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C .. GÄSTE eine Dame und ein Herr ANLASS Mittagessen auf der Durchreise WANN RESERVIERT am Tag zuvor LUNCH Mittwoch, 24. April 2013 eine fünf Minuten Fahrzeit von der Auto- bahn entfernt liegt Sommerhausen. Bekannt ist das Örtchen ganz in der Nähe von Würzburg unter anderem durch den im Januar verstorbenen österreichischen Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur Veit Relin und sein Sommer- häusener Torturmtheater. Am Dienstag, dem Vortag zur Fahrt nach München, beschließen wir spontan, dort zum Miagessen im Restaurant Philipp Station zu machen. Gedacht, getan – doch der Dienstag ist Ruhetag im Restaurant Philipp, niemand geht ans Telefon. Also kündige ich den Besuch, mit der Bie einen Tisch für zwei Personen zu reservieren, mit einer E-Mail an und hinterlasse meine Handynummer. Der bestätigende Anruf vom Restaurant erfolgt am nächsten Vormittag kurz hinter Frankfurt. Einer weiblich gut gelaunten Stimme teile ich mit, dass wir laut Navigationsgerät pünktlich eintreffen müssten. Sie verabschiedet sich, indem sie uns eine weiterhin gute Fahrt wünscht. Sehr sympathisch. Man nuꜩt die Möglichkeit, mit dem ersten Eindruck beim Gast zu punkten. Leider wird sie meist verschenkt. Dabei ist es doch so leicht, die Vorfreude neuer Gäste zu steigern, die mit dem Auto anreisen. Einfach, indem man eine „gute Fahrt“ oder eine „staufreie Anreise“ wünscht oder einen hilfreichen Tipp zum Parken gibt. K 97286 Sommerhausen Hauptstraße 12 www.restaurant-philipp.de Telefon: 09333-1406 Philipp RESTAURANTBESUCH |SERVICE-TEST

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GÄSTEeine Dame und ein Herr

ANLASSMittagessen auf der Durchreise

WANN RESERVIERTam Tag zuvor

LUNCHMittwoch, 24. April 2013

eine fünf Minuten Fahrzeit von der Auto-bahn entfernt liegt Sommerhausen. Bekannt ist das Örtchen ganz in der Nähe von Würzburg unter anderem durch den im Januar verstorbenen österreichischen Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur Veit Relin und sein Sommer-häusener Torturmtheater. Am Dienstag, dem Vortag zur Fahrt nach München, beschließen wir spontan, dort zum Mittagessen im Restaurant Philipp Station zu machen. Gedacht, getan – doch der Dienstag ist Ruhetag im Restaurant Philipp, niemand geht ans Telefon. Also kündige ich den Besuch, mit der Bitte einen Tisch für zwei Personen zu reservieren, mit einer E-Mail an und hinterlasse meine Handynummer.

Der bestätigende Anruf vom Restaurant erfolgt am nächsten Vormittag kurz hinter Frankfurt. Einer weiblich gut gelaunten Stimme teile ich mit, dass wir laut Navigationsgerät pünktlich eintreffen müssten. Sie verabschiedet sich, indem sie uns eine weiterhin gute Fahrt wünscht. Sehr sympathisch. Man nutzt die Möglichkeit, mit dem ersten Eindruck beim Gast zu punkten. Leider wird sie meist verschenkt. Dabei ist es doch so leicht, die Vorfreude neuer Gäste zu steigern, die mit dem Auto anreisen. Einfach, indem man eine „gute Fahrt“ oder eine „staufreie Anreise“ wünscht oder einen hilfreichen Tipp zum Parken gibt.

