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Sidler Charlotte RUNDBRIEF 2018/NR.5 COCHABAMBA | BOLIVIEN CUENTOS DEL BOSQUE

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SidlerCharlotte RundbRief 2018/nR.5

cochabamba | bolivien

cuentos del bosque

Cuentos del bosque RundbRief 2018/nR.5 0302 Cuentos del bosque RundbRief 2018/nR.5

Feuer, Wasser, luFt und erdeNach mehreren Jahren Dürre reicht ein Funken um grossen Schaden anzurichten. Mehrere grosse Brände zerstörten zwischen Juli und Oktober viele Hektaren Wald und Landwirtschaftsland in Bolivien.

Allein in einem Brand im August 2017 wurden 11´000 ha

(entspricht einer Fläche des Vierwaldstättersees) in Tarija

zerstört. 9´000 ha davon befinden sich in einem Naturreser-

vat. In Cochabamba haben im Jahr 2017 ca. 50 Brände rund

5´700 ha Land geschädigt, davon befanden sich ca. 600 ha

im Nationalpark Tunari. Im Vorjahr 2016 waren es in Cocha-

bamba gar 24´000 ha, eineinhalb Mal die Fläche des Schwei-

zer Nationalparks, die durch Feuer geschädigt wurden.

KlimaWandel - lebensWandelVon den 600 ha Brandfläche im Nationalpark Tunari be-

finden sich 14 ha in Mollesnejta, dem Zentrum für Andine

Agroforstwirtschaft, wo ein Feuer 90% der 42 verschiedenen

Agroforstmodelle verwüstet hat. Für Noemi Stadler-Kaulich,

Leiterin des Zentrums und Mitgründerin meiner INTERTE-

AM-Partnerorganisation ECO-SAF, bedeutet der Brand der

Verlust von 20 Jahren intensiver Aufforstungsarbeit auf dem

16 Hektaren grossen Grundstück. Verloren gingen auch un-

zählige wissenschaftliche Daten und Versuchsflächen auf der

Suche nach möglichen Modellen der Pflanzenvergesellschaf-

tung für die Aufforstung und nachhaltige Bewirtschaftung

des Nationalparks Tunari, der sich nördlich von Cochabamba

erhebt und eine wichtige Funktion für die Trinkwasserver-

sorgung der Stadt erfüllt. Für die Natur ist es der Verlust von

hunderten verschiedener Pflanzenarten. Selbst Pflanzen,

die weder internationale Experten noch lokale Pflanzenken-

ner identifizieren konnten, waren in der artenreichen Insel

gewachsen. Der Zufluchtsort für unzählige Vögel, Reptilien-

und Insektenarten wurde in einen grauschwarzen Asche-

fleck verwandelt.

Ich war an jenem Tag nicht in Mollesnejta. Erst am Abend,

als der Spuk vorbei war, habe ich erste Bilder und Videos des

Unglückes erhalten, das sich am Nachmittag des 15. Augusts

in Combuyo, ca. 30 km nordwestlich von Cochabamba, ereig-

net hatte. Immer wieder betrachtete ich ungläubig die Bilder,

die das kleine Paradies inmitten der kargen Hänge des Tunari

mit Staub und Asche überdeckt zeigten.

In Mollesnejta wurden viele Landwirte sowie technisches

Personal aus ganz Bolivien aber auch aus dem Ausland aus-

gebildet. Delegationen aus Peru, Chile, Kolumbien, Deutsch-

land oder der Schweiz haben Mollesnejta besucht. Sogar aus

Madagaskar waren Leute gekommen, um Agroforstwirt-

schaft zu lernen. Nationale und internationale Studierende

und Forschende haben auf dem Grundstück verschiedens-

te Themen untersucht. Auch ich hatte damals meine ersten

praktischen Erfahrungen in Agroforstwirtschaft in Mollesne-

jta gemacht. Die Eigeninitiative war in den letzten fünf Jah-

ren zu einem immer bekannter werdenden internationalen

Forschungsinstitut gewachsen.

