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Ziegler Digitaler Differentialschutz

Digitaler DifferentialschutzGrundlagen und Anwendung

von Gerhard Ziegler

2 uumlberarbeitete und erweiterte Auflage 2013

Publicis Publishing

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Print ISBN 978-3-89578-416-3ePDF ISBN 978-3-89578-900-7

2 Auflage 2013

Herausgeber Siemens Aktiengesellschaft Berlin und Muumlnchen Verlag Publicis Publishing Erlangencopy 2013 by Publicis Erlangen Zweigniederlassung der PWW GmbH

Das Werk einschlieszliglich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschuumltzt Jede Verwendung auszligerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulaumlssig und strafbar Das gilt insbesondere fuumlr Vervielfaumlltigungen Uumlbersetzungen Mikroverfilmungen Bearbeitungen sonstiger Art sowie fuumlr die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Dies gilt auch fuumlr die Entnahme von einzelnen Abbildungen und bei auszugsweiser Verwertung von Texten

Printed in Germany

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Vorwort zur ersten Auflage

Der Differentialschutz ist ein schneller absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen Transformatoren Sammelschienen undLeitungen in allen Spannungsebenen eingesetzt

In digitaler Technik wurden erhebliche Fortschritte erzielt die dieses Messprinzipnoch attraktiver fuumlr den Anwender machen Dazu gehoumlren vor allem die integ-rierte Wandleranpassung und die hohe Toleranz gegen Wandlersaumlttigung Die Nut-zung der digitalen Datenuumlbertragung uumlber beeinflussungsfreie Lichtwellenleitermacht den Schutz von Kabeln und Leitungen in Stadt- und Industrienetzen erheb-lich einfacher und sicherer In den Freileitungsnetzen der Elektrizitaumltsversorgungwerden im zunehmenden Maszlige digitale Kommunikationsnetze fuumlr die Schutzda-tenuumlbertragung genutzt Damit kann der Differentialschutz nun auch fuumlr laumlngereLeitungen bis weit uumlber 100 km und komplexe Netzanordnungen mit mehrerenLeitungsenden eingesetzt werden

Das vorliegende Buch vermittelt zunaumlchst die allgemeinen Grundlagen desDifferentialschutzes in analoger und digitaler Technik Dabei werden die ThemenStromwandler Signaluumlbertragung und digitale Kommunikation ausfuumlhrlichberuumlcksichtigt Darauf aufbauend werden dann die verschiedenen Arten des Diffe-rentialschutzes und die Anwendung in der Praxis behandelt Dies geschiehtanhand der Geraumltereihe SIPROTEC der Firma Siemens Im Grundsatz gelten dieAusfuumlhrungen jedoch auch fuumlr die Geraumlte anderer Hersteller Zum besseren Ver-staumlndnis werden zu jedem Thema praktische Beispiele gerechnet

Das Buch wendet sich an Studenten und Jungingenieure die sich in das Thema Dif-ferentialschutz einarbeiten wollen aber auch an praxiserfahrene Anwender dieden Einstieg in die digitale Technik des Differentialschutzes suchen Es kann auchals Nachschlagewerk fuumlr spezielle Anwendungsfragen benutzt werden

Nuumlrnberg April 2004 Gerhard Ziegler

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Vorwort zur zweiten Auflage

Die positive Resonanz auf die erste Auflage des Fachbuchs hat Autor und Verlagbewogen diese aktualisierte Auflage zu publizieren

Die Kapitel uumlber Wirkungsweise und Anwendung des Differentialschutzes sindnahezu unveraumlndert da die digitale Schutztechnik bereits beim Erscheinen derersten Auflage (2005) einen weitgehend ausgereiften Stand erreicht hatte undmehr als zehn Jahre Betriebserfahrung vorlagen Die Hersteller konzentrierten dieWeiterentwicklung in den letzten Jahren auf die Steigerung der Performance vonHard- und Software und die Nutzung der modernen KommunikationstechnikenDie Schutzrelais sind inzwischen intelligente multifunktionale Geraumlte (IEDs) miteiner Reihe von seriellen Schnittstellen fuumlr die lokale und ferne KommunikationMit den integrierten Mess- und Steuerfunktionen werden sie als Abzweiggeraumlte fuumlrStationsleitsysteme eingesetzt

In dieser 2 Auflage des Buchs wird der derzeitige Stand der Geraumlte- und System-technik am Beispiel der neuen Siemens Geraumltereihe SIPROTEC 5 beschriebenEbenfalls wurden alle technischen Daten Kennlinien und Abbildungen aktuali-siert Die digitale Kommunikation wird ausfuumlhrlich behandelt insbesondere dieNutzung moderner Datenuumlbertragungsnetze fuumlr den Leitungsdifferentialschutz

Die Neuauflage bot auch Gelegenheit kleinere Korrekturen vorzunehmen und dieumfangreichen Referenzen zu aktualisieren Fuumlr die dazu eingegangenen Hin-weise und Anregungen der Leser bedanken wir uns herzlich

Autor und Herausgeber hoffen dass dieses Arbeitsbuch und Nachschlagewerkauch weiterhin mit Interesse aufgenommen und genutzt wird

Nuumlrnberg November 2012 Gerhard Ziegler

7

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 10

11 Schutzprinzip 10

12 Digitaler Differentialschutz 11

2 Definitionen 12

3 Wirkungsweise 16

31 Einfuumlhrung 16

32 Grundprinzipien 18

321 Strom-Differentialschutz 18

322 Stabilisierter Differentialschutz 21

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern 25

324 Ansprechkennlinien 28

33 Messschaltungen fuumlr Drehstromsysteme 33

331 Messung pro Phase 34

332 Mischstrom-Ausfuumlhrung 35

34 Hochimpedanzdifferentialschutz 41

35 Partieller Differentialschutz 48

4 Messtechnik 50

41 Klassische (analoge) Verfahren 50

42 Digitale Messverfahren 53

421 Messwerterfassung 53

422 Differentialschutz mit Momentanwertvergleich 55

423 Differentialschutz mit Zeigergroumlszligen 58

424 Zusatzstabilisierung bei Wandlersaumlttigung 65

5 Stromwandler 68

51 Ersatzschaltung des Stromwandlers 68

52 Normen fuumlr stationaumlres Verhalten der Stromwandler 71

53 Transientes Verhalten der Stromwandler 76

54 TP Stromwandlerklassen 80

55 Polaritaumlt der Stromwandler 83

56 Fehler der Stromwandler 84

57 Auslegung der Stromwandler 87

58 Stromzwischenwandler 98

Inhaltsverzeichnis

8

6 Signaluumlbertragung 117

61 Uumlbertragungskanaumlle 117

611 Hilfsadern 117

612 Lichtwellenleiter 127

613 Richtfunk 133

62 Digitale Schutzkommunikation 134

63 Digitale Kommunikationsnetze 143

7 Maschinen-Differentialschutz 151

71 Generator-Differentialschutz 152

72 Motor-Differentialschutz 168

8 Transformator-Differentialschutz 170

81 Physikalische Grundlagen 170

82 Digitale Messwertverarbeitung 177

83 Hoch-Impedanz-Differentialschutz 189

84 Geraumlte fuumlr Transformator-Differentialschutz 192

85 Anwendungsbeispiele fuumlr der Transformatorschutz 193

9 Leitungsdifferentialschutz 205

91 Dreiadern-Differentialschutz 205

92 Zweiadern-Differentialschutz 207

93 Leitungs-Differentialschutz mit digitaler Kommunikation 217

931 Geraumlte und Systemkonfiguration 218

932 Messtechnik 219

933 Signalkonverter fuumlr die Kommunikation 224

934 Zusatzfunktionen und Anwendungshinweise 226

94 Phasenvergleichschutz mit digitaler Kommunikation 229

95 Differentialschutz von Leitungen mit Transformatoren 234

951 Schutz von Transformatorleitungen 234

952 Differentialschutz fuumlr angezapfte Leitungen 235

10 Sammelschienen-Differentialschutz 239

101 Sammelschienen-Differentialschutz mit niederohmigem Messsystem 241

1011 Teil-digitaler Sammelschienendifferentialschutz 7SS600 243

1012 Voll-digitaler Sammelschienenschutz 7SS52 247

102 Verhalten des digitalen Sammelschienenschutzes bei Wandlersaumlttigung und Anforderungen an die Stromwandler 255

103 Hochimpedanz-Sammelschienenschutz 263

Inhaltsverzeichnis

9

11 Geraumlteausfuumlhrung 266

12 Inbetriebsetzung und Wartung 273

121 Inbetriebsetzung 273

122 Wartung 275

Literaturverzeichnis 276

Anhang 284

Stichwortverzeichnis 285

10

1 Einleitung

Der Differentialschutz wurde bereits Ende des 19 Jahrhunderts angewendet alseine der ersten Schutzeinrichtungen uumlberhaupt

Die Fehlererkennung erfolgt durch Vergleich der Stroumlme die in das Schutzobjekthinein- und herausflieszligen Auf Grund der kurzen Ausloumlsezeit bei absoluter Selekti-vitaumlt eignet er sich als Hauptschutz fuumlr alle wichtigen elektrischen Betriebsmittelndas heiszligt Generatoren Transformatoren Sammelschienen sowie Kabel und Lei-tungen

Der Schutzbereich ist durch die Einbauorte der Stromwandler eindeutig begrenzt

Als Reserveschutz fuumlr externe Fehler muss deshalb immer ein zusaumltzlicherZeitstaffelschutz (Uumlberstromzeitschutz oder Distanzschutz) vorgesehen werden1

11 Schutzprinzip

Der Differentialschutz bildet die Summe aller zu- und abflieszligenden Stroumlme einesSchutzbereiches Abgesehen von Magnetisierungsstroumlmen oder kapazitivenLadestroumlmen muss diese Stromsumme im fehlerfreien Zustand des SchutzobjektsNull sein (Kirchhoffrsquosches Gesetz) Ein innerer Fehler kann damit durch Auftreteneines Differenzstromes erkannt werden Zur Sicherheit gegen Fehlansprechen beiWandlerfehlern wird der Ansprechwert des Schutzes mit zunehmendemGesamtstrom proportional angehoben (Stabilisierter Differentialschutz) Damitpasst sich die Fehlerempfindlichkeit des Schutzes automatisch an die gegebenenKurzschlussverhaumlltnisse an

Der Differentialschutz laumlsst sich besonders einfach realisieren bei raumlumlichbegrenzten Schutzobjekten (Generatoren Transformatoren Sammelschienen)wo die Wandler fuumlr die Stromerfassung nahe beieinander liegen Das Schutzgeraumltkann in diesem Fall direkt uumlber Steuerkabel an die Wandler angeschlossen werden

Bei Kabeln und Freileitungen muumlssen die Strommesswerte fuumlr den Vergleich uumlbergroumlszligere Entfernungen zum jeweiligen Gegenende uumlbertragen werden Mit Hilfsa-dernverbindungen (speziellen Schutzkabeln) koumlnnen dabei Entfernungen bis etwa25 km uumlberbruumlckt werden Bei modernen Relais mit digitaler Infomationsuumlbertra-

1 Bei digitalen Geraumlten ist der Reserveschutz meist in einfacher Form integriert so dass im Verteilungsnetz auf ein getrenntes Geraumlt verzichtet werden kann Ein Zweitschutz fuumlr Fehler auf der eigenen Leitung muss aus Gruumlnden der Hardware-Redundanz jedoch immer in einem getrennten Geraumlt aufgebaut sein Dies ist vor allem im Uumlbertragungsnetz der Fall

12 Digitaler Differentialschutz

11

gung uumlber Lichtwellenleiter oder Datennetze kann der Differentialschutz nun auchfuumlr lange Freileitungsstrecken uumlber 100 km eingesetzt werden

Eine besondere Variante des Differentialschutzes ist der Hochimpedanz-Differenti-alschutz (englisch high impedance differential protection) Er ist an das nichtline-are Uumlbertragungsverhalten der Stromwandler angepasst und erreicht die Stabilitaumltgegen Wandlersaumlttigung durch einen hohen Vorwiderstand am Differentialrelais

Der Hochimpedanz-Differentialschutz ist im angelsaumlchsischen Raum weit verbrei-tet auf Grund seines einfachen Aufbaus Er ist geeignet zum Schutz von galvanischdurch verbundenen Einheiten wie Sammelschienen Generatoren Motoren Kom-pensationsspulen und Spartransformatoren nicht jedoch fuumlr normale Volltrans-formatoren mit getrennten Wicklungen Ein Nachteil ist dass die Stromwandleralle gleich ausgefuumlhrt sein muumlssen

12 Digitaler Differentialschutz

Ende der 80er Jahre wurde die digitale Technik beim Schutz eingefuumlhrt [1-1]

Sie bietet eine Reihe von allgemeinen Vorteilen

ndash Die modernen Relais sind multifunktional und koumlnnen damit neben den Schutzfunktionen auch andere Aufgaben uumlbernehmen wie Betriebsmessung und Stoumlrschreibung

ndash Die integrierte Selbstuumlberwachung ermoumlglicht eine ereignisorientierte Feh-lerbehebung anstelle der aufwendigen vorbeugenden Wartung

ndash Die Geraumlte koumlnnen mit dem PC uumlber serielle Schnittstellen nah- und fernbe-dient werden

ndash Die integrierten Messfunktionen zeigen alle wichtigen Groumlszligen an Externe Messgeraumlte sind deshalb bei der Inbetriebnahme und Pruumlfung nur noch in Ausnahmefaumlllen erforderlich

Fuumlr den Differentialschutz ergeben sich noch besonderen Vorteile

ndash Die digitale Messtechnik ermoumlglicht erheblich verbesserte Filter fuumlr die Ein-schalt-(Rush)-Stabilisierung und intelligente Messalgorithmen fuumlr die Zusatz-stabilisierung bei Wandlersaumlttigung

ndash Zur Anpassung an unterschiedliche Wandleruumlbersetzungen oder die Schalt-gruppen von Transformatoren waren in konventioneller Technik Stromzwi-schenwandler erforderlich Bei digitalen Relais erfolgt die Anpassung intern rechnerisch

ndash Die phasengetrennte Messung kann mit vertretbarem Aufwand realisiert wer-den und ermoumlglicht so gleiche Ansprechempfindlichkeit bei allen Fehlerarten und Ansprechsicherheit bei Mehrfachfehlern

ndash Signalverbindungen sind in die laufende Selbstuumlberwachung eingeschlossen

ndash Beim Sammelschienenschutz konnte der Aufwand erheblich reduziert wer-den durch dezentralen Aufbau Kommunikation uumlber LWL und PC basierte Konfiguration

12

2 Definitionen

In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet

Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Woumlrter-buchs IEV Kapitel 448 bdquoEnergienetz - Selektivschutzldquo uumlbereinstimmen ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben

Selektivschutz

Gesamtheit der Maszlignahmen zum Erfassen von Netzfehlern oder anormalenBetriebszustaumlnden in einem Energienetz die die Fehlerbeseitigung die Beendi-gung der anormalen Zustaumlnde und die Signalisierung oder Anzeige bewirken[448-11-01]

Schutzrelais

Messrelais das entweder einzeln oder in Verbindung mit anderen Relais Bestand-teil einer Schutzeinrichtung ist [448-11-02]

Schutzeinrichtung

Einrichtung die ein oder mehrere Schutzrelais sowie sofern erforderlich Logik-bausteine enthaumllt um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zu erfuumll-len [448-11-03]

Schutzsystem

Anordnung aus einer oder mehreren Schutzeinrichtungen sowie weiteren Gerauml-ten die vorgesehen sind um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zuerfuumlllen [448-11-04]

Anmerkung Zum Schutzsystem gehoumlren auch Messwandler Verdrahtung Aus-schaltstromkreise sowie falls vorgesehen Informationssysteme Nicht enthaltensind Leistungsschalter

Digitaler Schutz

Schutz in Mikroprozessortechnik mit analog zu digitaler Umsetzung der Mess-werte (Stroumlme und Spannungen) und rechnerischer (numerischer) Verarbeitung

Teilweise ist dafuumlr auch der Begriff bdquoNumerischer Schutzldquo in Gebrauch1

1 Im Englischen wurde der Begriff bdquonumerical relayldquo haumlufig fuumlr ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet Der Begriff bdquodigital relayldquo bezeichnete dann den Vorlaumlufertyp mit analog statischer Mess-wertanpassung und digitaler Auswertung auf Basis von Mikroprozessoren Inzwischen wird jedoch allgemein der Begriff digitaler Schutz (bdquodigital relayldquo) verwendet

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 2: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

Ziegler Digitaler Differentialschutz

Digitaler DifferentialschutzGrundlagen und Anwendung

von Gerhard Ziegler

2 uumlberarbeitete und erweiterte Auflage 2013

Publicis Publishing

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uumlber httpdnbd-nbde abrufbar

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Print ISBN 978-3-89578-416-3ePDF ISBN 978-3-89578-900-7

2 Auflage 2013

Herausgeber Siemens Aktiengesellschaft Berlin und Muumlnchen Verlag Publicis Publishing Erlangencopy 2013 by Publicis Erlangen Zweigniederlassung der PWW GmbH

Das Werk einschlieszliglich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschuumltzt Jede Verwendung auszligerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulaumlssig und strafbar Das gilt insbesondere fuumlr Vervielfaumlltigungen Uumlbersetzungen Mikroverfilmungen Bearbeitungen sonstiger Art sowie fuumlr die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Dies gilt auch fuumlr die Entnahme von einzelnen Abbildungen und bei auszugsweiser Verwertung von Texten

Printed in Germany

5

Vorwort zur ersten Auflage

Der Differentialschutz ist ein schneller absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen Transformatoren Sammelschienen undLeitungen in allen Spannungsebenen eingesetzt

In digitaler Technik wurden erhebliche Fortschritte erzielt die dieses Messprinzipnoch attraktiver fuumlr den Anwender machen Dazu gehoumlren vor allem die integ-rierte Wandleranpassung und die hohe Toleranz gegen Wandlersaumlttigung Die Nut-zung der digitalen Datenuumlbertragung uumlber beeinflussungsfreie Lichtwellenleitermacht den Schutz von Kabeln und Leitungen in Stadt- und Industrienetzen erheb-lich einfacher und sicherer In den Freileitungsnetzen der Elektrizitaumltsversorgungwerden im zunehmenden Maszlige digitale Kommunikationsnetze fuumlr die Schutzda-tenuumlbertragung genutzt Damit kann der Differentialschutz nun auch fuumlr laumlngereLeitungen bis weit uumlber 100 km und komplexe Netzanordnungen mit mehrerenLeitungsenden eingesetzt werden

Das vorliegende Buch vermittelt zunaumlchst die allgemeinen Grundlagen desDifferentialschutzes in analoger und digitaler Technik Dabei werden die ThemenStromwandler Signaluumlbertragung und digitale Kommunikation ausfuumlhrlichberuumlcksichtigt Darauf aufbauend werden dann die verschiedenen Arten des Diffe-rentialschutzes und die Anwendung in der Praxis behandelt Dies geschiehtanhand der Geraumltereihe SIPROTEC der Firma Siemens Im Grundsatz gelten dieAusfuumlhrungen jedoch auch fuumlr die Geraumlte anderer Hersteller Zum besseren Ver-staumlndnis werden zu jedem Thema praktische Beispiele gerechnet

Das Buch wendet sich an Studenten und Jungingenieure die sich in das Thema Dif-ferentialschutz einarbeiten wollen aber auch an praxiserfahrene Anwender dieden Einstieg in die digitale Technik des Differentialschutzes suchen Es kann auchals Nachschlagewerk fuumlr spezielle Anwendungsfragen benutzt werden

Nuumlrnberg April 2004 Gerhard Ziegler

6

Vorwort zur zweiten Auflage

Die positive Resonanz auf die erste Auflage des Fachbuchs hat Autor und Verlagbewogen diese aktualisierte Auflage zu publizieren

Die Kapitel uumlber Wirkungsweise und Anwendung des Differentialschutzes sindnahezu unveraumlndert da die digitale Schutztechnik bereits beim Erscheinen derersten Auflage (2005) einen weitgehend ausgereiften Stand erreicht hatte undmehr als zehn Jahre Betriebserfahrung vorlagen Die Hersteller konzentrierten dieWeiterentwicklung in den letzten Jahren auf die Steigerung der Performance vonHard- und Software und die Nutzung der modernen KommunikationstechnikenDie Schutzrelais sind inzwischen intelligente multifunktionale Geraumlte (IEDs) miteiner Reihe von seriellen Schnittstellen fuumlr die lokale und ferne KommunikationMit den integrierten Mess- und Steuerfunktionen werden sie als Abzweiggeraumlte fuumlrStationsleitsysteme eingesetzt

In dieser 2 Auflage des Buchs wird der derzeitige Stand der Geraumlte- und System-technik am Beispiel der neuen Siemens Geraumltereihe SIPROTEC 5 beschriebenEbenfalls wurden alle technischen Daten Kennlinien und Abbildungen aktuali-siert Die digitale Kommunikation wird ausfuumlhrlich behandelt insbesondere dieNutzung moderner Datenuumlbertragungsnetze fuumlr den Leitungsdifferentialschutz

Die Neuauflage bot auch Gelegenheit kleinere Korrekturen vorzunehmen und dieumfangreichen Referenzen zu aktualisieren Fuumlr die dazu eingegangenen Hin-weise und Anregungen der Leser bedanken wir uns herzlich

Autor und Herausgeber hoffen dass dieses Arbeitsbuch und Nachschlagewerkauch weiterhin mit Interesse aufgenommen und genutzt wird

