Cialdini (2007) - Die Psychologie des Überzeugens

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1 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens Die Psychologie des Überzeugens Kapitel 1 – Die Waffen der Einflussnahme Bsp.: Türkis-Steine in einem Geschäft für indianischen Schmuck verkauften sich nicht, obwohl relativ günstig. Der Preis wurde dann irrtümlich doppelt so hoch angesetzt (statt um die Hälfte) – plötzlich verkauften sich die Steine. Grund: teuer=gut-Heuristik. Feste Handlungsmuster (fixed action patterns) wie bei Truthennen, die bei ihren Küken nur dann das Programm „Aufzucht“ abspielen, wenn die Küken tschilpen. Funktioniert auch, wenn zum Erscheinen eines natürlichen Feindes das Geräusch abgespielt wird – dieses löst blind die mechanische Bemutterungsreaktion aus. Dieses Handlungsmuster funktioniert in den meisten Fällen sehr gut. Das Gleiche gilt für die Türkise: die Kunden dachten aufgrund des Preises, die Steine wären von hoher Qualität und diese erschienen daher wertvoller und verlockender -> Preis war zum Auslösemerkmal (trigger feature) für Qualität geworden. Bsp: Automatisches Verhalten: einer Bitte wird eher entsprochen, wenn ein Grund dafür angegeben wird. Dafür reicht das Wort „weil“ aus, danach braucht keine neue Information zu kommen. Experiment vor Kopierer: „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten, können Sie mich bitte vorlassen?“ – 60% ließen sie vor. „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten, können Sie mich bitte vorlassen, weil ich es sehr eilig habe?“ – 94%. . „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten, können Sie mich bitte vorlassen, weil ich Kopien machen muss?“ – ebenfalls 93% ließen die Person vor, obwohl kein wirklicher Grund angegeben wurde. Das Wort weil löste eine automatische Einwilligungsreaktion aus. Bsp: Mann möchte Schmuck für Freundin kaufen, sieht schöne Kette, Verkäufer gibt sie ihm um 250 statt 500 Dollar. Der Mann nimmt sie nicht, weil er etwas „wirklich Nettes“ will. Beim nächsten Mal zeigt ihm der Verkäufer eine andere um ebenfalls 500 Dollar, nennt diesen Preis, senkt den Preis dann aber auf 250 – Kunde war begeistert. Vorteil von „Faustregeln“: Effizienz und Ökonomie, der Aufwand an Zeit, Energie und mentaler Kapazität reduziert sich. Nachteil: man wird anfällig für dumme und folgenschwere Fehler, wenn man sein Verhalten von einem kleinen Teil der verfügbaren Info abhängig macht. Teuer=gut und andere (vor)eilige Schlüsse Das Stereotyp teuer=gut ist vernünftig, da der Preis ein bewährtes, leicht erkennbares Merkmal des Wertes einer Sache ist. „Alles hat seinen Preis“ – damit wächst man auf und es ist nachvollziehbar, dass man sich in der Regel auf diese Heuristik verlässt, v.a. wenn man sich unsicher in Bezug auf die Qualität einer Sache ist. In vielen Fällen ist es am effizientesten, sich

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Kurze Zusammenfassung des Buches: Cialdini (2007) - Die Psychologie des Überzeugens.(Diplomprüfung Sozialpsychologie: Uni Wien)

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1 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Die Psychologie des Überzeugens

Kapitel 1 – Die Waffen der Einflussnahme

Bsp.: Türkis-Steine in einem Geschäft für indianischen Schmuck verkauften sich

nicht, obwohl relativ günstig. Der Preis wurde dann irrtümlich doppelt so hoch

angesetzt (statt um die Hälfte) – plötzlich verkauften sich die Steine. Grund:

teuer=gut-Heuristik.

Feste Handlungsmuster (fixed action patterns) wie bei Truthennen, die bei

ihren Küken nur dann das Programm „Aufzucht“ abspielen, wenn die Küken

tschilpen. Funktioniert auch, wenn zum Erscheinen eines natürlichen Feindes

das Geräusch abgespielt wird – dieses löst blind die mechanische

Bemutterungsreaktion aus. Dieses Handlungsmuster funktioniert in den meisten

Fällen sehr gut.

Das Gleiche gilt für die Türkise: die Kunden dachten aufgrund des Preises, die

Steine wären von hoher Qualität und diese erschienen daher wertvoller und

verlockender -> Preis war zum Auslösemerkmal (trigger feature) für Qualität

geworden.

Bsp: Automatisches Verhalten: einer Bitte wird eher entsprochen, wenn ein

Grund dafür angegeben wird. Dafür reicht das Wort „weil“ aus, danach

braucht keine neue Information zu kommen. Experiment vor Kopierer:

„Entschuldigung, ich habe fünf Seiten, können Sie mich bitte vorlassen?“ –

60% ließen sie vor. „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten, können Sie mich

bitte vorlassen, weil ich es sehr eilig habe?“ – 94%. . „Entschuldigung, ich habe

fünf Seiten, können Sie mich bitte vorlassen, weil ich Kopien machen muss?“ –

ebenfalls 93% ließen die Person vor, obwohl kein wirklicher Grund angegeben

wurde. Das Wort weil löste eine automatische Einwilligungsreaktion aus.

Bsp: Mann möchte Schmuck für Freundin kaufen, sieht schöne Kette,

Verkäufer gibt sie ihm um 250 statt 500 Dollar. Der Mann nimmt sie nicht, weil

er etwas „wirklich Nettes“ will. Beim nächsten Mal zeigt ihm der Verkäufer eine

andere um ebenfalls 500 Dollar, nennt diesen Preis, senkt den Preis dann aber

auf 250 – Kunde war begeistert.

Vorteil von „Faustregeln“: Effizienz und Ökonomie, der Aufwand an Zeit,

Energie und mentaler Kapazität reduziert sich.

Nachteil: man wird anfällig für dumme und folgenschwere Fehler, wenn man

sein Verhalten von einem kleinen Teil der verfügbaren Info abhängig macht.

Teuer=gut und andere (vor)eilige Schlüsse

Das Stereotyp teuer=gut ist vernünftig, da der Preis ein bewährtes, leicht

erkennbares Merkmal des Wertes einer Sache ist. „Alles hat seinen Preis“ –

damit wächst man auf und es ist nachvollziehbar, dass man sich in der Regel

auf diese Heuristik verlässt, v.a. wenn man sich unsicher in Bezug auf die

Qualität einer Sache ist. In vielen Fällen ist es am effizientesten, sich

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automatisch und stereotyp zu verhalten. Unsere Welt ist komplex und

schnelllebig – daher brauchen wir shortcuts, um ohne langes Überlegen

reagieren zu können. Es können nicht alle Menschen und Situationen in allen

Details analysiert werden – mit Stereotypen kann man die Dinge anhand

weniger Schlüsselmerkmale einordnen und dementsprechend reagieren.

Bsp: Eine Reifenfirma stellte fest, dass versendete Coupons, die wegen eines

Druckfehlers gar keinen Nachlass gewährten, die gleiche Nachfrage

auslösten wie die fehlerfreien Gutscheine mit hohem Rabatt.

Eine andere Heuristik ist: „Wenn es ein Experte so gesagt hat, wird es wohl

stimmen.“ (siehe Kapitel 6). Die Argumente werden häufig ignoriert und es

wird einfach auf den Expertenstatus vertraut. Die Tendenz, mechanisch auf

eine bestimmte Info in einer gegebenen Situation zu reagieren, heißt

automatic responding; während auf der Grundlage gründlicher Analysen aller

verfügbaren Info zu reagieren controlled responding oder kontrolliertes

Verhalten heißt.

Studien haben gezeigt, dass Menschen eher Infos kontrolliert verarbeiten,

wenn sie sowohl fähig als auch motiviert sind, sie sorgfältig zu analysieren;

ansonsten ist automatisches Verhalten einfacher.

Bsp: Studenten wurde Rede vorgespielt, in der für umfangreiche

Zwischenprüfungen plädiert wurde. Diejenigen Studenten, denen gesagt

wurde, diese Regelung würde sie noch betreffen, ignorierten den

Expertenstatus des Sprechers und ließen sich vor allem durch die Qualität der

Argumente überzeugen. Die Studenten, denen gesagt wurde, die Regelung

würde sie nicht mehr betreffen (keine persönliche Relevanz), achteten wenig

auf die Argumente und verließen sich auf den Experten.

Wenn es um etwas für uns sehr Wichtiges geht, widerstehen wir also der

Versuchung, nur ein einziges Merkmal der Situation zu registrieren und davon

unser Handeln abhängig zu machen.

Allerdings ist manchmal das Problem so kompliziert, die Zeit so knapp, die

Ablenkungen so aufdringlich, die emotionale Erregung so stark oder die

Erschöpfung so tief, dass wir kognitiv nicht in der Verfassung sind, überlegt zu

handeln, auch wenn es dramatische Folgen haben kann.

Bsp: Captainitis: Bei der Untersuchung von Flugzeugunfällen wurde festgestellt,

dass diese häufig darauf zurückzuführen waren, dass offensichtliche Fehler

des Kapitäns von niemandem korrigiert wurden (Expertenstatus).

Die Nutznießer

Es gibt Lebewesen – mimics – die Auslösemerkmale anderer Tiere

nachahmen, um wieder andere Tiere dazu zu bringen, das richtige „Band“

zum falschen Zeitpunkt abzuspielen. Die mimics nutzen dann das

unangemessene Verhalten zu ihrem Vorteil aus. Selbst die primitivsten

Krankheitserreger eignen sich Merkmale von nützlichen Hormonen oder

Nährstoffen an und finden dadurch Einlass in eine gesunde Wirtszelle – Z.B.

Erkältung, Tollwut etc.

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Auch beim Menschen gibt es Individuen, die andere ausnutzen, indem sie

Auslösemerkmale vortäuschen, die automatische Verhaltensweisen in Gang

setzen.

Bsp.: Sid und Harry Drubeck, hatten in den 30ern Herrenmodegeschäft. Sid

gab immer vor schwerhörig zu sein. Wenn ein Kunde einen Anzug probierte,

rief Sid seinem Bruder die Frage zu, was dieser koste, Harry antwortete 42

Dollar, Sid tat so als hätte er nicht richtig verstanden und sagte 22 Dollar.

(teuer=gut)

Kontrastprinzip: Wir empfinden zwei Dinge, die wir unmittelbar nacheinander

wahrnehmen, als unterschiedlicher, als sie sind.

Bsp: Eine Hand in einem Kübel voll heißem Wasser halten, die andere in kaltes,

dann beide gleichzeitig in lauwarmes. Eine Hand wird es als kalt empfinden,

die andere als heiß! Ein und dieselbe Sache kann je nach

Vergleichsgrundlage sehr verschieden wahrgenommen werden.

Bsp: In Herrenmodegeschäften wird immer als erstes der Anzug verkauft (das

teuerste) und danach die Accessoires, die im Vergleich dazu billig wirken.

Umgekehrt würde der Anzug sonst noch teurer wirken, als er wirklich ist.

Bsp: Immobilienmakler Phil zeigte Kunden zuerst ein heruntergekommenes,

überteuertes Haus, so dass das Haus, das er ihnen wirklich verkaufen wollte,

noch besser aussah.

Bsp: Autoverkäufer warten bis der Preis für ein Auto ausgehandelt ist, bis sie

verschiedene Extras anbieten; die sie unabhängig voneinander nennen, so

dass der Preis neben dem bereits feststehenden großen Beitrag

vergleichsweise unbedeutend wirkt.

Compliance-Prozess: Im Laufe dessen wird eine Person dazu gebracht, zu tun,

was eine andere will.

Kapitel 2 – Reziprozität

Die Reziprozitätsregel besagt, dass wir uns bemühen sollen, anderen

zurückzugeben, was wir von ihnen bekommen haben. Sie schreibt vor, dass

wir uns für Gefälligkeiten, Geschenke, Einladungen zu revanchieren haben.

Diese Regel ist eines der durchschlagendsten Instrumente zur Beeinflussung

anderer Menschen,

Bsp: Professor schickte Weihnachtskarten an völlig Fremde, die meisten

schrieben zurück, sogar ohne wissen zu wollen, wer er war.

