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COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Konsumverhalten und den illegalen Drogenmarkt Schlussbericht der Befragung von Freizeitdrogenkonsumierenden Auswertungsperiode: 16.04.2020 – 31.05.2020

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COVID-19 und

Freizeitdrogenkonsum Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Konsumverhalten und den illegalen Drogenmarkt

Schlussbericht der Befragung von Freizeitdrogenkonsumierenden

Auswertungsperiode: 16.04.2020 – 31.05.2020

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Impressum

Herausgeberin

Infodrog

Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht

Eigerplatz 5

CH-3007 Bern

+41(0)31 376 04 01

[email protected]

www.infodrog.ch

Autoren

Dominique Schori, Infodrog

Stefano De Simone, Infodrog

Lektorat

Sandra Bärtschi, Infodrog

Übersetzung

Célia Bovard, Infodrog

© Infodrog 2020

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Inhaltsverzeichnis

1 Das Wichtigste in Kürze .................................................................................................................................. 4

2 Ausgangslage ................................................................................................................................................. 5

3 Methodik ....................................................................................................................................................... 6

4 Zusammensetzung der Stichprobe ................................................................................................................. 6

5 Ergebnisse ...................................................................................................................................................... 7

6 Diskussion .................................................................................................................................................... 14

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1 Das Wichtigste in Kürze

Von Mitte April 2020 bis Ende Mai 2020 hat Infodrog in Zusammenarbeit mit verschiedenen

Fachstellen Freizeitdrogenkonsumierende befragt, welche Auswirkungen die COVID-19-

Pandemie auf ihr Konsumverhalten und den Drogenmarkt hat.

Insgesamt haben sich 604 Personen an der Umfrage beteiligt.

Im Befragungszeitraum galt ein Veranstaltungsverbot. Aus diesem Grund sank auch der Konsum

von Substanzen, die bevorzugt in diesem Setting konsumiert werden (z. B. Stimulanzien wie

MDMA oder Amphetamin).

Gleichzeitig kam es bei den Befragten relativ häufig zu einer Konsumverlagerung hin zu Alkohol,

Cannabis und Tabak.

Beim Kauf von illegalen Substanzen erwarb rund ein Viertel der Befragten grössere Mengen auf

einmal, vermutlich aus Angst, dass der illegale Drogenmarkt während der Corona-Pandemie

kollabieren könnte.

Der grösste Teil der befragten Personen nahm keine Preisveränderungen auf dem illegalen

Drogenmarkt wahr oder konnte dazu keine Angaben machen.

Der Drogenmarkt hat sich, gemäss den Einschätzungen der Befragten, trotz Massnahmen wie

beispielsweise Grenzschliessungen und systematische Grenzkontrollen, nur wenig verändert1.

Die Qualität bzw. der Reinheitsgrad von illegalen Substanzen scheint zumeist stabil geblieben zu

sein, z. T. wurde von einer Verknappung des Angebots oder einer Reduktion der Auswahl

berichtet.

Rund 40% planten während der Pandemie ihren Konsum insgesamt zu reduzieren.

Rund die Hälfte der Befragten gab an, dass die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen

Einschränkungen einen negativen Einfluss auf ihr Wohlbefinden hatten. Ein Viertel stellte

dagegen einen positiven Einfluss fest.

1 Diese Einschätzung wird durch zahlreiche andere Datenquellen gestützt, vgl.:

https://www.infodrog.ch/files/content/corona/bulletin-marche-des-drogues-et-covid-no1_de.pdf

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2 Ausgangslage

Die COVID-19-Pandemie erreichte Ende Februar 2020 auch die Schweiz. Die damit verbundenen

Massnahmen des Bundes zur Eindämmung des Virus hatten und haben enorme Auswirkungen auf

sämtliche Lebensbereiche. Viele Fachleute sind davon ausgegangen, dass sich die einschneidenden

Massnahmen des Bundes seit Mitte März erheblich auf Personen auswirken, die vorwiegend illegale

psychoaktive Substanzen zu rekreativen Zwecken konsumieren – sogenannte

Freizeitdrogenkonsumierende. Die Auswirkungen sollten sich demnach auf mindestens den

nachfolgenden drei Ebenen abzeichnen.

Konsumverlagerung

Zunächst wurde vermutet, dass der Konsum von Substanzen, die vorwiegend im Partysetting oder

aufgrund deren Wirkspektrum häufig mit anderen Menschen zusammen konsumiert werden (z. B.

MDMA/Ecstasy), rückläufig sein wird. Gleichzeitig wurde spekuliert, dass es zu einer Konsumverlagerung

zu Substanzen wie Alkohol oder Cannabis kommen könnte, die häufig auch zu Hause und/oder alleine

konsumiert werden. Unklar war zudem, wie die einschneidenden Massnahmen das psychische

Wohlbefinden und damit potentiell auch das Konsumverhalten beeinflussen würden.

