Chronik der Hagzissa - · PDF fileDiskretion. Wollte man also eine Neuigkeit...

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Der Wolf»Schon gehört? Wir kriegen einenNeuen!«

Aufgeregt platze Marina in dasSchreibbüro und tänzelte zu ihrerFreundin Stefanie. Die hörteaugenblicklich mit dem Tippen auf unddrehte sich zu ihrer Kollegin um.

»Weiß ich! Hab ihn sogar schongesehen.« Sie grinste triumphierend.

»Echt? Und? Erzähl! Wie sieht er aus?«Stefanie betrachtete ihre grellrot

lackierten Fingernägel.»Mensch, Steff!«, motzte Marina. »Jetzt

sag schon! Wäre er was für mich?«

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»Finger weg!«, antwortete Stefanie.»Mein Typ! Groß, blond …«

»Lange Haare?«»Nicht ganz. Surfer-Frisur. Starke

Wangenknochen und eine Nerd-Brille.Der hat ’nen Hintern und ’n Blick zumDahinschmelzen!«

»Wow!«, kommentierte Marinahingebungsvoll.

Hanna hatte von ihrem Schreibtischaus dem alltäglichen Smalltalk ihrerKolleginnen nur am Rande zugehört.Zwischenzeitlich hatte sie ihrenArztbrief fertig getippt. DieGerüchteküche der Klinik interessiertesie, im Gegensatz zu ihren Kolleginnen,nicht sonderlich. War eine Mitarbeiterinschwanger oder stand eine Kündigungins Haus: Marina und Stefanie wusstenes als Erste und hielten nichts von

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Diskretion. Wollte man also eineNeuigkeit schnellstmöglich in der Klinikverbreiten, musste man es den beidennur erzählen. Binnen eines Vormittagswusste es dann das gesamte Haus.

Hanna seufzte und schnappte sich dienächste Akte. Die sich öffnende Tür undden hereinschauenden Mann ignoriertesie geflissentlich. Wenn er etwas von ihrwollte, würde er sich schon melden. Ihrebeiden Kolleginnen waren dermaßen insGespräch vertieft, dass sie ihn nichtkommen hörten. Der Mann bliebunschlüssig in der Tür stehen, sagteaber nichts.

»Wann fängt der Prachtkerl denn an?«,fragte Marina.

Hanna schielte zur Tür. Ein amüsiertesGrinsen erschien auf dem Gesicht desAnkömmlings. Er rückte zuerst seine

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schwarze Hornbrille auf der Nasezurecht und deutete Hanna dann miteinem auf die Lippen gelegten Finger an,ihn nicht zu verraten.

»Am Montag.« Stefanie fuhr sich überdie Haare. »Ich gehe heute extra nocheinkaufen. Ich brauche neue Schuhe. Mitdenen hier bin ich bestimmt zu klein fürihn. Hab gehört, er steht auf großeFrauen.«

»So ein Mist!«, motzte Marinaungehalten. »Ausgerechnet Montag habeich frei. Muss gleich mal auf demDienstplan nachschauen, mit wem ichtauschen kann.« Sie blinzelte ihrerKollegin zu.

»Vergiss es! Mit mir ganz bestimmtnicht!«

»Doktor Wolf Hörling«, probierteMarina den Namen. »Schon das ist ein

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echter Knaller!«»Rein fachlich gesehen, natürlich«,

lästerte Stefanie.Marina grinste vieldeutig.

»Selbstverständlich. Er ist bestimmt einMeister seines Fachs!«

»Was für ein Fachgebiet hat er dochgleich? Kamasutra?«

Die Frauen lachten laut.»Wolf klingt so … so animalisch«,

seufzte Marina dann. »Darf mir gar nichtvorstellen, wie der im Bett abgeht.«

Stefanie rückte sich nervös auf ihremSchreibtischstuhl zurecht und schautezum ersten Mal auf. Jetzt erst bemerktesie den Mann, der ihrem Gesprächlauschte.

»Tu es besser nicht«, warnte sie ihreKollegin und nickte gen Tür. Marinadrehte sich um und riss die Augen auf.