Das Beeindruckende an der Regel und dem Gefühl des Verpflichtetseins ist

ihre weite Verbreitung in der menschlichen Kultur – die Verpflichtung zur

Gegenseitigkeit gibt es in allen menschlichen Gesellschaften. Möglicherweise

gilt ein hoch entwickeltes System des gegenseitigen Verpflichtetseins zu den

typischen Merkmalen menschlicher Kulturen. Richard Leakey (Archäologe)

behauptet, dass wir sind, was wir sind, weil unsere Vorfahren gelernt haben,

ihre Nahrung und ihre Fähigkeiten miteinander zu teilen. Kulturanthropologen

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sehen in diesem Netz aus gegenseitiger Dankesschuld einen einzigartigen

Anpassungsmechanismus der Menschen und die Grundlage für

Arbeitsteilung, den Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie das

Entstehen von Abhängigkeiten, die Individuen zu Gruppen zusammenführen.

Ein von vielen geteiltes Gefühl des Verpflichtetseins hat die Sozialevolution der

Menschen sehr beeinflusst, da es dazu geführt hat, dass eine Person einer

anderen etwas schenken konnte in der Zuversicht, dass das Geschenk für sie

nicht verloren ging. Hoch entwickelte und gut koordinierte Systeme der

gegenseitigen Hilfeleistung, des Schenkens, der Verteidigung und des Handels

wurden möglich und brachten den Gesellschaften, die über sie verfügten,

immense Vorteile.

Da ist es nicht verwunderlich, dass die Reziprozitätsregel derart tief in uns

verwurzelt ist.

Bsp: 1985 spendete das Rote Kreuz in Äthiopien (das notleidendste Land der

Welt) 5000 Dollar an die Opfer eines Erdbebens in Mexiko. Wieso? Mexiko

hatte Äthiopien 1935, im Jahr der Invasion durch Italien, Hilfe zukommen

lassen. Nach einem halben Jahrhundert hatte die Verpflichtung zur

Reziprozität über alle Gegenkräfte gesiegt.

Wie die Regel funktioniert

Jeder von uns hat gelernt, sich an die Regel zu halten, und jeder kenn die

Sanktionen, die den treffen, der dies nicht tut. Deswegen tun wir alles

Mögliche dafür, nicht als geizig oder undankbar zu gelten.

Bsp: Zwei Personen sollten zusammen die Qualität einiger Bilder einschätzen.

Die zweite Person, Joe, war allerdings ein Assistent des Forschers Regan. In der

Pause holte er sich ein Cola und brachte der Versuchsperson auch eines mit.

In einer anderen Bedingung brachte Joe überhaupt kein Cola mit. Später bat

Joe die Versuchspersonen, ihm Lose zum Preis von 25 Cent anzukaufen, da

ihm eine Prämie von 50 Dollar winke. Die Personen, die ein Cola bekommen

hatten, kauften doppelt so viele Lose wie die anderen.

Die Regel ist so mächtig, dass sie den Einfluss anderer Faktoren, die

normalerweise ausschlaggebend für compliance sind, ausschalten kann. Z.B.

Sympathie: bei den Versuchspersonen, die Joe nichts schuldig waren, hing

die Sympathie für Joe mit der Anzahl der gekauften Lose zusammen. Bei

denen, die Joe etwas schuldig waren, war die Sympathie irrelevant: jene, die

ihn nicht mochten, kauften ebenso viele Lose wie jene, die ihn mochten. Die

innere Verpflichtung zur Gegenleistung war so stark, dass sie den Einfluss der

Sympathie ausschaltete.

Bsp: Hare Krishna-Sekte begann in den 1970ern, Geschenke wurden an

Passanten verteilt, die auf keinen Fall zurückgenommen wurden,

anschließend wurden sie um eine Spende gebeten – diese Strategie erwies

sich als sehr erfolgreich, die Sekte erzielte große Gewinne. Relativierte sich

aber mit der Zeit, die Menschen lernten, ihnen auszuweichen bzw. bereiteten

sich darauf vor, die Geschenke abzulehnen -> schwere Krise der Krishnas.

Auch bei versendeten Fragebögen ist die Rücklaufquote viel höher, wenn die

Teilnehmer gleich zu Anfang ein kleines Geldgeschenk erhalten (Beigabe

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eines 5-Dollar-Schecks ist doppelt so effektiv wie das Angebot, ausgefüllte

Bögen mit 50 $ zu belohnen!).

Auch in der Politik spielt die Reziprozität eine wichtige Rolle – „Eine Hand

wäscht die andere“. Man erweise Gefälligkeiten und fordert diese später

zurück, so kommt es zu unerwarteten Abstimmungsverhalten eines

Abgeordneten über ein Gesetz oder eine Maßnahme. Im Gegenzug haben

diejenigen Probleme, die niemanden etwas schulden und denen selbst auch

niemand etwas schuldet (Jimmy Carter, Bill Clinton). Auch Spenden an

Vertreter der Justiz oder Parteien erfüllen den Zweck der Verpflichtung zur

Reziprozität.

Bsp: 100% der Wissenschaftler, die Ergebnisse zu Gunsten kontroversieller

Medikamente (Kalziumkanalblocker) gefunden hatte, Zuwendungen der

Pharmaindustrie bekommen hatten, jedoch nur 37% der Kritiker.

Gratisproben funktionieren nach dem gleichen Schema.

Bsp: wenn im Supermarkt kleine Kostproben von Produkten angeboten

werden, kaufen viele das Produkt, auch wenn es ihnen nicht geschmeckt hat.

Bsp: Amway Corporation mit Vertretern im Hausverkauf, bringen ein Sortiment

von Produkten ins Haus, man darf es kostenlos ausprobieren, die meisten

kaufen danach im Schnitt die Hälfte der Produkte.

Bsp: Soldat nahm feindliche Soldaten für Verhör gefangen. Einmal bat ihm ein

solcher Feind ein Stück seines Brotes an, daraufhin konnte der Soldat den

Feind nicht mehr gefangen nehmen.

Nicht erbetene Gefälligkeiten

Die Regel ist so stark, dass sogar ungebetene Geschenke oder Gefälligkeiten

ein Gefühl des Verpflichtetseins hervorrufen.

Bsp: Organisation amerikanischer Kriegsversehrter: bei Briefspendenaktionen

reagieren 18% mit einer Spende, wenn kleines Geschenk dabei 35%

(obwohl das Geschenk ungebeten kam).

Es gibt eine Verpflichtung zum Geben, eine zum Annehmen und eine zur

Gegenleistung. Die Verpflichtung, anzunehmen, was uns gegeben wird,

schränkt unsere Möglichkeit ein, selbst zu entscheiden, wem wir etwas

schulden wollen und wem nicht. Frei entscheiden kann nur der Gebende:

was er gibt und auch was er dafür will (siehe Bsp. Mit dem Cola).

Ein kleiner erster Gefallen kann das Gefühl erzeugen, verpflichtet zu sein, der

Bitte um eine bedeutend größere Gegenleistung nachzukommen. Ein

wichtiger Grund dafür ist, dass es so unangenehm ist, sich jemandem

verpflichtet zu fühlen. Wir wurden schon als Kinder darauf geeicht, offen

stehende Schulden als belastend zu empfinden. Außerdem ist eine Person,

die nimmt, ohne zu geben, nicht besondern beliebt. Ebenso stoßen

Menschen auf Ablehnung, die geben, ohne die Möglichkeit zur

Gegenleistung zu bieten. Dadurch wird es auch verständlich, dass man

vermeidet, andere um etwas zu bitten, das man braucht, wenn man keine

Gegenleistung erbringen kann.

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6 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Bsp: Auto einer Frau springt nicht an, ein junger Mann kommt vorbei und

bringt das Auto zum Laufen. Sie sagt, wenn er etwas brauche, könne er

vorbeikommen. Einen Monat später möchte er sich das Auto ausborgen, sie

zögert, sagt aber ja, er fährt das Auto zu Schrott.

In Familien und Freundschaften ist Reziprozität in Reinkultur nicht erwünscht,

hier steht das gemeinschaftliche Miteinander im Vordergrund.

Gegenseitige Zugeständnisse

Eine andere Konsequenz der Reziprozitätsregel liegt darin, jemandem, der uns

ein Zugeständnis gemacht hat, ebenfalls eines zu machen.

Bsp: Pfadfinder möchte Cialdini 5$-Karten für einen Pfadfinderabend

verkaufen, dieser lehnt ab, daraufhin bietet ihm der Junge Schokoriegel für 1

$ an, Cialdini kauft 2, obwohl sie überteuert sind und er keine Schokoriegel

mag. Zugeständnis auf beiden Seiten!

Der Grund dafür liegt in dem Vorteil, den eine solche Tendenz für die

Gesellschaft hat. Bei vielen Interaktionen kommen die Partner zu Beginn mit

Ansprüchen, die für den anderen nicht annehmbar sind. Daher muss die

Gesellschaft dafür sorgen, dass die ersten, inkompatiblen Wünsche um der

sozial wünschenswerten Kooperation willen zurückgestellt werden.

Die Reziprozitätsregel führt auf zweifachem Weg zu gegenseitigen

Konzessionen. 1. übt sie auf den Nutznießer eines erfolgten Zugeständnisses

Druck aus, sich zu revanchieren. 2. ermöglicht die Tatsache, dass ihr

Gegenüber zu einer Gegenleistung verpflichtet ist, einer Person, als Erste ein

Zugeständnis zu machen und damit den günstigen Austauschprozess in Gang

zu setzen.

Die Neuverhandeln nach Zurückweisung – Taktik

Diese Technik wird auch Tür-ins-Gesicht-Taktik genannt. Die Neuverhandeln

nach Zurückweisung – Taktik besteht darin, dass man eine Person, von der

man etwas möchte, zunächst um etwas Größeres bittet, das der andere

wahrscheinlich ablehnen wird. Wenn man anschließend etwas Kleineres

fordert, ist das Gegenüber fast gezwungen, dieses zu erfüllen.

Die Forscher baten Studenten auf dem Campus, ob sie bereit wären,

eine Gruppe jugendlicher Straftäter bei einem Tagesausflug in den Zoo zu

beaufsichtigen. 83% lehnten ab.

Andere Studenten wurden zuerst gefragt, ob sie bereit wären, zwei Jahre lang

2 Stunden die Woche als Berater für jugendliche Straftäter zu arbeiten. Diese

Bitte schlugen alle ab. Danach wurde der Vorschlag mit dem Zoo gemacht

3 Mal so viele Stundenten sagten ja.

Bei Tarifverhandlungen kommt diese Taktik ebenfalls zum Einsatz. Wenn die

ersten Forderungen allerdings ZU extrem sind, wird der Partei abgesprochen,

ernsthaft zu verhandeln. Forderungen sollen also so angesetzt werden, dass

man Raum für mehrere Konzessionen und Gegenangebote hat, und am

Schluss genau das Angebot bekommt, das man haben wollte.

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7 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Bsp: Fernsehproduzenten brachten absichtlich Zeilen in die Drehbücher, die

von der Selbstkontrolle wieder herausgenommen werden würden, um dann

die einzusetzen, die sie von vornherein wollten.

Bsp: Haustür-Vertreter: wenn die Ware abgelehnt wird, wird Kunde darum

gebeten, Namen von Freunden zu nennen, die Interesse haben könnten.

Gegenseitige Zugeständnisse und der Wahrnehmungskontrast

Ein weiterer Grund für den Erfolg der Neuverhandeln nach Zurückweisung –

Taktik neben der Reziprozität ist das Kontrastprinzip (eine Sache wirkt nach

der vorherigen Darstellung einer größeren Sache kleiner, als sie ist). In der

Kombination können Reziprozitäts- und Kontrastprinzip eine erschreckende

Wirkung entfalten. In Gestalt der Abfolge a) Ablehnung einer großen Bitte und

b) Rückzug auf eine geringfügigere bringen sie erstaunliche Effekte hervor.

Bsp: Nixon und der Watergate-Skandal: Urheber des Plans, in die Watergate-

Büros des Präsidiums der Demokratischen Partei einzudringen, die zum

vorzeitigen Ende der Amtszeit Nixons führte, war Gordon Liddy, der für die

Beschaffung von Info für das Komitee zur Wiederwahl des Präsidenten

zuständig war. Die Verwirklichung des Plans sollte 250.000 $ kosten. Der Plan

war teuer, schwierig, unsinnig und riskant - wieso stimmten intelligente und

erfahrene Männer wie Mitchell (Ausschussvorsitzender) und Magruder zu? – Es

war nicht Liddys erster Vorschlag. Liddy nahm mit dem Plan von zwei früheren

Abstand, die noch viel aufwändiger und teurer gewesen wären. Die Männer

scheuten sich, Liddy auch noch den 3., wesentlich billigeren Vorschlag

abzulehnen. Frederick LaRue erhob als einziger Einwände – warum? Er hatte

an den beiden vorherigen Treffen nicht teilgenommen…

Außerdem gibt es einen weitere Aspekt der Taktik, der diese so erfolgreich

macht: wenn man jemanden um 10 $ bittet, obwohl man nur 5 möchte, kann

im Grunde nichts schief gehen. Entweder man bekommt die 10, also doppelt

so viel, wie man wollte, oder man weicht auf die 5 $ aus und hat gute

Chancen auf Erfolg.