K97286 SommerhausenHauptstraße 12www.restaurant-philipp.deTelefon: 09333-1406

Philipp

RESTAUR ANTBESUCH|SERVICE-TEST

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Die Sonne strahlt, das Thermometer steigt auf über zwanzig Grad, hungrig sind wir jetzt auch, als das Navigationssystem am Stadttor verkündet: „Das Ziel ist vor Ihnen auf der rechten Seite.“ Dennoch übersehen wir das schmucke Fachwerkhaus und fahren daran vorbei. Unsere Konzentration richtet sich ganz auf die romantischen Gasthausschilder, die sich stolz der Straße, goldverziert, entgegenstrecken und alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ein solches ist am Restaurant Philipp leider nicht angebracht; doch hätten wir mehr zur Seite als nach oben geschaut, wären uns die einladende Terrasse und der Hinweis an der Fassade nicht entgangen.

Die Begrüßung ist erfrischend herzlich und schließt nahtlos souverän an das zuvor geführte Telefonat an. Jetzt hat die freundliche Stimme ein Gesicht: Natalia Gaiduk ist unsere heutige Gastgeberin. Sie fragt, ob wir einen Tisch auf der Terrasse oder im Inneren bevorzugen. Ausgehungert nach Sonne werfen wir zwar einen Blick ins ansprechende Innere, wollen aber viel lieber draußen bleiben. Wir zeigen auf einen höchst sonnigen Tisch rechts vom Eingang und fragen, ob wir dort Platz nehmen dürfen. „Ja, gern“, erwidert sie und informiert, dass der momentan noch in praller Sonne stehende Wunschtisch in einer halben Stunde ähnlich im Schatten liegen würde wie die Tische der anderen Seite jetzt schon. Wir bestellen eine Flasche Mineralwasser und schlagen den angebotenen Aperitif mit dem Hinweis aus, dass wir noch fahren müssen. Obwohl wir den Platz in der Sonne selbst ausgesucht haben, empfinden

wir den späteren Schatten – pünktlich wie angekündigt – zum Essen und zum Wein sehr wohltuend.

Tipptopp gepflegt ist das ganze Haus. Blitzblank ist auch das stille Örtchen, wo Desinfektionstüchlein (sehr guter Service!) bereitliegen. Jedes Detail, nicht zuletzt auch der Blick in den wie neuen Speisekartenkasten, bestätigt den Frischeanspruch der Küche. Der ansehnliche Kasten ist offensichtlich eine schöne Spezialanfertigung, ebenso wie die schlichten Beistelltische im Restaurant, die zwar Arbeitstische für den Service und notwendig sind, es sich aber nicht anmerken lassen. Anders als häufig zu sehen, drängen sie den Zweck nicht optisch in den Vordergrund. Aus dunklem Holz gefertigt, fügen sich die Tischchen wohnlich ins ansprechende Ambiente ein. Klein und schmal, mit einer zweiten Ablagefläche auf halber Höhe, steht ein solches, jeweils einen Zentimeter unter der Tischoberfläche bleibend, vor jedem Gasttisch und bietet gerade so viel Platz wie erforderlich zum Öffnen einer Weinflasche und Abstellen einer Wasserflasche. Nicht ausladend und raumeinnehmend wie die Wägen, die zum Room Service in Hotels, und wohl aufgrund mangelnder Alternativen und eigener Überlegungen auch in vielen Restaurants, eingesetzt werden. Wenn dann ein Room Service-Wagen für zwei Gasttische genutzt wird (s. a. Service-Kritik Schuhbecks), haben die Gäste das Nachsehen, an deren Tisch der Arbeitstisch platziert ist. Auch ohne die Inhaber dieses Restaurants zu kennen, verraten Ambiente und Accessoires bereits

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RESTAUR ANTBESUCH|SERVICE-TEST

56 I STERNKLASSE Sommer 2013

PhilippSERVICE

QUALTITÄTS-

MERKMAL

Gäste freuen sich darüber, wenn ihnen

„eine gute Fahrt“ oder „staufreie

Autobahnen“ für die Anreise gewünscht wird. Wie oft bleibt

doch die gute Laune im Stau auf der

Strecke! Teilt ein Gast dem Restaurant

von unterwegs telefonisch mit,

dass er im Stau steht und sich verspäten

wird, sagt daraufhin ein bürokratischer

Gastgeber: „Danke, dass Sie uns das

mitgeteilt haben.“ Ein emotional

intelligenter Gastgeber hingegen

wird situativ etwas Aufmunterndes

erwidern.