Nuumlrnberg November 2012 Gerhard Ziegler

7

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 10

11 Schutzprinzip 10

12 Digitaler Differentialschutz 11

2 Definitionen 12

3 Wirkungsweise 16

31 Einfuumlhrung 16

32 Grundprinzipien 18

321 Strom-Differentialschutz 18

322 Stabilisierter Differentialschutz 21

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern 25

324 Ansprechkennlinien 28

33 Messschaltungen fuumlr Drehstromsysteme 33

331 Messung pro Phase 34

332 Mischstrom-Ausfuumlhrung 35

34 Hochimpedanzdifferentialschutz 41

35 Partieller Differentialschutz 48

4 Messtechnik 50

41 Klassische (analoge) Verfahren 50

42 Digitale Messverfahren 53

421 Messwerterfassung 53

422 Differentialschutz mit Momentanwertvergleich 55

423 Differentialschutz mit Zeigergroumlszligen 58

424 Zusatzstabilisierung bei Wandlersaumlttigung 65

5 Stromwandler 68

51 Ersatzschaltung des Stromwandlers 68

52 Normen fuumlr stationaumlres Verhalten der Stromwandler 71

53 Transientes Verhalten der Stromwandler 76

54 TP Stromwandlerklassen 80

55 Polaritaumlt der Stromwandler 83

56 Fehler der Stromwandler 84

57 Auslegung der Stromwandler 87

58 Stromzwischenwandler 98

Inhaltsverzeichnis

8

6 Signaluumlbertragung 117

61 Uumlbertragungskanaumlle 117

611 Hilfsadern 117

612 Lichtwellenleiter 127

613 Richtfunk 133

62 Digitale Schutzkommunikation 134

63 Digitale Kommunikationsnetze 143

7 Maschinen-Differentialschutz 151

71 Generator-Differentialschutz 152

72 Motor-Differentialschutz 168

8 Transformator-Differentialschutz 170

81 Physikalische Grundlagen 170

82 Digitale Messwertverarbeitung 177

83 Hoch-Impedanz-Differentialschutz 189

84 Geraumlte fuumlr Transformator-Differentialschutz 192

85 Anwendungsbeispiele fuumlr der Transformatorschutz 193

9 Leitungsdifferentialschutz 205

91 Dreiadern-Differentialschutz 205

92 Zweiadern-Differentialschutz 207

93 Leitungs-Differentialschutz mit digitaler Kommunikation 217

931 Geraumlte und Systemkonfiguration 218

932 Messtechnik 219

933 Signalkonverter fuumlr die Kommunikation 224

934 Zusatzfunktionen und Anwendungshinweise 226

94 Phasenvergleichschutz mit digitaler Kommunikation 229

95 Differentialschutz von Leitungen mit Transformatoren 234

951 Schutz von Transformatorleitungen 234

952 Differentialschutz fuumlr angezapfte Leitungen 235

10 Sammelschienen-Differentialschutz 239

101 Sammelschienen-Differentialschutz mit niederohmigem Messsystem 241

1011 Teil-digitaler Sammelschienendifferentialschutz 7SS600 243

1012 Voll-digitaler Sammelschienenschutz 7SS52 247

102 Verhalten des digitalen Sammelschienenschutzes bei Wandlersaumlttigung und Anforderungen an die Stromwandler 255

103 Hochimpedanz-Sammelschienenschutz 263

Inhaltsverzeichnis

9

11 Geraumlteausfuumlhrung 266

12 Inbetriebsetzung und Wartung 273

121 Inbetriebsetzung 273

122 Wartung 275

Literaturverzeichnis 276

Anhang 284

Stichwortverzeichnis 285

10

1 Einleitung

Der Differentialschutz wurde bereits Ende des 19 Jahrhunderts angewendet alseine der ersten Schutzeinrichtungen uumlberhaupt

Die Fehlererkennung erfolgt durch Vergleich der Stroumlme die in das Schutzobjekthinein- und herausflieszligen Auf Grund der kurzen Ausloumlsezeit bei absoluter Selekti-vitaumlt eignet er sich als Hauptschutz fuumlr alle wichtigen elektrischen Betriebsmittelndas heiszligt Generatoren Transformatoren Sammelschienen sowie Kabel und Lei-tungen

Der Schutzbereich ist durch die Einbauorte der Stromwandler eindeutig begrenzt

Als Reserveschutz fuumlr externe Fehler muss deshalb immer ein zusaumltzlicherZeitstaffelschutz (Uumlberstromzeitschutz oder Distanzschutz) vorgesehen werden1

11 Schutzprinzip

Der Differentialschutz bildet die Summe aller zu- und abflieszligenden Stroumlme einesSchutzbereiches Abgesehen von Magnetisierungsstroumlmen oder kapazitivenLadestroumlmen muss diese Stromsumme im fehlerfreien Zustand des SchutzobjektsNull sein (Kirchhoffrsquosches Gesetz) Ein innerer Fehler kann damit durch Auftreteneines Differenzstromes erkannt werden Zur Sicherheit gegen Fehlansprechen beiWandlerfehlern wird der Ansprechwert des Schutzes mit zunehmendemGesamtstrom proportional angehoben (Stabilisierter Differentialschutz) Damitpasst sich die Fehlerempfindlichkeit des Schutzes automatisch an die gegebenenKurzschlussverhaumlltnisse an

Der Differentialschutz laumlsst sich besonders einfach realisieren bei raumlumlichbegrenzten Schutzobjekten (Generatoren Transformatoren Sammelschienen)wo die Wandler fuumlr die Stromerfassung nahe beieinander liegen Das Schutzgeraumltkann in diesem Fall direkt uumlber Steuerkabel an die Wandler angeschlossen werden

Bei Kabeln und Freileitungen muumlssen die Strommesswerte fuumlr den Vergleich uumlbergroumlszligere Entfernungen zum jeweiligen Gegenende uumlbertragen werden Mit Hilfsa-dernverbindungen (speziellen Schutzkabeln) koumlnnen dabei Entfernungen bis etwa25 km uumlberbruumlckt werden Bei modernen Relais mit digitaler Infomationsuumlbertra-

1 Bei digitalen Geraumlten ist der Reserveschutz meist in einfacher Form integriert so dass im Verteilungsnetz auf ein getrenntes Geraumlt verzichtet werden kann Ein Zweitschutz fuumlr Fehler auf der eigenen Leitung muss aus Gruumlnden der Hardware-Redundanz jedoch immer in einem getrennten Geraumlt aufgebaut sein Dies ist vor allem im Uumlbertragungsnetz der Fall

12 Digitaler Differentialschutz

11

gung uumlber Lichtwellenleiter oder Datennetze kann der Differentialschutz nun auchfuumlr lange Freileitungsstrecken uumlber 100 km eingesetzt werden

Eine besondere Variante des Differentialschutzes ist der Hochimpedanz-Differenti-alschutz (englisch high impedance differential protection) Er ist an das nichtline-are Uumlbertragungsverhalten der Stromwandler angepasst und erreicht die Stabilitaumltgegen Wandlersaumlttigung durch einen hohen Vorwiderstand am Differentialrelais

Der Hochimpedanz-Differentialschutz ist im angelsaumlchsischen Raum weit verbrei-tet auf Grund seines einfachen Aufbaus Er ist geeignet zum Schutz von galvanischdurch verbundenen Einheiten wie Sammelschienen Generatoren Motoren Kom-pensationsspulen und Spartransformatoren nicht jedoch fuumlr normale Volltrans-formatoren mit getrennten Wicklungen Ein Nachteil ist dass die Stromwandleralle gleich ausgefuumlhrt sein muumlssen

12 Digitaler Differentialschutz

Ende der 80er Jahre wurde die digitale Technik beim Schutz eingefuumlhrt [1-1]

Sie bietet eine Reihe von allgemeinen Vorteilen

ndash Die modernen Relais sind multifunktional und koumlnnen damit neben den Schutzfunktionen auch andere Aufgaben uumlbernehmen wie Betriebsmessung und Stoumlrschreibung

ndash Die integrierte Selbstuumlberwachung ermoumlglicht eine ereignisorientierte Feh-lerbehebung anstelle der aufwendigen vorbeugenden Wartung

ndash Die Geraumlte koumlnnen mit dem PC uumlber serielle Schnittstellen nah- und fernbe-dient werden

ndash Die integrierten Messfunktionen zeigen alle wichtigen Groumlszligen an Externe Messgeraumlte sind deshalb bei der Inbetriebnahme und Pruumlfung nur noch in Ausnahmefaumlllen erforderlich

Fuumlr den Differentialschutz ergeben sich noch besonderen Vorteile

ndash Die digitale Messtechnik ermoumlglicht erheblich verbesserte Filter fuumlr die Ein-schalt-(Rush)-Stabilisierung und intelligente Messalgorithmen fuumlr die Zusatz-stabilisierung bei Wandlersaumlttigung

ndash Zur Anpassung an unterschiedliche Wandleruumlbersetzungen oder die Schalt-gruppen von Transformatoren waren in konventioneller Technik Stromzwi-schenwandler erforderlich Bei digitalen Relais erfolgt die Anpassung intern rechnerisch

ndash Die phasengetrennte Messung kann mit vertretbarem Aufwand realisiert wer-den und ermoumlglicht so gleiche Ansprechempfindlichkeit bei allen Fehlerarten und Ansprechsicherheit bei Mehrfachfehlern

ndash Signalverbindungen sind in die laufende Selbstuumlberwachung eingeschlossen

ndash Beim Sammelschienenschutz konnte der Aufwand erheblich reduziert wer-den durch dezentralen Aufbau Kommunikation uumlber LWL und PC basierte Konfiguration

12

2 Definitionen

In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet

Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Woumlrter-buchs IEV Kapitel 448 bdquoEnergienetz - Selektivschutzldquo uumlbereinstimmen ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben

Selektivschutz

Gesamtheit der Maszlignahmen zum Erfassen von Netzfehlern oder anormalenBetriebszustaumlnden in einem Energienetz die die Fehlerbeseitigung die Beendi-gung der anormalen Zustaumlnde und die Signalisierung oder Anzeige bewirken[448-11-01]

Schutzrelais

Messrelais das entweder einzeln oder in Verbindung mit anderen Relais Bestand-teil einer Schutzeinrichtung ist [448-11-02]

Schutzeinrichtung

Einrichtung die ein oder mehrere Schutzrelais sowie sofern erforderlich Logik-bausteine enthaumllt um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zu erfuumll-len [448-11-03]

Schutzsystem

Anordnung aus einer oder mehreren Schutzeinrichtungen sowie weiteren Gerauml-ten die vorgesehen sind um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zuerfuumlllen [448-11-04]

Anmerkung Zum Schutzsystem gehoumlren auch Messwandler Verdrahtung Aus-schaltstromkreise sowie falls vorgesehen Informationssysteme Nicht enthaltensind Leistungsschalter

Digitaler Schutz

Schutz in Mikroprozessortechnik mit analog zu digitaler Umsetzung der Mess-werte (Stroumlme und Spannungen) und rechnerischer (numerischer) Verarbeitung

Teilweise ist dafuumlr auch der Begriff bdquoNumerischer Schutzldquo in Gebrauch1

1 Im Englischen wurde der Begriff bdquonumerical relayldquo haumlufig fuumlr ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet Der Begriff bdquodigital relayldquo bezeichnete dann den Vorlaumlufertyp mit analog statischer Mess-wertanpassung und digitaler Auswertung auf Basis von Mikroprozessoren Inzwischen wird jedoch allgemein der Begriff digitaler Schutz (bdquodigital relayldquo) verwendet

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 3: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

Digitaler DifferentialschutzGrundlagen und Anwendung

von Gerhard Ziegler

2 uumlberarbeitete und erweiterte Auflage 2013

Publicis Publishing

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uumlber httpdnbd-nbde abrufbar

Autor und Verlag haben alle Texte in diesem Buch mit groszliger Sorgfalt erarbeitet Dennoch koumlnnen Fehler nicht ausgeschlossen werden Eine Haftung des Verlags oder des Autors gleich aus welchem Rechtsgrund ist ausgeschlossen Die in diesem Buch wiedergegebenen Bezeichnungen koumlnnen Warenzeichen sein deren Benutzung durch Dritte fuumlr deren Zwecke die Rechte der Inhaber verletzen kann

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Print ISBN 978-3-89578-416-3ePDF ISBN 978-3-89578-900-7

2 Auflage 2013

Herausgeber Siemens Aktiengesellschaft Berlin und Muumlnchen Verlag Publicis Publishing Erlangencopy 2013 by Publicis Erlangen Zweigniederlassung der PWW GmbH

Das Werk einschlieszliglich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschuumltzt Jede Verwendung auszligerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulaumlssig und strafbar Das gilt insbesondere fuumlr Vervielfaumlltigungen Uumlbersetzungen Mikroverfilmungen Bearbeitungen sonstiger Art sowie fuumlr die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Dies gilt auch fuumlr die Entnahme von einzelnen Abbildungen und bei auszugsweiser Verwertung von Texten

Printed in Germany

5

Vorwort zur ersten Auflage

Der Differentialschutz ist ein schneller absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen Transformatoren Sammelschienen undLeitungen in allen Spannungsebenen eingesetzt

In digitaler Technik wurden erhebliche Fortschritte erzielt die dieses Messprinzipnoch attraktiver fuumlr den Anwender machen Dazu gehoumlren vor allem die integ-rierte Wandleranpassung und die hohe Toleranz gegen Wandlersaumlttigung Die Nut-zung der digitalen Datenuumlbertragung uumlber beeinflussungsfreie Lichtwellenleitermacht den Schutz von Kabeln und Leitungen in Stadt- und Industrienetzen erheb-lich einfacher und sicherer In den Freileitungsnetzen der Elektrizitaumltsversorgungwerden im zunehmenden Maszlige digitale Kommunikationsnetze fuumlr die Schutzda-tenuumlbertragung genutzt Damit kann der Differentialschutz nun auch fuumlr laumlngereLeitungen bis weit uumlber 100 km und komplexe Netzanordnungen mit mehrerenLeitungsenden eingesetzt werden

Das vorliegende Buch vermittelt zunaumlchst die allgemeinen Grundlagen desDifferentialschutzes in analoger und digitaler Technik Dabei werden die ThemenStromwandler Signaluumlbertragung und digitale Kommunikation ausfuumlhrlichberuumlcksichtigt Darauf aufbauend werden dann die verschiedenen Arten des Diffe-rentialschutzes und die Anwendung in der Praxis behandelt Dies geschiehtanhand der Geraumltereihe SIPROTEC der Firma Siemens Im Grundsatz gelten dieAusfuumlhrungen jedoch auch fuumlr die Geraumlte anderer Hersteller Zum besseren Ver-staumlndnis werden zu jedem Thema praktische Beispiele gerechnet

Das Buch wendet sich an Studenten und Jungingenieure die sich in das Thema Dif-ferentialschutz einarbeiten wollen aber auch an praxiserfahrene Anwender dieden Einstieg in die digitale Technik des Differentialschutzes suchen Es kann auchals Nachschlagewerk fuumlr spezielle Anwendungsfragen benutzt werden

Nuumlrnberg April 2004 Gerhard Ziegler

6

Vorwort zur zweiten Auflage

Die positive Resonanz auf die erste Auflage des Fachbuchs hat Autor und Verlagbewogen diese aktualisierte Auflage zu publizieren

Die Kapitel uumlber Wirkungsweise und Anwendung des Differentialschutzes sindnahezu unveraumlndert da die digitale Schutztechnik bereits beim Erscheinen derersten Auflage (2005) einen weitgehend ausgereiften Stand erreicht hatte undmehr als zehn Jahre Betriebserfahrung vorlagen Die Hersteller konzentrierten dieWeiterentwicklung in den letzten Jahren auf die Steigerung der Performance vonHard- und Software und die Nutzung der modernen KommunikationstechnikenDie Schutzrelais sind inzwischen intelligente multifunktionale Geraumlte (IEDs) miteiner Reihe von seriellen Schnittstellen fuumlr die lokale und ferne KommunikationMit den integrierten Mess- und Steuerfunktionen werden sie als Abzweiggeraumlte fuumlrStationsleitsysteme eingesetzt

In dieser 2 Auflage des Buchs wird der derzeitige Stand der Geraumlte- und System-technik am Beispiel der neuen Siemens Geraumltereihe SIPROTEC 5 beschriebenEbenfalls wurden alle technischen Daten Kennlinien und Abbildungen aktuali-siert Die digitale Kommunikation wird ausfuumlhrlich behandelt insbesondere dieNutzung moderner Datenuumlbertragungsnetze fuumlr den Leitungsdifferentialschutz

Die Neuauflage bot auch Gelegenheit kleinere Korrekturen vorzunehmen und dieumfangreichen Referenzen zu aktualisieren Fuumlr die dazu eingegangenen Hin-weise und Anregungen der Leser bedanken wir uns herzlich

Autor und Herausgeber hoffen dass dieses Arbeitsbuch und Nachschlagewerkauch weiterhin mit Interesse aufgenommen und genutzt wird

Nuumlrnberg November 2012 Gerhard Ziegler

7

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 10

11 Schutzprinzip 10

12 Digitaler Differentialschutz 11

2 Definitionen 12

3 Wirkungsweise 16

31 Einfuumlhrung 16

32 Grundprinzipien 18

321 Strom-Differentialschutz 18

322 Stabilisierter Differentialschutz 21

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern 25

324 Ansprechkennlinien 28

33 Messschaltungen fuumlr Drehstromsysteme 33

331 Messung pro Phase 34

332 Mischstrom-Ausfuumlhrung 35

34 Hochimpedanzdifferentialschutz 41

35 Partieller Differentialschutz 48

4 Messtechnik 50

41 Klassische (analoge) Verfahren 50

42 Digitale Messverfahren 53

421 Messwerterfassung 53

422 Differentialschutz mit Momentanwertvergleich 55

423 Differentialschutz mit Zeigergroumlszligen 58

424 Zusatzstabilisierung bei Wandlersaumlttigung 65

5 Stromwandler 68

51 Ersatzschaltung des Stromwandlers 68

52 Normen fuumlr stationaumlres Verhalten der Stromwandler 71

53 Transientes Verhalten der Stromwandler 76

54 TP Stromwandlerklassen 80

55 Polaritaumlt der Stromwandler 83

56 Fehler der Stromwandler 84

57 Auslegung der Stromwandler 87

58 Stromzwischenwandler 98

Inhaltsverzeichnis

8

6 Signaluumlbertragung 117

61 Uumlbertragungskanaumlle 117

611 Hilfsadern 117

612 Lichtwellenleiter 127

613 Richtfunk 133

62 Digitale Schutzkommunikation 134

63 Digitale Kommunikationsnetze 143

7 Maschinen-Differentialschutz 151

71 Generator-Differentialschutz 152

72 Motor-Differentialschutz 168

8 Transformator-Differentialschutz 170

81 Physikalische Grundlagen 170

82 Digitale Messwertverarbeitung 177

83 Hoch-Impedanz-Differentialschutz 189

84 Geraumlte fuumlr Transformator-Differentialschutz 192

85 Anwendungsbeispiele fuumlr der Transformatorschutz 193

9 Leitungsdifferentialschutz 205

91 Dreiadern-Differentialschutz 205

92 Zweiadern-Differentialschutz 207

93 Leitungs-Differentialschutz mit digitaler Kommunikation 217

931 Geraumlte und Systemkonfiguration 218

932 Messtechnik 219

933 Signalkonverter fuumlr die Kommunikation 224

934 Zusatzfunktionen und Anwendungshinweise 226

94 Phasenvergleichschutz mit digitaler Kommunikation 229

95 Differentialschutz von Leitungen mit Transformatoren 234

951 Schutz von Transformatorleitungen 234

952 Differentialschutz fuumlr angezapfte Leitungen 235

10 Sammelschienen-Differentialschutz 239

101 Sammelschienen-Differentialschutz mit niederohmigem Messsystem 241

1011 Teil-digitaler Sammelschienendifferentialschutz 7SS600 243

1012 Voll-digitaler Sammelschienenschutz 7SS52 247

102 Verhalten des digitalen Sammelschienenschutzes bei Wandlersaumlttigung und Anforderungen an die Stromwandler 255

103 Hochimpedanz-Sammelschienenschutz 263

Inhaltsverzeichnis

9

11 Geraumlteausfuumlhrung 266

12 Inbetriebsetzung und Wartung 273

121 Inbetriebsetzung 273

122 Wartung 275

Literaturverzeichnis 276

Anhang 284

Stichwortverzeichnis 285

10

1 Einleitung

Der Differentialschutz wurde bereits Ende des 19 Jahrhunderts angewendet alseine der ersten Schutzeinrichtungen uumlberhaupt

Die Fehlererkennung erfolgt durch Vergleich der Stroumlme die in das Schutzobjekthinein- und herausflieszligen Auf Grund der kurzen Ausloumlsezeit bei absoluter Selekti-vitaumlt eignet er sich als Hauptschutz fuumlr alle wichtigen elektrischen Betriebsmittelndas heiszligt Generatoren Transformatoren Sammelschienen sowie Kabel und Lei-tungen

Der Schutzbereich ist durch die Einbauorte der Stromwandler eindeutig begrenzt

Als Reserveschutz fuumlr externe Fehler muss deshalb immer ein zusaumltzlicherZeitstaffelschutz (Uumlberstromzeitschutz oder Distanzschutz) vorgesehen werden1

11 Schutzprinzip

Der Differentialschutz bildet die Summe aller zu- und abflieszligenden Stroumlme einesSchutzbereiches Abgesehen von Magnetisierungsstroumlmen oder kapazitivenLadestroumlmen muss diese Stromsumme im fehlerfreien Zustand des SchutzobjektsNull sein (Kirchhoffrsquosches Gesetz) Ein innerer Fehler kann damit durch Auftreteneines Differenzstromes erkannt werden Zur Sicherheit gegen Fehlansprechen beiWandlerfehlern wird der Ansprechwert des Schutzes mit zunehmendemGesamtstrom proportional angehoben (Stabilisierter Differentialschutz) Damitpasst sich die Fehlerempfindlichkeit des Schutzes automatisch an die gegebenenKurzschlussverhaumlltnisse an

Der Differentialschutz laumlsst sich besonders einfach realisieren bei raumlumlichbegrenzten Schutzobjekten (Generatoren Transformatoren Sammelschienen)wo die Wandler fuumlr die Stromerfassung nahe beieinander liegen Das Schutzgeraumltkann in diesem Fall direkt uumlber Steuerkabel an die Wandler angeschlossen werden

Bei Kabeln und Freileitungen muumlssen die Strommesswerte fuumlr den Vergleich uumlbergroumlszligere Entfernungen zum jeweiligen Gegenende uumlbertragen werden Mit Hilfsa-dernverbindungen (speziellen Schutzkabeln) koumlnnen dabei Entfernungen bis etwa25 km uumlberbruumlckt werden Bei modernen Relais mit digitaler Infomationsuumlbertra-

1 Bei digitalen Geraumlten ist der Reserveschutz meist in einfacher Form integriert so dass im Verteilungsnetz auf ein getrenntes Geraumlt verzichtet werden kann Ein Zweitschutz fuumlr Fehler auf der eigenen Leitung muss aus Gruumlnden der Hardware-Redundanz jedoch immer in einem getrennten Geraumlt aufgebaut sein Dies ist vor allem im Uumlbertragungsnetz der Fall

12 Digitaler Differentialschutz

11

gung uumlber Lichtwellenleiter oder Datennetze kann der Differentialschutz nun auchfuumlr lange Freileitungsstrecken uumlber 100 km eingesetzt werden

Eine besondere Variante des Differentialschutzes ist der Hochimpedanz-Differenti-alschutz (englisch high impedance differential protection) Er ist an das nichtline-are Uumlbertragungsverhalten der Stromwandler angepasst und erreicht die Stabilitaumltgegen Wandlersaumlttigung durch einen hohen Vorwiderstand am Differentialrelais