Diese Tatsache machen sich Verkäufer zu Nutze: „talking the top of the line“

bedeutet, bei den Waren, die man dem Kunden zeigt, am oberen Preislimit zu

beginnen. Wenn er ablehnt, kann man immer noch mit guten

Erfolgsaussichten ein Produkt einer vernünftigeren Preisklasse anbieten.

Bsp: Zur Frage, ob ein Opfer der Neuverhandeln nach Zurückweisung – Taktik

seine gemachte Zusage auch einhält: Studenten wurden gefragt, ob sie 2

Stunden pro Woche in einer Beratungsstelle arbeiten würden. Wurde vorher

eine größere Bitte vorgebracht, stimmten 76% zu, ansonsten 29%. 85%

derjenigen, die zuvor eine größere Bitte abgelehnt hatten, erschienen

tatsächlich, versus 50% derjenigen, die keine große Bitte gehört hatten.

Die Neuverhandeln nach Zurückweisung – Taktik scheint auch nicht das

Gefühl zu wecken, manipuliert worden zu sein. Im Gegenteil, eine Studie von

Cialdini und Ascani zeigte, dass 84% aller Studenten, die durch die Taktik zum

Blutspenden gebracht wurden, wollten auch zukünftig spenden, hingegen

nur 43% der anderen Studenten.

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8 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Der Grund dafür liegt darin, dass es 2 Nebenwirkungen von Abmachungen

gibt, die durch Konzessionen entstanden: eine stärker empfundene

Verantwortung für die Vereinbarung sowie eine größere Zufriedenheit mit ihr.

Verantwortung: Die Neuverhandeln nach Zurückweisung – Taktik führt dazu,

dass sich Personen in stärkerem Maß verantwortlich für das Zustandekommen

der Vereinbarung fühlen: Jemand, der sich für eine ausgehandelten Vertrag

verantwortlich fühlt, wird sich auch eher daran halten.

Zufriedenheit: Die Opfer der Strategie sind mit dem Endergebnis der

Verhandlung zufriedener. Anscheinend ist eine Vereinbarung, die durch

Zugeständnisse des Gegenübers entsteht, zufrieden stellend.

Wie eine Studie über Verkaufsstrategien zeigte, führt das Gefühl, selbst dafür

verantwortlich zu sein, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, zu höherer

Zufriedenheit und zu einer höheren Bereitschaft, das Produkt erneut zu kaufen.

Abwehrstrategien

Wir haben die Möglichkeit, dem Wunsch des anderen zu folgen und damit

vor der Reziprozitätsregel zu kapitulieren, oder wir schlagen das Anliegen aus

und müssen dann aushalten, gegen das tief in uns verwurzelte, konditionierte

Gefühl für Fairness und Verpflichtung verstoßen zu haben. Wir müssen

einsehen, dass der eigentliche Gegner die Regel selbst ist, deren Wirkung wir

entschärfen müssen.

Man könnte verweigern, von anderen etwas anzunehmen, andererseits kann

man nicht ständig Leute vor den Kopf stoßen, die etwas für einen tun wollen.

Die Lösung liegt darin, Angebote anzunehmen, diese aber nur als das zu

betrachten, was sie sind. Wenn man zu der Erkenntnis gelangt, dass es sich

bei dem ersten Gefallen nicht um einen echten Gefallen, sondern um ein

taktisches Manöver gehandelt hat, sollte man in einem mentalen Akt die

Situation für sich neu definieren. Die „Geschenke“ sind auf einmal

„Verkaufstricks“ – dann fällt es leichter, nicht in die Fänge der Regel zu

geraten und selbst zu entscheiden, was man kaufen oder wozu man

zustimmen möchte.

Kapitel 3 – Commitment und Konsistenz

Es ist unser zwanghaftes Bestreben, konsistent oder konsequent zu sein oder

zu erscheinen, d.h. in Übereinstimmung mit unserem früheren Verhalten zu

handeln. Sobald wir eine Entscheidung treffen oder eine Position vertreten,

entstehen intrapsychische und interpersonelle Kräfte, die uns dazu drängen,

uns konsistent mit dieser Festlegung zu verhalten. Diese Kräfte veranlassen und

zu Reaktionen, die unsere frühere Entscheidung rechtfertigen. Wir überzeugen

uns einfach selbst davon, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, und

fühlen uns dadurch wohler mit ihr.

Bsp: Pferdewetten – kurz nach dem Tätigen der Wetteinsätze sind die Leute

zuversichtlicher, was die Siegeschancen ihres Pferdes angeht, obwohl sich an

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9 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

den tatsächlichen Chancen natürlich nichts geändert hat. Dasselbe gilt für

die Stimmabgabe bei einer Wahl.

Man will unbedingt an die Richtigkeit einer einmal getroffenen, schwierigen

Entscheidung glauben. Wir alle machen uns manchmal etwas vor, um einen

Bruch mit unserer früheren Handlungen und Entscheidungen zu vermeiden.

Das Streben nach Konsistenz ist ein zentrales psychologisches Motiv.

Bsp: ein vorgetäuschter Diebstahl am Strand. Eine Person legt sich neben eine

andere und schlendert dann davon. Der Versuchsleiter kommt vorbei und

nimmt den Radio mir – nur 4 der 20 „Nachbarn“ greifen ein. Andere 20

Personen wurden vorher von der Person mit dem Radio gebeten, auf die

Sachen aufzupassen – 19 von 20 griffen ein!

Konsistenz ist unter den meisten Umständen sinnvoll und nützlich und deshalb

ein so starkes Motiv, Inkonsistenz dagegen wird als wenig wünschenswert

betrachtet. Ein hoher Grad an Konsistenz wird mit persönlicher und

intellektueller Stärke, mit Logik, Vernunft und Ehrlichkeit gleichgesetzt.

Der Luxus automatischer Konsistenz

Da es in der Regel unserem Interesse dient, konsistent zu sein, neigen wir auch

in Situationen, in denen dies nicht das Vernünftigste ist, dazu, automatisch

konsistent zu reagieren. Blinde, unüberlegte Konsistenz kann verheerende

Folgen haben und hat dennoch ihre Vorzüge.

Erstens stellt sie eine Erleichterung beim Umgang mit dem komplexen

modernen Leben dar: haben wir uns einmal eine Meinung über eine Sache

gebildet, verschafft uns sture Konsistenz den Luxus, eine Angelegenheit

abhaken zu könne, ohne uns Gedanken zu machen, eine Flut von Info zu

beachten, ohne abzuwägen, keine Entscheidung muss getroffen werden.

Zweitens gibt es einen problematischeren Vorteil mechanischer Konsistenz:

Gewisse, beunruhigende Dinge wollen wir einfach nicht wahrhaben –

geradliniges Denken würde uns aber zu unbarmherzig klaren und trostlosen

Antworten führen. Als Methode, sich vorprogrammiert und gedankenlos zu

verhalten, kann uns mechanische Konsistenz einen Zufluchtsort bieten, an

dem wir vor unbequemen Einsichten sicher sind.

Bsp: Vortrag für Transzendentale Meditation, der Vortragende wird von einem

Zuhörer bloßgestellt und aus der Fassung gebracht, dennoch meldeten sich

die Leute danach zahlreich für einen Kurs an. Nach dem Grund gefragt,

sagte einer, er wollte sich lieber schnell anmelden, bevor er über die

Gegenargumente nachzudenken begann und sich dann niemals anmelden

würde. Die Leute hatten sich für TM als Lösung für ihre Probleme entschieden

und wollten davon nicht abrücken.

Spielzeughersteller nützen dieses Prinzip aus: sie werben vor Weihnachten in

starkem Ausmaß für bestimmte Spielsachen, die die Eltern ihren Kindern

daraufhin versprechen. Dann liefern sie viel zu wenig davon an die Geschäfte

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10 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

aus, so dass die Eltern Ersatzgeschenke kaufen müssen. Im Jänner/Februar, wo

ansonsten Flaute herrschen würde, fangen sie wieder zu werben an und

liefern an die Geschäfte aus – um ihre Kinder nicht zu enttäuschen, kaufen die

Eltern das jetzt erhältliche Geschenk und geben so doppelt so viel aus wie sie

wollten.

Commitment

Die Bindung an etwas bzw. die Festlegung drauf heißt commitment. Sobald

man einmal einen Standpunkt eingenommen hat, besteht eine natürliche

Tendenz, konsistent bei diesem zu bleiben.

Mit Strategien, die uns dazu bringen sollen, uns auf etwas festzulegen,

arbeiten alle möglichen Überzeugungsprofis. Jede dieser Taktiken zielt darauf

ab, dass wir etwas tun oder sagen, was uns aufgrund des Zwangs zur

Konsistenz später dazu bringt, zu tun, was man von uns will.

Bsp: Sherman, ein Sozialpsychologe, rief eine Stichprobe von Menschen an

und bat sie vorherzusagen was geschehen würde, wenn jemand sie fragte,

ob sie 3 Stunden lang Geld für die Krebshilfe sammeln würden. Viele sagten

natürlich, sie würden mitmachen. Einige Tage später rief tatsächlich ein

Vertreter der Krebshilfe an – bei den „präparierten“ Personen war die

Zustimmung 7 Mal so hoch wie bei den anderen!

Mehrere Wohltätigkeitsorganisationen benutzen folgenden Trick: sie fragen

bei Anrufen zuerst, wie es der Person geht, wenn diese dann wie gewohnt

„gut“ drauf antwortet, ist es leichter, sie damit in die Ecke zu drängen, etwas

für diejenigen zu spenden, denen es nicht so gut geht.

Bsp: Koreakrieg – viele amerikanische Soldaten landeten in Lagern der

chinesischen Kommunisten. Dort herrschte eine „Politik der Milde“, es gab

keine Brutalität. Die Amerikaner wurden langsam zu „Kollaborateuren“

gemacht, indem sie zuerst zu schwach antiamerikanischen Aussagen

aufgefordert wurden (die fast belanglos erschienen), die dann immer weiter

gesteigert wurden (worin liegt der Mangel an Perfektion der USA, Liste

schreiben, später Aufsatz usw.) Diese Aufsätze wurden dann beispielsweise im

Radio gesendet. In dem Bewusstsein, den Aufsatz ohne Zwang geschrieben

zu haben, veränderten viele der Männer ihr Selbstbild und brachten es in

Einklang mit dem Etikett „Kollaborateur“. Mit diesem Vorgehen wurden den

Männern Geständnisse, Infos und Selbstkritik abgerungen.

Dasselbe Vorgehen wählen manche karitative Organisationen, sie arbeiten

mit einer abgestuften Folge von zustimmenden Äußerungen, die sie den

Leuten abringen, um sie schließlich zu einer großen Gefälligkeit zu bewegen

(z.B. Knochenmarkspende).

Funktioniert auch beim Verkauf: Verkäufer versuchen manchmal, jemandem

zum Kauf einer großen Sache zu bringen, indem sie ihm zunächst etwas

Kleines verkaufen, um commitment zu erreichen. Dies führt quasi automatisch

zu weiteren Käufen.

Die Taktik, mit einer kleinen Bitte zu beginnen, um schließlich Zustimmung zu

einer größeren zu erreichen, heißt Fuß-in-der-Tür-Taktik.

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11 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Bsp: Freedman und Fraser baten Leute, eine riesige Plakatwand mit der

Aufschrift „Augen auf im Straßenverkehr“ in ihrem Garten aufzustellen. 76%

derjenigen, die 2 Wochen vorher zugestimmt hatten, ein kleines Plakat

aufzustellen, sagten diesmal wieder zu. Dasselbe Ergebnis kam heraus bei

Leuten, die zwei Wochen vorher auf einer Unterschriftenliste zum Thema

„Kalifornien soll noch schöner werden“ unterzeichnet hatten, und das, obwohl

das eine nichts mit dem anderen zu tun hatte. Anscheinend hatte sich das

Selbstbild der Personen verändert (Bürger mit Gemeinsinn).

Sobald man das Selbstbild einer Person einmal da hat, wo man es haben will,

kommt sie automatisch den unterschiedlichsten Bitten nach, wenn diese mit

ihrer neuen Sicht von sich selbst konsistent sind.

Allerdings haben nicht alle commitments (Bindungen) einen Einfluss auf das

Selbstbild: Das commitment muss aktiv, öffentlich, mit Anstrengung

verbunden und freiwillig sein. Die Kriegsgefangenen in China hatten nach

dem Krieg völlig umgekrempelte Ansichten über den Krieg und auch ihre

allgemeine politische Einstellung hatte sich nachhaltig verändert.