“Trotz dieses großen Verlustes haben wir uns nicht ergeben,

sondern sogar beschlossen mit noch mehr Kraft voranzu-

schreiten und das Zentrum für Andine Agroforstwirtschaft

auszubauen“, meint Noemi Stadler-Kaulich. „Wir planen

derzeit eine interdisziplinäre Studie über die spontane Rege-

neration der verschiedenen Pflanzenkombinationen in den

Agroforstmodellen und deren Ökosysteme nach einem Brand“,

gibt Stadler-Kaulich Auskunft über die ersten Schritte für die

Zukunft und lädt interessierte Personen ein, sich mit einem

Motivationsschreiben für eine Mitarbeit an dieser Forschung

zu bewerben.

Mit viel Kraft und Unterstützung ihrer Familie, Freunde

und ehemaligen Mitarbeitenden erreicht Noemi die Neu-

gründung von Mollesnejta. Aus ihrem privaten Versuchsbe-

trieb gründet sie ein offizielles Kleinunternehmen, ein For-

schungs- und Bildungszentrum für Agroforstwirtschaft.

vom regen in die trauFeUnd dann endlich setzt der Regen ein. Lang ersehnt und

wohltuend erfrischend. Doch für viele verwandelt sich die

lang ersehnte Erfrischung und Erlösung in den nächsten Alb-

traum. Nachdem viele Menschen bald nicht mehr wussten,

woher sie Wasser zum trinken erhalten sollen, geschweige

denn zum kochen, waschen und die persönliche Hygiene,

sind bald darauf viele auf der suche nach einem trockenen

zu Hause. Im Februar fallen die Niederschläge, die seit Mitte

Oktober hätten fallen sollen. Die ausgetrockneten und degra-

dierten Böden können die grossen Wassermassen nicht genü-

gend schnell aufnehmen. Ausgetrocknete Bachbecken ver-

wandeln sich in reissende Flüsse, einige treten gar über ihre

Ufer und verursachen Überschwemmungen in mehreren De-

partementen Boliviens. Insgesamt sind ca. 15’500 Familien in

den Departementen Tarija, Potosí, Beni und Cochabamba be-

troffen. Strassen verwandeln sich in nur wenigen Minuten in

reissende Bäche wegen schlecht unterhaltenen, verstopften

oder fehlenden Abwassersystemen. Schlammlawinen zerstö-

ren Häuser und verwüsten ganze Quartiere. Weil die Regen-

fälle nicht nachlassen, können viele wochenlang nicht in ihre

Häuser zurückkehren. Die Gefahr für weitere Erdrutsche hält

an. Allein in Cochabamba sind gut 3000 Familien betroffen.

So auch das Quartier eines Arbeitskollegen meiner Partner-

organisation AGRECOL Andes: „Molle Molle“ im Westen von

Cochabamba. Auch wenn sich die Zone nicht im Kernbereich

der Schlammlawine befand und an seinem Grundstück nur

leichte Schäden angerichtet wurden, möchte seine Frau auch

nachdem sich der Regen verzogen hat noch nicht ins Haus zu-

rück. Die Angst ist zu gross.

Selbst der Fastnachtsumzug wurde bis Mitte März verscho-

ben, weil Gemeindepersonal, Feuerwehr und Sicherheits-

dienst mit den Aufräum- und Sicherungsarbeiten in den be-

troffenen Dörfern beschäftigt waren.

Einmal mehr wird uns klar, wie wichtig die Aufforstung

und die Erhaltung und Verbesserung der Böden an den

Hängen des Tunari für die Bevölkerung in der Stadt

Cochabamba ist.

loKale und nationa-le ausWirKungen des agroForstKongressesSeit dem letzten Rundbrief konnten einige Projekte abgeschlossen werden. Zum nationalen Agroforstkon-gress zum Beispiel zieht ECO-SAF eine positive Bilanz.

