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Casa Esperanza, Uypaca Das Projekt in Kürze: Beschreibung: Internat, Hausaufgabenbetreuung, Mittagstisch Kinder: 13 Kinder, die unter der Woche übernachten / 10 Kinder, die nach der Schule kommen, aber zu Hause übernachten Unterstützung 2017 durch das BKHW: 14.500 € Personal: 1 Leiterin, 1 Erzieher, 1 Assistentin, 2 Köchinnen, 1 Freiwilliger Mehr Infos: https://www.bkhw.org/casa-esperanza-kopie.html Interview mit dem Freiwilligen Paul Barahona (weltwärts Freiwilliger 2017/2018) Projekt Casa Esperanza, Uypaca Paul leistet seit September 2017 seinen Freiwilligendienst im Projekt Casa Esperanza. Er berichtet uns von seinem Tagesablauf, seinem Eindruck von Bolivien und warum das Projekt so unterstützenswert ist. Was sind deine Aufgaben in der Casa Esperanza? Wie sieht dein Tagesablauf aus? Mein Projekt Casa Esperanza gefällt mir sehr gut, weil mein Aufgabenbereich sehr breitgefächert ist. Ich begleite die Kinder und meine Mitarbeiterinnen durch den Alltag des Internats. Bevor die Kinder morgens zur Schule gehen, geht es darum, das Frühstück mit vorzubereiten und darauf zu achten, dass die Kinder ihre Pflichten ordentlich erfüllen, sei es, das Bad zu putzen oder die Küche sauber zu halten. Vormittags fahre ich zum Markt und kaufe Lebensmittel ein oder helfe bei der Hauswirtschaft. Wenn die Kinder nachmittags von der Schule kommen, essen wir zusammen. Auch hier kümmere ich mich darum, dass alles reibungslos abläuft. Ein großer Teil meiner Arbeit im Casa Esperanza ist die Hausaufgabenbetreuung. Dabei übernehme ich meistens die kleinen Kinder und helfe bei einfachen Matheaufgaben oder beim Geschichtenschreiben. Bei der Nachmittagsgestaltung sind keine Grenzen gesetzt. Meistens spielen wir Fußball oder ich singe mit den Kleinen Kinderlieder zur Gitarre. Einmal habe ich eine Schatzsuche organisiert; das hat

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Casa Esperanza, Uypaca Das Projekt in Kürze:

Beschreibung: Internat, Hausaufgabenbetreuung, Mittagstisch Kinder: 13 Kinder, die unter der Woche übernachten / 10 Kinder, die nach der Schule kommen, aber zu Hause übernachten Unterstützung 2017 durch das BKHW: 14.500 € Personal: 1 Leiterin, 1 Erzieher, 1 Assistentin, 2 Köchinnen, 1 Freiwilliger Mehr Infos: https://www.bkhw.org/casa-esperanza-kopie.html

Interview mit dem Freiwilligen Paul Barahona (weltwärts Freiwilliger 2017/2018)

Projekt Casa Esperanza, Uypaca Paul leistet seit September 2017 seinen Freiwilligendienst im Projekt Casa Esperanza. Er berichtet uns von seinem Tagesablauf, seinem Eindruck von Bolivien und warum das Projekt so unterstützenswert ist.

Was sind deine Aufgaben in der Casa Esperanza? Wie sieht dein Tagesablauf aus? Mein Projekt Casa Esperanza gefällt mir sehr gut, weil mein Aufgabenbereich sehr breitgefächert ist. Ich begleite die Kinder und meine Mitarbeiterinnen durch den Alltag des Internats. Bevor die Kinder morgens zur Schule gehen, geht es darum, das Frühstück mit vorzubereiten und darauf zu achten, dass die Kinder ihre Pflichten ordentlich erfüllen, sei es, das Bad zu putzen oder die Küche sauber zu halten. Vormittags fahre ich zum Markt und kaufe Lebensmittel ein oder helfe bei der Hauswirtschaft. Wenn die Kinder nachmittags von der Schule kommen, essen wir zusammen. Auch hier kümmere ich mich darum, dass alles reibungslos abläuft. Ein großer Teil meiner Arbeit im Casa Esperanza ist die Hausaufgabenbetreuung. Dabei übernehme ich meistens die kleinen Kinder und helfe bei einfachen Matheaufgaben oder beim Geschichtenschreiben. Bei der Nachmittagsgestaltung sind keine Grenzen gesetzt. Meistens spielen wir Fußball oder ich singe mit den Kleinen Kinderlieder zur Gitarre. Einmal habe ich eine Schatzsuche organisiert; das hat

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Casa Esperanza, Uypaca den Kindern sehr gefallen. Gelegentlich machen wir Wanderungen, basteln Armbänder oder backen Brötchen. Durch den engen Kontakt zu den Kindern habe ich natürlich einen großen Einfluss auf sie, den ich nutze, um ihnen etwas mit auf den Weg zu geben. Ich rege sie dazu an zu hinterfragen, warum sie ihren Müll einfach so in die Gegend werfen oder wieso sie sich so herabwürdigend über Homosexualität äußern. Für mich ist das Projekt genau richtig, weil es immer Dinge zu tun gibt und ich gleichzeitig viel Eigeninitiative zeigen kann. Außerdem lerne ich selbst so viel von den Kindern; das ist unglaublich.