Die magische Handlung

Menschen bilden sich aufgrund ihres eigenen Verhaltens eine Meinung über

sich selbst.

Bsp: In einer Studie beteiligten sich College-Studenten freiwillig an einem Aids-

Aufklärungsprojekt an örtlichen Schulen. Die Hälfte hatte sich aktiv dazu

bereiterklärt (mit Unterschrift), die andere passiv (durch Nicht-Unterschreiben

eines Formulars zur Nicht-Bereitschaft). Die Studenten, die dann tatsächlich

erschienen, stammten zu 74% aus der aktiven Gruppe. Die aktiven Teilnehmer

begründeten ihre Entscheidung mit höherer Wahrscheinlichkeit mit

persönlichen Werten und Eigenschaften.

Daraus ergibt sich, dass aktives commitment uns die Art von Info gibt, mit der

wir unser Selbstbild formen, welches dann unsere neuen Handlungen

beeinflusst usw.

Es gibt eine natürliche Tendenz, zu glauben, dass eine Aussage stets die

wirkliche Einstellung desjenigen widerspiegelt, der sie gemacht hat – das gilt

auch dann, wenn man weiß, dass die Person die Aussage nicht aus freien

Stücken gemacht hat.

Bsp: Studenten hören Pro-Fidel-Castro-Rede; auch jene, die glaubten, der

Autor der Rede sei dazu aufgefordert worden, pro zu sein, schätzten seine

wahre Einstellung als pro Castro ein.

Bei den Kriegsgefangenen hatte also das Aufschreiben der prochinesischen

Erklärung zwei Effekte: es gab etwas, das sie auf Dauer an ihre Handlung

erinnerte, und obendrein würde dies auch andere davon überzeugen, dass

darin deren wahre Meinung zum Ausdruck kam. Was andere von uns denken,

hat einen enormen Einfluss darauf, was wir selbst von uns denken.

Bsp: der ägyptische Präsident Anwar Sadat versicherte vor Verhandlungen

den Gegnern häufig, dass sie weithin für ihre Fairness bekannt seien. Damit

brachte er andere dazu, in seinem Interesse zu handeln, da sie ihrem „guten

Ruf“ gerecht werden wollten.

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12 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Hat man sich einmal aktiv auf etwas festgelegt, ist das Selbstbild von 2 Seiten

einem Konsistenzdruck ausgesetzt: von innen her gibt es den Druck, das Bild in

Einklang mit der Handlung zu bringen und von außen her einen Druck, dieses

Bild der Sicht anzupassen, die andere von uns haben. Die Kriegsgefangenen

der Chinesen schrieben z.B. Briefe mit pro-kommunistischen Aussagen, damit

diese ihre Familien wirklich erreichen würden und nicht der Zensur zum Opfer

fielen. Auch damit veränderte sich ihr Selbstbild langsam.

Auch machen überrumpelte Opfer von Haustürvertretern weniger Gebrauch

von ihrem Rücktrittsrecht, wenn sie selber den Vertrag ausfüllen.

Bsp: es gibt häufig Gewinnspiele, bei denen man etwas gewinnen kann,

wenn man Karten ausfüllt, die mit dem Satz „An dem Produkt gefällt mir,

dass…“ Aufschreiben einer positiven Aussage.

Vor aller Augen

Jedes Mal, wenn wir einen Standpunkt einnehmen und andere dies

mitbekommen, entsteht eine Motivation, diesen Standpunkt auch in Zukunft

zu vertreten. Das gilt besonders für schriftliche Stellungnahmen, weil sie so

leicht öffentlich gemacht werden können.

Bsp: Versuchspersonen sollten eine Länge schätzen, einige schrieben sie auf

und gaben sie dann ab, einige schrieben sie nur für sich kurz auf und andere

gar nicht. Die Gruppe mit dem öffentlichen commitment blieb am meisten

bei ihrer Meinung, auch nachdem sich diese als falsch erwiesen hatte.

Das kann man auch für sich nutzen – Abnehmen oder mit dem Rauchen

aufzuhören funktioniert besser, wenn man möglichst vielen Leuten von dem

Vorhaben erzählt.

Kosten und Mühen

Es gibt überzeugende Belege dafür, dass commitments umso größere

Auswirkungen haben, je mehr Kosten und Mühen mit ihnen verbunden sind.

Bsp: bei Konzertwerbungen steht häufig kein Preis, daraufhin erkundigen sich

Interessierte per Telefon, wo sie oft lange warten müssen oder es öfter

versuchen müssen –> wenn man bedenkt, wie viel man schon dafür getan

hat, den Preis zu erfahren, gibt es kaum noch einen Weg zurück.

Bsp: Brutale Aufnahmerituale sowohl bei Studentenverbindungen als auch

beim Stamm der Tonga im Süden Afrikas (Knaben müssen es durchlaufen, um

zum Mann zu werden): bestehen aus Schlägen, Kälte, Durst, Ekel, Bestrafung

und Todesdrohung.

Diese Riten lassen sich durch nichts unterbinden, obwohl es oft versucht

wurde. In irgendeiner Hinsicht muss die Gruppe von dieser Härte profitieren: je

schmerzvoller oder peinlicher die Aufnahme in eine Gruppe ist, umso

interessanter und attraktiver erscheint sie. Auch wenn es auf den ersten Blick

unverständlich anmutet, mit dem, was die Gruppenmitglieder tun, sorgen sie

dafür, dass die zukünftigen Mitglieder die Gemeinschaft lohnender und

attraktiver empfinden. Solange Menschen etwas, das sie sich mühsam

erkämpfen mussten, höher schätzen und mehr davon überzeugt sind, so

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13 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

lange werden diese Gruppen mit ihren belastenden Ritualen weitermachen.

Die Loyalität und Hingabe derer, die sie hinter sich bringen, stärkt den

Zusammenhalt der Gruppe und letztlich ihre Überlebenschancen.

Eigene Entscheidungen und innere Überzeugungen

Die commitments, die aktiv, mühevoll und öffentlich sind, ändern am

effektivsten das Selbstbild einer Person und ihr zukünftiges Verhalten. Es gibt

jedoch einen weiteren wichtigen Punkt: Wir fühlen uns dann innerlich für ein

Verhalten verantwortlich, wenn wir glauben, dass wir es ohne besonderen

äußeren Druck ausgeübt haben. Eine hohe Belohnung etwa wäre eine Form

äußerlichen Drucks. Sie bringt uns vielleicht dazu, Dinge zu tun, aber sie

verhindert, dass wir auch innerlich die Verantwortung dafür übernehmen. Das

Gleiche gilt für eine starke Bedrohung – dadurch erreicht man keine

dauerhafte Bindung an ein ausgeführtes Verhalten.

Bsp: Kindern wurde gesagt, sie sollen mit einem attraktiven Spielzeug

(Roboter) nicht spielen, weil sonst eine Strafe drohe. Die Kinder hielten sich

daran, jedoch nur, so lange sie überwacht wurden. Wenn den Kindern

allerdings nur gesagt wurde, sie sollen nicht damit spielen, ohne Angabe

eines Grundes, dann war die Verhaltensweise dauerhaft (Kinder spielten auch

in einer anderen Situation nicht damit). Sie glaubten anscheinend, sie spielten

nicht damit, weil sie es nicht wollten, schließlich hatte keine besondere Strafe

gedroht, mithilfe derer sich die Jungen ihr Verhalten anders hatten erklären

können. wichtig für Kindererziehung!

Aus demselben Grund gaben die Chinesen den Kriegsgefangenen in den

Aufsatzwettbewerben nur geringe Belohnungen – durch eine große

Belohnung wäre das antiamerikanische Schreiben begründet gewesen und

damit nicht als eigene Entscheidung angesehen worden.

„He who agrees against his will, is of the same opinion still“

Wenn sich Entscheidungen ihre eigenen Gründe suchen

Commitments, die zu inneren Veränderungen führen, schlagen Wurzeln und

verstärken sich durch das Konsistenzmotiv selbst. Nimmt man sich selbst

einmal als sozial eingestellt wahr, überzeugt man sich selbst davon, dass man

so sein muss, haben auf einmal ein offenes Ohr für Argumente, die dafür

sprechen,… Man bestätigt sich selbst immer wieder dass seine Entscheidung

richtig war, und immer neue Argumente werden geschaffen, die eine

getroffene Entscheidung rechtfertigen. Sollte also der ursprüngliche Grund,

sich sozial zu verhalten, nicht mehr gegeben sein, wird er durch die neu

entdeckten Gründe ersetzt.

Dieses Prinzip wird von Autohändlern verwendet: „throwing a low ball“.

Bestimmten Kunden wird ein Auto viel billiger angeboten als bei der

Konkurrenz, und dann wird beim Kunden ein Gefühl des Festgelegtseins auf

das Auto hervorgerufen (Unterlagen ausgefüllt, über Finanzierung

gesprochen, Probefahrt) Dann entdeckt der Verkäufer plötzlich einen

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14 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

„Fehler“ in der Kalkulation und kann das Auto derart billig nicht hergeben –

wenn er dann um den vorher abgezogenen Betrag erhöht, kostet das Auto

immer noch nicht mehr als bei der Konkurrenz. Oder der alte Wagen wird

übermäßig hoch in Zahlung genommen, später merkt ein Mitarbeiter des

Verkäufers, dass der angesetzte Betrag zu hoch war und reduziert ihn –

Kunde fühlt sich schuldig, weil er darauf eingehen wollte. Durch ein

besonderes Entgegenkommen wird der Kunde zu einer Kaufentscheidung

verleitet, dann, nachdem die Entscheidung getroffen wurde, macht der

Anbieter einen Rückzieher. Sie wissen, dass commitments sich ihre eigene

Grundlage suchen, eine, die aus neuen Argumenten für dieses commitment

besteht, auch wenn der ursprüngliche Grund entzogen wird.

Das Beeindruckende an der low ball-Technik ist also, dass man damit andere

dazu bringen kann, sich mit einer schlechten Wahl zufrieden zu geben.

Bsp: Studenten telefonisch gebeten, an einer Denk-Studie 7 Uhr früh

teilzunehmen, nur 24% sagten zu. Anderen wurde die Uhrzeit nicht gleich

gesagt, 56% stimmten zu, dann wurde die Uhrzeit gesagt und keiner lehnte ab

(95% hielten ihre Zusage und kamen!)

Low ball kann jedoch auch für einen guten Zweck eingesetzt werden:

Familien wurde versprochen, dass sie in einer Zeitung namentlich erwähnt

würden, wenn sie energiesparender leben würden. Die Familien sparten im

Monat 12 Kubikmeter Erdgas, anschließend wurde ihnen mitgeteilt, dass die

namentliche Erwähnung nicht möglich sein würde. Trotzdem sank der

Verbrauch noch weiter! Die Familien hatten sich von der Sinnhaftigkeit des

Sparens überzeugt und ihr Selbstbild verändert, außerdem verstärkte der

Entzug der „Belohnung“ die Identifizierung mit ihrem neuen Selbstbild.

Abwehrstrategien

Man muss sich bewusst machen, dass Konsistenz zwar gut und unverzichtbar

ist, automatische Konsistenz jedoch gefährlich sein kann und dazu führen,

ausgenutzt zu werden. Es gibt 2 Signale, die darauf hinweisen, dass Konsistenz

in einer Situation zu einer schlechten Wahl führt.

Signale vom Magen: ein komisches Bauchgefühl, wenn wir eine Bitte erfüllen

und gleichzeitig wissen, dass wir das nicht wollen.

Signale vom Herzen: Sie helfen uns, wenn wir nicht wissen, ob ein anfängliches

commitment falsch war. Auf die erste gefühlsmäßige Reaktion hören, wenn

wir uns eine bestimmte Frage stellen, nicht auf das, was der Verstand kurz

darauf sagt.

Kapitel 4 – Soziale Bewährtheit

Bsp: Lachkonserven: keiner mag sie, jeder weiß, dass sie nicht echt sind. Aber

Experimente haben gezeigt, dass ein Publikum länger und öfter über eine

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15 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Szene lacht und sie komischer einschätzt, wenn Lachkonserven dazu

abgespielt werden. Wieso? …

Das Prinzip der sozialen Bewährtheit besagt, dass wir uns bei der

Entscheidung, ob etwas richtig ist, häufig an anderen orientieren. Das gilt

besonders für die Angemessenheit von Verhalten: Wir betrachten ein

Verhalten in einer gegebenen Situation in dem Maß als richtig, in dem wir es

bei anderen beobachten.

