Cognitive Enhancement Mehr als nur ein Medienhype ? · Erbrechen, Rash, Exanthem, Pruritus,...

33
Mehr als nur ein Mehr als nur ein Medienhype Medienhype ? ? Felix Felix Hasler Hasler Klinische Forschung Klinische Forschung Cognitive Enhancement Cognitive Enhancement

Transcript of Cognitive Enhancement Mehr als nur ein Medienhype ? · Erbrechen, Rash, Exanthem, Pruritus,...

Mehr als nur ein Mehr als nur ein MedienhypeMedienhype ??

Felix Felix HaslerHaslerKlinische ForschungKlinische Forschung

Cognitive EnhancementCognitive Enhancement

MedienphMedienph äänomen nomen Cognitive EnhancementCognitive Enhancement

100 Milligramm Arbeitswut DIE ZEIT, 21.08.03

Doping fürs Gehirn Süddeutsche Zeitung, 29.09.05

Schneller, effizienter, besser NZZ, 30.12.07

Tour den France im Klassenzimmer? NZZ, 23.01.08

Die Welt als Pille und Vorstellung Süddeutsche Zeitung, 12.02.08

Geputscht in den Hörsaal Süddeutsche Zeitung, 25.06.08

Die Gedanken-Beschleuniger Süddeutsche Zeitung, 11.12.08

Gehirndoping: Stoff fürs Gehirn FAZ, 16.12.08

Eine Pille für die Eins DIE ZEIT, 22.01.09

Studenten im Stress: «Am Morgen Ritalin und abends W ein» Tagesanzeiger 24.03.09

Ich bin ein Zombie, und ich lerne wie eine Maschine DIE ZEIT, 02.04.09

Mit Moraldoping zum besseren Menschen Spiegel online, 09.06.09

Selbstversuch mit Ritalin: 10 Milligramm Arbeitswut Das Magazin, 17.08.09

100 Milligramm Arbeitswut DIE ZEIT, 21.08.03

Doping fürs Gehirn Süddeutsche Zeitung, 29.09.05

Schneller, effizienter, besser NZZ, 30.12.07

Tour den France im Klassenzimmer? NZZ, 23.01.08

Die Welt als Pille und Vorstellung Süddeutsche Zeitung, 12.02.08

Geputscht in den Hörsaal Süddeutsche Zeitung, 25.06.08

Die Gedanken-Beschleuniger Süddeutsche Zeitung, 11.12.08

Gehirndoping: Stoff fürs Gehirn FAZ, 16.12.08

Eine Pille für die Eins DIE ZEIT, 22.01.09

Studenten im Stress: «Am Morgen Ritalin und abends W ein» Tagesanzeiger 24.03.09

Ich bin ein Zombie, und ich lerne wie eine Maschine DIE ZEIT, 02.04.09

Mit Moraldoping zum besseren Menschen Spiegel online, 09.06.09

Selbstversuch mit Ritalin: 10 Milligramm Arbeitswut Das Magazin, 17.08.09

NeuroculturesNeurocultures

„„Neurochemical SelvesNeurochemical Selves““ undund die die ZerebralisierungZerebralisierungder Gesellschaft der Gesellschaft

Design inspired by Frank Lynn Design inspired by Frank Lynn MeschbergerMeschberger, M.D., An Interpretation of Michelangelo, M.D., An Interpretation of Michelangelo‘‘s Creation of Adam,s Creation of Adam,based on based on Neuroanatomy Neuroanatomy (1990) (1990) Journal of the American Medical AssociationJournal of the American Medical Association 264: 1837264: 1837––18411841

BegriffsbestimmungBegriffsbestimmung

Weite Definition:Unter dem dem Begriff ‚Cognitive Enhancement‘ werden alle Eingriffe verstanden, die zu einer Verbesserung der intellektuellen Leistungsfähigkeit führen

Enge Definition:Unter dem dem Begriff ‚Cognitive Enhancement‘ werden alle Eingriffe verstanden, die zu einer Verbesserung der intellektuellen Leistungsfähigkeit führen und welche nicht der Erhaltung oder dem Wiederherstellen der physischen oder psychischen Gesundheit dienen

Courtesy of Boris Quednow, PUK Zürich

„„ Cosmetic PsychopharmacologyCosmetic Psychopharmacology ““

Besser als gut: Medikamente fBesser als gut: Medikamente f üür Gesunde ?r Gesunde ?