Vorbildlich ist die Telefon-

kommunikationhier im Philipp.

Zwei Gerichte von der Tageskarte: Milchlamm (linkes Bild) und Seeteufel (rechtes Bild)

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viel über sie. Über Engagement, Kompetenz und emotionale Gastlichkeit. Mancher Mäzen hat sich in Deutschland mit einem Vermögen, weit jenseits von Gedanken an Return on Investment, ein kulinarisches Denkmal gesetzt. Derart subventionierte Restaurants rufen stets gemischte Gefühle hervor, denn sie verzerren den Wettbewerb. Doch Ausstrahlung und Wärme – beides hier deutlich spürbar – lassen sich nicht am Reißbrett planen und nicht mit Computeranimationen simulieren. Im Restaurant von Heike und Michael Philipp zeigt sich, vieles ist eben keine Frage des Geldes an sich, doch des angemessenen Umgangs damit. So sind beispielsweise die Brotkästchen und Salzbänke (Depot für unterschiedliche Salze, die zum Brot und Olivenöl angeboten werden) aus dem gleichen Holz wie die Beistelltische: zweckmäßig, formschön und unaufdringlich schlicht. Diese Spezialanfertigungen sind Teil des Gesamtkonzepts. Sie kosten einen Bruchteil von dem, was anderswo schwer versilbert auf

den Tisch kommt – und erfordern darüber hinaus weniger Pflegeaufwand, sparen Arbeitskraft und damit Personalkosten.

Mineralwasser, Brot, Olivenöl und Salz-bänkchen sind rasch am Tisch; wir wählen aus der „Mix & Match Speisekarte“ je eine Vorspeise und einen Hauptgang. Ob wir ein Dessert essen werden, wollen wir später entscheiden. Als gewünscht leichten Weißwein empfiehlt und serviert uns Natalia Gaiduk eine Cuvée, die ein örtlicher Winzer und Heike Philipp (vom Busche-Verlag als Top-50-Sommelière in Deutschland ausgezeichnet) gemeinsam verantworten. Er gefällt uns gut. Ist passend in jeder Beziehung. Da wir noch die einzigen Gäste sind, nehmen wir unsere Gastgeberin ohne schlechtes Gewissen in Beschlag. Freundlich beantwortet sie alle Fragen. Souverän in Haltung und Ausstrahlung. Auch in den Gesprächen behält sie ihre Gastgeberpflichten im Auge, gießt wie beiläufig Wein und Wasser nach. Wir erfahren, dass sie seit fünf Jahren (das spricht

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Natalia Gaiduk vertritt ihre Chefin mit viel Charme – Heike und Michael Philipp haben die Mitarbeiter, die sich die meisten wünschen. Kein Zufall

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für ein sehr gutes Betriebsklima) hier im Haus ist. Eröffnet hat es Familie Philipp am 13. Januar 1999; im letzten Jahr ist die lang ersehnte Terrasse hinzugekommen. „Wer ist denn für die gekonnte Farbauswahl verantwortlich?“, wollen wir wissen. Die Farben scheinen sich gesucht und gefunden zu haben: unterschiedliche Schokoladentöne bis zu hellem Karamell. Dazu das müde Grün der Olive mit einem Schuss Frische vom blauen Meer, Crème und Weiß. Wie schwierig ein so natürlich harmonisches Ergebnis herzustellen ist, weiß wohl jeder von daheim. „Und dazu als Kontrapunkt das Magenta-Rot Ihrer Jacke – einfach perfekt“, finden wir. „Ja, diese Jacke tragen wir momentan im Service alle. Ich glaube, man merkt uns an, wie wohl wir uns darin fühlen. Auch die Chefin, Heike Philipp“. Sie erzählt, dass zuvor ein violettes Kleid ihre Arbeitskleidung war und verrät, dass immer gemeinsam über Form, Farbe und passende Accessoires beratschlagt wird. Jedoch nie ohne den Chef, Michael Philipp. Der habe das absolut sichere Auge, und so bleibe alles immer im passenden Rahmen, auch dann, wenn die Farbeuphorie einmal abzuheben drohe. „Von Gästen bekommen wir wirklich häufig Komplimente für unser Outfit. Viel frischer und weniger steif als in dem üblichen Schwarz-Weiß mit Fliege wirke der Service dadurch, sagen sie – und genau das finden wir auch.“