Der Hochimpedanz-Differentialschutz ist im angelsaumlchsischen Raum weit verbrei-tet auf Grund seines einfachen Aufbaus Er ist geeignet zum Schutz von galvanischdurch verbundenen Einheiten wie Sammelschienen Generatoren Motoren Kom-pensationsspulen und Spartransformatoren nicht jedoch fuumlr normale Volltrans-formatoren mit getrennten Wicklungen Ein Nachteil ist dass die Stromwandleralle gleich ausgefuumlhrt sein muumlssen

12 Digitaler Differentialschutz

Ende der 80er Jahre wurde die digitale Technik beim Schutz eingefuumlhrt [1-1]

Sie bietet eine Reihe von allgemeinen Vorteilen

ndash Die modernen Relais sind multifunktional und koumlnnen damit neben den Schutzfunktionen auch andere Aufgaben uumlbernehmen wie Betriebsmessung und Stoumlrschreibung

ndash Die integrierte Selbstuumlberwachung ermoumlglicht eine ereignisorientierte Feh-lerbehebung anstelle der aufwendigen vorbeugenden Wartung

ndash Die Geraumlte koumlnnen mit dem PC uumlber serielle Schnittstellen nah- und fernbe-dient werden

ndash Die integrierten Messfunktionen zeigen alle wichtigen Groumlszligen an Externe Messgeraumlte sind deshalb bei der Inbetriebnahme und Pruumlfung nur noch in Ausnahmefaumlllen erforderlich

Fuumlr den Differentialschutz ergeben sich noch besonderen Vorteile

ndash Die digitale Messtechnik ermoumlglicht erheblich verbesserte Filter fuumlr die Ein-schalt-(Rush)-Stabilisierung und intelligente Messalgorithmen fuumlr die Zusatz-stabilisierung bei Wandlersaumlttigung

ndash Zur Anpassung an unterschiedliche Wandleruumlbersetzungen oder die Schalt-gruppen von Transformatoren waren in konventioneller Technik Stromzwi-schenwandler erforderlich Bei digitalen Relais erfolgt die Anpassung intern rechnerisch

ndash Die phasengetrennte Messung kann mit vertretbarem Aufwand realisiert wer-den und ermoumlglicht so gleiche Ansprechempfindlichkeit bei allen Fehlerarten und Ansprechsicherheit bei Mehrfachfehlern

ndash Signalverbindungen sind in die laufende Selbstuumlberwachung eingeschlossen

ndash Beim Sammelschienenschutz konnte der Aufwand erheblich reduziert wer-den durch dezentralen Aufbau Kommunikation uumlber LWL und PC basierte Konfiguration

12

2 Definitionen

In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet

Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Woumlrter-buchs IEV Kapitel 448 bdquoEnergienetz - Selektivschutzldquo uumlbereinstimmen ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben

Selektivschutz

Gesamtheit der Maszlignahmen zum Erfassen von Netzfehlern oder anormalenBetriebszustaumlnden in einem Energienetz die die Fehlerbeseitigung die Beendi-gung der anormalen Zustaumlnde und die Signalisierung oder Anzeige bewirken[448-11-01]

Schutzrelais

Messrelais das entweder einzeln oder in Verbindung mit anderen Relais Bestand-teil einer Schutzeinrichtung ist [448-11-02]

Schutzeinrichtung

Einrichtung die ein oder mehrere Schutzrelais sowie sofern erforderlich Logik-bausteine enthaumllt um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zu erfuumll-len [448-11-03]

Schutzsystem

Anordnung aus einer oder mehreren Schutzeinrichtungen sowie weiteren Gerauml-ten die vorgesehen sind um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zuerfuumlllen [448-11-04]

Anmerkung Zum Schutzsystem gehoumlren auch Messwandler Verdrahtung Aus-schaltstromkreise sowie falls vorgesehen Informationssysteme Nicht enthaltensind Leistungsschalter

Digitaler Schutz

Schutz in Mikroprozessortechnik mit analog zu digitaler Umsetzung der Mess-werte (Stroumlme und Spannungen) und rechnerischer (numerischer) Verarbeitung

Teilweise ist dafuumlr auch der Begriff bdquoNumerischer Schutzldquo in Gebrauch1

1 Im Englischen wurde der Begriff bdquonumerical relayldquo haumlufig fuumlr ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet Der Begriff bdquodigital relayldquo bezeichnete dann den Vorlaumlufertyp mit analog statischer Mess-wertanpassung und digitaler Auswertung auf Basis von Mikroprozessoren Inzwischen wird jedoch allgemein der Begriff digitaler Schutz (bdquodigital relayldquo) verwendet

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 4: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

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Print ISBN 978-3-89578-416-3ePDF ISBN 978-3-89578-900-7

2 Auflage 2013

Herausgeber Siemens Aktiengesellschaft Berlin und Muumlnchen Verlag Publicis Publishing Erlangencopy 2013 by Publicis Erlangen Zweigniederlassung der PWW GmbH

Das Werk einschlieszliglich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschuumltzt Jede Verwendung auszligerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulaumlssig und strafbar Das gilt insbesondere fuumlr Vervielfaumlltigungen Uumlbersetzungen Mikroverfilmungen Bearbeitungen sonstiger Art sowie fuumlr die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Dies gilt auch fuumlr die Entnahme von einzelnen Abbildungen und bei auszugsweiser Verwertung von Texten

Printed in Germany

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Vorwort zur ersten Auflage

Der Differentialschutz ist ein schneller absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen Transformatoren Sammelschienen undLeitungen in allen Spannungsebenen eingesetzt

In digitaler Technik wurden erhebliche Fortschritte erzielt die dieses Messprinzipnoch attraktiver fuumlr den Anwender machen Dazu gehoumlren vor allem die integ-rierte Wandleranpassung und die hohe Toleranz gegen Wandlersaumlttigung Die Nut-zung der digitalen Datenuumlbertragung uumlber beeinflussungsfreie Lichtwellenleitermacht den Schutz von Kabeln und Leitungen in Stadt- und Industrienetzen erheb-lich einfacher und sicherer In den Freileitungsnetzen der Elektrizitaumltsversorgungwerden im zunehmenden Maszlige digitale Kommunikationsnetze fuumlr die Schutzda-tenuumlbertragung genutzt Damit kann der Differentialschutz nun auch fuumlr laumlngereLeitungen bis weit uumlber 100 km und komplexe Netzanordnungen mit mehrerenLeitungsenden eingesetzt werden

Das vorliegende Buch vermittelt zunaumlchst die allgemeinen Grundlagen desDifferentialschutzes in analoger und digitaler Technik Dabei werden die ThemenStromwandler Signaluumlbertragung und digitale Kommunikation ausfuumlhrlichberuumlcksichtigt Darauf aufbauend werden dann die verschiedenen Arten des Diffe-rentialschutzes und die Anwendung in der Praxis behandelt Dies geschiehtanhand der Geraumltereihe SIPROTEC der Firma Siemens Im Grundsatz gelten dieAusfuumlhrungen jedoch auch fuumlr die Geraumlte anderer Hersteller Zum besseren Ver-staumlndnis werden zu jedem Thema praktische Beispiele gerechnet

Das Buch wendet sich an Studenten und Jungingenieure die sich in das Thema Dif-ferentialschutz einarbeiten wollen aber auch an praxiserfahrene Anwender dieden Einstieg in die digitale Technik des Differentialschutzes suchen Es kann auchals Nachschlagewerk fuumlr spezielle Anwendungsfragen benutzt werden

Nuumlrnberg April 2004 Gerhard Ziegler

6

Vorwort zur zweiten Auflage

Die positive Resonanz auf die erste Auflage des Fachbuchs hat Autor und Verlagbewogen diese aktualisierte Auflage zu publizieren

Die Kapitel uumlber Wirkungsweise und Anwendung des Differentialschutzes sindnahezu unveraumlndert da die digitale Schutztechnik bereits beim Erscheinen derersten Auflage (2005) einen weitgehend ausgereiften Stand erreicht hatte undmehr als zehn Jahre Betriebserfahrung vorlagen Die Hersteller konzentrierten dieWeiterentwicklung in den letzten Jahren auf die Steigerung der Performance vonHard- und Software und die Nutzung der modernen KommunikationstechnikenDie Schutzrelais sind inzwischen intelligente multifunktionale Geraumlte (IEDs) miteiner Reihe von seriellen Schnittstellen fuumlr die lokale und ferne KommunikationMit den integrierten Mess- und Steuerfunktionen werden sie als Abzweiggeraumlte fuumlrStationsleitsysteme eingesetzt

In dieser 2 Auflage des Buchs wird der derzeitige Stand der Geraumlte- und System-technik am Beispiel der neuen Siemens Geraumltereihe SIPROTEC 5 beschriebenEbenfalls wurden alle technischen Daten Kennlinien und Abbildungen aktuali-siert Die digitale Kommunikation wird ausfuumlhrlich behandelt insbesondere dieNutzung moderner Datenuumlbertragungsnetze fuumlr den Leitungsdifferentialschutz

Die Neuauflage bot auch Gelegenheit kleinere Korrekturen vorzunehmen und dieumfangreichen Referenzen zu aktualisieren Fuumlr die dazu eingegangenen Hin-weise und Anregungen der Leser bedanken wir uns herzlich

Autor und Herausgeber hoffen dass dieses Arbeitsbuch und Nachschlagewerkauch weiterhin mit Interesse aufgenommen und genutzt wird

Nuumlrnberg November 2012 Gerhard Ziegler

7

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 10

11 Schutzprinzip 10

12 Digitaler Differentialschutz 11

2 Definitionen 12

3 Wirkungsweise 16

31 Einfuumlhrung 16

32 Grundprinzipien 18

321 Strom-Differentialschutz 18

322 Stabilisierter Differentialschutz 21

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern 25

324 Ansprechkennlinien 28

33 Messschaltungen fuumlr Drehstromsysteme 33

331 Messung pro Phase 34

332 Mischstrom-Ausfuumlhrung 35

34 Hochimpedanzdifferentialschutz 41

35 Partieller Differentialschutz 48

4 Messtechnik 50

41 Klassische (analoge) Verfahren 50

42 Digitale Messverfahren 53

421 Messwerterfassung 53

422 Differentialschutz mit Momentanwertvergleich 55

423 Differentialschutz mit Zeigergroumlszligen 58

424 Zusatzstabilisierung bei Wandlersaumlttigung 65

5 Stromwandler 68

51 Ersatzschaltung des Stromwandlers 68

52 Normen fuumlr stationaumlres Verhalten der Stromwandler 71

53 Transientes Verhalten der Stromwandler 76

54 TP Stromwandlerklassen 80

55 Polaritaumlt der Stromwandler 83

56 Fehler der Stromwandler 84

57 Auslegung der Stromwandler 87

58 Stromzwischenwandler 98

Inhaltsverzeichnis

8

6 Signaluumlbertragung 117

61 Uumlbertragungskanaumlle 117

611 Hilfsadern 117

612 Lichtwellenleiter 127

613 Richtfunk 133

62 Digitale Schutzkommunikation 134

63 Digitale Kommunikationsnetze 143

7 Maschinen-Differentialschutz 151

71 Generator-Differentialschutz 152

72 Motor-Differentialschutz 168

8 Transformator-Differentialschutz 170

81 Physikalische Grundlagen 170

82 Digitale Messwertverarbeitung 177

83 Hoch-Impedanz-Differentialschutz 189

84 Geraumlte fuumlr Transformator-Differentialschutz 192

85 Anwendungsbeispiele fuumlr der Transformatorschutz 193

9 Leitungsdifferentialschutz 205

91 Dreiadern-Differentialschutz 205

92 Zweiadern-Differentialschutz 207

93 Leitungs-Differentialschutz mit digitaler Kommunikation 217

931 Geraumlte und Systemkonfiguration 218

932 Messtechnik 219

933 Signalkonverter fuumlr die Kommunikation 224

934 Zusatzfunktionen und Anwendungshinweise 226

94 Phasenvergleichschutz mit digitaler Kommunikation 229

95 Differentialschutz von Leitungen mit Transformatoren 234

951 Schutz von Transformatorleitungen 234

952 Differentialschutz fuumlr angezapfte Leitungen 235

10 Sammelschienen-Differentialschutz 239

101 Sammelschienen-Differentialschutz mit niederohmigem Messsystem 241

1011 Teil-digitaler Sammelschienendifferentialschutz 7SS600 243

1012 Voll-digitaler Sammelschienenschutz 7SS52 247

102 Verhalten des digitalen Sammelschienenschutzes bei Wandlersaumlttigung und Anforderungen an die Stromwandler 255

103 Hochimpedanz-Sammelschienenschutz 263

Inhaltsverzeichnis

9

11 Geraumlteausfuumlhrung 266

12 Inbetriebsetzung und Wartung 273

121 Inbetriebsetzung 273

122 Wartung 275

Literaturverzeichnis 276

Anhang 284

Stichwortverzeichnis 285

10

1 Einleitung

Der Differentialschutz wurde bereits Ende des 19 Jahrhunderts angewendet alseine der ersten Schutzeinrichtungen uumlberhaupt

Die Fehlererkennung erfolgt durch Vergleich der Stroumlme die in das Schutzobjekthinein- und herausflieszligen Auf Grund der kurzen Ausloumlsezeit bei absoluter Selekti-vitaumlt eignet er sich als Hauptschutz fuumlr alle wichtigen elektrischen Betriebsmittelndas heiszligt Generatoren Transformatoren Sammelschienen sowie Kabel und Lei-tungen

Der Schutzbereich ist durch die Einbauorte der Stromwandler eindeutig begrenzt

Als Reserveschutz fuumlr externe Fehler muss deshalb immer ein zusaumltzlicherZeitstaffelschutz (Uumlberstromzeitschutz oder Distanzschutz) vorgesehen werden1

11 Schutzprinzip

Der Differentialschutz bildet die Summe aller zu- und abflieszligenden Stroumlme einesSchutzbereiches Abgesehen von Magnetisierungsstroumlmen oder kapazitivenLadestroumlmen muss diese Stromsumme im fehlerfreien Zustand des SchutzobjektsNull sein (Kirchhoffrsquosches Gesetz) Ein innerer Fehler kann damit durch Auftreteneines Differenzstromes erkannt werden Zur Sicherheit gegen Fehlansprechen beiWandlerfehlern wird der Ansprechwert des Schutzes mit zunehmendemGesamtstrom proportional angehoben (Stabilisierter Differentialschutz) Damitpasst sich die Fehlerempfindlichkeit des Schutzes automatisch an die gegebenenKurzschlussverhaumlltnisse an

Der Differentialschutz laumlsst sich besonders einfach realisieren bei raumlumlichbegrenzten Schutzobjekten (Generatoren Transformatoren Sammelschienen)wo die Wandler fuumlr die Stromerfassung nahe beieinander liegen Das Schutzgeraumltkann in diesem Fall direkt uumlber Steuerkabel an die Wandler angeschlossen werden

Bei Kabeln und Freileitungen muumlssen die Strommesswerte fuumlr den Vergleich uumlbergroumlszligere Entfernungen zum jeweiligen Gegenende uumlbertragen werden Mit Hilfsa-dernverbindungen (speziellen Schutzkabeln) koumlnnen dabei Entfernungen bis etwa25 km uumlberbruumlckt werden Bei modernen Relais mit digitaler Infomationsuumlbertra-

1 Bei digitalen Geraumlten ist der Reserveschutz meist in einfacher Form integriert so dass im Verteilungsnetz auf ein getrenntes Geraumlt verzichtet werden kann Ein Zweitschutz fuumlr Fehler auf der eigenen Leitung muss aus Gruumlnden der Hardware-Redundanz jedoch immer in einem getrennten Geraumlt aufgebaut sein Dies ist vor allem im Uumlbertragungsnetz der Fall

12 Digitaler Differentialschutz

11

gung uumlber Lichtwellenleiter oder Datennetze kann der Differentialschutz nun auchfuumlr lange Freileitungsstrecken uumlber 100 km eingesetzt werden

Eine besondere Variante des Differentialschutzes ist der Hochimpedanz-Differenti-alschutz (englisch high impedance differential protection) Er ist an das nichtline-are Uumlbertragungsverhalten der Stromwandler angepasst und erreicht die Stabilitaumltgegen Wandlersaumlttigung durch einen hohen Vorwiderstand am Differentialrelais

Der Hochimpedanz-Differentialschutz ist im angelsaumlchsischen Raum weit verbrei-tet auf Grund seines einfachen Aufbaus Er ist geeignet zum Schutz von galvanischdurch verbundenen Einheiten wie Sammelschienen Generatoren Motoren Kom-pensationsspulen und Spartransformatoren nicht jedoch fuumlr normale Volltrans-formatoren mit getrennten Wicklungen Ein Nachteil ist dass die Stromwandleralle gleich ausgefuumlhrt sein muumlssen

12 Digitaler Differentialschutz

Ende der 80er Jahre wurde die digitale Technik beim Schutz eingefuumlhrt [1-1]

Sie bietet eine Reihe von allgemeinen Vorteilen

ndash Die modernen Relais sind multifunktional und koumlnnen damit neben den Schutzfunktionen auch andere Aufgaben uumlbernehmen wie Betriebsmessung und Stoumlrschreibung

ndash Die integrierte Selbstuumlberwachung ermoumlglicht eine ereignisorientierte Feh-lerbehebung anstelle der aufwendigen vorbeugenden Wartung

ndash Die Geraumlte koumlnnen mit dem PC uumlber serielle Schnittstellen nah- und fernbe-dient werden

ndash Die integrierten Messfunktionen zeigen alle wichtigen Groumlszligen an Externe Messgeraumlte sind deshalb bei der Inbetriebnahme und Pruumlfung nur noch in Ausnahmefaumlllen erforderlich

Fuumlr den Differentialschutz ergeben sich noch besonderen Vorteile

ndash Die digitale Messtechnik ermoumlglicht erheblich verbesserte Filter fuumlr die Ein-schalt-(Rush)-Stabilisierung und intelligente Messalgorithmen fuumlr die Zusatz-stabilisierung bei Wandlersaumlttigung

ndash Zur Anpassung an unterschiedliche Wandleruumlbersetzungen oder die Schalt-gruppen von Transformatoren waren in konventioneller Technik Stromzwi-schenwandler erforderlich Bei digitalen Relais erfolgt die Anpassung intern rechnerisch

ndash Die phasengetrennte Messung kann mit vertretbarem Aufwand realisiert wer-den und ermoumlglicht so gleiche Ansprechempfindlichkeit bei allen Fehlerarten und Ansprechsicherheit bei Mehrfachfehlern

ndash Signalverbindungen sind in die laufende Selbstuumlberwachung eingeschlossen

ndash Beim Sammelschienenschutz konnte der Aufwand erheblich reduziert wer-den durch dezentralen Aufbau Kommunikation uumlber LWL und PC basierte Konfiguration

12

2 Definitionen

In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet

Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Woumlrter-buchs IEV Kapitel 448 bdquoEnergienetz - Selektivschutzldquo uumlbereinstimmen ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben

Selektivschutz

Gesamtheit der Maszlignahmen zum Erfassen von Netzfehlern oder anormalenBetriebszustaumlnden in einem Energienetz die die Fehlerbeseitigung die Beendi-gung der anormalen Zustaumlnde und die Signalisierung oder Anzeige bewirken[448-11-01]

Schutzrelais

Messrelais das entweder einzeln oder in Verbindung mit anderen Relais Bestand-teil einer Schutzeinrichtung ist [448-11-02]

Schutzeinrichtung

Einrichtung die ein oder mehrere Schutzrelais sowie sofern erforderlich Logik-bausteine enthaumllt um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zu erfuumll-len [448-11-03]

Schutzsystem

Anordnung aus einer oder mehreren Schutzeinrichtungen sowie weiteren Gerauml-ten die vorgesehen sind um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zuerfuumlllen [448-11-04]

Anmerkung Zum Schutzsystem gehoumlren auch Messwandler Verdrahtung Aus-schaltstromkreise sowie falls vorgesehen Informationssysteme Nicht enthaltensind Leistungsschalter

Digitaler Schutz

Schutz in Mikroprozessortechnik mit analog zu digitaler Umsetzung der Mess-werte (Stroumlme und Spannungen) und rechnerischer (numerischer) Verarbeitung

Teilweise ist dafuumlr auch der Begriff bdquoNumerischer Schutzldquo in Gebrauch1

1 Im Englischen wurde der Begriff bdquonumerical relayldquo haumlufig fuumlr ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet Der Begriff bdquodigital relayldquo bezeichnete dann den Vorlaumlufertyp mit analog statischer Mess-wertanpassung und digitaler Auswertung auf Basis von Mikroprozessoren Inzwischen wird jedoch allgemein der Begriff digitaler Schutz (bdquodigital relayldquo) verwendet

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 5: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

5

Vorwort zur ersten Auflage

Der Differentialschutz ist ein schneller absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen Transformatoren Sammelschienen undLeitungen in allen Spannungsebenen eingesetzt

In digitaler Technik wurden erhebliche Fortschritte erzielt die dieses Messprinzipnoch attraktiver fuumlr den Anwender machen Dazu gehoumlren vor allem die integ-rierte Wandleranpassung und die hohe Toleranz gegen Wandlersaumlttigung Die Nut-zung der digitalen Datenuumlbertragung uumlber beeinflussungsfreie Lichtwellenleitermacht den Schutz von Kabeln und Leitungen in Stadt- und Industrienetzen erheb-lich einfacher und sicherer In den Freileitungsnetzen der Elektrizitaumltsversorgungwerden im zunehmenden Maszlige digitale Kommunikationsnetze fuumlr die Schutzda-tenuumlbertragung genutzt Damit kann der Differentialschutz nun auch fuumlr laumlngereLeitungen bis weit uumlber 100 km und komplexe Netzanordnungen mit mehrerenLeitungsenden eingesetzt werden

Das vorliegende Buch vermittelt zunaumlchst die allgemeinen Grundlagen desDifferentialschutzes in analoger und digitaler Technik Dabei werden die ThemenStromwandler Signaluumlbertragung und digitale Kommunikation ausfuumlhrlichberuumlcksichtigt Darauf aufbauend werden dann die verschiedenen Arten des Diffe-rentialschutzes und die Anwendung in der Praxis behandelt Dies geschiehtanhand der Geraumltereihe SIPROTEC der Firma Siemens Im Grundsatz gelten dieAusfuumlhrungen jedoch auch fuumlr die Geraumlte anderer Hersteller Zum besseren Ver-staumlndnis werden zu jedem Thema praktische Beispiele gerechnet