$

Bedarf an wirksamen Bedarf an wirksamen Therapeutika Therapeutika bei Demenzen / Alzheimer Erkrankungbei Demenzen / Alzheimer Erkrankung

2025: Weltweit 34 Millionen Demenzerkrankte (Schätzun g Foresight-Studie)

© R. Nitsch

www.foresight.gov.uk

CortexCortexPharmaceuticalsPharmaceuticals

MemoryMemoryPharmaceuticalsPharmaceuticals

NeuroLogicNeuroLogic

HeliconHelicon

AxonyxAxonyx

CephalonCephalon

Memory Enhancer Memory Enhancer mit Wirkung am mit Wirkung am GlutamatGlutamat --SystemSystem

-- AmpakineAmpakine : CX516 (: CX516 (AmpalexAmpalex ®®), CX614, CX717), CX614, CX717

-- CREB CREB –– AktivatorenAktivatoren : MEM1414: MEM1414

AmpakineAmpakine und und CREBCREB--AktivatorenAktivatoren

AmpakinAmpakin CX516: Effekt in Klinischer StudieCX516: Effekt in Klinischer Studie

RecallRecall von von „„ NonsensNonsens --SilbenSilben ““ (gesunde 65(gesunde 65 --75 J75 Jäährige)hrige)

Inverse BDZ/GABAInverse BDZ/GABA --Rezeptor AgonistenRezeptor Agonisten

Modell eines GABA/Benzodiazepin-Rezeptors in der Zell membran.

Inverse BDZ/GABAInverse BDZ/GABA --Rezeptor AgonistenRezeptor Agonisten

Alpha-5 IA

?

PrPrääklinische klinische Modelle ?Modelle ?

Bsp.: Maus + LSD = Modell für Schizophrenie?

Neuropeptidhormone: Neuropeptidhormone: OrexinOrexin , , LeptinLeptin

Orexin-A

Modafinil Modafinil ((ProvigilProvigil ®®, , VigilVigil ®®, , ModasomilModasomil ®®) )

„Wakefulness-promotingagent“

ModafinilModafinil : Wirkung: Wirkung

-- VigilanzVigilanz

-- AufmerksamkeitAufmerksamkeit

-- ArbeitsgedArbeitsged äächtnischtnis

-- ImpulskontrolleImpulskontrolle

-- Motivation Motivation

ModafinilModafinil : Pharmakologie: Pharmakologie

ModafinilModafinil : : ≠≠ AmphetaminwirkungAmphetaminwirkung

ModafinilModafinil : : ≠≠ AmphetaminwirkungAmphetaminwirkung

ModafinilModafinil : : ≠≠ AmphetaminwirkungAmphetaminwirkung

Modafinil Modafinil als als Cognitive EnhancerCognitive Enhancer

• Modafinil vermindert durch Müdigkeit verursachten kognitiven Defizite (zur Übersicht siehe de Jongh et al., 2008; Kumar 2008; Minzenberg & Carter, 2008).

• Modafinil hat aber nur geringe Effekte auf die Kognition bei ausgeschlafenen gesunden Versuchspersonen (Randall et al., 2004, 2005a).

• Modafinil verbessert die Leistung in eher einfachen Aufgaben (z.B. Reaktionszeitund Daueraufmerksamkeit), die sensibelfür Müdigkeitseffekte sind (Randall et al., 2005a).

Wesensten et al. 2002

vorher 42 h Schlafentzug

Baranski und Pigeau, 1997

• Die Effekte von 200-400 mg Modafinil waren vergleichbar mit 600 mg Koffein(Wesensten 2002, 2005; Killgore et al., 2008).

• Auch hier zeigt sich, das vor allem Personen mit geringerem IQ von den Verbesserungen profitieren (Randall et al., 2005b; Müller et al., 2004).

Courtesy of Boris Quednow, PUK Zürich

ModafinilModafinil : : Klinische AnwendungKlinische Anwendung

Aktuell zugelassen bei Aktuell zugelassen bei NarkolepsieNarkolepsie undund

Obstruktivem Obstruktivem SchlafapnoeSchlafapnoe --SyndromSyndrom

Weitere Indikationen mWeitere Indikationen m ööglich: glich:

-- „„ Schichtarbeiter SyndromSchichtarbeiter Syndrom ““-- ADHD (als ADHD (als MethylphenidatMethylphenidat --ErsatzErsatz ?)?)-- zur Verbesserung der Kognition bei Schizophreniezur Verbesserung der Kognition bei Schizophrenie--„„ Mental Mental FatigueFatigue ““ bzwbzw . Residualsymptom nach. Residualsymptom nach

DepressionstherapienDepressionstherapien-- MMüüdigkeit in Zusammenhang mit Multipler Sklerosedigkeit in Zusammenhang mit Multipler Sklerose-- Substitutionstherapie bei Substitutionstherapie bei Stimulanzienmissbrauch Stimulanzienmissbrauch (?)(?)