Veränderungen auf dem Drogenmarkt

Mit der Wiedereinführung von systematischen Grenzkontrollen, der teilweisen Schliessung von

Grenzübergängen, den weit ausgedehnten Einreisesperren in ganz Europa und dem starken Rückgang

von grenzüberschreitendem Warenverkehr musste man im März davon ausgehen, dass der

internationale Drogenhandel ebenfalls betroffen sein wird. Befürchtet wurde, dass es zu einer

Verknappung des Angebots auf dem Markt kommen könnte, was DealerInnen dazu veranlassen könnte,

zusätzlich Streckmittel zu verwenden oder auf neue, unbekannte oder deutlich gefährlichere Substanzen

umzusteigen. Eine Befürchtung bezog sich z. B. auf Heroin, welches bei einer Verknappung auf dem

Markt durch ungleich potentere synthetische Opioide wie Fentanyl verdrängt werden könnte, mit

potentiell tödlichen Folgen für die Konsumierenden.

Veränderung des Kaufverhaltens

Mit den Empfehlungen und Verordnungen des Bundes, physisch Distanz zu halten und möglichst zu

Hause zu bleiben, stellte sich im März die Frage, ob diese Massnahmen dazu führen könnten, dass

Freizeitdrogenkonsumierende ihre Substanzen häufiger online beziehen. Dies etwa, weil sie keinen oder

nur noch eingeschränkten Kontakt zu ihren DealerInnen haben. Auch wurde vermutet, dass die Angst vor

einem drohenden Kollaps des illegalen Drogenmarktes zu «Hamsterkäufen» führen könnte, wie das für

andere Produkte auf dem Höhepunkt der Pandemie ebenfalls zu beobachten war.

Um diese Hypothesen und Spekulationen näher zu untersuchen, hat sich Infodrog gemeinsam mit

verschiedenen Fachstellen und Praxisprojekten2 dazu entschieden, eine Online-Befragung mit Hilfe der

2 Eve&Rave Schweiz, Rave it safe Bern, Saferparty Streetwork Zürich, Saferdance Basel, Nuit Blanche?

Genf, danno.ch Lugano

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Homepages und den Social-Media-Kanäle der Angebote durchzuführen. Wir möchten damit einen

Beitrag zu einem besseren Verständnis leisten, inwiefern die COVID-19-Pandemie bzw. die damit

verbundenen Massnahmen einen Einfluss auf das Konsum- und Marktverhalten von

Freizeitdrogenkonsumierenden sowie den illegalen Drogenmarkt hatten.

3 Methodik

Die Online-Fragebögen, die in allen drei Landessprachen verfügbar sind, wurden via Websites, Online-

Foren oder Social-Media-Kanäle verbreitet3. Personen, welche die Kanäle oder Websites nutzten, fanden

an prominenter Stelle einen Link zum Online-Fragebogen vor und konnten diesen selbständig und

anonym ausfüllen. Vereinzelt wurden die Fragebögen auch im Rahmen von Drug Checkings ausgefüllt,

die seit Ende April schrittweise ihren Betrieb wieder hochgefahren haben4. Da es sich beim Kauf, Besitz

und Konsum von illegalen psychoaktiven Substanzen um Widerhandlungen gegen das

Betäubungsmittelgesetz handelt, wurde dem Schutz der Anonymität der Befragten grosse Beachtung

geschenkt. Deshalb wurden weder IP-Adressen noch andere personenbezogene Informationen erhoben.

4 Zusammensetzung der Stichprobe

Im Zeitraum vom 14. April 2020 bis 31. Mai 2020 haben sich insgesamt 604 Personen an der Umfrage

beteiligt, die angaben ihren Wohnsitz in der Schweiz zu haben. 314 Fragebögen wurden auf Deutsch, 240

auf Französisch und 50 auf Italienisch ausgefüllt. 85 Antworten konnten für die Auswertung nicht

berücksichtigt werden, da die Angaben unvollständig bzw. nicht plausibel waren. Somit wurden

gesamthaft 519 Personen für die Auswertungen berücksichtigt.

Der Altersmedian der Befragten ist mit rund 29 Jahren leicht höher als das mittlere Alter der Zielgruppe,

die durch die reguläre jährliche Befragung von Freizeitdrogenkonsumierenden erreicht wird (2019

betrug der Altersmedian dort 25,4 Jahre)5. Rund 65 % aller Befragten sind männlich. Der

Frauenanteil liegt mit 34 %6 leicht höher als in der jährlichen Befragung von

Freizeitdrogenkonsumierenden (2019 betrug der Frauenanteil dort knapp 30 %).