Das Buch wendet sich an Studenten und Jungingenieure die sich in das Thema Dif-ferentialschutz einarbeiten wollen aber auch an praxiserfahrene Anwender dieden Einstieg in die digitale Technik des Differentialschutzes suchen Es kann auchals Nachschlagewerk fuumlr spezielle Anwendungsfragen benutzt werden

Nuumlrnberg April 2004 Gerhard Ziegler

6

Vorwort zur zweiten Auflage

Die positive Resonanz auf die erste Auflage des Fachbuchs hat Autor und Verlagbewogen diese aktualisierte Auflage zu publizieren

Die Kapitel uumlber Wirkungsweise und Anwendung des Differentialschutzes sindnahezu unveraumlndert da die digitale Schutztechnik bereits beim Erscheinen derersten Auflage (2005) einen weitgehend ausgereiften Stand erreicht hatte undmehr als zehn Jahre Betriebserfahrung vorlagen Die Hersteller konzentrierten dieWeiterentwicklung in den letzten Jahren auf die Steigerung der Performance vonHard- und Software und die Nutzung der modernen KommunikationstechnikenDie Schutzrelais sind inzwischen intelligente multifunktionale Geraumlte (IEDs) miteiner Reihe von seriellen Schnittstellen fuumlr die lokale und ferne KommunikationMit den integrierten Mess- und Steuerfunktionen werden sie als Abzweiggeraumlte fuumlrStationsleitsysteme eingesetzt

In dieser 2 Auflage des Buchs wird der derzeitige Stand der Geraumlte- und System-technik am Beispiel der neuen Siemens Geraumltereihe SIPROTEC 5 beschriebenEbenfalls wurden alle technischen Daten Kennlinien und Abbildungen aktuali-siert Die digitale Kommunikation wird ausfuumlhrlich behandelt insbesondere dieNutzung moderner Datenuumlbertragungsnetze fuumlr den Leitungsdifferentialschutz

Die Neuauflage bot auch Gelegenheit kleinere Korrekturen vorzunehmen und dieumfangreichen Referenzen zu aktualisieren Fuumlr die dazu eingegangenen Hin-weise und Anregungen der Leser bedanken wir uns herzlich

Autor und Herausgeber hoffen dass dieses Arbeitsbuch und Nachschlagewerkauch weiterhin mit Interesse aufgenommen und genutzt wird

Nuumlrnberg November 2012 Gerhard Ziegler

7

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 10

11 Schutzprinzip 10

12 Digitaler Differentialschutz 11

2 Definitionen 12

3 Wirkungsweise 16

31 Einfuumlhrung 16

32 Grundprinzipien 18

321 Strom-Differentialschutz 18

322 Stabilisierter Differentialschutz 21

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern 25

324 Ansprechkennlinien 28

33 Messschaltungen fuumlr Drehstromsysteme 33

331 Messung pro Phase 34

332 Mischstrom-Ausfuumlhrung 35

34 Hochimpedanzdifferentialschutz 41

35 Partieller Differentialschutz 48

4 Messtechnik 50

41 Klassische (analoge) Verfahren 50

42 Digitale Messverfahren 53

421 Messwerterfassung 53

422 Differentialschutz mit Momentanwertvergleich 55

423 Differentialschutz mit Zeigergroumlszligen 58

424 Zusatzstabilisierung bei Wandlersaumlttigung 65

5 Stromwandler 68

51 Ersatzschaltung des Stromwandlers 68

52 Normen fuumlr stationaumlres Verhalten der Stromwandler 71

53 Transientes Verhalten der Stromwandler 76

54 TP Stromwandlerklassen 80

55 Polaritaumlt der Stromwandler 83

56 Fehler der Stromwandler 84

57 Auslegung der Stromwandler 87

58 Stromzwischenwandler 98

Inhaltsverzeichnis

8

6 Signaluumlbertragung 117

61 Uumlbertragungskanaumlle 117

611 Hilfsadern 117

612 Lichtwellenleiter 127

613 Richtfunk 133

62 Digitale Schutzkommunikation 134

63 Digitale Kommunikationsnetze 143

7 Maschinen-Differentialschutz 151

71 Generator-Differentialschutz 152

72 Motor-Differentialschutz 168

8 Transformator-Differentialschutz 170

81 Physikalische Grundlagen 170

82 Digitale Messwertverarbeitung 177

83 Hoch-Impedanz-Differentialschutz 189

84 Geraumlte fuumlr Transformator-Differentialschutz 192

85 Anwendungsbeispiele fuumlr der Transformatorschutz 193

9 Leitungsdifferentialschutz 205

91 Dreiadern-Differentialschutz 205

92 Zweiadern-Differentialschutz 207

93 Leitungs-Differentialschutz mit digitaler Kommunikation 217

931 Geraumlte und Systemkonfiguration 218

932 Messtechnik 219

933 Signalkonverter fuumlr die Kommunikation 224

934 Zusatzfunktionen und Anwendungshinweise 226

94 Phasenvergleichschutz mit digitaler Kommunikation 229

95 Differentialschutz von Leitungen mit Transformatoren 234

951 Schutz von Transformatorleitungen 234

952 Differentialschutz fuumlr angezapfte Leitungen 235

10 Sammelschienen-Differentialschutz 239

101 Sammelschienen-Differentialschutz mit niederohmigem Messsystem 241

1011 Teil-digitaler Sammelschienendifferentialschutz 7SS600 243

1012 Voll-digitaler Sammelschienenschutz 7SS52 247

102 Verhalten des digitalen Sammelschienenschutzes bei Wandlersaumlttigung und Anforderungen an die Stromwandler 255

103 Hochimpedanz-Sammelschienenschutz 263

Inhaltsverzeichnis

9

11 Geraumlteausfuumlhrung 266

12 Inbetriebsetzung und Wartung 273

121 Inbetriebsetzung 273

122 Wartung 275

Literaturverzeichnis 276

Anhang 284

Stichwortverzeichnis 285

10

1 Einleitung

Der Differentialschutz wurde bereits Ende des 19 Jahrhunderts angewendet alseine der ersten Schutzeinrichtungen uumlberhaupt

Die Fehlererkennung erfolgt durch Vergleich der Stroumlme die in das Schutzobjekthinein- und herausflieszligen Auf Grund der kurzen Ausloumlsezeit bei absoluter Selekti-vitaumlt eignet er sich als Hauptschutz fuumlr alle wichtigen elektrischen Betriebsmittelndas heiszligt Generatoren Transformatoren Sammelschienen sowie Kabel und Lei-tungen

Der Schutzbereich ist durch die Einbauorte der Stromwandler eindeutig begrenzt

Als Reserveschutz fuumlr externe Fehler muss deshalb immer ein zusaumltzlicherZeitstaffelschutz (Uumlberstromzeitschutz oder Distanzschutz) vorgesehen werden1

11 Schutzprinzip

Der Differentialschutz bildet die Summe aller zu- und abflieszligenden Stroumlme einesSchutzbereiches Abgesehen von Magnetisierungsstroumlmen oder kapazitivenLadestroumlmen muss diese Stromsumme im fehlerfreien Zustand des SchutzobjektsNull sein (Kirchhoffrsquosches Gesetz) Ein innerer Fehler kann damit durch Auftreteneines Differenzstromes erkannt werden Zur Sicherheit gegen Fehlansprechen beiWandlerfehlern wird der Ansprechwert des Schutzes mit zunehmendemGesamtstrom proportional angehoben (Stabilisierter Differentialschutz) Damitpasst sich die Fehlerempfindlichkeit des Schutzes automatisch an die gegebenenKurzschlussverhaumlltnisse an

Der Differentialschutz laumlsst sich besonders einfach realisieren bei raumlumlichbegrenzten Schutzobjekten (Generatoren Transformatoren Sammelschienen)wo die Wandler fuumlr die Stromerfassung nahe beieinander liegen Das Schutzgeraumltkann in diesem Fall direkt uumlber Steuerkabel an die Wandler angeschlossen werden

Bei Kabeln und Freileitungen muumlssen die Strommesswerte fuumlr den Vergleich uumlbergroumlszligere Entfernungen zum jeweiligen Gegenende uumlbertragen werden Mit Hilfsa-dernverbindungen (speziellen Schutzkabeln) koumlnnen dabei Entfernungen bis etwa25 km uumlberbruumlckt werden Bei modernen Relais mit digitaler Infomationsuumlbertra-

1 Bei digitalen Geraumlten ist der Reserveschutz meist in einfacher Form integriert so dass im Verteilungsnetz auf ein getrenntes Geraumlt verzichtet werden kann Ein Zweitschutz fuumlr Fehler auf der eigenen Leitung muss aus Gruumlnden der Hardware-Redundanz jedoch immer in einem getrennten Geraumlt aufgebaut sein Dies ist vor allem im Uumlbertragungsnetz der Fall

12 Digitaler Differentialschutz

11

gung uumlber Lichtwellenleiter oder Datennetze kann der Differentialschutz nun auchfuumlr lange Freileitungsstrecken uumlber 100 km eingesetzt werden

Eine besondere Variante des Differentialschutzes ist der Hochimpedanz-Differenti-alschutz (englisch high impedance differential protection) Er ist an das nichtline-are Uumlbertragungsverhalten der Stromwandler angepasst und erreicht die Stabilitaumltgegen Wandlersaumlttigung durch einen hohen Vorwiderstand am Differentialrelais

Der Hochimpedanz-Differentialschutz ist im angelsaumlchsischen Raum weit verbrei-tet auf Grund seines einfachen Aufbaus Er ist geeignet zum Schutz von galvanischdurch verbundenen Einheiten wie Sammelschienen Generatoren Motoren Kom-pensationsspulen und Spartransformatoren nicht jedoch fuumlr normale Volltrans-formatoren mit getrennten Wicklungen Ein Nachteil ist dass die Stromwandleralle gleich ausgefuumlhrt sein muumlssen

12 Digitaler Differentialschutz

Ende der 80er Jahre wurde die digitale Technik beim Schutz eingefuumlhrt [1-1]

Sie bietet eine Reihe von allgemeinen Vorteilen

ndash Die modernen Relais sind multifunktional und koumlnnen damit neben den Schutzfunktionen auch andere Aufgaben uumlbernehmen wie Betriebsmessung und Stoumlrschreibung

ndash Die integrierte Selbstuumlberwachung ermoumlglicht eine ereignisorientierte Feh-lerbehebung anstelle der aufwendigen vorbeugenden Wartung

ndash Die Geraumlte koumlnnen mit dem PC uumlber serielle Schnittstellen nah- und fernbe-dient werden

ndash Die integrierten Messfunktionen zeigen alle wichtigen Groumlszligen an Externe Messgeraumlte sind deshalb bei der Inbetriebnahme und Pruumlfung nur noch in Ausnahmefaumlllen erforderlich

Fuumlr den Differentialschutz ergeben sich noch besonderen Vorteile

ndash Die digitale Messtechnik ermoumlglicht erheblich verbesserte Filter fuumlr die Ein-schalt-(Rush)-Stabilisierung und intelligente Messalgorithmen fuumlr die Zusatz-stabilisierung bei Wandlersaumlttigung

ndash Zur Anpassung an unterschiedliche Wandleruumlbersetzungen oder die Schalt-gruppen von Transformatoren waren in konventioneller Technik Stromzwi-schenwandler erforderlich Bei digitalen Relais erfolgt die Anpassung intern rechnerisch

ndash Die phasengetrennte Messung kann mit vertretbarem Aufwand realisiert wer-den und ermoumlglicht so gleiche Ansprechempfindlichkeit bei allen Fehlerarten und Ansprechsicherheit bei Mehrfachfehlern

ndash Signalverbindungen sind in die laufende Selbstuumlberwachung eingeschlossen

ndash Beim Sammelschienenschutz konnte der Aufwand erheblich reduziert wer-den durch dezentralen Aufbau Kommunikation uumlber LWL und PC basierte Konfiguration

12

2 Definitionen

In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet

Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Woumlrter-buchs IEV Kapitel 448 bdquoEnergienetz - Selektivschutzldquo uumlbereinstimmen ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben

Selektivschutz

Gesamtheit der Maszlignahmen zum Erfassen von Netzfehlern oder anormalenBetriebszustaumlnden in einem Energienetz die die Fehlerbeseitigung die Beendi-gung der anormalen Zustaumlnde und die Signalisierung oder Anzeige bewirken[448-11-01]

Schutzrelais

Messrelais das entweder einzeln oder in Verbindung mit anderen Relais Bestand-teil einer Schutzeinrichtung ist [448-11-02]

Schutzeinrichtung

Einrichtung die ein oder mehrere Schutzrelais sowie sofern erforderlich Logik-bausteine enthaumllt um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zu erfuumll-len [448-11-03]

Schutzsystem

Anordnung aus einer oder mehreren Schutzeinrichtungen sowie weiteren Gerauml-ten die vorgesehen sind um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zuerfuumlllen [448-11-04]

Anmerkung Zum Schutzsystem gehoumlren auch Messwandler Verdrahtung Aus-schaltstromkreise sowie falls vorgesehen Informationssysteme Nicht enthaltensind Leistungsschalter

Digitaler Schutz

Schutz in Mikroprozessortechnik mit analog zu digitaler Umsetzung der Mess-werte (Stroumlme und Spannungen) und rechnerischer (numerischer) Verarbeitung

Teilweise ist dafuumlr auch der Begriff bdquoNumerischer Schutzldquo in Gebrauch1

1 Im Englischen wurde der Begriff bdquonumerical relayldquo haumlufig fuumlr ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet Der Begriff bdquodigital relayldquo bezeichnete dann den Vorlaumlufertyp mit analog statischer Mess-wertanpassung und digitaler Auswertung auf Basis von Mikroprozessoren Inzwischen wird jedoch allgemein der Begriff digitaler Schutz (bdquodigital relayldquo) verwendet

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 6: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

6

Vorwort zur zweiten Auflage

Die positive Resonanz auf die erste Auflage des Fachbuchs hat Autor und Verlagbewogen diese aktualisierte Auflage zu publizieren

Die Kapitel uumlber Wirkungsweise und Anwendung des Differentialschutzes sindnahezu unveraumlndert da die digitale Schutztechnik bereits beim Erscheinen derersten Auflage (2005) einen weitgehend ausgereiften Stand erreicht hatte undmehr als zehn Jahre Betriebserfahrung vorlagen Die Hersteller konzentrierten dieWeiterentwicklung in den letzten Jahren auf die Steigerung der Performance vonHard- und Software und die Nutzung der modernen KommunikationstechnikenDie Schutzrelais sind inzwischen intelligente multifunktionale Geraumlte (IEDs) miteiner Reihe von seriellen Schnittstellen fuumlr die lokale und ferne KommunikationMit den integrierten Mess- und Steuerfunktionen werden sie als Abzweiggeraumlte fuumlrStationsleitsysteme eingesetzt

In dieser 2 Auflage des Buchs wird der derzeitige Stand der Geraumlte- und System-technik am Beispiel der neuen Siemens Geraumltereihe SIPROTEC 5 beschriebenEbenfalls wurden alle technischen Daten Kennlinien und Abbildungen aktuali-siert Die digitale Kommunikation wird ausfuumlhrlich behandelt insbesondere dieNutzung moderner Datenuumlbertragungsnetze fuumlr den Leitungsdifferentialschutz

Die Neuauflage bot auch Gelegenheit kleinere Korrekturen vorzunehmen und dieumfangreichen Referenzen zu aktualisieren Fuumlr die dazu eingegangenen Hin-weise und Anregungen der Leser bedanken wir uns herzlich

Autor und Herausgeber hoffen dass dieses Arbeitsbuch und Nachschlagewerkauch weiterhin mit Interesse aufgenommen und genutzt wird

Nuumlrnberg November 2012 Gerhard Ziegler

7

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 10

11 Schutzprinzip 10

12 Digitaler Differentialschutz 11

2 Definitionen 12

3 Wirkungsweise 16

31 Einfuumlhrung 16

32 Grundprinzipien 18

321 Strom-Differentialschutz 18

322 Stabilisierter Differentialschutz 21

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern 25

324 Ansprechkennlinien 28

33 Messschaltungen fuumlr Drehstromsysteme 33

331 Messung pro Phase 34

332 Mischstrom-Ausfuumlhrung 35

34 Hochimpedanzdifferentialschutz 41

35 Partieller Differentialschutz 48

4 Messtechnik 50

41 Klassische (analoge) Verfahren 50

42 Digitale Messverfahren 53

421 Messwerterfassung 53

422 Differentialschutz mit Momentanwertvergleich 55

423 Differentialschutz mit Zeigergroumlszligen 58

424 Zusatzstabilisierung bei Wandlersaumlttigung 65

5 Stromwandler 68

51 Ersatzschaltung des Stromwandlers 68

52 Normen fuumlr stationaumlres Verhalten der Stromwandler 71

53 Transientes Verhalten der Stromwandler 76

54 TP Stromwandlerklassen 80

55 Polaritaumlt der Stromwandler 83

56 Fehler der Stromwandler 84

57 Auslegung der Stromwandler 87

58 Stromzwischenwandler 98

Inhaltsverzeichnis

8

6 Signaluumlbertragung 117

61 Uumlbertragungskanaumlle 117

611 Hilfsadern 117

612 Lichtwellenleiter 127

613 Richtfunk 133

62 Digitale Schutzkommunikation 134

63 Digitale Kommunikationsnetze 143

7 Maschinen-Differentialschutz 151

71 Generator-Differentialschutz 152

72 Motor-Differentialschutz 168

8 Transformator-Differentialschutz 170

81 Physikalische Grundlagen 170

82 Digitale Messwertverarbeitung 177

83 Hoch-Impedanz-Differentialschutz 189

84 Geraumlte fuumlr Transformator-Differentialschutz 192

85 Anwendungsbeispiele fuumlr der Transformatorschutz 193

9 Leitungsdifferentialschutz 205

91 Dreiadern-Differentialschutz 205

92 Zweiadern-Differentialschutz 207

93 Leitungs-Differentialschutz mit digitaler Kommunikation 217

931 Geraumlte und Systemkonfiguration 218

932 Messtechnik 219

933 Signalkonverter fuumlr die Kommunikation 224

934 Zusatzfunktionen und Anwendungshinweise 226

94 Phasenvergleichschutz mit digitaler Kommunikation 229

95 Differentialschutz von Leitungen mit Transformatoren 234

951 Schutz von Transformatorleitungen 234

952 Differentialschutz fuumlr angezapfte Leitungen 235

10 Sammelschienen-Differentialschutz 239

101 Sammelschienen-Differentialschutz mit niederohmigem Messsystem 241

1011 Teil-digitaler Sammelschienendifferentialschutz 7SS600 243

1012 Voll-digitaler Sammelschienenschutz 7SS52 247

102 Verhalten des digitalen Sammelschienenschutzes bei Wandlersaumlttigung und Anforderungen an die Stromwandler 255

103 Hochimpedanz-Sammelschienenschutz 263

Inhaltsverzeichnis

9

11 Geraumlteausfuumlhrung 266

12 Inbetriebsetzung und Wartung 273

121 Inbetriebsetzung 273

122 Wartung 275

Literaturverzeichnis 276

Anhang 284

Stichwortverzeichnis 285

10

1 Einleitung

Der Differentialschutz wurde bereits Ende des 19 Jahrhunderts angewendet alseine der ersten Schutzeinrichtungen uumlberhaupt

Die Fehlererkennung erfolgt durch Vergleich der Stroumlme die in das Schutzobjekthinein- und herausflieszligen Auf Grund der kurzen Ausloumlsezeit bei absoluter Selekti-vitaumlt eignet er sich als Hauptschutz fuumlr alle wichtigen elektrischen Betriebsmittelndas heiszligt Generatoren Transformatoren Sammelschienen sowie Kabel und Lei-tungen

Der Schutzbereich ist durch die Einbauorte der Stromwandler eindeutig begrenzt

Als Reserveschutz fuumlr externe Fehler muss deshalb immer ein zusaumltzlicherZeitstaffelschutz (Uumlberstromzeitschutz oder Distanzschutz) vorgesehen werden1

11 Schutzprinzip

Der Differentialschutz bildet die Summe aller zu- und abflieszligenden Stroumlme einesSchutzbereiches Abgesehen von Magnetisierungsstroumlmen oder kapazitivenLadestroumlmen muss diese Stromsumme im fehlerfreien Zustand des SchutzobjektsNull sein (Kirchhoffrsquosches Gesetz) Ein innerer Fehler kann damit durch Auftreteneines Differenzstromes erkannt werden Zur Sicherheit gegen Fehlansprechen beiWandlerfehlern wird der Ansprechwert des Schutzes mit zunehmendemGesamtstrom proportional angehoben (Stabilisierter Differentialschutz) Damitpasst sich die Fehlerempfindlichkeit des Schutzes automatisch an die gegebenenKurzschlussverhaumlltnisse an

Der Differentialschutz laumlsst sich besonders einfach realisieren bei raumlumlichbegrenzten Schutzobjekten (Generatoren Transformatoren Sammelschienen)wo die Wandler fuumlr die Stromerfassung nahe beieinander liegen Das Schutzgeraumltkann in diesem Fall direkt uumlber Steuerkabel an die Wandler angeschlossen werden

Bei Kabeln und Freileitungen muumlssen die Strommesswerte fuumlr den Vergleich uumlbergroumlszligere Entfernungen zum jeweiligen Gegenende uumlbertragen werden Mit Hilfsa-dernverbindungen (speziellen Schutzkabeln) koumlnnen dabei Entfernungen bis etwa25 km uumlberbruumlckt werden Bei modernen Relais mit digitaler Infomationsuumlbertra-

1 Bei digitalen Geraumlten ist der Reserveschutz meist in einfacher Form integriert so dass im Verteilungsnetz auf ein getrenntes Geraumlt verzichtet werden kann Ein Zweitschutz fuumlr Fehler auf der eigenen Leitung muss aus Gruumlnden der Hardware-Redundanz jedoch immer in einem getrennten Geraumlt aufgebaut sein Dies ist vor allem im Uumlbertragungsnetz der Fall

12 Digitaler Differentialschutz

11

gung uumlber Lichtwellenleiter oder Datennetze kann der Differentialschutz nun auchfuumlr lange Freileitungsstrecken uumlber 100 km eingesetzt werden

Eine besondere Variante des Differentialschutzes ist der Hochimpedanz-Differenti-alschutz (englisch high impedance differential protection) Er ist an das nichtline-are Uumlbertragungsverhalten der Stromwandler angepasst und erreicht die Stabilitaumltgegen Wandlersaumlttigung durch einen hohen Vorwiderstand am Differentialrelais

Der Hochimpedanz-Differentialschutz ist im angelsaumlchsischen Raum weit verbrei-tet auf Grund seines einfachen Aufbaus Er ist geeignet zum Schutz von galvanischdurch verbundenen Einheiten wie Sammelschienen Generatoren Motoren Kom-pensationsspulen und Spartransformatoren nicht jedoch fuumlr normale Volltrans-formatoren mit getrennten Wicklungen Ein Nachteil ist dass die Stromwandleralle gleich ausgefuumlhrt sein muumlssen