“The greatest moral challenges headed our way do not in fact come from hate-filled fanatics threatening death and destruction. They come rather from well meaning scientists and technologists offering life, pleasure, and enhancement.”(Leon Kass, 2008, Soc: S. 5)

“We should welcome new methods of improving our brain function. In a world in which human workspans and lifespans are increasing, cognitive enhancement tools — including the pharmacological — will be increasingly useful for improved quality of life and extended work productivity, as well as to stave off normal and pathological age-related cognitive declines. Safe and effective cognitive enhancers will benefit both the individual and society.”(Greely et al., 2008, Nature: S. 705)

Cognitive Enhancement Cognitive Enhancement -- Utopie oder Utopie oder DystopieDystopie ??

Courtesy of Boris Quednow, PUK Zürich

Cognitive Enhancement ist:

• Human

• „Selbstoptimierung“ wie Bildung, Sport, Schlaf, Ernährung, Informationstechnologie

• Zum Wohl der Menschheit

• Verbessert Produktivität und Lebensqualität

• Verhindert kognitiven Abbau

• In bestimmten Situationen wünschenswert (zB. Für Piloten, Fluglotsen, Chirurgen, etc.)

Cognitive Enhancement ist:

• Inhuman

• Unnatürlich

• Betrug

• Unfair und ungleich

• Doping, Drogengebrauch

• Biokapitalismus

• Gefährdet persönliche Freiheit und Autonomie

• Führt zu Pathologisierung und „Disease mongering“(zB. MCI, adult ADHD)

Pharmakologischer Opportunismus Pharmakologischer Calvinis mus

Cognitive Enhancement Cognitive Enhancement -- Utopie oder Utopie oder DystopieDystopie ??

Courtesy of Boris Quednow, PUK Zürich

Zukunft des Zukunft des „„ Human Human EnhancementsEnhancements ““ ??

Transhumanisten

Biokonservative

Zukunftsszenarien der Zukunftsszenarien der ForesightForesight --StudieStudie

Die Zukunft der Drogen: 4 Szenarien

- Alles auf Sieg

- Anspruchsvolle Patienten

- Wissen vor Moral

- Überwachungsgesellschaft

http://www.foresight.gov.uk/Brain_Science_Addiction _and_Drugs/Reports_and_Publications/DrugsFutures2025/DTI-Scenarios.pdf

Pharmakologischer Realismus IPharmakologischer Realismus I

• Die Leistungsverbesserungen folgen oft einer inversen U-Funktion oder es zeigen sich unterschiedliche Dosis-Leistungsfunktionen für verschiedene kognitive Domänen.

• Daraus folgt zum einen, dass sich Personen mit einem niedrigen Leistungsniveau zwar verbessern, Personen mit einem hohen Niveau jedoch verschlechtern.

• Zum anderen können sich in der einen Domäne Verbesserungen zeigen, andere Domänen verschlechtern sich hingegen.

• Grundsätzlich können verschiedene Trade-offs entstehen:– Langzeitgedächtnis vs. Arbeitsgedächtnis

– Stabilität vs. Flexibilität des Langzeitgedächtnis

– Stabilität vs. Flexibilität des Arbeitsgedächtnis

– Kognition vs. Emotion

• Amphetamine, Methylphenidat und auch Modafinil verbessern primär die Motivation und die Vigilanz und sind damit eher Cognitive Enhancer 2. Ordnung. Man könnte diese Substanzen daher besser als Vigilance oder Motivation Enhancer bezeichnen.