Normalerweise ist das durchaus sinnvoll, wenn viele Leute etwas tun, ist es

meist das Richtige (naja… ;) ). Das Prinzip der sozialen Bewährtheit bietet ein

praktisches Schnellverfahren, um zu entscheiden, wie man sich in einer

gegebenen Situation am besten verhält, macht einen jedoch auch zur

leichten Beute für diejenigen, die es zu ihrem Zweck ausnutzen.

Im Fall der Lachkonserven reagieren wir so gedankenlos und reflexartig, dass

wir uns durch unechte Beweise für die soziale Bewährtheit einer Sache für

dumm verkaufen lassen. Dumm deshalb, weil wir auf der Grundlage

offensichtlich gestellten Gelächters urteilen.

Bsp: Barkeeper legen am Anfang des Abends Geldscheine in ihre

Trinkgeldgläser, damit Gäste es als üblich betrachten, hier einen Geldschein

als Trinkgeld zu geben.

Die Werbung argumentiert gern damit, dass ein Produkt „die höchsten

Zuwachsraten“ hat oder das „meistverkaufte“ ist – es reicht zu sagen, dass

viele andere es kaufen, anstatt die Vorteile anzupreisen. Auch bei

Fernsehspendensendungen werden sehr häufig Namen von Personen

genannt, die schon gespendet haben.

Bsp: Diskobesitzer ließen Schlange vor dem Lokal stehen, auch wenn drinnen

noch Platz war.

Auch Verkäufer weisen häufig darauf hin, wer das Produkt schon gekauft hat.

Bsp: Eine Studie von Craig und Prachkin 1978 zeigte, dass Versuchspersonen

Elektroschocks (tatsächlich) als weniger schmerzhaft empfanden, wenn eine

weitere Versuchsperson zugegen war, die die Schocks ohne Anzeichen von

Schmerzen ertrug.

Bsp: Kinder mit Hundephobie beobachteten 20 Minuten täglich ein Kind im

Spiel mit einem Hund, nach 4 Tagen waren 67 % bereit, einen Hund zu

streicheln!

Bsp: Extrem schüchterne Vorschulkinder sahen einen Film über ein ängstliches

Kind, das andere beim Spielen beobachtete und sich schließlich daran

beteiligte. Die Interaktionshäufigkeit der Kinder erhöhte sich sofort aufs

normale Niveau, 6 Wochen später waren sie sogar die sozial aktivsten!

Bei Sekten ist häufig ein Phänomen zu beobachten: kurz nachdem eine

Weltuntergangsprophezeiung nicht eingetreten ist, erscheinen die Anhänger

in ihrem Glauben noch gestärkt, verteidigen ihre Lehre und versuchen mit

ungebremsten Eifer, andere zu bekehren. Warum? Forscher hatten sich in eine

Weltuntergangssekte in Chicago eingeschlichen und konnten daher von den

Ereignissen vor und nach dem prophezeiten Untergang berichten. Die

Gruppenmitglieder hatten zu viel für ihre Überzeugung aufgegeben, um nun

tatenlos mitanzusehen, wie sich alles in Luft auflöste: die Blamage, der Spott,

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16 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

der finanzielle Verlust wären nicht zu ertragen gewesen. Sie hatten also ein

starkes Bedürfnis, an ihrem Glauben festhalten zu können, das commitment

war so stark, dass jede andere Wahrheit unerträglich war. Die Gruppe musste

sich also andere Beweise für die Gültigkeit ihrer Überzeugungen verschaffen:

soziale Beweise. Nur das Verbreiten ihrer Botschaft, die Weitergabe ihres

Wissens, das Überzeugen der Skeptiker konnte ihre Glaubensideen wieder

wahr werden lassen. Je mehr Leute eine bestimmte Idee für richtig halten,

umso mehr nimmt der Einzelne sie als richtig wahr.

Unsicherheit

Wenn wir uns unsicher sind, wenn die Situation unklar oder mehrdeutig ist,

wenn alles ungewiss ist, neigen wir am ehesten dazu, unser Augenmerk

darauf zu richten, was andere tun, und machen deren Verhalten zur

Richtschnur unseres eigenen Handelns.

Dabei übersehen wir aber gerne eine elementare Tatsache: auch die

anderen halten wahrscheinlich gerade nach Hinweisen dafür Ausschau, was

für ein Verhalten unter diesen Umständen das sozial bewährte sein mag.

Insbesondere in uneindeutigen Situationen kann das zum „kollektiven Nicht-

sehen-wollen“ führen: ganze Gruppen von Zuschauern werden Zeuge einer

Situation, in der ein Opfer dringend auf Hilfe angewiesen ist, und tun nichts.

Bsp: Mord an Catherine Genovese in Queens: 38 (!) Personen hatten das

Ganze von ihren Fenstern aus beobachtet – der Täter hatte Catherine 35

Minuten lang verfolgt und immer wieder angegriffen, es war eine langes,

lautes Ereignis, und doch hatte keiner die Polizei gerufen. Dies wurde

landläufig als Gleichgültigkeit im Stadtleben, als Abstumpfung der Leute

betrachtet.

Man kann es aber auch anders erklären: Niemand hatte eingegriffen, weil,

nicht obwohl, es so viele beobachtet hatten. Wenn mehrere potenzielle

Helfer da sind, verringert sich die Verantwortlichkeit jedes Einzelnen. Jeder

denkt, es wurde sicher schon eingeschritten, und letztlich greift keiner ein. Der

zweite Grund beruht auf dem Prinzip der sozialen Bewährtheit. Sehr oft ist eine

Notlage nicht eindeutig als solche zu erkennen – solche Unsicherheit führt

dazu, dass man sich an seinen Mitmenschen orientiert. Anhand ihrer

Reaktionen versucht man herauszufinden, ob ein Notfall vorliegt oder nicht.

Die anderen tun aber dasselbe, also unauffällig auf andere Anwesende

achten, daher wird jeder seine Umgebung als ruhig und untätig wahrnehmen.

Dies hat wiederum zur Folge, dass das Ereignis überhaupt nicht als Notfall

interpretiert wird.

Die Annahme, es gebe „Sicherheit in der Menge“ (safety in numbers“), ist also

unzulässig. Die Chancen auf Hilfe stehen wesentlich besser, wenn nur ein

einziger Zuschauer anwesend ist. Darley, Latané und Mitarbeiter führten dazu

ein Forschungsprogramm durch, indem sie Notsituationen vortäuschten.

Wenn nur eine weitere Person anwesend war, half sie in 85% der Fälle, wenn

mehrere anwesend waren, wurde dem Opfer nur in 31% der Fälle geholfen.

Andere Studien ergaben, dass die Wahrscheinlichkeit, Hilfe zu erhalten, am

geringsten ist, wenn Personen anwesend sind, die so tun, als wäre nichts.

Page 17: Cialdini (2007) - Die Psychologie des Überzeugens

17 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Wenn die Zuschauer überzeugt davon sind, dass tatsächlich eine Notsituation

vorliegt, sind die Zahlen derer, die helfen, beruhigend hoch. Wenn jedoch

Unsicherheit herrscht, ist die Wahrscheinlichkeit für Hilfe sehr viel höher, wenn

nur ein Zuschauer anwesend ist. Anscheinend ist das kollektive Nicht-sehen-

wollen in Gruppen vom Fremden am stärksten.

In der Großstadt herrschen Bedingungen, die die Chancen eines Opfers, Hilfe

zu bekommen, stark verringern: 1. viel Lärm, Ablenkung und rasche

Veränderungen, was die Bewertung von Ereignissen erschwert, 2. die

Anwesenheit vieler Leute, 3. diese Leute kennen sich nicht.

Wenn man selber in eine Notlage gerät, ist es am besten, eine konkrete

Person anzusprechen (Verantwortlichkeit hervorrufen) und genau zu sagen,

welche Art von Hilfe man braucht (Unsicherheit beseitigen).

Ähnlichkeit

Neben Unsicherheit kommt das Prinzip der sozialen Bewährtheit am stärksten

zur Geltung, wenn wir das Verhalten von Leuten beobachten, die so sind wie

wir. Es sind die Reaktionen von unseresgleichen, die uns am meisten

Aufschluss darüber geben, welches Verhalten für uns selbst angemessen ist.

Deswegen werde in der Werbung Produkte meist vom „einfachen Mann auf

der Straße“ angepriesen.

Bsp: Experiment, auf der Straße liegt Brieftasche, es wird durch einen Brief

darin simuliert, dass jemand die Brieftasche gefunden hatte, zurückschicken

wollte und sie dann auf dem Weg zum Postkasten selber verloren hat. Die

Hälfte der Briefe war in fehlerfreiem Englisch geschrieben, die andere in

gebrochenem, von einem noch nicht lange hier lebenden Ausländer. Wenn

man sich durch letzteren Brief dem 1. Finder unähnlich fand, wurde dien

Brieftasche nur zu 33% zurückgegeben, wenn man sich ähnlich fand, zu 70%.

Die Versuchspersonen handelten also eher wie der 1. Finder, wenn sie sich mit

diesem (aufgrund der Sprachkenntnisse) identifizierten.

Bsp: Schulisches Programm gegen Rauchen hilft nur, wenn es von gleich

bleibenden Jugendlichen vermittelt wird.

Bsp: Bei Kindern führt ein angenehmer Zahnarztfilm nur dann zu Reduktion der

Angst, wenn das gezeigte Kind ca. gleich alt ist.

Der Werther-Effekt

In der Folge von Selbstmorden, die Schlagzeilen gemacht haben, kommt es

regelmäßig zu einer alarmierenden Anstieg von Flugzeugabstürzen bzw.

tödlichen Autounfällen. Zu solche einem Anstieg kommt es allerdings nur in

Gebieten, in denen ausgiebig über den Suizid berichtet wurde (es kann also

nicht an allgemein schlechten Lebensbedingungen liegen). Die Zunahme der

Unfallzahlen ist umso ausgeprägter, je breiter die Berichterstattung war.

Suizidberichte, bei denen nur einer Person zu Tode kommt, ziehen Unfälle mit

nur einem Todesopfer nach sich, Berichte über erweiterte Suizide, bei denen

mehrere Menschen starben, führen zu Unfällen mit mehreren Opfern. Der

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18 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Grund dafür liegt im Werther-Effekt: Problembeladene Leute, die über den

Suizid einer anderen Person lesen, nehmen sich an dieser ein Vorbild und

bringen sich ebenfalls um.

Phillips stellte die Theorie auf, dass es sich bei allen zusätzlichen Todesfällen im

Anschluss an einen Suizid, über den berichtet wurde, letztlich um

Nachahmesuizide handelt. Die Nachricht vom Selbstmord eines Menschen

lässt eine hohe Anzahl anderer zu dem Schluss kommen, dass auch für sie der

Suizid eine angemessene Handlung sei. Einige davon schreiten dann direkt zur

Tat, andere wollen vermeiden, als Selbstmörder erkannt zu werden und führe

einen Auto- oder Flugzeugunfall herbei. Diese herbeigeführten Unfälle sind

„tödlicher“ als andere, sprich die Selbstmörder achten darauf, dass die

Unfälle mit größtmöglicher Sicherheit tödlich ausgehen.

Auch hier wirkt die Ähnlichkeit: die Nachahm-Selbstmörder ähnelten in ihrem

Alter immer dem Selbstmörder, über den berichtet wurde.

Auch Mord und Totschlag haben oft Nachahmungscharakter und ereignen

sich häufig im Anschluss an Gewaltdarstellung in den Medien. Die

Fernsehübertragung von Kämpfen um die Meisterschaft im Schwergewicht

scheint in den USA einen messbaren Anstieg von Morden nach sich zu ziehen.

Diese imitatorische Aggression hat dabei eine bemerkenswerte Spezifität:

verliert ein schwarzer Mann, kommt es zu einem Anstieg der Tötungen junger

schwarzer Männer, verliert ein weißer Mann, werden signifikant mehr weiße

Männer umgebracht. (wurde für die Jahre 1973-1978 untersucht)

In den 1970ern gab es zahlreiche Fälle von Flugzeugentführungen, in den

80ern Verunreinigungen von Lebensmitteln und in jüngerer Zeit Amokläufe in

den USA. Die Amokläufe an amerikanischen Schulen passierten immer in

ländlichen Gebieten – Prinzip der Ähnlichkeit.