12 Digitaler Differentialschutz

Ende der 80er Jahre wurde die digitale Technik beim Schutz eingefuumlhrt [1-1]

Sie bietet eine Reihe von allgemeinen Vorteilen

ndash Die modernen Relais sind multifunktional und koumlnnen damit neben den Schutzfunktionen auch andere Aufgaben uumlbernehmen wie Betriebsmessung und Stoumlrschreibung

ndash Die integrierte Selbstuumlberwachung ermoumlglicht eine ereignisorientierte Feh-lerbehebung anstelle der aufwendigen vorbeugenden Wartung

ndash Die Geraumlte koumlnnen mit dem PC uumlber serielle Schnittstellen nah- und fernbe-dient werden

ndash Die integrierten Messfunktionen zeigen alle wichtigen Groumlszligen an Externe Messgeraumlte sind deshalb bei der Inbetriebnahme und Pruumlfung nur noch in Ausnahmefaumlllen erforderlich

Fuumlr den Differentialschutz ergeben sich noch besonderen Vorteile

ndash Die digitale Messtechnik ermoumlglicht erheblich verbesserte Filter fuumlr die Ein-schalt-(Rush)-Stabilisierung und intelligente Messalgorithmen fuumlr die Zusatz-stabilisierung bei Wandlersaumlttigung

ndash Zur Anpassung an unterschiedliche Wandleruumlbersetzungen oder die Schalt-gruppen von Transformatoren waren in konventioneller Technik Stromzwi-schenwandler erforderlich Bei digitalen Relais erfolgt die Anpassung intern rechnerisch

ndash Die phasengetrennte Messung kann mit vertretbarem Aufwand realisiert wer-den und ermoumlglicht so gleiche Ansprechempfindlichkeit bei allen Fehlerarten und Ansprechsicherheit bei Mehrfachfehlern

ndash Signalverbindungen sind in die laufende Selbstuumlberwachung eingeschlossen

ndash Beim Sammelschienenschutz konnte der Aufwand erheblich reduziert wer-den durch dezentralen Aufbau Kommunikation uumlber LWL und PC basierte Konfiguration

12

2 Definitionen

In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet

Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Woumlrter-buchs IEV Kapitel 448 bdquoEnergienetz - Selektivschutzldquo uumlbereinstimmen ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben

Selektivschutz

Gesamtheit der Maszlignahmen zum Erfassen von Netzfehlern oder anormalenBetriebszustaumlnden in einem Energienetz die die Fehlerbeseitigung die Beendi-gung der anormalen Zustaumlnde und die Signalisierung oder Anzeige bewirken[448-11-01]

Schutzrelais

Messrelais das entweder einzeln oder in Verbindung mit anderen Relais Bestand-teil einer Schutzeinrichtung ist [448-11-02]

Schutzeinrichtung

Einrichtung die ein oder mehrere Schutzrelais sowie sofern erforderlich Logik-bausteine enthaumllt um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zu erfuumll-len [448-11-03]

Schutzsystem

Anordnung aus einer oder mehreren Schutzeinrichtungen sowie weiteren Gerauml-ten die vorgesehen sind um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zuerfuumlllen [448-11-04]

Anmerkung Zum Schutzsystem gehoumlren auch Messwandler Verdrahtung Aus-schaltstromkreise sowie falls vorgesehen Informationssysteme Nicht enthaltensind Leistungsschalter

Digitaler Schutz

Schutz in Mikroprozessortechnik mit analog zu digitaler Umsetzung der Mess-werte (Stroumlme und Spannungen) und rechnerischer (numerischer) Verarbeitung

Teilweise ist dafuumlr auch der Begriff bdquoNumerischer Schutzldquo in Gebrauch1

1 Im Englischen wurde der Begriff bdquonumerical relayldquo haumlufig fuumlr ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet Der Begriff bdquodigital relayldquo bezeichnete dann den Vorlaumlufertyp mit analog statischer Mess-wertanpassung und digitaler Auswertung auf Basis von Mikroprozessoren Inzwischen wird jedoch allgemein der Begriff digitaler Schutz (bdquodigital relayldquo) verwendet

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 7: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

7

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 10

11 Schutzprinzip 10

12 Digitaler Differentialschutz 11

2 Definitionen 12

3 Wirkungsweise 16

31 Einfuumlhrung 16

32 Grundprinzipien 18

321 Strom-Differentialschutz 18

322 Stabilisierter Differentialschutz 21

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern 25

324 Ansprechkennlinien 28

33 Messschaltungen fuumlr Drehstromsysteme 33

331 Messung pro Phase 34

332 Mischstrom-Ausfuumlhrung 35

34 Hochimpedanzdifferentialschutz 41

35 Partieller Differentialschutz 48

4 Messtechnik 50

41 Klassische (analoge) Verfahren 50

42 Digitale Messverfahren 53

421 Messwerterfassung 53

422 Differentialschutz mit Momentanwertvergleich 55

423 Differentialschutz mit Zeigergroumlszligen 58

424 Zusatzstabilisierung bei Wandlersaumlttigung 65

5 Stromwandler 68

51 Ersatzschaltung des Stromwandlers 68

52 Normen fuumlr stationaumlres Verhalten der Stromwandler 71

53 Transientes Verhalten der Stromwandler 76

54 TP Stromwandlerklassen 80

55 Polaritaumlt der Stromwandler 83

56 Fehler der Stromwandler 84

57 Auslegung der Stromwandler 87

58 Stromzwischenwandler 98

Inhaltsverzeichnis

8

6 Signaluumlbertragung 117

61 Uumlbertragungskanaumlle 117

611 Hilfsadern 117

612 Lichtwellenleiter 127

613 Richtfunk 133

62 Digitale Schutzkommunikation 134

63 Digitale Kommunikationsnetze 143

7 Maschinen-Differentialschutz 151

71 Generator-Differentialschutz 152

72 Motor-Differentialschutz 168

8 Transformator-Differentialschutz 170

81 Physikalische Grundlagen 170

82 Digitale Messwertverarbeitung 177

83 Hoch-Impedanz-Differentialschutz 189

84 Geraumlte fuumlr Transformator-Differentialschutz 192

85 Anwendungsbeispiele fuumlr der Transformatorschutz 193

9 Leitungsdifferentialschutz 205

91 Dreiadern-Differentialschutz 205

92 Zweiadern-Differentialschutz 207

93 Leitungs-Differentialschutz mit digitaler Kommunikation 217

931 Geraumlte und Systemkonfiguration 218

932 Messtechnik 219

933 Signalkonverter fuumlr die Kommunikation 224

934 Zusatzfunktionen und Anwendungshinweise 226

94 Phasenvergleichschutz mit digitaler Kommunikation 229

95 Differentialschutz von Leitungen mit Transformatoren 234

951 Schutz von Transformatorleitungen 234

952 Differentialschutz fuumlr angezapfte Leitungen 235

10 Sammelschienen-Differentialschutz 239

101 Sammelschienen-Differentialschutz mit niederohmigem Messsystem 241

1011 Teil-digitaler Sammelschienendifferentialschutz 7SS600 243

1012 Voll-digitaler Sammelschienenschutz 7SS52 247

102 Verhalten des digitalen Sammelschienenschutzes bei Wandlersaumlttigung und Anforderungen an die Stromwandler 255

103 Hochimpedanz-Sammelschienenschutz 263

Inhaltsverzeichnis

9

11 Geraumlteausfuumlhrung 266

12 Inbetriebsetzung und Wartung 273

121 Inbetriebsetzung 273

122 Wartung 275

Literaturverzeichnis 276

Anhang 284

Stichwortverzeichnis 285

10

1 Einleitung

Der Differentialschutz wurde bereits Ende des 19 Jahrhunderts angewendet alseine der ersten Schutzeinrichtungen uumlberhaupt

Die Fehlererkennung erfolgt durch Vergleich der Stroumlme die in das Schutzobjekthinein- und herausflieszligen Auf Grund der kurzen Ausloumlsezeit bei absoluter Selekti-vitaumlt eignet er sich als Hauptschutz fuumlr alle wichtigen elektrischen Betriebsmittelndas heiszligt Generatoren Transformatoren Sammelschienen sowie Kabel und Lei-tungen

Der Schutzbereich ist durch die Einbauorte der Stromwandler eindeutig begrenzt

Als Reserveschutz fuumlr externe Fehler muss deshalb immer ein zusaumltzlicherZeitstaffelschutz (Uumlberstromzeitschutz oder Distanzschutz) vorgesehen werden1

11 Schutzprinzip

Der Differentialschutz bildet die Summe aller zu- und abflieszligenden Stroumlme einesSchutzbereiches Abgesehen von Magnetisierungsstroumlmen oder kapazitivenLadestroumlmen muss diese Stromsumme im fehlerfreien Zustand des SchutzobjektsNull sein (Kirchhoffrsquosches Gesetz) Ein innerer Fehler kann damit durch Auftreteneines Differenzstromes erkannt werden Zur Sicherheit gegen Fehlansprechen beiWandlerfehlern wird der Ansprechwert des Schutzes mit zunehmendemGesamtstrom proportional angehoben (Stabilisierter Differentialschutz) Damitpasst sich die Fehlerempfindlichkeit des Schutzes automatisch an die gegebenenKurzschlussverhaumlltnisse an

Der Differentialschutz laumlsst sich besonders einfach realisieren bei raumlumlichbegrenzten Schutzobjekten (Generatoren Transformatoren Sammelschienen)wo die Wandler fuumlr die Stromerfassung nahe beieinander liegen Das Schutzgeraumltkann in diesem Fall direkt uumlber Steuerkabel an die Wandler angeschlossen werden

Bei Kabeln und Freileitungen muumlssen die Strommesswerte fuumlr den Vergleich uumlbergroumlszligere Entfernungen zum jeweiligen Gegenende uumlbertragen werden Mit Hilfsa-dernverbindungen (speziellen Schutzkabeln) koumlnnen dabei Entfernungen bis etwa25 km uumlberbruumlckt werden Bei modernen Relais mit digitaler Infomationsuumlbertra-

1 Bei digitalen Geraumlten ist der Reserveschutz meist in einfacher Form integriert so dass im Verteilungsnetz auf ein getrenntes Geraumlt verzichtet werden kann Ein Zweitschutz fuumlr Fehler auf der eigenen Leitung muss aus Gruumlnden der Hardware-Redundanz jedoch immer in einem getrennten Geraumlt aufgebaut sein Dies ist vor allem im Uumlbertragungsnetz der Fall

12 Digitaler Differentialschutz

11

gung uumlber Lichtwellenleiter oder Datennetze kann der Differentialschutz nun auchfuumlr lange Freileitungsstrecken uumlber 100 km eingesetzt werden

Eine besondere Variante des Differentialschutzes ist der Hochimpedanz-Differenti-alschutz (englisch high impedance differential protection) Er ist an das nichtline-are Uumlbertragungsverhalten der Stromwandler angepasst und erreicht die Stabilitaumltgegen Wandlersaumlttigung durch einen hohen Vorwiderstand am Differentialrelais

Der Hochimpedanz-Differentialschutz ist im angelsaumlchsischen Raum weit verbrei-tet auf Grund seines einfachen Aufbaus Er ist geeignet zum Schutz von galvanischdurch verbundenen Einheiten wie Sammelschienen Generatoren Motoren Kom-pensationsspulen und Spartransformatoren nicht jedoch fuumlr normale Volltrans-formatoren mit getrennten Wicklungen Ein Nachteil ist dass die Stromwandleralle gleich ausgefuumlhrt sein muumlssen

12 Digitaler Differentialschutz

Ende der 80er Jahre wurde die digitale Technik beim Schutz eingefuumlhrt [1-1]

Sie bietet eine Reihe von allgemeinen Vorteilen

ndash Die modernen Relais sind multifunktional und koumlnnen damit neben den Schutzfunktionen auch andere Aufgaben uumlbernehmen wie Betriebsmessung und Stoumlrschreibung

ndash Die integrierte Selbstuumlberwachung ermoumlglicht eine ereignisorientierte Feh-lerbehebung anstelle der aufwendigen vorbeugenden Wartung

ndash Die Geraumlte koumlnnen mit dem PC uumlber serielle Schnittstellen nah- und fernbe-dient werden

ndash Die integrierten Messfunktionen zeigen alle wichtigen Groumlszligen an Externe Messgeraumlte sind deshalb bei der Inbetriebnahme und Pruumlfung nur noch in Ausnahmefaumlllen erforderlich

Fuumlr den Differentialschutz ergeben sich noch besonderen Vorteile

ndash Die digitale Messtechnik ermoumlglicht erheblich verbesserte Filter fuumlr die Ein-schalt-(Rush)-Stabilisierung und intelligente Messalgorithmen fuumlr die Zusatz-stabilisierung bei Wandlersaumlttigung

ndash Zur Anpassung an unterschiedliche Wandleruumlbersetzungen oder die Schalt-gruppen von Transformatoren waren in konventioneller Technik Stromzwi-schenwandler erforderlich Bei digitalen Relais erfolgt die Anpassung intern rechnerisch

ndash Die phasengetrennte Messung kann mit vertretbarem Aufwand realisiert wer-den und ermoumlglicht so gleiche Ansprechempfindlichkeit bei allen Fehlerarten und Ansprechsicherheit bei Mehrfachfehlern

ndash Signalverbindungen sind in die laufende Selbstuumlberwachung eingeschlossen

ndash Beim Sammelschienenschutz konnte der Aufwand erheblich reduziert wer-den durch dezentralen Aufbau Kommunikation uumlber LWL und PC basierte Konfiguration

12

2 Definitionen

In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet

Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Woumlrter-buchs IEV Kapitel 448 bdquoEnergienetz - Selektivschutzldquo uumlbereinstimmen ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben

Selektivschutz

Gesamtheit der Maszlignahmen zum Erfassen von Netzfehlern oder anormalenBetriebszustaumlnden in einem Energienetz die die Fehlerbeseitigung die Beendi-gung der anormalen Zustaumlnde und die Signalisierung oder Anzeige bewirken[448-11-01]

Schutzrelais

Messrelais das entweder einzeln oder in Verbindung mit anderen Relais Bestand-teil einer Schutzeinrichtung ist [448-11-02]

Schutzeinrichtung

Einrichtung die ein oder mehrere Schutzrelais sowie sofern erforderlich Logik-bausteine enthaumllt um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zu erfuumll-len [448-11-03]

Schutzsystem

Anordnung aus einer oder mehreren Schutzeinrichtungen sowie weiteren Gerauml-ten die vorgesehen sind um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zuerfuumlllen [448-11-04]

Anmerkung Zum Schutzsystem gehoumlren auch Messwandler Verdrahtung Aus-schaltstromkreise sowie falls vorgesehen Informationssysteme Nicht enthaltensind Leistungsschalter

Digitaler Schutz

Schutz in Mikroprozessortechnik mit analog zu digitaler Umsetzung der Mess-werte (Stroumlme und Spannungen) und rechnerischer (numerischer) Verarbeitung

Teilweise ist dafuumlr auch der Begriff bdquoNumerischer Schutzldquo in Gebrauch1

1 Im Englischen wurde der Begriff bdquonumerical relayldquo haumlufig fuumlr ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet Der Begriff bdquodigital relayldquo bezeichnete dann den Vorlaumlufertyp mit analog statischer Mess-wertanpassung und digitaler Auswertung auf Basis von Mikroprozessoren Inzwischen wird jedoch allgemein der Begriff digitaler Schutz (bdquodigital relayldquo) verwendet

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 8: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

Inhaltsverzeichnis

8

6 Signaluumlbertragung 117

61 Uumlbertragungskanaumlle 117

611 Hilfsadern 117

612 Lichtwellenleiter 127

613 Richtfunk 133

62 Digitale Schutzkommunikation 134

63 Digitale Kommunikationsnetze 143

7 Maschinen-Differentialschutz 151

71 Generator-Differentialschutz 152

72 Motor-Differentialschutz 168

8 Transformator-Differentialschutz 170

81 Physikalische Grundlagen 170

82 Digitale Messwertverarbeitung 177

83 Hoch-Impedanz-Differentialschutz 189

84 Geraumlte fuumlr Transformator-Differentialschutz 192

85 Anwendungsbeispiele fuumlr der Transformatorschutz 193

9 Leitungsdifferentialschutz 205

91 Dreiadern-Differentialschutz 205

92 Zweiadern-Differentialschutz 207

93 Leitungs-Differentialschutz mit digitaler Kommunikation 217

931 Geraumlte und Systemkonfiguration 218

932 Messtechnik 219

933 Signalkonverter fuumlr die Kommunikation 224

934 Zusatzfunktionen und Anwendungshinweise 226

94 Phasenvergleichschutz mit digitaler Kommunikation 229

95 Differentialschutz von Leitungen mit Transformatoren 234

951 Schutz von Transformatorleitungen 234

952 Differentialschutz fuumlr angezapfte Leitungen 235

10 Sammelschienen-Differentialschutz 239

101 Sammelschienen-Differentialschutz mit niederohmigem Messsystem 241

1011 Teil-digitaler Sammelschienendifferentialschutz 7SS600 243

1012 Voll-digitaler Sammelschienenschutz 7SS52 247

102 Verhalten des digitalen Sammelschienenschutzes bei Wandlersaumlttigung und Anforderungen an die Stromwandler 255

103 Hochimpedanz-Sammelschienenschutz 263

Inhaltsverzeichnis

9

11 Geraumlteausfuumlhrung 266

12 Inbetriebsetzung und Wartung 273

121 Inbetriebsetzung 273

122 Wartung 275

Literaturverzeichnis 276

Anhang 284

Stichwortverzeichnis 285

10

1 Einleitung

Der Differentialschutz wurde bereits Ende des 19 Jahrhunderts angewendet alseine der ersten Schutzeinrichtungen uumlberhaupt

Die Fehlererkennung erfolgt durch Vergleich der Stroumlme die in das Schutzobjekthinein- und herausflieszligen Auf Grund der kurzen Ausloumlsezeit bei absoluter Selekti-vitaumlt eignet er sich als Hauptschutz fuumlr alle wichtigen elektrischen Betriebsmittelndas heiszligt Generatoren Transformatoren Sammelschienen sowie Kabel und Lei-tungen

Der Schutzbereich ist durch die Einbauorte der Stromwandler eindeutig begrenzt

Als Reserveschutz fuumlr externe Fehler muss deshalb immer ein zusaumltzlicherZeitstaffelschutz (Uumlberstromzeitschutz oder Distanzschutz) vorgesehen werden1

11 Schutzprinzip

Der Differentialschutz bildet die Summe aller zu- und abflieszligenden Stroumlme einesSchutzbereiches Abgesehen von Magnetisierungsstroumlmen oder kapazitivenLadestroumlmen muss diese Stromsumme im fehlerfreien Zustand des SchutzobjektsNull sein (Kirchhoffrsquosches Gesetz) Ein innerer Fehler kann damit durch Auftreteneines Differenzstromes erkannt werden Zur Sicherheit gegen Fehlansprechen beiWandlerfehlern wird der Ansprechwert des Schutzes mit zunehmendemGesamtstrom proportional angehoben (Stabilisierter Differentialschutz) Damitpasst sich die Fehlerempfindlichkeit des Schutzes automatisch an die gegebenenKurzschlussverhaumlltnisse an

Der Differentialschutz laumlsst sich besonders einfach realisieren bei raumlumlichbegrenzten Schutzobjekten (Generatoren Transformatoren Sammelschienen)wo die Wandler fuumlr die Stromerfassung nahe beieinander liegen Das Schutzgeraumltkann in diesem Fall direkt uumlber Steuerkabel an die Wandler angeschlossen werden

Bei Kabeln und Freileitungen muumlssen die Strommesswerte fuumlr den Vergleich uumlbergroumlszligere Entfernungen zum jeweiligen Gegenende uumlbertragen werden Mit Hilfsa-dernverbindungen (speziellen Schutzkabeln) koumlnnen dabei Entfernungen bis etwa25 km uumlberbruumlckt werden Bei modernen Relais mit digitaler Infomationsuumlbertra-

1 Bei digitalen Geraumlten ist der Reserveschutz meist in einfacher Form integriert so dass im Verteilungsnetz auf ein getrenntes Geraumlt verzichtet werden kann Ein Zweitschutz fuumlr Fehler auf der eigenen Leitung muss aus Gruumlnden der Hardware-Redundanz jedoch immer in einem getrennten Geraumlt aufgebaut sein Dies ist vor allem im Uumlbertragungsnetz der Fall

12 Digitaler Differentialschutz

11

gung uumlber Lichtwellenleiter oder Datennetze kann der Differentialschutz nun auchfuumlr lange Freileitungsstrecken uumlber 100 km eingesetzt werden

Eine besondere Variante des Differentialschutzes ist der Hochimpedanz-Differenti-alschutz (englisch high impedance differential protection) Er ist an das nichtline-are Uumlbertragungsverhalten der Stromwandler angepasst und erreicht die Stabilitaumltgegen Wandlersaumlttigung durch einen hohen Vorwiderstand am Differentialrelais

Der Hochimpedanz-Differentialschutz ist im angelsaumlchsischen Raum weit verbrei-tet auf Grund seines einfachen Aufbaus Er ist geeignet zum Schutz von galvanischdurch verbundenen Einheiten wie Sammelschienen Generatoren Motoren Kom-pensationsspulen und Spartransformatoren nicht jedoch fuumlr normale Volltrans-formatoren mit getrennten Wicklungen Ein Nachteil ist dass die Stromwandleralle gleich ausgefuumlhrt sein muumlssen

12 Digitaler Differentialschutz

Ende der 80er Jahre wurde die digitale Technik beim Schutz eingefuumlhrt [1-1]

Sie bietet eine Reihe von allgemeinen Vorteilen

ndash Die modernen Relais sind multifunktional und koumlnnen damit neben den Schutzfunktionen auch andere Aufgaben uumlbernehmen wie Betriebsmessung und Stoumlrschreibung

ndash Die integrierte Selbstuumlberwachung ermoumlglicht eine ereignisorientierte Feh-lerbehebung anstelle der aufwendigen vorbeugenden Wartung

ndash Die Geraumlte koumlnnen mit dem PC uumlber serielle Schnittstellen nah- und fernbe-dient werden

ndash Die integrierten Messfunktionen zeigen alle wichtigen Groumlszligen an Externe Messgeraumlte sind deshalb bei der Inbetriebnahme und Pruumlfung nur noch in Ausnahmefaumlllen erforderlich

