SyrienNachricht über Scham-seddin kam, schickte er seinenSohn Sultan Walad mit Gold undSilber, um den Derwisch zurück-zuholen. Bald darauf aber ver-schwand Schamseddin abermalsund es steht zu vermuten, dass eraus Eifersucht von Rumis Sohn er-mordet und begraben wordenwar. In seinen Gedichten steigertesich Rumi nun dermaßen in seineLiebe zu dem Toten hinein, dasser sich völlig mit diesem identifi-zierte: »Ich bin er und er ist ich, oSuchender!«Eine neue Quelle der Inspirationfand Rumi in dem GoldschmiedSalaheddin Zarkub, seinem Lieb-lingsjünger. Aus Entzücken überdas Geräusch des Hämmerns inder Schmiede begann er, sich zudrehen. Und als Salaheddin 1258starb, endete die Totenfeier ineinem mystischen Reigen. Derwirbelnde Tanz verkörperte fürRumi das Geheimnis des Lebensund war der letzte Schritt auf demWeg zur geistigen Freiheit. Erbedeutete, in der irdischen Weltabzusterben und in Gott wieder-erweckt zu werden: »Wer die Kraftdes Reigens kennt, lebt in Gott.«

WORLD-MUSIC

Ney-Spieler Mo-hammad Eghbal

Der mystischeVogel Simurgh

»Hör auf der Flöte Lied«Der Flötist Mohammad Eghbal und sein Ensemble Ahura erinnern anden 800. Geburtstag des persischen Mystikers Dschelaleddin Rumi.

Mohammad Eghbal undseine Gruppe Ahura

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Page 2: C G »Hör auf der Flöte Lied«...Rumi erhielt. Die Familie ließ sich in Karanda, dem heutigen Karaman, nieder. Hier heiratete Rumi und 1226 wurde sein erster Sohn Sultan Walad geboren.

Der islamische Mystiker und DichterDschelaleddin Rumi

◗ 1. November, 20 Uhr, Carl-Orff-Saal im Gasteig, Ahura Sufi World Concert.Karten: München Ticket, Tel. 0180-54 81 81 81 (14 ct/min).

Das Klagen der RohrflöteDie dritte wichtige Inspirationsquelle in Rumisletztem Lebensabschnitt war sein Schüler Hu-sameddin ibn Hasan Achi Turk. Er bat Rumi,seine Weisheit niederzuschreiben. So entstanddas große Lehrgedicht Mathnawi. Es bestehtaus sechs Büchern mit insgesamt 27 000 Ver-sen ohne systematischen Aufbau. Seinen Kernbilden rund 300 Geschichten, überwiegendAnleihen aus älteren Werken, die Rumi inein-ander verschachtelte und mit philosophischenÜberlegungen und ethnischen Erläuterungenkommentierte. Am Beginn steht das Klagender Rohrflöte, die ihrem Universum, dem Röh-richt, entrissen wurde und deren Tönen nundem Sehnen des Mystikers nach Vereinigungmit dem Göttlichen Ausdruck verleiht: »Hörauf der Flöte Lied, wie es erzählt. Und wie esklagt, vom Trennungsschmerz gequält: Seitman mich aus der Heimat Röhricht schnitt,weint alle Welt bei meinen Klagen mit.«Der sechste Band blieb unvollendet. 1273 starbRumi. Vertreter aller Religionsgemeinschaftennahmen an seiner Beisetzung teil. Husamed-din übernahm die Leitung der Jüngergruppeund nach dessen Tod 1283 organisierte RumisSohn Sultan Walad diese zu einem Orden undregelte die Tanzrituale. Mohammad Eghbalund seine Gruppe haben zu Rumis Geburtstagein Konzert aus Gesang, Musik und Tanz zu-sammengestellt. Zu den Mitwirkenden zählenChrista Eghbal, Donja Eghbal, Harald Lo-quenz, Georg Degenhardt, Erwin Hoerl,Rashmi Tabla Bhatt, Hossein Amini und JyotiCarola Stieber.

Ruth Renée Reif