Was ist dein Eindruck von Bolivien? Bolivien gefällt mir ziemlich gut. Natürlich bekommt man einen recht umfassenden Eindruck von einem Land und seiner Gesellschaft, wenn man ein Jahr dort lebt. Es gibt aber auch einige Dinge, die mich stören, zum Beispiel, dass viele Bolivianer ihren Müll einfach auf den Boden werfen, oder die vielen Abgase, die die Luft verpesten. Die positiven Eindrücke überwiegen jedoch alle Mal. Der kulturelle Reichtum, den Bolivien zu bieten hat, ist einfach bezaubernd. Es gibt zum Beispiel 36 verschieden Nationaltänze. Zu jedem einzelnen wird eine spezielle Tracht getragen; das hat mich sehr beeindruckt. Dadurch, dass mein Projekt in einem Dorf liegt, bekomme ich auch einen guten Einblick in das Dorfleben. Für mich als Stadtmenschen war das anfangs eine ganz neue Welt. Das Schönste für mich an Bolivien sind jedoch die Kinder aus der Casa Esperanza. Bolivien gefällt mir auch deshalb so gut, weil es von den lateinamerikanischen Ländern sicher eines derjenigen ist, die sich am stärksten von Deutschland unterscheiden. Die Bolivianer haben eine ganz andere Sichtweise auf die Welt und schätzen viele andere Dinge als wir in Deutschland. Dieser Perspektivwechsel ist für mich eine große Bereicherung.

Warum denkst du, dass das Projekt für die Kinder so wichtig ist? Die meisten Kinder, die im Internat leben, wohnen in anderen Dörfern oder in der Stadt. Wenn es unsere Internatsschule nicht gäbe, bräuchten sie jeden Morgen über anderthalb Stunden zur Schule. Diesen Weg müssten sie zum Teil laufen, da nicht immer Busse fahren. Weil sich das Internat direkt neben der Schule befindet, ist es für sie so viel einfacher. Hinzu kommt, dass viele der Kinder aus eher schwierigen Familienverhältnissen stammen. Das Internatsleben ist für sie eine sehr gute Abwechslung, wenn sie es zu Hause nicht so leicht haben. In einem Fall wissen wir zum Beispiel, dass der Vater alkoholkrank ist und seine Kinder schlägt. In einer anderen Familie gibt es Missbrauchsvorwürfe. Ich denke, dass die meisten Kinder sehr gerne im Internat leben.

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Casa Esperanza, Uypaca

Was hat dich bisher während deines Aufenthalts besonders berührt/betroffen

gemacht/irritiert? Da gibt es viele Dinge, sowohl positive als auch negative. Für mich war mein FSJ auch ein Gefühls-Cocktail. Mal hatte ich Heimweh, mal habe ich mich über ganz kleine Dinge, die für Bolivianer selbstverständlich sind, ganz besonders gefreut. Als ich zum Beispiel das erste Mal einen Straßenumzug gesehen habe, wo getanzt wurde, alle ganz bunte Sachen anhatten und so schöne Musik gespielt wurde, war ich total überwältigt. Was ich auch sehr beeindruckend finde, ist die Spontaneität und Planlosigkeit in Bolivien. Auch, wenn etwas nicht geplant ist, nicht geübt wurde oder nicht abgesprochen wurde, klappt alles am Ende irgendwie trotzdem immer. Ansonsten sind es die Kinder, die mich immer wieder beindrucken und die mich vor Herausforderungen stellen, an denen ich wachsen kann. Aber zu solch einem Jahr gehören sowohl schöne als auch nicht so schöne Erfahrungen. Eine Liste der Dinge, die hier besonders sind oder die mich berührt haben, wäre unendlich lang. Meine Wochenenden habe ich meist in La Paz verbracht. Dort hatte ich Gelegenheit, Charango spielen zu lernen, ein zwölfsaitiges Instrument, das typisch ist für die Musik der Anden. Ich hatte das Glück, Stunden bei einem bekannten Lehrer nehmen zu können. Inzwischen kann ich schon ziemlich gut spielen; darauf bin ich ein bisschen stolz.

Eine der wertvollsten Erfahrungen hier war für mich, immer in der Rolle des Fremden zu sein und von den Menschen um mich herum immer auch als Ausländer wahrgenommen zu werden. Auch, wenn ich so rede wie ein Bolivianer und mich so benehme, bin ich immer der „Gringo“, oder der „Choquito“, das heißt „Blonder“ auf Aymara. Manchmal war es mit sehr unangenehm, immer als nicht dazugehörig angesehen zu

werden. Jedenfalls kann ich mir jetzt ein wenig vorstellen, wie es sich für Menschen in Deutschland anfühlen muss, die als Fremde kommen und versuchen, einen Platz in unserer Gesellschaft zu finden.

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Ziehst du Konsequenzen aus deinen bisherigen Erfahrungen als Freiwilliger für dein

Leben in Deutschland? Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, dass ich erst später feststellen werde, wie wertvoll manche Erfahrungen waren. Später erinnere ich mich dann vielleicht an einen bestimmten Moment aus meinem FSJ, der eigentlich gar nicht so wichtig war, mir aber trotzdem viel mitgegeben hat. Auf alle Fälle habe ich viel im Umgang mit Kindern gelernt. Da ich Lehrer werden möchte, bringt mir das sehr viel. Auch kann ich mir vorstellen, dass ich einige Dinge anders wertschätzen werde, wenn ich wieder in Deutschland bin. Die Kinder in meinem Projekt kommen mit sehr wenig materiellen Dingen aus und sind trotzdem so glücklich. Davon möchte ich mir eine Scheibe abschneiden. Ich habe auch gelernt, dass ich riesiges Glück damit habe, wo ich geboren bin, und damit, dass ich eine sorgenfreie Kindheit ohne Not, mit guten Bildungschancen und liebevollen Eltern hatte. Das sind Dinge, die mir ohne eigenes Zutun zuteilwurden und die für viele Kinder nicht selbstverständlich sind.

Vielen Dank an Paul für das Interview!

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