Am 17./18. November 2017 habe ich gemeinsam mit meiner

INTERTEAM-Partnerorganisation ECO-SAF den 5. Nationalen

Agroforstkongress in Bolivien organisiert. Rund 200 Perso-

nen aus dem ganzen Land kamen nach Arani. ECO-SAF legt

beim Agroforstkongress den Schwerpunkt nicht auf luxuriö-

se Einrichtungen oder viel Prestige. Hemd und Krawatte sind

zwar nicht fehl am Platz aber auch kein Muss für die Teil-

cochabamba | bolivien sidler | charlotte

01 Verbrannte Pflanze der Kaktusfeige in Mollesnejta. 02 Das Zentrum Mollesnejta kurz nach dem Brand. 03 Aufräumarbeiten in der Nachbarschaft in Molle Molle. 04 Überschwemmte Strasse in Cochabamba.

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Cuentos del bosque RundbRief 2018/nR.5 0504 Cuentos del bosque RundbRief 2018/nR.5

01 Feldbesuch am Agroforstkongress Kongress. 02 In der Parzelle von Serafin Vidal. 03 Jugendlicher des Cometa kontrolliert das Feuer um Biokohle zu produzieren. 04 Theorielektion bei Noemi Stadler-Kaulich.

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nehmenden. Die Idee des Kongresses ist die neusten akade-

mischen Kenntnisse in Agroforstwirtschaft den Landwirten

zu vermitteln und deren Umsetzung in der Praxis anzuregen.

Gleichzeitig soll der Austausch von Schwierigkeiten und Be-

obachtungen der Landwirte im Feld neue Forschungen an-

regen. Somit wird die Zusammenarbeit von Universitäten,

Landwirten und weiteren involvierten Institutionen geför-

dert.

Kongress auF dem gelände der PFadFinderAuf dem Gelände der Pfadfinder in Arani fühlt sich Nora

„wohler“ als in formellen Universitätsgebäuden. „Dies hilft

mir aktiv mitzuarbeiten und meine Ideen und Gedanken aus-

zudrücken“, meint die junge Praktikantin aus La Paz, die ihre

Erfahrungen aus einem Projekt in Aramasi, Tapacari präsen-

tiert. Das Projekt wird von vielen Landwirten besucht, die

neu auf Agroforstwirtschaft umstellen möchten und ist sehr

reich an praktischen Erfahrungen mit Bauernfamilien. Ein

wichtiger Beitrag für den Kongress.

Am ersten Tag werden verschiedene wissenschaftliche Ar-

beiten und praktische Erfahrungen aus Bolivien präsentiert.

Sowohl neuste ökonomische Erfolge mit Kakao oder Baum-

nuss, als auch Arbeiten zur Anpassung an die Klimaverände-

rungen, zur Nahrungsmittelsicherheit, Bodenfruchtbarkeit

und ökologischer Schädlingsbekämpfung werden in Grup-

pen diskutiert und inspirieren zur Entwicklung neuer Ideen,

Projekte und Lösungsvorschläge. Der zweite Tag startet mit

einem Einblick in aktuelle Forschungsthemen aus Costa Rica.

Im Anschluss besuchen die Teilnehmenden Agroforstparzel-

len in Arani.

hohe artenvielFalt trotz extremer Klimati-scher bedingungenArani ist bisher nicht bekannt für grosse oder erfolgrei-

che Projekte in Agroforstwirtschaft. Da die Teilnehmenden

aber am Vortag die lokalen klimatischen Bedingungen erle-

ben konnten, sind sie beeindruckt von den Resultaten. Star-

ke Winde setzten kurz vor dem Mittag ein und liessen nicht

nach bis spät abends. Zusammen mit der starken Son-

neneinstrahlung, der Hitze am Nachmittag, der nächtli-

chen Kälte und der aktuellen Dürreperiode sind das äus-

serst schwierige Konditionen für die Landwirtschaft.