3 Zum Fragebogen:

https://www.infodrog.ch/files/content/corona/Fragebogen_Bericht_Freizeitdrogenkonsum_Covid -

19_d.pdf 4 Zur aktuellen Situation der Drug-Checking-Angebote in der Schweiz vgl.:

https://www.safezone.ch/substanzwarnungen.html 5 https://www.infodrog.ch/de/themen/nightlife/fragebogen-freizeitdrogenkonsum.html

6 1% diversgeschlechtlich

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5 Ergebnisse

12-Monats-Prävalenz

Wie Abb. 1 zu entnehmen ist, konsumierten die Befragten in den letzten 12 Monaten am häufigsten die

legalen psychoaktiven Substanzen Alkohol und Tabak sowie Hanfprodukte, wie z. B. Marihuana oder

Haschisch. 9 von 10 Befragten (n=467) gaben in den letzten 12 Monaten vor der Befragung an

mindestens einmal Alkohol konsumiert zu haben, bei Tabak rund 8 von 10 Befragten (n=409). Drei Viertel

aller Befragten (n=385) haben in den letzten 12 Monaten mindestens einmal Hanfprodukte konsumiert.

Für MDMA (Pulver/Kristalle und Pillen) sind es ebenfalls rund drei Viertel (n=398).

Bei weiteren illegalen psychoaktiven Substanzen wurden am häufigsten Kokain (44% aller Befragten),

Amphetamin (34%), LSD (29%) oder Ketamin (27%) konsumiert.

Abbildung 1: 12-Monats-Prävalenz, n=519

30-Tages-Prävalenz und Konsumhäufigkeit

Bei der 30-Tages-Prävalenz zeigt sich ein analoges Bild. Am häufigsten konsumierten die Befragten in den

letzten 30 Tagen vor dem Zeitpunkt der Befragung die legalen Substanzen Alkohol und Tabak, gefolgt

von den illegalen Substanzen Hanfprodukte, Kokain, MDMA/Ecstasy oder Amphetamin. Insgesamt zeigt

sich, dass die hier erreichte Zielgruppe deutlich häufiger psychoaktive Substanzen (insbesondere illegale)

konsumiert als die Allgemeinbevölkerung. Die hohe Konsumfrequenz bei vielen illegalen Substanzen

bedeutet auch, dass diese Zielgruppe einem potentiell hohen Risiko ausgesetzt wäre, falls sich der

illegale Drogenmarkt massgeblich verändern sollte.

14

21

24

28

30

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409

467

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500

Synth. Cathinone

Methamphetamin

Synthetische Cannabinoide

Kokain (Crack/Freebase)

GHB/GBL

Heroin

Andere

2-CB

Poppers

Andere psychische Medikamente

Benzodiazepine

Psilocybinhaltige Pilze

Andere pflanzliche Drogen

Ketamin

LSD

Amphetamin/Speed

MDMA (Pillen)

MDMA (Pulver/Kristalle)

Kokain (Pulver)

Hanfprodukte (Gras, Hasch)

Tabak

Alkohol

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Einfluss auf das Konsumverhalten

Für einen Grossteil der Befragten schien die COVID-19-Pandemie einen Einfluss auf ihr Konsumverhalten

zu haben. So gaben rund 70% aller Befragten an, dass sich durch Pandemie, bzw. durch die damit

zusammenhängenden Massnahmen und Einschränkungen, ihr Konsumverhalten verändern würde (vgl.

Abb. 3).

Abbildung 3: Einfluss der COVID-19-Pandemie auf das Konsumverhalten, n=494

Fast die Hälfte der Befragten (n=228) gab dabei an, dass sie bestimmte Substanzen häufiger

konsumierten, als dies vor Ausbruch von COVID-19 in der Schweiz der Fall war. Ein Drittel der Befragten

(n=161) sagten aus, bestimmte Substanzen seit Ausbruch von COVID-19 seltener zu konsumieren. Rund

ein Viertel der Befragten gab an, häufiger alleine zu konsumieren. Andere Veränderungen des

Konsumverhaltens wurden vergleichsweise selten genannt (vgl. Abb. 4).

Abbildung 4: Einfluss der COVID-19-Pandemie auf Konsumverhalten, Mehrfachantworten möglich, n=494

15

41

52

54

130

161

228

0 50 100 150 200 250

Ich konsumiere auf andere Art und Weise (z.B. schnupfenstatt schlucken)

Ich konsumiere andere Substanzen als üblich

Ich konsumiere grössere Mengen auf einmal

Ich konsumiere kleinere Mengen auf einmal

Ich konsumiere häufiger alleine

Ich konsumiere bestimmte Substanzen seltener

Ich konsumiere bestimmte Substanzen häufiger

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131

349

0 100 200 300 400

Weiss nicht/keine Angaben

Keine Veränderungen

Konsumveränderung

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Befragte, die mitteilten, dass sie bestimmte Substanzen seit Ausbruch von COVID-19 häufiger bzw.

seltener konsumieren würden, wurden zusätzlich gefragt, um welche Substanzen es sich dabei handelte.