Fuumlr den Differentialschutz ergeben sich noch besonderen Vorteile

ndash Die digitale Messtechnik ermoumlglicht erheblich verbesserte Filter fuumlr die Ein-schalt-(Rush)-Stabilisierung und intelligente Messalgorithmen fuumlr die Zusatz-stabilisierung bei Wandlersaumlttigung

ndash Zur Anpassung an unterschiedliche Wandleruumlbersetzungen oder die Schalt-gruppen von Transformatoren waren in konventioneller Technik Stromzwi-schenwandler erforderlich Bei digitalen Relais erfolgt die Anpassung intern rechnerisch

ndash Die phasengetrennte Messung kann mit vertretbarem Aufwand realisiert wer-den und ermoumlglicht so gleiche Ansprechempfindlichkeit bei allen Fehlerarten und Ansprechsicherheit bei Mehrfachfehlern

ndash Signalverbindungen sind in die laufende Selbstuumlberwachung eingeschlossen

ndash Beim Sammelschienenschutz konnte der Aufwand erheblich reduziert wer-den durch dezentralen Aufbau Kommunikation uumlber LWL und PC basierte Konfiguration

12

2 Definitionen

In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet

Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Woumlrter-buchs IEV Kapitel 448 bdquoEnergienetz - Selektivschutzldquo uumlbereinstimmen ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben

Selektivschutz

Gesamtheit der Maszlignahmen zum Erfassen von Netzfehlern oder anormalenBetriebszustaumlnden in einem Energienetz die die Fehlerbeseitigung die Beendi-gung der anormalen Zustaumlnde und die Signalisierung oder Anzeige bewirken[448-11-01]

Schutzrelais

Messrelais das entweder einzeln oder in Verbindung mit anderen Relais Bestand-teil einer Schutzeinrichtung ist [448-11-02]

Schutzeinrichtung

Einrichtung die ein oder mehrere Schutzrelais sowie sofern erforderlich Logik-bausteine enthaumllt um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zu erfuumll-len [448-11-03]

Schutzsystem

Anordnung aus einer oder mehreren Schutzeinrichtungen sowie weiteren Gerauml-ten die vorgesehen sind um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zuerfuumlllen [448-11-04]

Anmerkung Zum Schutzsystem gehoumlren auch Messwandler Verdrahtung Aus-schaltstromkreise sowie falls vorgesehen Informationssysteme Nicht enthaltensind Leistungsschalter

Digitaler Schutz

Schutz in Mikroprozessortechnik mit analog zu digitaler Umsetzung der Mess-werte (Stroumlme und Spannungen) und rechnerischer (numerischer) Verarbeitung

Teilweise ist dafuumlr auch der Begriff bdquoNumerischer Schutzldquo in Gebrauch1

1 Im Englischen wurde der Begriff bdquonumerical relayldquo haumlufig fuumlr ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet Der Begriff bdquodigital relayldquo bezeichnete dann den Vorlaumlufertyp mit analog statischer Mess-wertanpassung und digitaler Auswertung auf Basis von Mikroprozessoren Inzwischen wird jedoch allgemein der Begriff digitaler Schutz (bdquodigital relayldquo) verwendet

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 9: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

Inhaltsverzeichnis

9

11 Geraumlteausfuumlhrung 266

12 Inbetriebsetzung und Wartung 273

121 Inbetriebsetzung 273

122 Wartung 275

Literaturverzeichnis 276

Anhang 284

Stichwortverzeichnis 285

10

1 Einleitung

Der Differentialschutz wurde bereits Ende des 19 Jahrhunderts angewendet alseine der ersten Schutzeinrichtungen uumlberhaupt

Die Fehlererkennung erfolgt durch Vergleich der Stroumlme die in das Schutzobjekthinein- und herausflieszligen Auf Grund der kurzen Ausloumlsezeit bei absoluter Selekti-vitaumlt eignet er sich als Hauptschutz fuumlr alle wichtigen elektrischen Betriebsmittelndas heiszligt Generatoren Transformatoren Sammelschienen sowie Kabel und Lei-tungen

Der Schutzbereich ist durch die Einbauorte der Stromwandler eindeutig begrenzt

Als Reserveschutz fuumlr externe Fehler muss deshalb immer ein zusaumltzlicherZeitstaffelschutz (Uumlberstromzeitschutz oder Distanzschutz) vorgesehen werden1

11 Schutzprinzip

Der Differentialschutz bildet die Summe aller zu- und abflieszligenden Stroumlme einesSchutzbereiches Abgesehen von Magnetisierungsstroumlmen oder kapazitivenLadestroumlmen muss diese Stromsumme im fehlerfreien Zustand des SchutzobjektsNull sein (Kirchhoffrsquosches Gesetz) Ein innerer Fehler kann damit durch Auftreteneines Differenzstromes erkannt werden Zur Sicherheit gegen Fehlansprechen beiWandlerfehlern wird der Ansprechwert des Schutzes mit zunehmendemGesamtstrom proportional angehoben (Stabilisierter Differentialschutz) Damitpasst sich die Fehlerempfindlichkeit des Schutzes automatisch an die gegebenenKurzschlussverhaumlltnisse an

Der Differentialschutz laumlsst sich besonders einfach realisieren bei raumlumlichbegrenzten Schutzobjekten (Generatoren Transformatoren Sammelschienen)wo die Wandler fuumlr die Stromerfassung nahe beieinander liegen Das Schutzgeraumltkann in diesem Fall direkt uumlber Steuerkabel an die Wandler angeschlossen werden

Bei Kabeln und Freileitungen muumlssen die Strommesswerte fuumlr den Vergleich uumlbergroumlszligere Entfernungen zum jeweiligen Gegenende uumlbertragen werden Mit Hilfsa-dernverbindungen (speziellen Schutzkabeln) koumlnnen dabei Entfernungen bis etwa25 km uumlberbruumlckt werden Bei modernen Relais mit digitaler Infomationsuumlbertra-

1 Bei digitalen Geraumlten ist der Reserveschutz meist in einfacher Form integriert so dass im Verteilungsnetz auf ein getrenntes Geraumlt verzichtet werden kann Ein Zweitschutz fuumlr Fehler auf der eigenen Leitung muss aus Gruumlnden der Hardware-Redundanz jedoch immer in einem getrennten Geraumlt aufgebaut sein Dies ist vor allem im Uumlbertragungsnetz der Fall

12 Digitaler Differentialschutz

11

gung uumlber Lichtwellenleiter oder Datennetze kann der Differentialschutz nun auchfuumlr lange Freileitungsstrecken uumlber 100 km eingesetzt werden

Eine besondere Variante des Differentialschutzes ist der Hochimpedanz-Differenti-alschutz (englisch high impedance differential protection) Er ist an das nichtline-are Uumlbertragungsverhalten der Stromwandler angepasst und erreicht die Stabilitaumltgegen Wandlersaumlttigung durch einen hohen Vorwiderstand am Differentialrelais

Der Hochimpedanz-Differentialschutz ist im angelsaumlchsischen Raum weit verbrei-tet auf Grund seines einfachen Aufbaus Er ist geeignet zum Schutz von galvanischdurch verbundenen Einheiten wie Sammelschienen Generatoren Motoren Kom-pensationsspulen und Spartransformatoren nicht jedoch fuumlr normale Volltrans-formatoren mit getrennten Wicklungen Ein Nachteil ist dass die Stromwandleralle gleich ausgefuumlhrt sein muumlssen

12 Digitaler Differentialschutz

Ende der 80er Jahre wurde die digitale Technik beim Schutz eingefuumlhrt [1-1]

Sie bietet eine Reihe von allgemeinen Vorteilen

ndash Die modernen Relais sind multifunktional und koumlnnen damit neben den Schutzfunktionen auch andere Aufgaben uumlbernehmen wie Betriebsmessung und Stoumlrschreibung

ndash Die integrierte Selbstuumlberwachung ermoumlglicht eine ereignisorientierte Feh-lerbehebung anstelle der aufwendigen vorbeugenden Wartung

ndash Die Geraumlte koumlnnen mit dem PC uumlber serielle Schnittstellen nah- und fernbe-dient werden

ndash Die integrierten Messfunktionen zeigen alle wichtigen Groumlszligen an Externe Messgeraumlte sind deshalb bei der Inbetriebnahme und Pruumlfung nur noch in Ausnahmefaumlllen erforderlich

Fuumlr den Differentialschutz ergeben sich noch besonderen Vorteile

ndash Die digitale Messtechnik ermoumlglicht erheblich verbesserte Filter fuumlr die Ein-schalt-(Rush)-Stabilisierung und intelligente Messalgorithmen fuumlr die Zusatz-stabilisierung bei Wandlersaumlttigung

ndash Zur Anpassung an unterschiedliche Wandleruumlbersetzungen oder die Schalt-gruppen von Transformatoren waren in konventioneller Technik Stromzwi-schenwandler erforderlich Bei digitalen Relais erfolgt die Anpassung intern rechnerisch

ndash Die phasengetrennte Messung kann mit vertretbarem Aufwand realisiert wer-den und ermoumlglicht so gleiche Ansprechempfindlichkeit bei allen Fehlerarten und Ansprechsicherheit bei Mehrfachfehlern

ndash Signalverbindungen sind in die laufende Selbstuumlberwachung eingeschlossen

ndash Beim Sammelschienenschutz konnte der Aufwand erheblich reduziert wer-den durch dezentralen Aufbau Kommunikation uumlber LWL und PC basierte Konfiguration

12

2 Definitionen

In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet

Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Woumlrter-buchs IEV Kapitel 448 bdquoEnergienetz - Selektivschutzldquo uumlbereinstimmen ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben

Selektivschutz

Gesamtheit der Maszlignahmen zum Erfassen von Netzfehlern oder anormalenBetriebszustaumlnden in einem Energienetz die die Fehlerbeseitigung die Beendi-gung der anormalen Zustaumlnde und die Signalisierung oder Anzeige bewirken[448-11-01]

Schutzrelais

Messrelais das entweder einzeln oder in Verbindung mit anderen Relais Bestand-teil einer Schutzeinrichtung ist [448-11-02]

Schutzeinrichtung

Einrichtung die ein oder mehrere Schutzrelais sowie sofern erforderlich Logik-bausteine enthaumllt um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zu erfuumll-len [448-11-03]

Schutzsystem

Anordnung aus einer oder mehreren Schutzeinrichtungen sowie weiteren Gerauml-ten die vorgesehen sind um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zuerfuumlllen [448-11-04]

Anmerkung Zum Schutzsystem gehoumlren auch Messwandler Verdrahtung Aus-schaltstromkreise sowie falls vorgesehen Informationssysteme Nicht enthaltensind Leistungsschalter

Digitaler Schutz

Schutz in Mikroprozessortechnik mit analog zu digitaler Umsetzung der Mess-werte (Stroumlme und Spannungen) und rechnerischer (numerischer) Verarbeitung

Teilweise ist dafuumlr auch der Begriff bdquoNumerischer Schutzldquo in Gebrauch1

1 Im Englischen wurde der Begriff bdquonumerical relayldquo haumlufig fuumlr ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet Der Begriff bdquodigital relayldquo bezeichnete dann den Vorlaumlufertyp mit analog statischer Mess-wertanpassung und digitaler Auswertung auf Basis von Mikroprozessoren Inzwischen wird jedoch allgemein der Begriff digitaler Schutz (bdquodigital relayldquo) verwendet

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

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Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 10: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

10

1 Einleitung

Der Differentialschutz wurde bereits Ende des 19 Jahrhunderts angewendet alseine der ersten Schutzeinrichtungen uumlberhaupt

Die Fehlererkennung erfolgt durch Vergleich der Stroumlme die in das Schutzobjekthinein- und herausflieszligen Auf Grund der kurzen Ausloumlsezeit bei absoluter Selekti-vitaumlt eignet er sich als Hauptschutz fuumlr alle wichtigen elektrischen Betriebsmittelndas heiszligt Generatoren Transformatoren Sammelschienen sowie Kabel und Lei-tungen

Der Schutzbereich ist durch die Einbauorte der Stromwandler eindeutig begrenzt

Als Reserveschutz fuumlr externe Fehler muss deshalb immer ein zusaumltzlicherZeitstaffelschutz (Uumlberstromzeitschutz oder Distanzschutz) vorgesehen werden1

11 Schutzprinzip

Der Differentialschutz bildet die Summe aller zu- und abflieszligenden Stroumlme einesSchutzbereiches Abgesehen von Magnetisierungsstroumlmen oder kapazitivenLadestroumlmen muss diese Stromsumme im fehlerfreien Zustand des SchutzobjektsNull sein (Kirchhoffrsquosches Gesetz) Ein innerer Fehler kann damit durch Auftreteneines Differenzstromes erkannt werden Zur Sicherheit gegen Fehlansprechen beiWandlerfehlern wird der Ansprechwert des Schutzes mit zunehmendemGesamtstrom proportional angehoben (Stabilisierter Differentialschutz) Damitpasst sich die Fehlerempfindlichkeit des Schutzes automatisch an die gegebenenKurzschlussverhaumlltnisse an

Der Differentialschutz laumlsst sich besonders einfach realisieren bei raumlumlichbegrenzten Schutzobjekten (Generatoren Transformatoren Sammelschienen)wo die Wandler fuumlr die Stromerfassung nahe beieinander liegen Das Schutzgeraumltkann in diesem Fall direkt uumlber Steuerkabel an die Wandler angeschlossen werden

Bei Kabeln und Freileitungen muumlssen die Strommesswerte fuumlr den Vergleich uumlbergroumlszligere Entfernungen zum jeweiligen Gegenende uumlbertragen werden Mit Hilfsa-dernverbindungen (speziellen Schutzkabeln) koumlnnen dabei Entfernungen bis etwa25 km uumlberbruumlckt werden Bei modernen Relais mit digitaler Infomationsuumlbertra-

1 Bei digitalen Geraumlten ist der Reserveschutz meist in einfacher Form integriert so dass im Verteilungsnetz auf ein getrenntes Geraumlt verzichtet werden kann Ein Zweitschutz fuumlr Fehler auf der eigenen Leitung muss aus Gruumlnden der Hardware-Redundanz jedoch immer in einem getrennten Geraumlt aufgebaut sein Dies ist vor allem im Uumlbertragungsnetz der Fall

12 Digitaler Differentialschutz

11

gung uumlber Lichtwellenleiter oder Datennetze kann der Differentialschutz nun auchfuumlr lange Freileitungsstrecken uumlber 100 km eingesetzt werden

Eine besondere Variante des Differentialschutzes ist der Hochimpedanz-Differenti-alschutz (englisch high impedance differential protection) Er ist an das nichtline-are Uumlbertragungsverhalten der Stromwandler angepasst und erreicht die Stabilitaumltgegen Wandlersaumlttigung durch einen hohen Vorwiderstand am Differentialrelais

Der Hochimpedanz-Differentialschutz ist im angelsaumlchsischen Raum weit verbrei-tet auf Grund seines einfachen Aufbaus Er ist geeignet zum Schutz von galvanischdurch verbundenen Einheiten wie Sammelschienen Generatoren Motoren Kom-pensationsspulen und Spartransformatoren nicht jedoch fuumlr normale Volltrans-formatoren mit getrennten Wicklungen Ein Nachteil ist dass die Stromwandleralle gleich ausgefuumlhrt sein muumlssen

12 Digitaler Differentialschutz

Ende der 80er Jahre wurde die digitale Technik beim Schutz eingefuumlhrt [1-1]

Sie bietet eine Reihe von allgemeinen Vorteilen

ndash Die modernen Relais sind multifunktional und koumlnnen damit neben den Schutzfunktionen auch andere Aufgaben uumlbernehmen wie Betriebsmessung und Stoumlrschreibung

ndash Die integrierte Selbstuumlberwachung ermoumlglicht eine ereignisorientierte Feh-lerbehebung anstelle der aufwendigen vorbeugenden Wartung

ndash Die Geraumlte koumlnnen mit dem PC uumlber serielle Schnittstellen nah- und fernbe-dient werden

ndash Die integrierten Messfunktionen zeigen alle wichtigen Groumlszligen an Externe Messgeraumlte sind deshalb bei der Inbetriebnahme und Pruumlfung nur noch in Ausnahmefaumlllen erforderlich

Fuumlr den Differentialschutz ergeben sich noch besonderen Vorteile

ndash Die digitale Messtechnik ermoumlglicht erheblich verbesserte Filter fuumlr die Ein-schalt-(Rush)-Stabilisierung und intelligente Messalgorithmen fuumlr die Zusatz-stabilisierung bei Wandlersaumlttigung

ndash Zur Anpassung an unterschiedliche Wandleruumlbersetzungen oder die Schalt-gruppen von Transformatoren waren in konventioneller Technik Stromzwi-schenwandler erforderlich Bei digitalen Relais erfolgt die Anpassung intern rechnerisch

ndash Die phasengetrennte Messung kann mit vertretbarem Aufwand realisiert wer-den und ermoumlglicht so gleiche Ansprechempfindlichkeit bei allen Fehlerarten und Ansprechsicherheit bei Mehrfachfehlern

ndash Signalverbindungen sind in die laufende Selbstuumlberwachung eingeschlossen

ndash Beim Sammelschienenschutz konnte der Aufwand erheblich reduziert wer-den durch dezentralen Aufbau Kommunikation uumlber LWL und PC basierte Konfiguration

12

2 Definitionen

In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet

Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Woumlrter-buchs IEV Kapitel 448 bdquoEnergienetz - Selektivschutzldquo uumlbereinstimmen ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben

Selektivschutz

Gesamtheit der Maszlignahmen zum Erfassen von Netzfehlern oder anormalenBetriebszustaumlnden in einem Energienetz die die Fehlerbeseitigung die Beendi-gung der anormalen Zustaumlnde und die Signalisierung oder Anzeige bewirken[448-11-01]

Schutzrelais

Messrelais das entweder einzeln oder in Verbindung mit anderen Relais Bestand-teil einer Schutzeinrichtung ist [448-11-02]

Schutzeinrichtung

Einrichtung die ein oder mehrere Schutzrelais sowie sofern erforderlich Logik-bausteine enthaumllt um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zu erfuumll-len [448-11-03]

Schutzsystem

Anordnung aus einer oder mehreren Schutzeinrichtungen sowie weiteren Gerauml-ten die vorgesehen sind um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zuerfuumlllen [448-11-04]

Anmerkung Zum Schutzsystem gehoumlren auch Messwandler Verdrahtung Aus-schaltstromkreise sowie falls vorgesehen Informationssysteme Nicht enthaltensind Leistungsschalter

Digitaler Schutz

Schutz in Mikroprozessortechnik mit analog zu digitaler Umsetzung der Mess-werte (Stroumlme und Spannungen) und rechnerischer (numerischer) Verarbeitung

Teilweise ist dafuumlr auch der Begriff bdquoNumerischer Schutzldquo in Gebrauch1

1 Im Englischen wurde der Begriff bdquonumerical relayldquo haumlufig fuumlr ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet Der Begriff bdquodigital relayldquo bezeichnete dann den Vorlaumlufertyp mit analog statischer Mess-wertanpassung und digitaler Auswertung auf Basis von Mikroprozessoren Inzwischen wird jedoch allgemein der Begriff digitaler Schutz (bdquodigital relayldquo) verwendet

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 11: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

12 Digitaler Differentialschutz

11

gung uumlber Lichtwellenleiter oder Datennetze kann der Differentialschutz nun auchfuumlr lange Freileitungsstrecken uumlber 100 km eingesetzt werden

Eine besondere Variante des Differentialschutzes ist der Hochimpedanz-Differenti-alschutz (englisch high impedance differential protection) Er ist an das nichtline-are Uumlbertragungsverhalten der Stromwandler angepasst und erreicht die Stabilitaumltgegen Wandlersaumlttigung durch einen hohen Vorwiderstand am Differentialrelais

Der Hochimpedanz-Differentialschutz ist im angelsaumlchsischen Raum weit verbrei-tet auf Grund seines einfachen Aufbaus Er ist geeignet zum Schutz von galvanischdurch verbundenen Einheiten wie Sammelschienen Generatoren Motoren Kom-pensationsspulen und Spartransformatoren nicht jedoch fuumlr normale Volltrans-formatoren mit getrennten Wicklungen Ein Nachteil ist dass die Stromwandleralle gleich ausgefuumlhrt sein muumlssen

12 Digitaler Differentialschutz

Ende der 80er Jahre wurde die digitale Technik beim Schutz eingefuumlhrt [1-1]

Sie bietet eine Reihe von allgemeinen Vorteilen

ndash Die modernen Relais sind multifunktional und koumlnnen damit neben den Schutzfunktionen auch andere Aufgaben uumlbernehmen wie Betriebsmessung und Stoumlrschreibung

ndash Die integrierte Selbstuumlberwachung ermoumlglicht eine ereignisorientierte Feh-lerbehebung anstelle der aufwendigen vorbeugenden Wartung

ndash Die Geraumlte koumlnnen mit dem PC uumlber serielle Schnittstellen nah- und fernbe-dient werden

ndash Die integrierten Messfunktionen zeigen alle wichtigen Groumlszligen an Externe Messgeraumlte sind deshalb bei der Inbetriebnahme und Pruumlfung nur noch in Ausnahmefaumlllen erforderlich

Fuumlr den Differentialschutz ergeben sich noch besonderen Vorteile

ndash Die digitale Messtechnik ermoumlglicht erheblich verbesserte Filter fuumlr die Ein-schalt-(Rush)-Stabilisierung und intelligente Messalgorithmen fuumlr die Zusatz-stabilisierung bei Wandlersaumlttigung

ndash Zur Anpassung an unterschiedliche Wandleruumlbersetzungen oder die Schalt-gruppen von Transformatoren waren in konventioneller Technik Stromzwi-schenwandler erforderlich Bei digitalen Relais erfolgt die Anpassung intern rechnerisch

ndash Die phasengetrennte Messung kann mit vertretbarem Aufwand realisiert wer-den und ermoumlglicht so gleiche Ansprechempfindlichkeit bei allen Fehlerarten und Ansprechsicherheit bei Mehrfachfehlern

ndash Signalverbindungen sind in die laufende Selbstuumlberwachung eingeschlossen

ndash Beim Sammelschienenschutz konnte der Aufwand erheblich reduziert wer-den durch dezentralen Aufbau Kommunikation uumlber LWL und PC basierte Konfiguration

12

2 Definitionen

In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet

Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Woumlrter-buchs IEV Kapitel 448 bdquoEnergienetz - Selektivschutzldquo uumlbereinstimmen ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben

Selektivschutz

Gesamtheit der Maszlignahmen zum Erfassen von Netzfehlern oder anormalenBetriebszustaumlnden in einem Energienetz die die Fehlerbeseitigung die Beendi-gung der anormalen Zustaumlnde und die Signalisierung oder Anzeige bewirken[448-11-01]