Kein Wunder erhält Serafin Vidal bereits wenige Tage nach

dem Kongress mehrere Anfragen für weitere Besuche auf

seiner knapp 500 m2 grossen Parzelle, wo er 71 verschiede-

ne Arten Gemüse, Früchte, Getreide, Gewürzpflanzen, medi-

zinale Kräuter, Blumen und forstliche Bäume anbaut.

gelungener austausch motiviert Für die zuKunFtZusammenfassend ist uns am 5. Nationalen Agroforstkon-

gress in Bolivien der Austausch zwischen Landwirten und

angesehenen Akademikern auf gleicher Augenhöhe gelun-

gen. Wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse, die sich

gegenseitig ergänzen, wurden eingebracht. Viele Teilneh-

mende sind motiviert und mit neuen Ideen an ihre Arbeits-

plätze zurückgekehrt; sie wollen die Agroforstwirtschaft mit

ihren vielseitigen Aspekten weiterentwickeln und die nach-

haltige Produktionsweise weiterverbreiten.

Der Kongress ist zwar vorbei, ganz abgeschlossen ist er aber

noch nicht. ECO-SAF wird die Schlussfolgerungen und Erfah-

rungen des Anlasses mit der Regionalvertreterin aus Tarija

auswerten, denn dort wird in zwei Jahren der nächste Kon-

gress stattfinden.

öKologische landWirtschaFt mit sozialem schWerPunKtDie Gartenarbeiten mit den Kindern im Zentrum Q’anchay der Departamentsregierung soll nach dem Einstellen der direkten Intervention durch Fachperso-nen von INTERTEAM nicht enden. Der Q’anchay Wald soll kein einmaliges Ereignis bleiben.

Das Pilotprojekt für soziale Arbeit mittels partizipativer Pla-

nung und Umsetzung umweltfreundlicher Gärten und Auf-

forstungen mit sozial benachteiligten Personen weist nun

zwei Jahre Erfahrungen auf und soll nachhaltig etabliert

werden. Lokale Fachkräfte werden in die Organisation der

Aktivitäten eingeführt, um das Projekt in Zukunft anzulei-

ten. Dazu werden wir die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt

in Abschlussklassen von Landwirtschaftlichen Berufsschu-

len und Technischen Hochschulen präsentieren. Die Idee ist,

ein Abkommen zwischen den Bildungsinstitutionen und den

Zentren der Departamentsregierung vereinbaren zu können.

Win-Win situation Für bildungsinstitutionen und zentren der dePartamentsregierungDie Berufs- und Hochschulen bieten dann den Studierenden

an, ihre Praktika und Abschlussarbeiten in einem partizipa-

tiven Projekt mit sozialem Schwerpunkt umsetzen zu kön-

nen. Dadurch erlangen Personal und Bewohner der Zentren

welche sozial benachteiligte Personen beherbergen, land-

wirtschaftliche Kenntnisse und können die Produktion für

die eigene Küche verbessern. Die Zentren stellen Land und

Anlagen zur Verfügung für die landwirtschaftliche Produk-

tion, bieten den Studierenden Kost und Logis und unterstüt-

zen sie in sozialen und psychologischen Aspekten. Sozial in-

teressierte Studierende an Landwirtschaftlichen Berufs- und

Hochschulen können somit erste Erfahrungen in einem bis-

her nicht bekannten Arbeitsfeld machen und gleichzeitig das

Interesse an ökologischer Produktion verbreiten.

Durch den partizipativen Ansatz der Projekte, erlangen

Personal und Bewohner der Zentren nicht nur technische

Kenntnisse in Landwirtschaft, sondern auch Kenntnisse in

Entwicklung und Durchführung von Projekten. Kann das Ab-

kommen zwischen den Bildungsinstitutionen und den Zent-

ren der Departamentsregierung periodisch erneuert werden,

sind Folgeeinsätze in den verschiedenen Zentren gewährleis-

tet. Fachleute von INTERTEAM treten somit betreffend der

direkten Arbeit mit der Zielbevölkerung etwas in den Hin-

tergrund und erhalten eine Unterstützungs- und Beratungs-

funktion, während die Organisation und Durchführung weit-

gehend von lokalem Personal übernommen wird.