Bsp: „The People’s Temple“ – sektenähnliche Organisation in San Francisco,

die 1977 zusammen mit Anführer Jim Jones in den südamerikanischen Urwald

übersiedelte. Dort führten sie ein unbeachtetes Dasein bis am 18. 11. 1978 der

Kongressabgeordnete Leo Ryan ( der nach Guyana gekommen war, um die

Vorgänge in der Sekte zu untersuchen) und 3 Leute seine Ermittlungsgruppe

sowie ein abtrünniges Sektenmitglied bei dem Versuch, Jonestown mit dem

Flugzeug zu verlassen, ermordet wurden. In der Überzeugung, man würde ihn

verhaften, versammelte Jones die Gemeinschaft und rief zum

Massenselbstmord auf. 910 Menschen gingen freiwillig und friedlich in den

Tod. Warum? IN der fremden Umgebung von Guyana bestand eine sehr

hohe Beritschaft, sich nach den anderen zu richten („In Kalifornien wäre dies

nicht passiert.“) Unsicherheit, Ähnlichkeit mit den anderen. Es muss zu

„kollektivem Nicht-sehen-wollen“ gekommen sein: Die Menschen

beobachteten die anderen um sich herum, um sich über die Lage klar zu

werden, aber auch alle anderen peilten nur verstohlen die Lage. Daher

schlussfolgerten die Anhänger, dass geduldiges Warten, bis man an der Reihe

war, wohl die beste Lösung war.

Abwehrstrategien

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19 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Es gibt zwei Arten von Situationen, in denen inkorrekte Daten dazu führen,

dass das Prinzip der sozialen Bewährtheit uns ein schlechter Ratgeber ist. Die

erste tritt ein, wenn die sozialen Beweise bewusst verfälscht wurden (z.B.

eingespieltes Gelächter).

Bsp: Sauton und Porcher gründeten 1820 eine Organisation, die sich für Beifall

und Jubel in der Oper bezahlen ließ. Diese waren nicht einmal getarnt und

saßen oft Tag für Tag am selben Platz! [Claqueur-effekt = Beifallklatscher-

Effekt] – „Applause auf Bestellung“.

Bsp: zahlreiche Werbespots arbeiten mit offensichtlich gestellten Interviews

und Kundenbefragungen, um soziale Bewährtheit vorzutäuschen. Man sollte

sich dann bewusst machen, dass hier etwas (obendrein dilettantisch)

vorgetäuscht wird.

Zusätzlich zu solchen Gelegenheiten, in denen soziale Beweise bewusst

gefälscht werden, gibt es auch die, in denen ein harmloser Fehler eine große

Zahl sozialer Beweise nach sich zieht, die uns zu einer falschen Entscheidung

drängen.

Bsp: Eine Bank in Singapur, die Kunden ließen sich ganz plötzlich ihre Einlagen

auszahlen. Was war geschehen? Wegen eines Busstreiks hatte sich eine

Ansammlung vor der Bank (Bushaltestelle) gebildet. Passanten dachten,

wegen eines Bankzusammenbruchs hoben alle Leute ihr Geld ab, gerieten in

Panik und taten dasselbe!

Wir gehen anscheinend davon aus, dass viele Leute, die dasselbe tun, etwas

wissen müssen, was wir nicht wissen. Aber auch die Menge irrt sich recht

häufig, da die Einzelnen eben nicht auf der Grundlage bessere Info handeln,

sondern selbst auf das Prinzip der sozialen Bewährtheit reagieren.

Kapitel 5 – Sympathie

Wir sind am ehesten bereit, den Bitten von Leuten nachzukommen, die wir

kennen und mögen. Diese Regel wird beispielsweise von Tupperware mit den

„Tupperparties“ ausgenutzt: die Person, die die Party gibt, verdient an allen

gekauften Produkten mit – dadurch kaufen deren Freunde die Artikel

eigentlich von einer befreundeten Person anstatt von einer fremden

Verkäuferin (die auch anwesend ist). Der Grad der freundschaftlichen

Verbundenheit ist dabei doppelt so ausschlaggebend für den Kauf eines

Artikels wie die Vorliebe für das Produkt selbst! Die Kunden sind sich dabei

anscheinend des Drucks, der bei solchen Parties durch Sympathie und

Freundschaft aufgebaut wird, voll bewusst, können sich dem aber nicht

entziehen, weil sie nicht wissen, wie.

Obendrein kommen Faktoren wie Reziprozität (am Anfang bekommt jeder ein

Geschenk), Commitment (jeder soll die Vorteile der Produkte, die er besitzt,

schildern) und soziale Bewährtheit ins Spiel (sobald der Verkauf beginnt,

bestätigt jeder Artikel, der den Besitzer wechselt, erneut, dass andere die

Produkte haben wollen). Statistiken zeigen, dass mittlerweile alle 2,7 Sekunden

irgendwo eine Tupperparty beginnt!!

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20 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Manchmal muss der Freund gar nicht anwesend sein, es reicht seine

Erwähnung (z.B. bei Haustürverkauf, sobald ein Kunde zeigt, dass ihm ein

Produkt gefällt, wird er dazu gebracht, Namen von weiteren Interessenten zu

nennen, die dann ebenfalls aufgesucht werden usw.).

Im Folgenden werden sympathiefördernde Faktoren dargestellt, die alle auch

von Überzeugungsprofis genutzt werden.

1. Äußerliche Attraktivität

Halo-Effekt: Wenn der Gesamteindruck, den eine Person auf eine andere

macht, durch ein einzelnes positives Merkmal, das sie hat, dominiert wird.

Gut aussehenden Menschen schreiben wir automatisch Begabung,

Ehrlichkeit, Freundlichkeit und Intelligenz zu, noch dazu, ohne uns über den

Einfluss ihrer Attraktivität bewusst zu sein.

Bsp: Untersuchung über die kanadischen Parlamentswahlen 1974 – attraktive

Kandidaten erhielten mehr als 2,5 Mal so viele Stimmen wie unattraktive!

Doch die Wähler waren sich dessen nicht bewusst, 73% bestritten heftig, dass

ihre Entscheidung etwas mit dem Äußeren zu tun hatte.

Ein ähnlicher Effekt konnte für Bewerbungssituationen nachgewiesen werden.

In einer Studie zeigte sich, dass eine gute äußere Aufmachung in einem

simulierten Gespräch für ihre Jobchancen von größerer Bedeutung waren als

ihre beruflichen Qualifikationen und das, obwohl ihre Gesprächspartner

behaupteten, dass die äußere Erscheinung nur eine kleine Rolle bei ihren

Entscheidungen spielte. – Selbst das Einkommen von gutaussehenden

Menschen liegt 12 bis 14 % über dem der weniger attraktiven Kollegen!

Auch deutet vieles darauf hin, dass attraktive Menschen in unserem

juristischen System eine Vorzugsbehandlung erhalten. Eine Studie über die

Attraktivität 74 männlicher Angeklagter ergab, dass die gut aussehenden zu

signifikant geringeren Strafen verurteilt worden waren. Dies ging so weit, dass

den attraktiven Angeklagten doppelt so häufig wie den unattraktiven eine

Gefängnisstrafe erspart geblieben war.

Bsp: Entstellte Gefangene im Gefängnis NY unterzogen sich einer Schönheits-

OP, wurden nach Entlassung signifikant seltener wieder inhaftiert als andere

Entstellte, die sich nicht operieren hatten lassen, und zwar unabhängig

davon, ob sie Rehabilitationsmaßnahmen mitgemacht hatten oder nicht

wahrscheinlich wurde aber nicht die Wahrscheinlichkeit für Rückfälle, sondern

nur für Reinhaftierung vermindert.

Attraktiven Menschen wird auch eher geholfen, wenn sie in Not sind;

aggressive Handlungen von hübschen Kindern werden als weniger

verwerflich angesehen etc.

Äußerliche Attraktivität wird daher auch von Verkäufern genutzt, da sie

sympathisch und gefügig macht. Boutiquenbesitzer wählen ihr Personal unter

den besser aussehenden Kandidaten aus.

2. Ähnlichkeit

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21 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Wir mögen Leute, die uns ähnlich sind. Dies gilt anscheinend unabhängig

davon, ob die Ähnlichkeit im Bereich von Meinungen,

Charaktereigenschaften, Herkunft oder Lebensstil besteht. Mehrer

Untersuchungen haben gezeigt, dass unsere Hilfsbereitschaft gegenüber

Leuten, die so angezogen sind wie wir, größer ist.

Eine andere Möglichkeit, den Eindruck von Ähnlichkeit entstehen zu lassen,

besteht in der Behauptung, eine ähnliche Herkunft oder Interessen wie das

Gegenüber zu haben.

Bsp: Kunden waren eher geneigt, eine Versicherung abzuschließen, wenn

zwischen ihnen und dem Vertreter Ähnlichkeit hinsichtlich Alter, Religion,

politischer Einstellung und Tabakkonsum bestand.

Das geht sogar so weit, dass Ähnlichkeiten beeinflussen, wem wir lieber das

Leben retten: Versuchspersonen, die entscheiden sollten, welche

nierenkranken Personen es am ehesten verdienen, sobald wie möglich

behandelt zu werden, wählten solche Patienten, die dieselbe politische Partei

bevorzugten wie sie selbst.

In vielen kaufmännischen Ausbildungsgängen werden die angehenden

Verkäufer angeleitet, Körperhaltung, Stimmung und Ausdrucksweise des

Kunden zu übernehmen (mirror and match).

3. Komplimente

Die Mitteilung, dass jemand von uns angetan ist, kann ein effektives Mittel

sein, uns zur Erwiderung dieser Sympathie zu bringen und zugänglich für sei

Anliegen zu machen.

Bsp: der erfolgreichste Autoverkäufer der Welt Joe Girard schickte jedem

seiner 13000 früheren Kunden 12 Mal pro Jahr (!) eine Karte mit dem Aufdruck

„Ich mag Sie.“ Er verkaufte an jedem Tag durchschnittlich mehr als 5 Pkws

und LKWs.

Dabei müssen die Komplimente nicht einmal stimmen, um zu wirken, und es

funktioniert auch, wenn sich die Umschmeichelten der Hintergedanken des

anderen bewusst sind. Offensichtlich haben wir die Tendenz, mechanisch

positiv auf Komplimente zu reagieren.

4. Kontakt und Kooperation

In der Regel mögen wir das, was wir kennen.

Bsp: 2 Abzüge eines Porträts, eines normal, eines seitenverkehrt. Selber gefällt

man sich auf der seitenverkehrten Aufnahme besser, da man dieses

„Gesicht“ täglich im Spiegel sieht. Freunde bevorzugen die normale

Aufnahme, da das jenes Gesicht ist, das sie immer sehen.

Vertrautheit ruft unbewusst Zuneigung hervor. Oft sind wir uns der Tatsache

gar nicht bewusst, dass unsere Einstellung zu einer Sache dadurch beeinflusst

ist, wie häufig wir in der Vergangenheit mit ihr in Berührung gekommen sind.

Bsp: Gesichter wurden so kurz auf eine Meinwand projiziert, dass die

Versuchspersonen sich später nicht erinnern konnten, diese gesehen zu

haben. Doch fanden sie eine Person bei einer späteren Begegnung umso

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22 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

sympathischer, je öfter das Gesicht der Person auf der Leinwand erschienen

war.

Danach sollte eigentlich die Rassenintegration an Schulen bewirken, dass

eine Annäherung der ethnischen Gruppen stattfindet, jedoch ist das

Gegenteil der Fall. Warum? In der Schule herrscht Konkurrenz, einzig mögliche

Lösung: mehr auf kooperatives Lernen zu bauen.

Bsp: eine Studie von Sherif in einem Zeltlager ergab: wenn man zwei

Jugendgruppen getrennt schlafen lässt, ihnen 2 verschiedene Namen gibt

und sie gegeneinander antreten lässt, entsteht Feindschaft. Wenn man sie

jedoch erfolgreich an etwas, das für beide wichtig ist, zusammenarbeiten

lässt, entsteht Freundschaft. Das gilt nicht nur für Jungendliche!

Jigsaw- bzw. Puzzle-Ansatz an US-Schulen: Schüler sind zur Zusammenarbeit

gezwungen, um sich den Stoff für eine Prüfung anzueignen, da jeder Schüler

nur einige der relevanten Infos besitzt, die Schüler müssen sich gegenseitig

helfen. sehr gute Erfolge! Mehr Freundschaft, Abbau von Feindschaft,

Minoritäten und die übrigen Schüler werden selbstbewusster und erbringen

bessere Leistungen. Dennoch ist auch Wettbewerb wichtig, darf nicht

komplett eliminiert werden.

Kontakt ist also in der Regel sympathiefördernd, nicht aber, wenn der Kontakt

mit negativen Erlebnissen verbunden ist. Auch Kooperation bewirkt

Sympathie.

Bsp: good cop, bad cop bei Verhören. Der gute Polizist sagt dem bösen, er

solle sich nicht so aufregen, beruhigen; sagt er möchte dem Verhörten eine

lange Strafe ersparen, wenn er gesteht etc. Er erweckt den Eindruck, als

stünde er auf seiner Seite, als arbeite er mit ihm zusammen. Kann oft zu einem

Geständnis führen.