Obwohl wir direkt an der idyllischen Straße sitzen, ist es angenehm ruhig. Kaum Autoverkehr. Freundlich scheinen die Menschen hier in der Gegend zu sein. Wer vorbeikommt, grüßt. Nach der Vorspeise, die eine Sterneküche erkennen lässt, lernen wir zufällig auch die beiden – heute Mittag nur für uns kochenden – Köche kennen. Als Ware geliefert wird, kommen sie aus ihrer Küche heraus und packen geschickt beim Ausladen an. Sie schauen nicht verschämt

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Philipp

58 I STERNKLASSE Sommer 2013

Michael Philipps „MIX & MATCH“ im FrühlingSTARTER 14 EUROJakobsmuschel & BlumenkohlSan Daniele-Schinken & ZiegenkäseSalade Mesclun & Limette

ZWISCHENGANG 15 EUROSchottischer Lachs & Granny SmithRavioli & BärlauchFrühlingsgemüse & schwarzer Trüffel

HAUPTGANG 25 EUROSchwarzfederhuhn & Amalfi-ZitroneMilchlamm & ArtischockenSeeteufel & Barbouillade de Nice

KÄSE/DESSERT 12 EUROValrhona „Macae“, Schokolade & CaramelRhabarber & Tahiti-VanilleFourme d‘Ambert & Radiccio

Michael Philipps Überraschungsmenü„Carte blanche“3-Gänge-Menü 49 Euro4-Gänge-Menü 59 Euro5-Gänge-Menü 69 Euro6-Gänge-Menü 79 Euro

Mittwoch, Donnerstag und Sonntag am Abend, sowie tagsüber von 12 bis 17 Uhr

SERVICE-TIPP

Es lebt sich angenehmer,

wenn Menschen aufeinander Rücksicht

nehmen. Aber nicht alle verhalten sich im Restaurant

entsprechend. Macht es sich ein Gast

auf Kosten anderer besonders bequem,

quittieren das die anderen

dem Wirt. Mit stillschweigendem

Nicht-Wieder-kommen.

Wegschauen ist also die schlechteste Lösung. Bei der

Ansprache helfenFormulierungen

wie „Bitte haben Sie Verständnis, dass...“

Robert Manz (Souschef) und Johannes Ellner (Auszubildender)

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zur Seite, sondern grüßen selbstbewusst und freundlich in unsere Richtung. In drei Minuten ist die Aktion vorbei. Frau Gaiduk schenkt Wein und Wasser nach, kündigt den Hauptgang an und entschwindet ins Hausinnere. Genau in diesem Moment parkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Kombi.