Als erste Technische Hochschule hat sich das Technologische

Landwirtschaftliche Institut von Tarata sehr interessiert ge-

zeigt. Sie hatten bereits mit dem Aufbau einer Vermikompos-

tierung (Kompost mit Regenwürmern) in einem Zentrum für

drogenabhängige Jugendliche geholfen.

diPlom in agroForst-WirtschaFt Für straFtätige jugendlicheHolzkohle, Aufforstung, Botanik, Eselreiten und Zitro-nenlimonade – mit diesen Stichwörtern könnten die acht Jugendlichen, die an der Ausbildung in Agroforst-systemen teilnehmen, ihre bisherigen Erfahrungen

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zusammenfassen.Gemeinsam mit INTERTEAM-Kollegin Héloïse Calame und

dem Zentrum für andine Agroforstwirtschaft „Mollesnejta“

haben wir zu Beginn dieses Jahres eine Agroforstausbildung

für straftätige Jugendliche des Zentrums “Cometa“ der Depar-

tamentsregierung begonnen. Die deutsche Stiftung „Jugend,

Bildung, Hilfe“ unterstützt das Projekt mit Einschreibege-

bühr und Transport der Jugendlichen. Ziel ist, die Jugendli-

chen in einer zwei Jährigen Ausbildung so weit in Agroforst-

wirtschaft und ökologischem Landbau auszubilden, dass sie

sich beim Verlassen des Cometa als Arbeitskräfte in Projekten

oder Betrieben im gartenbaulichen, landwirtschaftlichen

oder agroforstwirtschaftlichen Sektor auf eine Anstellung be-

werben oder gar empfohlen werden können. Die Ausbildung

wird mit einem Diplom ausgezeichnet, welches die Teilnah-

me und die erlangten Kenntnisse bestätigt.

Acht Jugendliche haben sich für die Ausbildung interessiert

gezeigt. Durch ihre Teilnahme haben sie einmal pro Monat

die Erlaubnis einen Tag mit uns und einer Aufsichtsperson

nach Mollesnejta zu fahren.

arbeit statt langeWeileLangweilig ist das Lernen bei Noemi Stadler-Kaulich keines-

falls. Die Pädagogin und Expertin in Agroforstwirtschaft hat

auf ihrem 16 ha grossen Betrieb mehr als genug zu tun. So ler-

nen die Teilnehmenden beim praktischen Arbeiten die ver-

schiedenen Tätigkeiten, die in Agroforstparzellen und ökolo-

gischem Landbau je nach Jahreszeit anstehen. Natürlich sind

aber auch Pflanzenkunde und Theorielektionen zur jewei-

ligen Aktivität Teil des Kursprogrammes. Da jeweils nur ein

Kurstag pro Monat absolviert wird, sind Hausaufgaben zur

Repetition des neu gelernten sehr wichtig. Die Ausbilder des

Zentrums helfen mit, die Jugendlichen an ihre Hausaufgaben

zu erinnern und unterstützen sie bei Fragen zu Orthografie

und Grammatik. Für die Klärung inhaltlicher Fragen besu-

chen wir die Jugendlichen jeweils einen Halbtag im Cometa.

genau beobachten um von der natur zu lernenAm ersten Kurstag führt uns Noemi durch das Gelände. Sie

zeigt uns, wie auch sie immer wieder von der Natur lernt. Ein

Quilquiña-Kraut wächst auf dem Weg zwischen den Steinen.

Quilquiña ist ein sehr begehrtes Gewürzkraut in Bolivien. Zu

sehen, dass es wild in ungeschützten Bedingungen mit sehr

viel Sonne wächst, lehrt uns, wie wir es kultivieren können.

Die Ideen der Jugendlichen, wie sie Quilquiña anbauen und

verkaufen könnten, lassen nicht lange auf sich warten. Einige

der Jugendlichen geniessen es sehr, den Rundgang auf dem

Rücken von Noemis Eseln machen zu können.