5. Konditionierung und Assoziationen

Wettersprecher werden sehr häufig für das Wetter verantwortlich gemacht

und angegriffen – es gibt eine elementare menschliche Abneigung gegen

Personen, die schlechte Nachrichten überbringen. Die bloße Assoziation mit

schlechten oder guten Dingen hat einen Einfluss darauf, wie beliebt wir bei

anderen sind.

Bsp: In einer Studie schätzten Männer, die eine Werbung für ein Auto

gesehen hatten, in der auch eine verführerische Frau abgebildet war, als

schneller, ansprechender, teurer aussehend und besser gestylt ein als Männer,

die dieselbe Werbung ohne das Model gesehen hatten- positive

Assoziation Model und Auto.

Bsp: Kreditkarten werden meist mit den positiven Aspekten von Einkäufen

assoziiert, da man damit Dinge kaufen kann, für die man erst viel später

bezahlt. Wenn auf einer Restaurantrechnung, an der Wand oder irgendwo

Kreditkarten-Signets zu sehen sind, sind die Leute bereit, mehr Geld zu geben

(sei es Trinkgeld, Spenden, etc.), unabhängig davon, ob sie bar zahlen oder

mit Kreditkarte!

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23 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Deswegen werden Produkte oft mit gerade aktuellen Ereignissen

(Mondlandung, Marssonde, Olympische Spiele) beworben, eine positive

Assoziation soll entstehen. Dasselbe soll Werbung mit Prominente bezwecken,

sei es für ein Produkt oder einen Präsidentschaftskandidaten.

luncheon technique: man kann die Meinung von Personen über Menschen,

Dinge, Aussagen,… dadurch verbessern, dass sie beim Essen mit ihnen in

Berührung kommen. Mit fauligen Gerüchen z.B. kann man das Gegenteil

erreichen.

So sind wir, auch wenn wir selbst oft nicht merken, wie wir mithilfe des

Assoziationsprinzips beeinflusst werden, doch darauf bedacht, selber nicht der

Überbringer schlechter Nachrichten zu werden. Wir wissen also, wie das Prinzip

funktioniert und wenden es auch selber an.

Die Beziehung zwischen Sport und eifrigem Fan ist etwas sehr Ernstes,

Intensives und außerordentlich Persönliches.

Bsp: ein Soldat im 2. Weltkrieg sprach nach seiner Rückkehr nicht mehr, 30

Jahre lang, bei einer Radioübertragung eines Spiels zwischen seinem

Heimatort und einem alten Gegner schrie er vor lauter Zorn über eine

Entscheidung des Schiedsrichters „ Du alter Idiot! Willst du denen das Spiel

schenken?“ Danach versank er wieder in Schweigen, das er nie mehr brach.

Eine Niederlage „seiner“ Mannschaft hätte für ihn persönlich eine

Demütigung bedeutet, der Sieg einen Triumph. Allein die Herkunft aus

derselben Stadt machte den möglichen Sieg der Mannschaft oder ihre

Niederlage zu etwas, was ganz viel mit ihm zu tun hatte.

Bsp: Messerattacke auf Monica Seles 1993, der Attentäter stammte aus

derselben Stadt wie Steffi Graf, die von Seles vom ersten Platz der

Weltrangliste verdrängt worden war.

Asimov (1975): „Wen auch immer man anfeuert, er steht letztendlich für einen

selbst; und wenn er gewinnt, gewinnt man selbst.“ Gemäß dem

Assoziationsprinzip steigt unser öffentliches Ansehen, wenn wir uns selbst mit

Erfolgen umgeben, auch wenn uns nur etwas ganz Oberflächliches mit ihnen

verbindet.

Bsp: wenn eine Mannschaft gewonnen hat, sprechen die Menschen oft von

„Wir haben gewonnen“, wenn sie verloren hat, heißt es auf einmal: „Sie

haben verloren“…Wir manipulieren also die Sichtbarkeit unserer Verbindung

zu Gewinnern und Verlierern bewusst, aus Imagegründen.

Name-dropping, Groupies (Sex gegen das Recht, mit dieser Verbindung

anzugeben), Bühnenmütter,… sind Beispiele für das Assoziationsprinzip.

Abwehrstrategien

Besonders darauf achten, wie nett wir Menschen finden, die uns von etwas

überzeugen wollen. Sobald wir erkennen, dass wir unter den gegebenen

Umständen ungewöhnlich viel Zuneigung für unser Gegenüber zu empfinden,

empfiehlt es sich, einen Schritt zurückzutreten und allein aufgrund der Vorzüge

des Angebotes zu entscheiden.

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24 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Kapitel 6 – Autorität

Das berühmte Milgram-Experiment (1974) schockierte die Welt und auch

Milgram selber, weil es zeigte, wie weit Menschen bereit sind zu gehen, nur

weil jemand es ihnen befiehlt. Er ließ die Versuchspersonen anderen Personen

Elektroschocks erteilen (für falsche Antworten in einer Gedächtnisaufgabe).

Die andere Person war nur ein Schauspieler, doch das wussten die

Versuchspersonen natürlich nicht. Die frage war, bis zu welcher Grenze die

Versuchspersonen gehen würden. 2/3 aller Teilnehmer legten alle 30 Schalter

um, bis der Versuchsleiter nach dem letzten (450 Volt) den Versuch

beendete! Das Opfer schrie vor Schmerzen und flehte immer wieder um

Beendigung der Schocks, dadurch fiel es den Versuchspersonen nicht leicht,

sie litten selber mit und baten den Versuchsleiter immer wieder, aufhören zu

dürfen. Als dieser das verneinte, machten sie jedoch weiter. Die Ergebnisse

waren dieselben, wenn sich die Versuchspersonen der möglichen

gesundheitlichen Konsequenzen bewusst waren, weil das Opfer immer wieder

seine Herzprobleme erwähnte. Die „Sadisten“ unterschieden sich in Alter,

Geschlecht oder Ausbildung nicht vom Durchschnitt und hatten auch ganz

normale Persönlichkeitstestergebnisse.

Laut Milgram liegt der Grund für diese erschreckenden Ergebnisse in einer tief

verwurzelten Autoritätshörigkeit. Verbot der Versuchsleiter, weitere Schocks zu

geben, obwohl das Opfer tapfer weitermachen wollte, ließen die

Versuchspersonen sofort davon ab.

Ein vielschichtiges und weithin akzeptiertes Autoritätssystem bringt einer

Gesellschaft enorme Vorteile – es ist die Voraussetzung für die Entwicklung

differenzierter Strukturen für die Produktion von Gütern, für Handel,

Verteidigung, Expansion und soziale Kontrolle. Die Alternative hieße im

Extremfall Anarchie, ein Zustand, der nicht gerade förderlich für menschliche

Kulturen wäre. Daher wird uns von Geburt an eingetrichtert, dass Gehorsam

gegenüber den richtigen Autoritäten gut und Ungehorsam schlecht ist (Eltern,

Schule, rechtliche, militärische und politische Systeme).Häufig gehorchen wir

quasi automatisch, ohne uns dessen überhaupt bewusst zu sein. Alles, was aus

dem Mund einer anerkannten Autorität kommt, kann uns wertvolle

Entscheidungshilfe in schwierigen Situationen sein.

In der Medizin z.B. gibt es eine streng hierarchische Machtstruktur, über die

sich alle Mitarbeiter in diesem Bereich sehr genau bewusst sind. Niemand darf

sich über das Urteil eines Doktors hinwegsetzen, außer vielleicht ein

höherrangiger Dr. med. Es hat sich daher eine feste Tradition automatischen

Gehorsams gegenüber ärztlichen Anordnungen gebildet. Dies wiederum

bringt mit sich, dass bei einem eindeutigen Fehler eines Arztes niemand auf

einer niedrigeren Stufe überhaupt die Möglichkeit eines solchen Fehlers in

Betracht zieht. Sobald eine Autorität eine Anordnung gegeben hat, stellen die

Untergebenen das Denken ein und schalten auf bloßes Reagieren um. So

zeigt eine Untersuchung der US-Gesundheitsbehörden, dass allein im Bereich

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25 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

der medikamentösen Therapie das durchschnittliche Krankenhaus eine

Tagesfehlerquote von 12 % hat.

Das gleiche Phänomen der sturen Unterwerfung zeigt sich in Affenhorden, in

denen strenge Hierarchien bestehen, finden neue Errungenschaften nur dann

rasch Verbreitung, wenn sie zuerst einem der dominierenden Tiere

beigebracht werden.

Bsp: Jungen Affen wurden Karamellbonbons gegeben, also ein neues

Nahrungsmittel, die Vorliebe dafür hatten nach 1,5 Jahren erst 51% der Tiere

erworben. Gab man zuerst dem ranghöchsten Tier Weizen (ebenfalls neue

Nahrung), hatte sich dies in 4 Stunden in der ganzen Gruppe durchgesetzt.

Bsp: ein Schauspieler, der in Amerika ein bekannter TV-Arzt war, warb für

koffeinfreien Kaffee – Spot war sehr erfolgreich und lief jahrelang in

verschiedenen Versionen, obwohl der Mann nur Schauspieler und kein echter

Arzt war.

Autoritätssymbol 1 – Titel

Untersuchungen zum Einfluss des Autoritätsstatus auf die Wahrnehmung der

Körpergröße zeigen, dass Menschen mit hoch angesehenen Titeln größer

geschätzt werden, als sie sind. „Professoren“ wurden in einem Experiment 6,5

cm größer geschätzt als „Studenten“ (es war immer derselbe Mann).

Entscheidend für die Wahrnehmung der Größe einer Sache oder eines

Menschen ist, wie bedeutsam (nicht aber wie positiv) sie ist. Es ist also

möglich, Status mithilfe der Größe vorzutäuschen, z.B. ist bei einigen

Tiergemeinschaften die Körpergröße ein entscheidender Faktor für die

Stellung eines Individuums in der Gruppe.

Hochstapler mit normaler Größe tragen oft Spezialeinlagen, die sie optisch

größer machen.

Bsp: Ein Forscherteam aus Ärzten und Pflegenden führte ein Experiment zum

Gehorsam aufgrund von Titeln durch: sie riefen in Spitälern an und gaben sich

als Arzt der Klinik aus und gaben der Pflegekraft am Telefon die Anweisung,

einem bestimmten Patienten eine Überdosis eines nicht genehmigten

Medikaments zu verabreichen. 95% der Pflegenden machten sich sofort auf

den Weg, obwohl 1. die Anweisung per Telefon kam, 2. das Medikament

nicht genehmigt war, 3. die Dosis viel zu hoch war und4. sie den Arzt nicht

persönlich kannten. (!!!)

Bsp: Peters und Ceci veränderten die Namen der Verfasser und der Institution

von wissenschaftlichen Artikeln, die 18 bis 32 Monate zuvor veröffentlicht

worden waren, und reichten sie erneut bei den Zeitschriften ein. 9 der 12

Artikel flogen nicht auf, 8 von den 9 wurden aber abgelehnt.

Autoritätssymbol 2 – Kleidung

Bsp: Bickman konnte zeigen, wie schwer es sein kann, jemandem eine Bitte

abzuschlagen, der in „Autoritätskleidung“ daherkommt. Passanten wurden

um etwas Ungewöhnliches gebeten, der Bitte kamen viel mehr Leute nach,

wenn der Bittsteller eine Wachdienstuniform anhatte (statt normaler Kleidung).

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26 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Bsp: Ein Mann spricht Passanten an, zeigt auf einen Mann bei einer Parkuhr

und sagt, dieser Mann habe nicht genug Geld und man solle diesem einen

Zehner geben. Dann ging er davon. Wenn der befehlende Mann als

Wachmann gekleidet war, entsprachen fast alle seinem Befehl, war er normal

gekleidet, waren es weniger als die Hälfte.

Auch Anzüge bewirken Autorität. Wenn ein Anzugträger bei Rot über die

Ampel geht, folgen ihm 3,5 Mal so viele Leute wie wenn ein normal

gekleideter Mann dasselbe tut.

Autoritätssymbol 3 – Luxus

Stilvolle und teure Kleidung verbreitet eine Aura von Status und Rang, ähnlich

wie andere Luxusartikel (Schmuck, Autos,)

Wir verhalten uns Besitzern von Nobelautos gegenüber besonders respektvoll.

Bsp: Steht vor uns an einer grünen Ampel ein altes, kleines Auto, hupen wir viel

früher wie hinter einem neuen, teuren Auto (50% hupten hier gar nicht).