Merkwürdigerweise stellt sich das Fahrzeug ins absolute Halteverbot, genau vor die Bushaltestelle, obwohl rundherum genügend freie Parkplätze vorhanden sind. Mit Aktenkoffer an der Hand, Notebook unterm Arm und Namensschild am Revers strebt der Fahrer zielstrebig auf das Restaurant zu. Grußlos geht er an uns vorbei und nimmt am Tisch hinter uns Platz. Leise, dass nur ich es hören kann, flüstert mein Begleiter: „Der Mann hat sich verlaufen, wetten, dass er jetzt nur einen Kaffee bestellt?“ Innerhalb von Sekunden verwandelt der neue Gast seinen Tisch mit Schreibkram, Handy und Laptop in ein funktionsfähiges (mietfreies) Büro. Über die friedliche Ruhe des Sommertages triumphiert nun das Geräusch eifrigen Tippens auf einer Tastatur. „Ganz schön rücksichtslos“, denke ich insgeheim. Hätte der Mann sich nicht entfernt von uns auf die andere Seite der Terrasse setzen können? Nicht jeder schafft es, Störgeräusche zu ignorieren; wir können es und schalten den Ausblendemodus ein. Denn wir wollen uns nicht ärgern, nur entspannen. Leider ist das doch nicht so einfach. Wenige Minuten später setzt der Gast am hinteren Tisch, gut hörbar bis auf die andere Straßenseite, zu einem Vortrag an. Mit erhobenem Zeigefinger in der Stimme referiert er lautstark über den richtigen Umgang mit Gästen, wobei er Natalia Gaiduk in aggressiver Tonlage schulmeisterhaft abkanzelt. Einen Einwand, das lässt sich deutlich heraushören, duldet diese Stimme nicht. So ähnlich wie die junge Dame müssen unsere Ur- und Großeltern empfunden haben, kurz bevor der Lehrer Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zum Stock griff und losdrosch. Widerlich. Mir sträuben sich die Nackenhaare. Der bisher selbst keineswegs durch gute Manieren aufgefallene Sprecher wirft der jungen Frau vor, nach weiteren Wünschen über das bestellte Mineralwasser hinaus gefragt zu haben. Die Art, in der sie nachgefragt hätte, die würde ihr nicht zukommen. Er könne ein Gast sein, der am Abend zum Essen wiederkommen wolle. Doch mit ihrer Ansprache würde sie keinen Gast gewinnen, höchstens vergraulen. Natalia Gaiduk bleibt äußerlich gelassen. Ruhig hört sie sich den aggressiven Vortrag auch in der Wiederholung scheinbar aufmerksam an. Ganz so, wie es Berufsschulen in der Ausbildung angehende Restaurantfachleute lehren: Nie den

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v. l. Dorothea Kreß, Heike Philipp und Natalia Gaiduk

Klare Linie: Liebe zum schnörkellosen Detail

Schöne Beistelltische: praktische Arbeitsflächen, die sich klein machen

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auf Kosten anderer Gäste besonders gemütlich machen oder sich respektlos Mitarbeitern oder Gästen gegenüber verhalten, müssen auf die Regelwidrigkeit aufmerksam gemacht werden. Das geschieht leider aus falsch verstandener Rücksichtnahme noch immer viel zu selten. Leidtragende – das sind immer die „richtigen“ Gäste – sie werden vergrault, ohne dass sie sich bemerkbar machen, denn sie verabschieden sich in der Regel genauso stillschweigend wie sie die Regelverstöße klaglos hinnehmen. Dabei ist es auch hier recht einfach, mit einer höflichen Formulierung wie „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ...“, für klare Verhältnisse zu sorgen.

Wir erleben ein Küchenteam, dem Patron Michael Philipp seine Küche unbesorgt an ruhigen Tagen anvertrauen kann. Auch der Hauptgang verdient voll die Auszeichnung Sterneküche. Besonders überzeugt hat uns der natürliche Service, der noch eine anschauliche Szene für das gute Miteinander bietet: Natalia Gaiduk steht mit den abgeräumten Hauptgangtellern auf dem Arm am Tisch, als ihre Kollegin Dorothea Kreß, noch in Zivilkleidung und ohne Magenta-Rot zum Arbeitsbeginn, von der Straße kommend, die Terrasse betritt. Sie schaut in unsere Richtung, grüßt mit einem strahlenden Lächeln und nimmt im nächsten Moment der Kollegin die Tellerlast ab. Diesen Blick wünschen sich alle Arbeitgeber!