Genau beobachten soll gelernt sein. Die Aufgabe ist eine

Pflanze auszusuchen und abzuzeichnen, zuerst einen ganzen

Zweig bis hin zum kleinsten Detail, das auf dem Blattrücken

erkennbar ist. Mehrere reagieren erstaunt über die kom-

plexen Strukturen, die sie an ihrer Pflanze entdecken.

bioKohle Für die bodenFruchtbarKeitIn einer weiteren Gelegenheit werden die Jugendlichen dann

schon richtig gefordert. Nach dem Brand in Mollesnejta im

August letzten Jahres hat Noemi viel Holz der toten Bäume.

Dieses verarbeitet sie zu Biokohle, um die Bodenfruchtbar-

keit zu verbessern. Zuerst muss das Holz und die Äste ver-

kleinert und nach Grösse sortiert werden. Danach werden sie

in einem konisch geformten Feuerloch verkohlt. Dicke Stäm-

me werden zuunterst ins Feuerloch gelegt, darauf kommen

dünnere Äste und zuoberst schliesslich das feine Astmaterial.

Alles wird sorgfältig angeordnet damit möglichst wenig Hohl-

räume zwischen den Holzstücken bleiben. Ist das Feuerloch

bis oben gefüllt, wird die Holzbeige von oben her angezündet

bis das Feuer genügend heiss ist. Mit Wasser und durch Klop-

fen mit einem Holzstamm kontrollieren die Jugendlichen

anschliessend das Feuer. Das Holz soll nicht zu Asche ver-

brennen, sondern Kohle bilden. Die Kohle wird später in den

Boden eingearbeitet. Sie verbessert mit ihrer porösen Struk-

tur den Bodenwasserhaushalt, vermindert die Nährstoffaus-

waschung und ist zudem eine sehr effiziente und lang wäh-

rende Kohlenstoffsenke.

Für den nächsten Arbeitstag kündigt uns Noemi die Pflan-

zung einer Agroforstparzelle mit Feigenkaktus an, in der die

Trockenheitsresistenz erforscht werden soll.

gutes essen erleichtert harte arbeitImprägniert mit dem Geruch vom Rauch, als hätten wir einen

gemütlichen Grillnachmittag verbracht, aber müde von der

Arbeit und der Sonne, steigen wir in den Kleinbus, der uns

zurück ins Cometa fährt. Die Jungs geniessen die Arbeitsta-

ge. Obwohl sie müde und schmutzig werden, freuen sie sich

jedes mal darauf «mal rauszukommen». Sie geniessen das

leckere Mittagessen, das Noemis Mitarbeiterin jeweils kocht.

Suppe und Hauptspeise und dazu selbst gepresste Zitronen-

limonade aus selbst gepflückten Zitronen, die es im Zentrum

Cometa nicht gibt. Und wenn die Jugendlichen ganz gut gear-

beitet haben, wissen sie, dass es auf der Rückfahrt zur Beloh-

nung einen kurzen «Coca-Cola-Stopp» gibt. Das vermutlich

beliebteste Süssgetränk Boliviens kann sich die Heimküche

nicht leisten.

Wo die tomate Wie unKraut WächstKleingärten in der Stadt verbessern die Lebensqualität und können die Wertschätzung für frische und gesunde Lebensmittel erhöhen.