Schutzrelais

Messrelais das entweder einzeln oder in Verbindung mit anderen Relais Bestand-teil einer Schutzeinrichtung ist [448-11-02]

Schutzeinrichtung

Einrichtung die ein oder mehrere Schutzrelais sowie sofern erforderlich Logik-bausteine enthaumllt um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zu erfuumll-len [448-11-03]

Schutzsystem

Anordnung aus einer oder mehreren Schutzeinrichtungen sowie weiteren Gerauml-ten die vorgesehen sind um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zuerfuumlllen [448-11-04]

Anmerkung Zum Schutzsystem gehoumlren auch Messwandler Verdrahtung Aus-schaltstromkreise sowie falls vorgesehen Informationssysteme Nicht enthaltensind Leistungsschalter

Digitaler Schutz

Schutz in Mikroprozessortechnik mit analog zu digitaler Umsetzung der Mess-werte (Stroumlme und Spannungen) und rechnerischer (numerischer) Verarbeitung

Teilweise ist dafuumlr auch der Begriff bdquoNumerischer Schutzldquo in Gebrauch1

1 Im Englischen wurde der Begriff bdquonumerical relayldquo haumlufig fuumlr ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet Der Begriff bdquodigital relayldquo bezeichnete dann den Vorlaumlufertyp mit analog statischer Mess-wertanpassung und digitaler Auswertung auf Basis von Mikroprozessoren Inzwischen wird jedoch allgemein der Begriff digitaler Schutz (bdquodigital relayldquo) verwendet

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 12: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

12

2 Definitionen

In diesem Dokument werden die nachstehenden Begriffe verwendet

Sofern sie mit den Definitionen des Internationalen Elektrotechnischen Woumlrter-buchs IEV Kapitel 448 bdquoEnergienetz - Selektivschutzldquo uumlbereinstimmen ist jeweilsdie entsprechende Referenznummer angegeben

Selektivschutz

Gesamtheit der Maszlignahmen zum Erfassen von Netzfehlern oder anormalenBetriebszustaumlnden in einem Energienetz die die Fehlerbeseitigung die Beendi-gung der anormalen Zustaumlnde und die Signalisierung oder Anzeige bewirken[448-11-01]

Schutzrelais

Messrelais das entweder einzeln oder in Verbindung mit anderen Relais Bestand-teil einer Schutzeinrichtung ist [448-11-02]

Schutzeinrichtung

Einrichtung die ein oder mehrere Schutzrelais sowie sofern erforderlich Logik-bausteine enthaumllt um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zu erfuumll-len [448-11-03]

Schutzsystem

Anordnung aus einer oder mehreren Schutzeinrichtungen sowie weiteren Gerauml-ten die vorgesehen sind um eine oder mehrere vorgegebene Schutzfunktionen zuerfuumlllen [448-11-04]

Anmerkung Zum Schutzsystem gehoumlren auch Messwandler Verdrahtung Aus-schaltstromkreise sowie falls vorgesehen Informationssysteme Nicht enthaltensind Leistungsschalter

Digitaler Schutz

Schutz in Mikroprozessortechnik mit analog zu digitaler Umsetzung der Mess-werte (Stroumlme und Spannungen) und rechnerischer (numerischer) Verarbeitung

Teilweise ist dafuumlr auch der Begriff bdquoNumerischer Schutzldquo in Gebrauch1

1 Im Englischen wurde der Begriff bdquonumerical relayldquo haumlufig fuumlr ein voll digitales (fully digital) Relais verwendet Der Begriff bdquodigital relayldquo bezeichnete dann den Vorlaumlufertyp mit analog statischer Mess-wertanpassung und digitaler Auswertung auf Basis von Mikroprozessoren Inzwischen wird jedoch allgemein der Begriff digitaler Schutz (bdquodigital relayldquo) verwendet

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 13: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

2 Definitionen

13

Vergleichsschutz (Selektivschutz mit absoluter Selektivitaumlt)

Selektivschutz dessen Funktionsweise und Abschnittsselektivitaumlt vom Vergleichder elektrischen Groumlszligen von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist

Im Englischen wird dafuumlr der Ausdruck bdquoUnit Protectionldquo verwendet

Differentialschutz

Vergleichsschutz dessen Funktion auf dem Vergleich von Stroumlmen nach Groumlszligeund Phasenlage (Momentanwerte oder Zeiger) beruht wobei die Stromdifferenzdas Ansprechkriterium darstellt

Laumlngsdifferentialschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich des Betrages oderdem Betrag und dem Phasenwinkel der Stroumlme an den Enden des geschuumltztenAbschnitts abhaumlngig ist [448-14-16]

Querdifferentialschutz

Selektivschutz mit relativer Selektivitaumlt der bei parallel geschalteten Stromkreisenangewandt wird und dessen Funktion von der unsymmetrischen Stromverteilungzwischen diesen Stromkreisen abhaumlngig ist [448-14-17]

Stabilisierter Differentialschutz (alt Prozentdifferentialschutz)

Differentialschutz bei dem der Ansprechwert mit steigendem Durchgangsstrom(Summe der Strombetraumlge aller Enden des Schutzbereichs) angehoben wird

Hochohmiger Differentialschutz (englisch high impedance differential protection)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreises eines gesaumlttigtenStromwandlers hoch ist [448-14-22]

Niederohmiger Differentialschutz (allgemein als bdquoDifferentialschutzldquo bezeichnet)

Strom-Differentialschutz bei dem ein Differentialrelais verwendet wird dessenImpedanz niederohmig ist im Vergleich zur Impedanz des Sekundaumlrstromkreiseseines gesaumlttigten Stromwandlers [448-14-23]

Phasenvergleichsschutz

Selektivschutz dessen Funktion und Selektivitaumlt vom Vergleich der Phasenlage derStroumlme von jedem Ende des geschuumltzten Abschnitts abhaumlngig ist [448-14-18]

Abschnittsbezogene Zone

Der selektive Teil eines Sammelschienenschutzes fuumlr Mehrfachsammelschienender den Stromfluss eines einzelnen Abschnitts der Sammelschiene uumlberwacht

Check-Zone

Anlagenuumlbergreifende nicht abschnittsselektive Zone eines Sammelschienen-schutzes die den Stromfluss an den Auszligenklemmen der Schaltanlage uumlberwacht

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 14: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

2 Definitionen

14

Nullstromdifferentialschutz

Selektivschutz bei dem der Summenstrom eines dreiphasigen Stromwandlersat-zes mit dem Summenstrom eines gleichartigen Stromwandlersatzes oder haumlufigermit dem Strom eines Sternpunktstromwandlers1 verglichen wird [448-14-29]

Partieller Differentialschutz (englisch partial differential protection)

Diese Schaltung wird in der angelsaumlchsischen Schutztechnik haumlufig eingesetzt beiparalleler Einspeisung uumlber eine laumlngsgeteilte Sammelschiene mit KuppelschalterDabei werden die Stromrelais in den Einspeisungen an den Differenzstrom zwi-schen Einspeise- und Kupplungsstrom angeschlossen In der Staffelung derStromrelais kann damit eine Zeitstufe eingespart werden (siehe Abschnitt 35)

Kurzschlussschleife (Fehlerschleife)

Der vom Kurzschlussstrom von der Einspeisequelle zum Fehlerort durchflosseneHin- und Ruumlckweg im Energienetz

Kurzschlussimpedanz

Impedanz im Kurzschluss zwischen der fehlerhaften Phase (Auszligenleiter) und Erdeoder zwischen den fehlerbehafteten Phasen (Auszligenleitern)2 [448-14-11]

Quellenimpedanz (Vorimpedanz)

Fuumlr einen bestimmten Fehlerort ist die Vorimpedanz der Impedanzanteil der Kurz-schlussschleife zwischen dem Anschlusspunkt der Spannung des Messrelais undder Quellenspannung die den Kurzschlussstrom liefert [448-14-13]

Fehlerwiderstand

Widerstand an der Fehlerstelle zwischen den Phasenleitern oder zwischen Phasen-leiter und Erde

Zeiger (englisch bdquophasorldquo)

In diesem Buch wird die Zeigerdarstellung fuumlr die elektrischen Groumlszligen verwendet

Dabei bezeichnet A jeweils den Effektivwert von Strom Spannung oder Leistungund ϕ deren Phasenlage im Bezug auf den Zeitpunkt t = 0

Die Darstellung wird im erweiterten Sinn auch fuumlr Impedanzen benutzt die nichtzeitabhaumlngig sind

1 Es wird die in der Praxis noch uumlbliche Bezeichnung bdquoSternpunktldquo verwendet Die genormte Bezeichnung ist jetzt bdquoNeutralpunktldquo

2 Nach DIN VDE 1304 gilt als genormte Bezeichnung Auszligenleiter Im Sprachbebrauch der Schutztechnik hat sich jedoch der Begriff Phase erhalten wie er auch im Englischen uumlblich ist

A A e jϕsdot A ϕcos j ϕsin+( )sdot B jC+= = =

A B2 C2+=

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 15: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

2 Definitionen

15

Vektor

Diese Bezeichnung wird haumlufig statt Zeiger benutzt (A kann dabei auch der Maxi-malwert der elektrischen Wechselstromgroumlszlige sein)

α- und β-Ebene (englisch α- and β-plane)

Die Ansprechkennlinie des Differentialschutzes kann abhaumlngig von Stromverhaumllt-nis beziehungsweise in der komplexen Ebene dargestellt wer-den (Polarcharakteristik) Dabei ist der Strom am lokalen Ende und derStrom am entfernten Ende Die Anwendung erfolgt vorwiegend beim Leitungsdif-ferentialschutz

Polarcharakteristik

Darstellung der Ansprechcharakteristik des Differentialschutzes als Verhaumlltnis derzu vergleichenden Stroumlme (siehe α- und β-Ebene)

Strom-Zaumlhlpfeile beim Differentialschutz

In diesem Buch werden die in den Schutzbereich hineinflieszligenden Stroumlme positivgezaumlhlt das heiszligt die vektorielle Stromsumme beim inneren Fehler ist

Nach dieser Definition entspricht die Stromsumme dem Differenzstrom

Polaritaumlt bei Stromwandlern

Wenn nicht besonders gekennzeichnet werden in diesem Buch bei Transformato-ren und Wandlern folgende Polaritaumltsregeln vorausgesetzt (siehe Abschnitt 55Bild 511)

bull Primaumlr- Sekundaumlrwicklung und eventuell weitere Wicklungen haben gleichen Wicklungssinn

bull Die Spannungen an den Wicklungen haben gleiche Polaritaumlt das heiszligt sie liegen in Phase

bull Die Stroumlme haben entgegengesetzte Polaritaumlt das heiszligt sie durchflieszligen die Wicklungen in entgegengesetzter Richtung (i1middot w1 + i2middot w2 + + inmiddot wn = 0)

Phasen (Auszligenleiter)

In diesem Buch wird statt bdquoAuszligenleiterldquo der in der Schutztechnik (auch im Aus-land) uumlbliche Begriff bdquoPhaseldquo verwendet Das heiszligt es werden zum Beispiel dieBezeichnungen Phase L1 statt Auszligenleiter L1 und phasenselektiv statt leiter-selektiv benutzt

Leiter-Phasenbezeichnung

In diesem Buch wird in der Regel die genormte DINVDE- bzw IEC-Bezeichnung L1L2 L3 verwendet Bei Formeln wird wo es die Uumlbersichtlichkeit erfordert auch diealte Bezeichnung R S T beziehungsweise r s t benutzt

Nullstrom

Gemaumlszlig der Rechnung mit symmetrischen Komponenten ist der Nullstrom ein Drit-tel des Erdstroms I0 = 13 middot IE

α IA IB= β IB IA=IA IB

I1 I2 In+ + +

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 16: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

16

3 Wirkungsweise

In diesem Abschnitt werden zunaumlchst die Grundlagen des Differentialschutzeserlaumlutert In weiteren Kapiteln folgen die verschiedenen Schutzprinzipien undMessverfahren Das Verhalten der Stromwandler und die Signaluumlbertragung wer-den danach ausfuumlhrlich betrachtet da die Zuverlaumlssigkeit des gesamten Schutzsys-tems davon abhaumlngt Darauf aufbauend werden die anlagenspezifischen Schut-zeinrichtungen fuumlr Maschinen Transformatoren Leitungen und Sammelschienenvorgestellt jeweils mit der Diskussion relevanten Anwendungsfragen

31 Einfuumlhrung

Der Differentialschutz ist absolut selektiv und spricht nur auf Fehler in dem eige-nen Bereich an Die Bereichsgrenzen sind dabei durch die Lage der Stromwandlereindeutig vorgegeben Eine zeitliche Koordinierung mit anderen Schutzeinrich-tungen ist deshalb nicht erforderlich und es kann immer in Schnellzeit ausgeloumlstwerden

Der Differentialschutz ist deshalb geeignet als schneller Hauptschutz fuumlr alle wich-tigen Betriebsmittel

Der Differentialschutz ist durch den reinen Stromvergleich einfach im Aufbau DieStabilitaumlt bei aumluszligeren Fehlern erfordert jedoch eine ausreichende Dimensionie-rung und Abstimmung der Stromwandler Allerdings verlangt die wirtschaftlicheAuslegung der Wandler dass der Differentialschutz eine Saumlttigung der Wandler imhohen Maszlig zulassen muss Die Feststellung der Saumlttigung und eine geeignete Sta-bilisierung gegen die auftretenden Falschstroumlme sind deshalb wichtige Zusatzauf-gaben bei diesem Messprinzip

Der Differentialschutz kommt in groszligen Stuumlckzahlen bei Maschinen- und Transfor-matoren zum Einsatz wo er durch die hohe Ansprechempfindlichkeit und diekurze Kommandozeit wesentlich zur Schadensbegrenzung beitraumlgt Als Leitungs-differentialschutz wird er hauptsaumlchlich bei Kabelstrecken eingesetzt insbeson-dere bei kurzen Entfernungen wo die Distanzmessung problematisch ist Bei Ein-satz auf laumlngeren Strecken bis maximal 25 km ist allerdings die Stoumlrbeeinflussungder Hilfsadern durch Erdkurzschlussstroumlme zu beruumlcksichtigen und es muumlsseneventuell besondere Schirmungs- und Abriegelungsmaszlignahmen getroffen wer-den Der digitale Differentialschutz mit serieller Datenuumlbertragung uumlber Lichtwel-lenleiter ist davon unabhaumlngig und es koumlnnen Leitungen von mehr als 100 kmgeschuumltzt werden Mit der Einfuumlhrung der digitalen Datennetze bei den EVUrsquos ste-hen serielle Verbindungen zwischen allen wichtigen Stationen zur VerfuumlgungDamit eroumlffnet sich eine zusaumltzliche Moumlglichkeit fuumlr die Anwendung des Differenti-

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 17: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

31 Einfuumlhrung

17

alschutzes Die Schnittstellen Protokolle und Prozeduren fuumlr den Informations-austausch zwischen Schutzgeraumlt und Datenuumlbertragungseinrichtung muumlssendabei genau abgestimmt sein und den jeweiligen Standards entsprechen (offeneKommunikation) Bei Uumlbertragung der Daten im Multiplexbetrieb mit anderenDiensten ist zusaumltzlich das Zeitverhalten des Datenkanals zum Beispiel beiWegumschaltungen in Betracht zu ziehen Auszligerdem ist die Verfuumlgbarkeit desUumlbertragungssystems generell zu uumlberpruumlfen

Der Differentialschutz mit digitaler Kommunikation erhoumlht die Schutzqualitaumlt imUumlbertragungsnetz denn die getrennte Messung pro Phase stellt eine streng pha-senselektive Abschaltung sicher als Voraussetzung fuumlr eine erfolgreiche einpoligeKurzunterbrechung (KU) Dies gilt auch fuumlr schwierige Fehlerfaumllle wie zum Bei-spiel Mehrfachfehler auf Doppelleitungen wo der Distanzschutz vom Prinzip heran Grenzen stoumlszligt Besonders fuumlr die zunehmende Zahl von Dreibeinleitungen istder digitale Differentialschutz ideal geeignet

Bei der Anwendung als Sammelschienendifferentialschutz steht die schnelle schie-nenselektive Abschaltung in Vordergrund zur Verhinderung eines groumlszligeren Netz-ausfalls und zur Sicherung der Netzstabilitaumlt Ein Fehlansprechen ist dabei unterallen Umstaumlnden zu vermeiden da dies ebenfalls zu einer groumlszligeren Versorgungs-unterbrechung fuumlhren koumlnnte

Eine kurze Kommandozeit unter einer Periode und extreme Stabilitaumlt gegen Wand-lersaumlttigung sind seit laumlngerem Stand der Technik Die Sicherheit gegenFehlansprechen bei Hardwarefehlern wird durch UND-Verknuumlpfung mehrererunabhaumlngiger Ausloumlsekriterien erreicht

Bei groszligen Anlagen besteht haumlufig eine komplexe Schienenkonfiguration mit zahl-reichen Schienenabschnitten sowie mehreren Trenn- und Kuppelstellen Dieserfordert eine Vielzahl von Messschaltungen und ein aufwendiges Trennerabbildzur Koordinierung des abschnittsweisen Stromvergleichs Die in konventionellerTechnik notwendige Umschaltung der analogen Messwerte wird beim digitalenSammelschienenschutz durch logische Zuordnung per Softwareabbild erledigtDer dezentrale feldbezogene Aufbau und die Kommunikation uumlber LWL reduziertdabei die fruumlher umfangreiche Verdrahtung auf ein Minimum

Die bisher gemachten Aussagen beziehen sich auf den bdquonormalenldquo Stromdifferen-tialschutz der mit niederohmigen Messrelais arbeitet1

Daneben besteht der Hochimpedanz-Differentialschutz Bei diesem Verfahren istdas Messrelais im Differentialpfad hochohmig im Vergleich zu der Sekundaumlrimpe-danz eines gesaumlttigten Stromwandlers Damit wird bei durchflieszligenden Fehler-stroumlmen eine automatische Stabilitaumlt gegen Wandlersaumlttigung erreicht Der Stromder nicht gesaumlttigten Wandler flieszligt in diesem Fall naumlmlich nicht uumlber das Messre-lais sondern uumlber den gesaumlttigten Wandler der als niederohmiger Shunt wirkt

Dieses Verfahren wird in Uumlbersee vielfach eingesetzt fuumlr galvanisch verbundeneStromkreise hauptsaumlchlich als Maschinen- und Sammelschienenschutz aber auch

1 Bei digitalen Relais existiert der Differentialkreis nur noch als Software Das Verhalten des digitalen Differentialschutzes entspricht aber dem Niedrig-Impedanz-Messprinzip

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 18: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

3 Wirkungsweise

18

als Nullstromdifferentialschutz fuumlr Transformatoren (restricted earth fault protec-tion)

Das Verfahren erfordert besonders ausgelegte Wandler (Klasse PX nach IEC 60044-1)mit gleichem Uumlbersetzungsverhaumlltnis

Beim inneren Fehler wo alle Wandler auf das hochohmige Relais speisen entste-hen hohe Spannungsspitzen im Wandlersekundaumlrkreis die mit einem Varistorbegrenzt werden muumlssen Fuumlr den Schutz von Mehrfachsammelschienen ist diesesVerfahren weniger geeignet weil die Wandlersekundaumlrstroumlme direkt umgeschaltetwerden muumlssen Fuumlr einfache Anlagen mit Zweifachschienen werden dafuumlr im Aus-land die Trennerhilfskontakte selbst benutzt Der Hochimpedanzdifferentialschutzwird aber hauptsaumlchlich dort eingesetzt wo kein Trennerabbild erforderlich istzum Beispiel fuumlr 1-12-Leistungsschalter-Anlagen

32 Grundprinzipien

Die grundlegenden Verfahren sind schon seit Jahrzehnten bekannt und bleibenunabhaumlngig von der jeweiligen Geraumltetechnologie guumlltig [3-1 3-2]

Der Differentialschutz vergleicht die Messwerte nach Groumlszlige und Phasenlage Dieskann durch direkten Vergleich der Momentanwerte geschehen oder durch Ver-gleich der Zeiger-(Vektor-)Groumlszligen In jedem Fall basiert das Verfahren auf derKirchhoffschen Regel die besagt dass die geometrische Summe der Stroumlme aneinem Knotenpunkt (fuumlr einen Schutzbereich) zu jedem Zeitpunkt Null sein mussWir verwenden dabei die Definition dass die auf den Schutzbereich zuflieszligendenStroumlme positiv und die abflieszligenden Stroumlme negativ gezaumlhlt werden

321 Strom-Differentialschutz

Dies ist die einfachste und am haumlufigsten angewendete Form des Differential-schutzes Die Grundschaltung zeigt Bild 31 Die Stromwandler an den Enden desDifferentialschutz-Bereichs sind sekundaumlrseitig in Reihe geschaltet so dass sichdie Stroumlme beim aumluszligeren Fehler gegenseitig absaugen (Bild 31a) und kein Stromuumlber den Differentialzweig flieszligt in dem sich das Differentialrelais befindet Beieinem innen liegenden Fehler (Bild 31b) flieszligen die Kurzschlussstroumlme auf die

Bild 31a Aumluszligerer Fehler oder Last Bild 31b Innerer Fehler

I1

i1 i2

i2

i2

i1

i1

I2 I1 I2

∆Igt∆I = I1 + I2 = 0

∆I = I1 + I2∆Igt

32 Grundprinzipien

19

Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

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32 Grundprinzipien

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Fehlerstelle zu und die Sekundaumlrstroumlme addieren sich im Differentialzweig Damitspricht das Differentialrelais an und loumlst aus

Diese einfache Grundschaltung (unstabilisierter Strom-Differentialschutz) ist beiallen konzentrierten Schutzobjekten anwendbar wo die Wandler raumlumlich nahezusammen liegen

Die einfachste Anordnung ergibt sich bei einem Generator oder Motor (Bild 32a)besonders wenn die Stromwandler gleiche Uumlbersetzung haben

Beim Transformator sind fuumlr den Vergleich Stromzwischenwandler erforderlichdie die Uumlbersetzung und Schaltgruppe des Transformators ausgleichen (Bild32b)

Beim Sammelschienendifferentialschutz sind die Stroumlme von mehreren Abzwei-gen zu summieren (Bild 33) Bei Last und bei aumluszligeren Fehlern ist die geometri-sche Summe der Abzweigstroumlme Null und es flieszligt kein Differenzstrom im RelaisBeim inneren Fehler addieren sich die Stroumlme jedoch zu einem groszligen Differenz-strom

Beim Differentialschutz fuumlr eine Leitung liegen die Stromwandler der beidenEnden des Schutzbereichs weit auseinander In diesen Fall verwendet man die

a) GeneratorMotor b) Transformator

Bild 32 Differentialschutz Dreiphasige Grundausfuumlhrung

Bild 33Sammelschienenschutz (Stromverteilung bei Last)