Nachdem wir die Rechnung bezahlt ha-ben, überraschen wir die beiden mit dem Outing, dass wir über Restauranterlebnisse in STERNKLASSE berichten. Wir bitten sie darum, Fotos von ihnen machen zu dürfen, und fragen, ob wir vielleicht auch einen Blick in die Küche werfen dürfen. Wir dürfen. Dass der Chef diesen Mittag nicht am Herd stand, ist beim Essen nicht aufgefallen. Welchen hervorragenden Eindruck die Mitarbeiterinnen im Service auf uns ge-macht haben, können wir Heike Philipp noch persönlich sagen. Wir sind fest entschlossen, bei der nächsten Fahrt gen Süden erneut hier Station zu machen. Küche und Service werden wir bis dahin jedem ans Herz legen. Wer ein Ziel für ein kulinarisches Wochenende in Wiesbaden und Umgebung sucht, dem empfehlen wir eine der beiden Suiten im Haus Philipp, und wenn die ausgebucht sind, das eine Doppelzimmer. Fahren Sie hierher – Sie werden es nicht bereuen. UB

Redefluss unterbrechen – den Gegenüber erst das Pulver verschießen lassen, und darüber hinaus den Beschwerdeführer möglichst von anderen Gästen abschirmen! Eine schöne Theorie. Ich stelle mir vor, was passieren würde, bäte Frau Gaiduk diesen „Herrn“ jetzt darum, das Gespräch im Haus fortzuführen.

Mir reicht‘s. Ein drittes Mal mag ich das Ganze nicht anhören. Ich tue, was Gäste gewöhnlich nicht tun und wende mich dem Mann zu; spreche ihn direkt an und bitte ihn zu bedenken, dass er hier nicht alleine sei. Er schaut verblüfft, als ich sage: „Wir haben uns auf ein genüssliches Mittagessen in angenehmer Atmosphäre gefreut. Es wäre schön, wenn Sie einen gefälligeren Ton anschlagen und auch leiser sprechen würden.“ Sekundenschnell steht ihm der Unmut hochrot ins Gesicht geschrieben. Nicht ganz so schulmeisterlich wie er selbst, aber doch mit hochgezogener Augenbraue, weise ich darauf hin: „Dies ist im Übrigen ein Restaurant und kein Internetcafé. Somit hat die Dame auch sehr recht getan, Sie nach weiteren Wünschen zu fragen.“ Der Mann reagiert wie erwartet: laut und erregt. Er ist nicht einsichtig, wohl aber persönlich getroffen. Kritisiert zu werden, das gefällt ihm offensichtlich weit weniger als selbst andere zu maßregeln. Das Ganze ginge mich überhaupt nichts an, blökt er los und lässt eine Tirade unflätiger Beschimpfungen folgen. Als er fertig ist, schaue ich ihm fest in die Augen und sage freundlich lächelnd: „Die momentan leider nicht anwesende Inhaberin kann sie bedauernswerterweise nicht bitten, nicht wiederzukommen. Ich an ihrer Stelle würde es tun, denn nicht Mitarbeiter wie Frau Gaiduk, sondern Menschen wie Sie vergraulen Gäste.“ Danach wende ich mich ab. Kurze Zeit später ist der Mann weg. Das nächste Mal schaut er hoffentlich genau hin, wo er zum „Kaffeetrinken“ Platz nimmt und sein mobiles Außer Haus-Büro einrichtet.

Restaurants sind Bereiche des öffentlichen Lebens. Ähnlich wie im Straßenverkehr nimmt auch hier tendenziell die Rücksicht der Teilnehmer aufeinander ab. Und genauso wie im Verkehr nicht das Gesetz des Stärkeren, sondern die Regeln der Straßenverkehrsordnung gelten, so hat auch der Restaurantraum Regeln. Gäste, die ein STOPP-Schild – bewusst oder unbewusst – überfahren, indem sie es sich beispielsweise

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60 I STERNKLASSE Sommer 2013

SERVICE

QUALTITÄTS-MERKMAL

Oft sprechen Gäste ihren Kellner in dem

Moment an,an dem er gerade die

Teller aushebt.Steht ein Kellner dann länger mit

Tellern in der Hand an einem Tisch, ohne

dass ein Service-Kollege hilfsbereit die Porzellan-Last

übernimmt, stimmt entweder das

Betriebsklima nicht, oder man arbeitet mit ungeschulten

Aushilfen im Service.

Vorbildlich Hand in Hand arbeiten die Mitarbeiterinnen

hier im Philipp!