Ich neige nicht nur aus Sicherheitsgründen dazu auf der

Strasse nicht ständig aufs Handy zu schauen. Kürzlich habe

ich aber auf meinem Weg innegehalten, mein Handy aus der

Tasche gekramt und ein Bild gemacht. Es sind tatsächlich To-

maten. Die rot leuchtenden Cherry Tomaten am Fusse eines

Baumes sind nicht zu verwechseln. Es scheint, als hätte der

Baum sogar mehr Mühe mit dem Wachstum als die Tomate,

die ihrerseits keinesfalls den Eindruck macht, als würde sie

gepflegt. Wenn sogar Tomaten wie Unkraut auf dem Gehsteig

wachsen, wieso beträgt dann die Mangelernährung in Boli-

vien dennoch knapp 16 %? Und wie trägt mein Einsatz bei IN-

TERTEAM dazu bei, diese Situation zu verbessern?

verbindung zWischen stadt und landDie neuen Aufgabenbereiche in meinem Einsatz sollen Stadt

und Land näher zusammenbringen. Zum einen ermögli-

chen Kleingärten in Bildungs- und Erziehungsinstituti-

onen neue Wege in der Gewaltprävention. Andererseits

kann man mit urbanen Gärten und der Ausbildung von

Kindern und Jugendlichen in ökologischem Landbau er-

reichen, dass die Leute die Arbeit der Bauern auf dem

Feld kennenlernen und frische Nahrungsmittel vermehrt

schätzen. Man kann kleine Flächen in der Stadt nutzen um

Nahrungsmittel zu produzieren. Ein Beispiel dafür ist die

Tomate auf dem Gehsteig. Auf kleinen Flächen produziert

man zwar wenig und ökonomisch trägt es nur einen kleinen

Beitrag zum Familienbudget bei. Es ist dennoch schön, wenn

man das Menü ab und zu mit frischem eigenem Gemüse er-

gänzen kann. Wenn man die Schwierigkeiten und den Auf-

wand der Produktion kennt, schätzt man frische und gesunde

Lebensmittel mehr.

Ziel der Sensibilisierung und Ausbildung im urbanen Raum

ist, die Nachfrage für nachhaltig produzierte Nahrungsmit-

tel zu steigern und auch die Bereitschaft dafür, einen etwas

höheren Preis zu bezahlen. Der Bauer ist folglich nicht mehr

nur Bauer, er wird zum Nahrungsmittelproduzent. Diese

Wertschätzung kann Landwirte motivieren, ihre Felder nicht

zu verlassen, sie nahhaltiger zu bewirtschaften und even-

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01 Jugendlicher des Cometa lernt Bäume pflanzen. 02 Cherrytomaten wach-sen sogar auf dem Gehsteig. 03 Mein Versuchsgarten auf der Terrasse. 04 Oder Tomaten spriessen am Strassenrand.

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ganz herzliches «danKeschön»Ich möchte mich herzlich bei all jenen bedanken, die INTERTEAM eine Spende zukommen liessen. Mit meinem Einsatz kann ich einen konkreten und wertvollen Beitrag leisten, um armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen in meinem Einsatzland ein besseres Leben zu ermöglichen. Jedoch ist dies nur durch die Mitfinanzierung von privaten Spenden möglich. Ich und INTERTEAM freuen uns daher über jede finanzielle Unterstützung.

PC-Konto 60-22054-2 INTERTEAM Luzern ; Vermerk: Charlotte Sidler, Bolivien

INTERTEAM setzt sich für Kinder und Jugendliche in Afrika und Lateinamerika ein, damit diese ihre Po-tentiale entfalten und als Hoffnungsträger die Zukunft ihrer Gesellschaft selbstbestimmt mitgestalten können. Die Hilfe erfolgt durch mehrmonatige bis mehrjährige professionelle Einsätze von Fachleuten, kombiniert mit gezielten Projektfinanzierungen.

Als Schweizer Hilfswerk der Personellen Entwicklungszusammenarbeit steht INTERTEAM für langjährige Erfahrung, effiziente Strukturen sowie starke Partnerschaften im Globalen Süden. In der Schweiz ist INTERTEAM die führende Ansprechstelle für qualifizierte Berufsleute, die einen Einsatz in der Entwick-lungszusammenarbeit im Sinne eines solidarischen Engagements leisten wollen.

Der 1964 gegründete Verein INTERTEAM finanziert sich über öffentliche, private und kirchliche Gelder und garantiert als ZEWO-zertifizierte Non-Profit-Organisation einen verantwortungsvollen, zweckbe-stimmten und wirkungsvollen Mitteleinsatz.