Abwehrstrategien

Schutz gegen die nachteiligen Auswirkungen des Einflusses von Autoritäten

bieten zwei Fragen: Ist die Autoritätsperson tatsächlich ein Experte? (siehe

Fernseharzt) Und inwieweit können wir diesem Experten vertrauen? Die erste

Frage lenkt unsere Aufmerksamkeit weg von den Symbolen und hin zu den

echten Beweisen für die vermutete Autorität. Durch die zweite wird uns nahe

gelegt, nicht nur das Wissen eines Experten zu berücksichtigen, sondern auch

seine Vertrauenswürdigkeit. Mit Bezug auf diese 2. Überlegung sollten wir uns

vor einer vertrauensfördernden Taktik in Acht nehmen, die darin besteht, dass

uns unser Gegenüber anfangs eine etwas ungünstige Information über sich

gibt. Mithilfe dieser Strategie versucht die Person, einen besonders ehrlichen

Eindruck zu machen, damit wir nachher leichtgläubiger sind.

Kapitel 7 – Knappheit

Das Knappheitsprinzip besagt, dass Möglichkeiten uns umso wertvoller

erscheinen, je weniger erreichbar sie sind.

Bsp: Studenten bewerteten Mensaessen als unbefriedigend, als diese wegen

eines Feuers 2 Wochen geschlossen wurde, wurde das Essen signifikant besser

beurteilt.

Sammler (Eintrittskarten für Baseballspiele, Antiquitäten,..) sind sich der

Bedeutung des Knappheitsprinzips bewusst. In der Regel sind Sammlerstücke,

die rar sind, auch wertvoller.

Precious mistake – Phänomen: Stücke mit Mängeln – z.B. eine doppelt

geprägte Münze – sind oft diejenigen mit dem höchsten Wert

(Seltenheitswert).

Der Gedanke, etwas verlieren zu können, hat eine stärker motivierende

Wirkung als der Gedanke, etwas Gleichwertiges gewinnen zu können. So

zeigen beispielsweise Studenten sehr viel stärkere Gefühle, wenn sie gebeten

werden, sich mögliche Verluste vorzustellen (persönliche Beziehungen,

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27 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Durchschnittsnoten), als wenn sie gebeten werden, etwas hinzuzugewinnen.

Vor allem in Risiko- und Unsicherheitssituationen spielt die Gefahr eines

möglichen Verlusts eine große Rolle in Entscheidungsprozessen.

Bsp: Broschüren, in denen junge Frauen zur Brustkrebsvorsorge durch

Selbstuntersuchung aufgefordert werden, sind erfolgreicher, wenn sie auf

mögliche Verluste hinweisen statt auf positive Folgen einer frühen Diagnose.

Auch bei Rauchern ist es effektiver, sie darauf hinzuweisen, wie viele Jahre sie

weniger leben, wenn sie weiter rauchen, anstatt wie viele Jahre mehr sie

leben, wenn sie aufhören zu rauchen.

„Taktik der kleinen Menge“: ein Kunde wird darüber informiert, dass ein

bestimmtes Produkt nur in begrenzter Anzahl vorhanden und vermutlich nicht

mehr lang zu haben ist. Dadurch gewinnen die Waren in den Augen des

Kunden an Wert.

Zeitlimits: Dem Kunden wird eine Frist gesetzt, nach deren Ablauf das

Angebot nicht mehr gilt. Es passiert den meisten Leuten immer wieder einmal,

dass sie etwas tun wollen, worauf sie sonst nicht erpicht wären, nur weil sie

nicht mehr lang die Gelegenheit dazu haben. Damit lässt sich beim Kunden

Interesse erzeugen, wo vorher keines war.

Eine besonders aggressive Variante der Fristentaktik besteht darin, dem

Kunden gar keine Bedenkzeit zu geben: wenn er sich nicht sofort entscheidet,

bekommt er den Artikel später nur teurer oder gar nicht mehr.

Reaktanz

Dinge, die nur schwer zu bekommen sind, sind in der Regel besser als solche,

die leicht zu bekommen sind. Oft lässt daher die Verfügbarkeit einer Sache

schnell und treffsicher auf ihre Qualität schließen. Ein Grund für den Einfluss

des Knappheitsprinzips liegt darin, dass es ermöglicht, ohne großen Aufwand

gute Entscheidungen zu treffen.

Es gibt aber noch eine weitere Quelle für die Macht des Knappheitsprinzips;

wenn Möglichkeiten weniger erreichbar werden, bedeutet das einen Verlust

von Freiheiten. Und der Verlust von einmal besessenen Freiheiten ist etwas,

das wir partout nicht ausstehen können. Das Bestreben, einmal erworbene

Vorrechte zu erhalten, ist der Kern der Reaktanztheorie. Nach dieser Theorie

bewirkt das Bedürfnis nach Erhaltung unserer Freiheiten, dass wir sie bei einer

Einschränkung unserer Wahlfreiheit noch mehr wollen als zuvor.

Bei Kindern beginnt diese Tendenz im 3. Lebensjahr, dann, wenn sie

anfangen, sich als Individuum zu betrachten. Das führt zu dem Konzept der

Freiheit: ein unabhängiges Wesen kann seine eigenen Entscheidungen

treffen. In dieser Zeit tun sie garantiert das Gegenteil von dem, was von ihnen

verlangt wird, weil sie ihren Spielraum und ihre Grenzen kennen lernen wollen.

Bsp: Wenn ein Spielzeug hinter einer 30 cm hohen Plexiglasscheibe stand, war

es nicht begehrenswerter als andere, war die Scheibe jedoch so hoch, dass

man darum herumgehen müsste, um das Spielzeug zu bekommen,

bevorzugten die Kinder (24 Monate) dieses Spielzeug.

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28 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

In der Pubertät wird die Reaktanz wieder besonders stark. Romeo-und-Julia-

Effekt: Gegen alle Versuche, sie voneinander fernzuhalten, schafften es die

jungen Liebenden durch ihren Doppelsuizid, eine ultimativen Demonstration

des freien Willens, für alle Zeiten vereint zu bleiben. Möglicherweise wäre die

starke Liebe der beiden, wenn man sie in Ruhe gelassen hätte, nur eine kurze

Schwärmerei geworden. ;)

Bsp: Studie mit 140 Teenagern – Einmischung der Eltern ging mit mehr

Problemen, aber auch mit größerer Zuneigung und Heiratswunsch einher.

Bsp: in Kennesaw wurde das Gesetz erlassen, dass jeder Erwachsene der

Stadt eine Schusswaffe besitzen müsse. Daraufhin boomte in der Stadt das

Geschäft mit Schusswaffen – allerdings kauften nur Leute von außerhalb der

Stadt welche, deren Freiheit war ja nicht eingeschränkt worden. Die

Bewohner der Stadt reagierten mit Reaktanz und kauften keine Waffen.

Zensur

In einer Zeit, in der die Möglichkeit, Informationen zu erlangen, zu speichern

und zu verarbeiten, eine immer größere Bedeutung für die Erlangung von

Reichtum und Macht spielt, ist es eine interessante Frage, wie wir auf

Versuche reagieren, uns Information vorzuenthalten. Fast immer besteht

unsere Reaktion darin, dass wir stärker daran interessiert sind, diese

Informationen zu bekommen, und dass wir eine bessere Meinung von ihr

haben als zuvor. Der Wunsch, an diese Info zu kommen, wird größer, und sie

wird für glaubwürdiger gehalten, obwohl man sie nicht kennt.

Bsp: Studenten hörten, dass eine Rede gegen gemischte Wohnheime

verboten worden war, dadurch wuchs die Opposition gegen solche

Wohnheime.

Besonders clevere Leute, die eine schwache oder unpopuläre Meinung

vertreten, könnten uns also davon überzeugen, indem sie es darauf anlegen,

dass der Zugang zu ihren Botschaften beschränkt wird (von offizieller Seite

zensieren lassen und dann die Zensur publik machen).

Auch der Zugang zu Material mit sexuellen Inhalten wird häufig beschränkt.

Allerdings kann das oftmals das Gegenteil der gewünschten Wirkung

erzeugen.

Bsp: Studenten wurde Werbeanzeige für Roman vorgelegt, bei einer Hälfte

der Zusatz „nur für Erwachsene ab 21 Jahren“. Später diejenigen mit der

Altersbeschränkung waren stärker an dem Buch interessiert und es hatte

ihnen besser gefallen als es bei denen ohne Beschränkung der Fall war.

Zensur kann das Gegenteil bewirken!

Bsp: bei Geschworenenprozesse werden manchmal Beweise erst nach deren

Darbietung für unzulässig erklärt, die Geschworenen sollen diese dann außer

Acht lassen. Laut einer Studie von Broeder steigt der Wert dieser verbotenen

Info dann, so dass diese umso mehr beachtet wird!!!

Informationen müssen nicht unbedingt zensiert werden, damit wir ihnen einen

höheren Wert beimessen, es reicht, wenn sie knapp sind (=exklusiv, wenn man

sie nicht überall bekommt).

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29 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Bsp: Experiment, Verkäufer riefen Kunden an, um deren Rindfleischbestellung

aufzunehmen. Wenn man ihnen mitteilte, dass in den kommenden Monaten

mit einer Verknappung zu rechnen war, bestellten sie doppelt so viel wie

diejenigen, die das nicht dachten. Wenn man zusätzlich dazusagte, dass die

Verknappung noch nicht allgemein bekannt war, bestellten die Kunden 6 Mal

so viel!!!

Wie gewonnen, so zerronnen

Der Wechsel von Überfluss zu Knappheit beeinflusst die Einstellung zu Dingen,

Rechten,… stärker positiv als permanente Knappheit: einmal gewonnene

Freiheiten werden nicht kampflos wieder aufgegeben.

Bsp: Black riots in US-Großstädten Mitte der 60er: die beiden Jahrzehnte davor

hatten der schwarzen Bevölkerung drastische politische und wirtschaftliche

Fortschritte gebracht, dann gerieten diese Prozesse ins Stocken und

verschiedene Ereignisse trübten den Optimismus. Rassentrennung gab es

immer noch, Gewalttaten an Schwarzen etc. der Stillstand des sozialen

Aufstieges führte zu den Unruhen.

Bsp: Gorbatschow räumte der Bevölkerung nach Jahrzehnten der

Unterdrückung neue Freiheiten und Rechte ein, so kam es am 19.8.1991 zu

einem Putschversuch und er wurde unter Hausarrest gestellt. Jeder erwartete,

dass sich die Bevölkerung wieder ohne Widerstand fügte, jedoch kam es zu

massivem und sofortigem Widerstand, so dass die Putschisten nach 3 Tagen

aufgaben.

Das gilt auch für die Kindererziehung: beim Durchsetzen von Verboten sollte

man konsequent sein, wenn man etwas manchmal erlaubt und manchmal

nicht, ist der Widerstand stärker, als wenn man es immer verbietet.

Kampf um knappe Ressourcen

Unser Interesse an einer bestimmten Sache, die knapp ist, wird noch größer,

wenn wir mit anderen um sie konkurrieren müssen. Große Nachfrage (social

demand) führt zu einer besseren Bewertung der knappen Sache. Auch in

Liebesbeziehungen – hört man von einem Konkurrenten, wird die

Leidenschaft plötzlich wieder entfacht.

Bsp: Hausverkäufer erwähnen oft einen anderen Interessenten, auch wenn es

ihn nicht gibt (am liebsten jemand mit viel Geld).

Bsp: bei Schlussverkäufen wird oft sehr aggressiv mit wenigen, ganz billigen

Artikeln geworben, wenn die Kunden dann da sind und „gierig“ auf die

Waren, verlieren sie ob der großen Menschenmenge den Blick dafür, was sie

eigentlich wollten, und stürzen sich auf alles. Versteigerungen funktionieren

nach dem Prinzip des Konkurrenzkampfes.

Was uns so an knappen Gütern reizt, ist nicht die Vorstellung, sie zu

verwenden, sondern sie zu besitzen.

Abwehstrategien

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30 Robert Cialdini (2007) Die Psychologie des Überzeugens

Es ist nicht einfach, sich rein verstandesmäßig gegen den Einfluss von

Knappheit zu wappnen, da sie eine emotionale Erregung hervorruft, die klares

Denken erschwert. Wir sollten allerdings versuchen, in Situationen, in denen wir

es mit knappen Sachen zu tun haben, auf Erregungszustände zu achten.

Wenn wir einen solchen feststellen, können wir darauf reagieren, indem wir

uns zu beruhigen versuchen und das Angebot daraufhin überprüfen, ob wir

wirklich bekommen, was wir wollen.

Single-piece-of-good-evidence-approach: Eine Entscheidung nur von einem

einzigen Indiz abhängig machen.