∆I ∆I ∆I ∆I ∆I ∆I

∆I

3 Wirkungsweise

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Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 20: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

3 Wirkungsweise

20

Grundschaltung nach Bild 34 (Dreiaderndifferentialschutz) Es werden dabei fuumlrdie Verbindung von Station zu Station drei Hilfsadern benoumltigt die normalerweiseals ein bdquoAderndreierldquo in einem Signalkabel verlegt sind In der Differentialadersind an beiden Leitungsenden Stromdifferentialrelais vorgesehen die beim inne-ren Fehler jeweils den Leistungsschalter in ihrer Station ausloumlsen Damit ist keinezusaumltzliche Kommandouumlbertragung von Station zu Station erforderlich In derPraxis werden die Wandlersekundaumlrstroumlme (1 bzw 5 A) uumlber Zwischenwandler auf100 mA herabgesetzt und so der Leistungsverbrauch auf den Hilfsadern reduziertDurch die damit verringerte Wandlerbuumlrde kann der Stromdifferentialschutz biszu Entfernungen von etwa 10 km betrieben werden Bei kurzen Entfernungen von1 bis 2 km koumlnnen Steuerkabel (2 kV Pruumlfspannung) benutzt werden

Bei der Verlegung der Hilfsadern in der Naumlhe von Leistungskabeln oder Freileitun-gen ist allerdings eine gute Schirmung gegen die Beeinflussung durch Erdkurz-schlussstroumlme notwendig Bei laumlngeren Strecken kann dabei Hochspannung vonmehreren kV an den Hilfsadern induziert werden Diese beansprucht die Isolationder Hilfsadern gegen Erde und erfordert dann spezielle Hilfskabel mit erhoumlhterIsolation (z B 8 kV) und unter Umstaumlnden Abriegelungswandler zum Fernhaltender Hochspannung von den Schutzgeraumlten (siehe Abschnitt 611)

Zur Verminderung der Zahl der benoumltigten Hilfsadern werden die Zwischenwand-ler auszligerdem als Mischwandler ausgefuumlhrt wobei die Leiterstroumlme zu einem ein-phasigen Mischstrom zusammengefasst werden

Stromvergleich mit digitaler Messwertuumlbertragung

Das Prinzip des Stromdifferentialschutzes wurde bisher fuumlr den klassischen Fallder Messwertuumlbertragung mit Drahtverbindungen erlaumlutert

Beim digitalen Schutz wird zunehmend auch die serielle Datenuumlbertragunggenutzt

Dabei werden die Messwerte digital codiert uumlbertragen uumlber direkt zugeordneteLichtwellenleiter oder uumlber ein digitales Datennetz Trotz der digitalen Messwer-tuumlbertragung und -verarbeitung bleibt das Grundprinzip jedoch erhalten

Beispiele fuumlr die Anwendung sind der digitale Leitungsdifferentialschutz 7SD5261und der dezentral aufgebaute digitale Sammelschienenschutz 7SS52

Bild 34Leitungsdifferentialschutz

I1

I1

I2

I2

∆I ∆I∆I

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 21: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

32 Grundprinzipien

21

Querdifferentialschutz

Die oben beschriebenen Vergleichsschaltungen werden auch als bdquoLaumlngsdifferenti-alschutzldquo bezeichnet Zur Vollstaumlndigkeit sei erwaumlhnt dass fruumlher auch ein Quer-differentialschutz eingesetzt wurde Er verglich die Stroumlme am Ende von zwei odermehreren parallel geschalteten Leitungen und war unter den Namen bdquoAchter- undPolygonschutzldquo bekannt [A-19] Diese Schutzart wird heute praktisch nicht mehrverwendet vor allem weil die Leitungen bei diesem Verfahren immer parallelgeschaltet sein muumlssen und nicht unabhaumlngig betrieben werden koumlnnen

Bei Maschinen mit parallelen Wicklungen wird dagegen der Querdifferentialschutzzur Erfassung von Windungsschluumlssen nach wie vor eingesetzt (siehe Abschnitt71)

322 Stabilisierter Differentialschutz

Bisher wurde fuumlr das Relais im Differentialpfad zur Vereinfachung ein konstanterAnsprechwert angenommen

Es muss im praktischen Anwendungsfall jedoch mit einem falschen Differenz-strom gerechnet werden der durch Uumlbertragungsfehler der Stromwandler verur-sacht wird Er steigt im linearen Bereich der Wandler proportional mit dem Durch-gangsstrom an Bei groszligen Kurzschlussstroumlmen kann es dann abrupt zur Wandler-saumlttigung und zu einem steilen Anstieg des Falschstromes kommen

Bei Regeltransformatoren muss zusaumltzlich mit einem Falschstrom gerechnet wer-den der bei Verstellung des Stufenschalters entsteht

In Bild 35 ist der vom Relais gemessene Differenzstrom dargestellt in Abhaumlngig-keit von dem Durchgangsstrom ID bei Last oder externem Fehler

Man erkennt dass es sinnvoll ist das Ansprechniveau mit steigendem Durch-gangsstrom anzuheben Damit ergibt sich eine hohe Ansprechempfindlichkeit beiLast und kleinen Kurzschlussstroumlmen und andererseits eine verbesserte Stabilitaumltgegen Fehlausloumlsung bei groszligen Stroumlmen wo Wandlersaumlttigung zu erwarten ist

Bild 35Falscher Differenzstrom bei Last und Durchgangsfehlern und angepasste Relaiskennlinie

I∆In

∆IGF

∆IWF

∆IWF

∆IAF

IDIn

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 22: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

3 Wirkungsweise

22

In den Anfaumlngen der Schutztechnik wurde dies durch eine Anhebung derAnsprechkennlinie proportional mit dem Durchgangsstrom realisiert DieseMethode wurde bereits 1920 vorgeschlagen und wurde unter dem Namen Prozen-trelais bekannt [3-1 3-2] Bild 36 zeigt den prinzipiellen Aufbau

Diese Methode wurde spaumlter in elektromechanischer und statischer Technologieals Gleichrichterbruumlckenschaltung realisiert (Bild 37) Als Messglied diente einpolarisiertes Drehspulrelais mit hoher Empfindlichkeit beziehungsweise eine ent-sprechende elektronische Triggerschaltung

Stabilisierend (als Ruumlckhaltung) wirkt die Groumlszlige die derbdquoSummeldquo der Wandlerstroumlme beim durchflieszligenden Strom entspricht Dabei ist zubeachten dass die gewaumlhlte Vorzeichenregel die Stroumlme positiv zaumlhlt wenn sie inden Schutzbereich hineinflieszligen

Ausloumlsend wirkt die bdquoDifferenzldquo der Wandlerstroumlme

Es ergeben sich also folgende Zustaumlnde

Als Ansprechkriterium gilt

das heiszligt mit k = k1k2

Durch eine Ruumlckzugsfeder am Ansprechrelais kann noch ein MindestansprechwertB eingefuumlhrt werden

Damit erhalten wir als Grundformel fuumlr den stabilisierten Stromdifferentialschutz

Bild 36 Prozentrelais nach McCroll

Aumluszligerer Fehler

Innerer Fehler mit einseitiger Einspeisung

Innerer Fehler mit zweiseitiger Einspeisung

IA gt k middot IS + B (3-1)

I1

I2

A = I1 ndash I2

S = I1 + I2

I1 + I2

B

B

IS k1 I1 I2ndash( )sdot=

IA k2 I1 I2+( )sdot=

IS I1 I2ndash( )= IA I1 I2+( )=

IS 2 IKsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

IS 0= IA 2 IKsdot=

IA k ISsdotgt I1 I2+ kgt I1 I2ndashsdot

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 23: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

32 Grundprinzipien

23

Spaumlter wurde die Messschaltung noch verfeinert und durch eine zusaumltzliche Dio-den-Widerstandskombination erweitert Damit wurde erreicht dass die Stabilisie-rung bei kleinen Stroumlmen nur schwach einsetzt und erst ab einem Schwellwertstark ansteigt (gestrichelt gezeichnete Kennlinie in Bild 37) In digitaler Technikwurde dann eine Kennlinie realisiert die aus mehreren Abschnitten besteht Sielaumlsst sich besser an den auszugrenzenden Falschstrombereich anpassen (sieheBild 35)

Der Schwellwert B wird bei neueren Schutzeinrichtungen nicht mehr auf der Stabi-lisierungsseite addiert sondern als getrennt einstellbares Kriterium reali-siert Damit ist die stabilisierte Kennlinie nicht mehr um den Anfangs-wert B verschoben sondern verlaumluft durch den Koordinatenursprung Dies ermoumlg-licht eine erhoumlhte Empfindlichkeit bei kleinen Stroumlmen aumlhnlich wie bei der gestri-chelten Kennlinie in Bild 37 (siehe Bild 314 im folgenden Abschnitt)

Das beschriebene Messprinzip laumlsst sich auch auf Schutzobjekte mit mehr als zweiEnden (Dreiwicklungstransformator Sammelschienenschutz) ausdehnen Dabeiwird fuumlr die Stabilisierung die Summe der Strombetraumlge (arithmetische Summe)benutzt1 und fuumlr die Ausloumlsung der Betrag der geometrischen (vektoriellen)Stromsumme

Als Ansprechkriterium gelten die bereits oben erlaumluterten Bedingungen

Der Stabilisierungsfaktor ist einstellbar und variiert in einem Bereich von k = 03bis 08 abhaumlngig von der Anwendungsart und der Auslegung der Stromwandler

Bild 37 Differentialschutz mit Gleichstrombruumlckenschaltung als Messglied

1 Bei digitalen Relais wird auch beim Zwei-Enden-Differentialsschutz diese Formel angewendet

(3-2)

(3-3)

IA gt k middot IS und IA gt B (3-4)

I1

i1 i2

w2

w1 w1

w4w3

I2

I

I

I I I

I I

I I

IA BgtIA k ISsdotgt

IS I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

IA I1 I2 I3 hellip In+ + + +=

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 24: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

3 Wirkungsweise

24

Der Schwellwert B kann bei einem Generator auf 10 In eingestellt sein waumlhrendbei einem Sammelschienenschutz ein Wert von 130 des maximalen Abgangs-stroms uumlblich ist Darauf wird bei der Diskussion der einzelnen Schutzeinrichtun-gen eingegangen Die entsprechende Schaltung mit analoger Messwertverarbei-tung zeigt Bild 38 Der Betragsbildung entspricht dabei die Gleichrichtung

Beim aumluszligeren Fehler muss der Ausloumlsestrom IA Null sein das heiszligt die Stromzei-ger muumlssen sich zu Null addieren Der Stabilisierungsstrom entspricht der Summeder Strombetraumlge

Beim inneren Fehler ergibt sich der Ausloumlsestrom als die Summe der StromzeigerIm einfachsten Fall wenn die Einspeisequellen und deswegen auch die Kurz-schlussstroumlme alle annaumlhernd in Phase liegen sind die Vektor- und die Betrags-summe gleich das heiszligt IA = IS

1

Im Normalfall (niederohmiger Kurzschluss und phasengleiche Einspeisungen)erhalten wir folgende Uumlbersicht

Bei inneren Fehlern mit groumlszligeren Uumlbergangswiderstaumlnden muss allerdings damitgerechnet werden dass auch waumlhrend des Fehlerzustandes ein Teil der Last durchdie Anlage hindurch flieszligen kann Es kommt zu einer Uumlberlagerung der nachinnen flieszligenden Kurzschlussstroumlme und der durchflieszligenden Laststroumlme Damitreduziert sich das Verhaumlltnis IAIS entsprechend

Bild 38 Mehrendendifferentialschutz Prinzip

1 Bei einer Reihe von Herstellern entspricht dem Stabilisierungsstrom IS nur die Haumllfte der Stromsumme IS = (|I1| + |I2| + +|In|)2 Damit gilt beim aumluszligeren Fehler IS = IKD und beim inneren Fehler IS = IK2 Dies ist beim Vergleich der Relais und bei der Einstellung der Stabilisierungsfaktoren zu beachten

Aumluszligerer Fehler IKD ist der durch den Schutzbereich flieszligende Kurzschlussstrom

Innerer Fehler IK ist der Summenkurzschlussstrom an der Fehlerstelle

IS IA

I I I I I I I I I I

IS 2 IKDsdot= IA 0=

IS IK= IA IK=

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 25: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

32 Grundprinzipien

25

Beispiel 31

Kurzschluss mit Uumlbergangswiderstand (Bild 39)

IA = 2300 ndash 300 = 2000

IS = 2300 + 300 = 2600

IAIS = 077

In ausgedehnten Uumlbertragungsnetzen oder wenn Kraftwerke pendeln oder garauszliger Tritt fallen kann es jedoch zu groumlszligeren Winkelverschiebungen kommen beiden auf die Fehlerstelle zuflieszligenden Stroumlmen In diesem Fall ist die vektorielleStromsumme kleiner als die Betragssumme und deswegen IA lt IS Fuumlr den Falleiner zweiseitigen Einspeisung ergeben sich die Verhaumlltnisse gemaumlszlig Bild 310

Wenn wir zur Vereinfachung die beiden Stroumlme gleich groszlig annehmen dannergibt sich

Bei δ = 30deg ergibt sich damit ein Verhaumlltnis von IAIS = 087

Die betrachteten Effekte koumlnnen sich natuumlrlich auch addieren Der Stabilisierungs-faktor sollte deshalb nicht uumlber 08 eingestellt werden Die Wandler sollten viel-mehr so ausgelegt werden dass eine Einstellung uumlber 07 nicht notwendig ist

323 Differentialschutz mit zwei Hilfsadern

Zur Nutzung von Nachrichtenkabeln mit verdrillten Adernpaaren (Telefonadern)wurde der Zweiadern-Differentialschutz (pilot wire differential protection) entwi-ckelt Er wird vor allem im Ausland eingesetzt wo die Adernpaare auch von Tele-fongesellschaften gemietet werden

Es sind grundsaumltzlich zwei Varianten moumlglich

bull Spannungsvergleichsprinzip (opposed voltage principle)

bull Kreisstromprinzip (circulating current principle)

Beide Varianten wurden realisiert und sind in der Praxis im Einsatz [A-13 A-20]Die Relais von Siemens die in Abschnitt 92 ausfuumlhrlich behandelt werden arbei-ten nach dem Spannungsvergleichsprinzip

Bild 39 Innerer Fehler mit Uumlber-gangswiderstand Stromverteilung

Bild 310 Innerer Fehler mit phasen-verschobenen Einspeisungen

und

RF

ISIA

RL

∆I

IK2IK1

IK1

IK2

IS

IA

∆I

E middot e j0deg E middot e -jδdeg

δ

IS 2 Iksdot= IA 2 Ikδ2---cossdot sdot=

3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

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3 Wirkungsweise

26

Spannungsvergleich

Bei diesem Verfahren wird der Strom an jedem Leitungsende uumlber einen Shunt-widerstand (RQ) geschickt und so jeweils eine stromproportionale Spannung U1

bzw U2 erzeugt Diese beiden Spannungen werden dann uumlber das Hilfsadernpaarverglichen Der Anschluss wird so gewaumlhlt dass sich die Spannungen bei durchflie-szligendem Last- oder Fehlerstrom entgegenstehen und auf der Hilfsader kein Stromflieszligt Beim innerem Fehler liegen die beiden Spannungen dagegen in Reihe undtreiben einen Strom uumlber die Hilfsadern der zur Ausloumlsung der empfindlichenStromrelais (ΔI) fuumlhrt Dieser Ausloumlsestrom betraumlgt bezogen auf Nennstrom derWandler nur einige mA

Die Spannung an den Hilfsadern betraumlgt bei Nennstrom der Wandler nur wenigeVolt steigt aber bei groszligen Kurzschlussstroumlmen entsprechend an Die maximaleQuerspannung an den Adern darf allerdings nicht mehr als 60 der Pruumlfspannungdes Telefonkabels (500 V) betragen das heiszligt 300 V Fuumlr die Begrenzung der Span-nung bei hohen inneren Fehlerstroumlmen ist ein Varistor vorgesehen Bei aumluszligerenFehlern sollte die Begrenzungsspannung aber nicht erreicht werden Die leis-tungsarme Auslegung der Geraumlte erlaubt eine maximale Streckenlaumlnge von etwa25 km

Bild 311 Leitungsdifferentialschutz Prinzip Spannungsvergleich

Bild 312 Zwei-Adern-Differentialschutz Variante Spannungsvergleich

I1 I2

Netz

U1 U2RQ RQ

∆I∆U

∆I

I1-prim

I1

RS 2

RS 2

2

IA

IS

IA

2IS

I2-prim

I2

RQ RQ

a I1 +I2( )1 a( ) I1 a I2

1a 2

1a

1 a( ) I2 a I1

1a

2

RQ = a1 2 a

RS RQ = a1 2 a

RS

1a

32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

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32 Grundprinzipien

27

Bezuumlglich Isolation und Schirmung der Hilfsadern gelten prinzipiell die inAbschnitt 321 zum Dreiaderdifferentialschutz gemachten Aussagen

Zusaumltzlich ist eine gute Verdrillung des Adernpaars notwendig damit die durchErdkurzschlussstroumlme induzierte Querspannung die die Messung beeinflusstniedrig gehalten wird Darauf wird in Abschnitt 611 ausfuumlhrlich eingegangen

Die in der Praxis eingesetzte Messschaltung ist als stabilisierter Differentialschutzausgefuumlhrt Der Ausloumlsestrom 1 ist dabei proportional dem Hilfsadern-strom Der Stabilisierungsstrom wird gewonnen aus dem Strom imQuerzweig mit einem Zusatzanteil aus dem Hilfsadernstrom (Bild 312)

Das Verhaumlltnis von Querwiderstand RQ zu m Schleifenwiderstand RS bestimmt denStromverteilungsfaktor a d h das Verhaumlltnis von Adernstrom zu Gesamtstrom

Dabei ist RS durch den Schleifenwiderstand der Hilfsadern vorgegeben RQ

wird am Relais eingestellt so dass sich das vorgegebene Verhaumlltnis a ergibt

Zur Bildung von IA und IS sind die Adern- und Querstroumlme im Relais mit dengezeigten Gewichtungsfaktoren zu addieren Dies geschieht beim analogen Schutzuumlber interne Zwischenwandler mit entsprechenden Anzapfungen (Bild 312)

Beim den konventionellen Relais von Siemens wurde mit der Einstellung immerauf den festen Wert a = 18 has heiszligt RQ = 16 RS abgeglichen (siehe Abschnitt 92Bild 92)

Beim digitalen Schutz ist der Abgleich nicht mehr erforderlich Die Stromvertei-lung wird in jedem Anwendungsfall aus dem einzugebenden Wert fuumlr RS und demim Relais fest vorgegebenen Wert RQ individuell berechnet Dies wird in Abschnitt92 ausfuumlhrlich erlaumlutert

Kreisstromverfahren

Die Schaltung ist wie beim Spannungsvergleichsverfahren aufgebaut es sindjedoch Ausloumlsung und Stabilisierung vertauscht Der Hilfswandler in der Adern-schleife liefert jetzt und der Hilfswandler am Querzweig Die Stromwandler sind gegensinnig an die Hilfsadern angeschlossen wie beimuumlblichen Differentialschutz das heiszligt die in Bild 312 bei dem rechten Wandlergezeigte Kreuzung der Anschluumlsse entfaumlllt Damit liegen die Sekundaumlrspannungender Stromwandler beim durchflieszligenden Leitungsstrom in Reihe und treibeneinen Kreisstrom durch die Hilfsadernschleife Beim inneren Fehler stehen beide

1 Es ist die Vorzeichenregel zu beachten In die Leitung hinein flieszligende Stroumlme werden positiv gezaumlhlt

(3-5)

(3-6)

(3-7)

IA I1 I2+=IS I1 I2ndash=

I1 I2+

RQa

1 2 asdotndash-------------------- RSsdot=

IA1a--- a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2+= =

IS 2 1 andash( ) I1sdot a I2sdotndash[ ]sdot 1a--- 2ndash a I1 I2+( )sdot[ ]sdot I1 I2ndash=ndash=

IS I1 I2ndash= IA I1 I2+=

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|

Page 28: cover · 2013-07-23 · 5 Vorwort zur ersten Auflage Der Differentialschutz ist ein schneller, absolut selektiver Schutz und wird in vie-len Varianten bei elektrischen Maschinen,

3 Wirkungsweise

28

Spannungen einander entgegen und verursachen einen Ruumlckgang des Adernstro-mes Bei zweiseitiger Einspeisung mit gleich groszligen Kurzschlussstroumlmen wird derAdernstrom theoretisch Null

Vergleich der Verfahren

Beim Spannungsvergleichsverfahren flieszligt im Normalzustand kein Strom uumlber dieHilfsadern Beim inneren Fehler muss der Ausloumlsestrom uumlber die Hilfsadern flie-szligen Es handelt sich deshalb um ein Freigabeverfahren (tripping pilot scheme) BeiAdernunterbrechung ist keine Ausloumlsung moumlglich Bei Adernkurzschluss wuumlrdeder Schutz bei externen Fehlern ausloumlsen Ein getrenntes Uumlberstromkriterium istdeshalb notwendig um bei Last und Adernkurzschluss eine Fehlausloumlsung zu ver-hindern

Beim Kreisstromverfahren flieszligt der Stabilisierungsstrom uumlber die Hilfsadern undverhindert ein Ansprechen bei aumluszligeren Fehlern Es handelt sich deshalb um einBlockierverfahren (blocking pilot scheme) Eine Unterbrechung fuumlhrt daher zurFehlausloumlsung bei groszligen Durchgangsstroumlmen Ein zusaumltzliches Uumlberstromkrite-rien ist also auch hier sinnvoll Ein Kurzschluss der Hilfsadern fuumlhrt zur Uumlberstabi-lisierung und Blockierung der Ausloumlsung

324 Ansprechkennlinien

Fuumlr die Darstellung gibt es mehrere Varianten

IAIS-Diagramm (Skalar-Diagramm)

Das Verhalten des Differentialschutzes laumlsst sich am einfachsten an Hand desStromdiagramms beurteilen in dem der Ausloumlsestrom (Differenzstrom1)

uumlber dem Stabilisierungsstrom (Summenstrom) aufgetragenwird (Bild 313)

1 Die Bezeichnung Differenzstrom ruumlhrt daher daszlig die geometrische Stromsumme im Fehlerfall eine von Null abweichende Differenz aufweist

Bild 313IAIS-Diagramm des Differentialschutzes

IA Σ I = IS Σ I =

IA = | I1 + I2|

IS = | I1| + | I2|