ZEWO-Gütesiegel Das ZEWO-Gütesiegel belegt, dass INTERTEAM seine Spendengelder zweckbestimmt, wirtschaftlich und wirksam einsetzt.

INTERTEAMUnter-Geissenstein 10/12CH 6005 LuzernT 041 360 67 22F 041 361 05 [email protected]/interteamwww.youtube.com/interteamluzernPC 60-22054-2

Spenden inCHF PostFinance, 6005 Luzern

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EUR Raiffeisenbank, 6003 Luzern, IBAN: CH63 8120 3000 0074 2397 0 Swift: RAIFCH22

USD Raiffeisenbank, 6003 Luzern IBAN: CH71 8120 3000 0074 2392 3 Swift: RAIFCH22

tuell animiert es gar Leute dazu, Landwirte zu werden. Mit

höherem Einkommen könnte sich letztlich auch die ländliche

Bevölkerung eine vielseitige und ausreichende Ernährung

leisten.

ein Wohltuender grüner FlecK in der stadtIn Blumentöpfen und PET Flaschen habe ich selber einen

kleinen Garten auf meiner Terrasse aufgebaut. Auch wenn

ich damit keinesfalls selbstversorgend bin – das könnte ich

nur im Falle von grünem Salat behaupten – ist das Gefühl

produktiv zu sein irgendwie befriedigend. Es schmeckt bes-

ser, wenn man das Menü ab und zu mit frischem Salat, Ra-

dieschen, Bohnen, Karotten, Fenchel oder Tomaten ergänzen

und zum würzen zwischen Petersilie, Basilikum, Minze, Quil-

quiña, Huacatay und Chili auswählen kann. Selber erfahre

ich, wie mir mein kleiner grüner Fleck auf der Terrasse das

Leben in der Stadt erleichtert. Obwohl ich mich sehr gut in

Cochabamba eingelebt habe, vermisse ich manchmal die grü-

nen Felder aus dem Luzerner Seetal und es tut mir gut, ab

und zu in der Erde wühlen zu können.

mein labor Für miniatur agroForstWirt-schaFtMehr als nur zur Freizeitbeschäftigung dient mein Garten als

Labor. Wenn ich den Jugendlichen in den Zentren der Depar-

tementsregierung die Gartenarbeiten richtig erklären will,

brauche ich eigene Erfahrungen. Ich habe in meinem Studi-

um nur wenig zu Agronomie absolviert und habe auch sonst

nur wenig praktische Erfahrung in diesem Bereich. Daher

wende ich die Prinzipien der Agroforstwirtschaft: Bodenbe-

deckung, Artenvielfalt, Begleitfunktionen der Pflanzen usw.

in meinen Blumentöpfen an. In meinem Labor wachsen

19 verschiedene Früchte, Gemüse und Gewürzpflanzen.

Bohnen und Klee verbessern den Stickstoffgehalt der Erde.

Gewürzpflanzen sollen Insekten abschrecken und Unkräuter

lasse ich wachsen bis sie gross sind, reisse sie aus und lege sie

auf die Erde, wo sie wieder zu Humus werden. Auf engstem

Raum beobachte ich, welche Pflanzen sich gegenseitig helfen

und welche sich nicht gut vertragen. Zusätzlich habe ich ei-

nen Onlinekurs zu urbaner Landwirtschaft absolviert. Tau-

chen dennoch Fragen oder Schwierigkeiten auf in der Praxis,

erhalte ich Unterstützung von Arbeitskollegen bei AGRECOL

Andes, die lange Zeit im Bereich urbaner Landwirtschaft ge-

arbeitet haben.

So erarbeiten wir die Prinzipien der Agroforstwirtschaft zu-

sammen mit den Jugendlichen in ihren ökologischen Gemü-

segärten und können einen kleinen Schritt zur Verbreitung

der Agroforstwirtschaft im urbanen Raum beitragen.

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