De Jongh et al., 2008

Courtesy of Boris Quednow, PUK Zürich

Nebenwirkungen der Nebenwirkungen der Cognitive EnhancerCognitive Enhancer

Methylphenidat (Ritalin, Concerta)• Sehr häufig: Nervosität und Schlaflosigkeit

• Häufig: Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Schwindel, Dyskinesie, Tachykardie, Palpitationen, Arrhythmien, Veränderungen von Blutdruck und Herzfrequenz, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Rash, Exanthem, Pruritus, Urtikaria, Fieber

«Sehr häufig»: (>1/10), «häufig»: (>1/100, <1/10)

Modafinil (Modasomil, Provigil, Nuvigil)• Sehr häufig: Kopfschmerzen, Nervosität

• Häufig: Abnorme Leberwerte, Herzjagen, Herzklopfen, Gefässerweiterung, Schlaflosigkeit, Angst, Benommenheit, Schläfrigkeit, Depression, Denkstörungen, Verwirrtheit, abnorme Empfindungen (Parästhesien), erhöhter Muskeltonus, Verschwommenes Sehen, Übelkeit, Mundtrockenheit, unangenehmer Geschmack, Bauchschmerz, Durchfall, Appetitlosigkeit, Verdauungsstörungen, Verstopfung, Kraftlosigkeit, Brustschmerz

Amphetamine (Dexamin, Adderall)• Häufig: Nervosität, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, Angstzustände, Depersonalisierung, Trockener

Mund, Kopfschmerzen, Dysphorie, Euphorie, Tachykardie, Palpitationen, Arrhythmien, erhöhter Blutdruck, Durchfall, Bauchschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Hyperventilation, Depression, Paranoia, Erhöhte Impulsivität und Irritabilität, Schnelle Stimmungsschwankungen, Unruhe, Kurzatmigkeit, Fieber

Courtesy of Boris Quednow, PUK Zürich

1. These: Cognitive Enhancer verbessern die kognitiv e Leistungsfähigkeit- Stimulanzien verbessern Vigilanz, Motivation und d as Arbeitsgedächtnis

- Es gibt bislang keine wirksamen Substanzen zur Verbe sserung des Gedächtnisses

- Die Gesamtwirkung auf die intellektuelle Leistungsf ähigkeit ist eher klein

- Man kann es „nicht besser, aber länger“ und motivier ter

2. These: Cognitive Enhancer haben wenig Nebenwirkun gen und sind sicher- Die bislang zugelassenen Substanzen habe eine Reihe von Nebenwirkungen

- Die Langzeitnebenwirkungen sind nicht genügend erfor scht

- Auch in Zukunft gilt: keine Wirkung ohne Nebenwirku ng

3. These: Der Gebrauch von Cognitive Enhancern ist b ereits jetzt weit verbreitet- Nur eine kleine Gruppen verwenden bislang Cognitive Enhancer

- Der Gebrauch ist i.d.R. zeitlich beschränkt (Lernph asen, Abgabetermine, Prüfungen)

- Der Gebrauch ist wahrscheinlich geschlechts- und per sönlichkeitsspezifisch

4. These: Cognitive Enhancement wird weiter zunehmen- In den USA nimmt der Gebrauch von Stimulanzien unte r Studenten eher wieder ab

- Gesellschaftliche Akzeptanz und das Nebenwirkungspr ofil wird einer weiten Verbreitung im Weg stehen

Pharmakologischer Realismus IIPharmakologischer Realismus II

Courtesy of Boris Quednow, PUK Zürich

5. These: Cognitive Enhancement ist ein neues Phänom en- Der off-label Gebrauch von Stimulanzien war bereits in den 40er bis 60er Jahren in den USA und in

Teilen Europas weit verbreitet. Es liegt in der Natu r des Menschen, seine Stimmung und Leistungsfähigkeit verbessern zu wollen.

6. These: Cognitive Enhancement wird unsere Gesells chaft verändern- Da eine weit verbreitete Anwendung von Cognitive En hancern nicht zu erwarten ist, sind auch durch

Cognitive Enhancement ausgelöste Veränderungen nich t zu erwarten

7. These: Cognitive Enhancement ist ethisches Probl em- Cognitive Enhancement wäre ein ethisches Problem, w enn es denn funktionieren würde

Pharmakologischer Realismus IIPharmakologischer Realismus II

Courtesy of Boris Quednow, PUK Zürich

Fazit:

Cognitive Enhancement ist vor allemein Medienhype

„Die Diskussion pharmazeutischer Phantasmagorien rührt nicht nur unfreiwilligdie Werbetrommel für Produkte der Pharmaindustrie, deren Langzeitfolgen nochnicht ausreichend erforscht sind. Sie nährt beim Publikum auch noch das Gefühl,in einen permanenten gesellschaftlichen Konkurrenzkampf verstrickt zu sein.Schon die Wortschöpfung „Hirndoping“ suggeriert, dass Alltag und Arbeitslebenden Regeln des Hochleistungssports unterworfen seien.“

Wissenschaftsanthropologe Nicolas Langlitzin der FAZ vom 7.1.2010