Abb. 5. stellt die Tendenzen bzgl. Konsumhäufigkeit für die verschiedenen Substanzen dar. Es zeigt sich,

dass insbesondere Alkohol, Tabak und Hanfprodukte häufiger konsumiert wurden, während Stimulanzien

wie MDMA oder Kokain weniger häufig konsumiert wurden.

Abbildung 5: Relative Veränderung des Konsums verschiedener Substanzen

Diejenigen, die angaben, dass sich ihr Konsumverhalten verändert hatte, wurden zudem nach den

Gründen für die Veränderung gefragt. Am häufigsten wurde dabei genannt, dass durch den Wegfall von

beruflichen Verpflichtungen mehr Gelegenheiten zum Konsum vorhanden waren und deshalb mehr

konsumiert wurde. Am zweithäufigsten war die Nennung, dass infolge des Veranstaltungsverbots

weniger Konsumgelegenheiten (z. B. an einer Party) vorhanden waren und deshalb weniger konsumiert

wurde. Etwas weniger häufig wurden psychische oder soziale Belastungssituationen sowie ein

erschwerter Zugang zu den illegalen Substanzen als Gründe für eine Konsumveränderung genannt.

132

92

117

146

25

2

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3 73 1 2 3 1

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3

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7

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36

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8 4 4 6 3 5 512

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Häufigerer Konsum (n=227)

Seltenerer Konsum (n=313)

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Abbildung 6: Gründe für verändertes Konsumverhalten, Mehrfachantworten möglich, n=344

Veränderungen des Kaufverhaltens

Die Teilnehmenden wurden gefragt, welchen Einfluss die COVID-19-Pandemie auf ihr Kaufverhalten und

den illegalen Drogenmarkt hat. In Bezug auf das Kaufverhalten gab fast jede zweite befragte Person an

(n=224), dass sich nichts verändert hat und die Substanzen weiterhin über dieselbe Quelle bezogen

werden. Fast jede vierte Person (n=106) berichtete, grössere Mengen auf einmal zu kaufen, als noch vor

dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie. Knapp jede/r fünfte Befragte (n=89) gab an, mehr illegale

Substanzen während der Pandemie über private Netzwerke zu kaufen, z. B. den Bekanntenkreis.

Abbildung 7: Veränderung des Kaufverhaltens, Mehrfachantworten möglich, n=469

11

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17

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33

47

89

106

224

0 50 100 150 200 250

Ich kaufe mehr über das Clear Web

Ich kaufe kleinere Mengen auf einmal

Ich produziere mehr selber/ baue mehr selber an

Ich lasse mir vermehrt Substanzen per Post zustellen

Ich kaufe mehr über das Dark Web/ Deep Web

Ich kaufe mehr bei mir unbekannten Dealern

Ich lasse mir vermehrt Substanzen persönlich nach Hause liefern

Weiss nicht/ keine Angaben

Ich kaufe mehr über private Netzwerke (Bekanntenkreis)

Ich kaufe grössere Mengen auf einmal

Keine Veränderungen

16

18

18

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0 50 100 150 200

Ich habe Angst vor zusätzlichen Risiken (neue Streckmittel, falschdeklarierte Substanzen)

Ich habe Angst vor einer Infektion mit COVID-19 (durch Kontakt mitDealer/Substanz)

Der Zugang zu meiner Quelle ist erleichtert

Anderes

Der Zugang zu meiner Quelle ist erschwert (Dealer, Bekanntenkreis)

Ich fühle mich durch die aktuelle Situation sozial belastet (Jobverlust,Geldprobleme, fehlende Sozialkontakte)

Ich fühle mich durch die aktuelle Situation psychisch belastet (Ängste,Antriebslosigkeit)

Ich habe weniger Gelegenheiten zum Konsum (z. B. keine Partysmehr)

Ich habe mehr Gelegenheiten zum Konsum (z. B weniger beruflicheVerpflichtungen)

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5.5 Veränderungen auf dem illegalen Drogenmarkt

Die Teilnehmenden wurden weiter darüber befragt, ob es nach ihrer Einschätzung zu Veränderungen

bzgl. Preis und Qualität auf dem illegalen Drogenmarkt gekommen ist. Bei den Hanfprodukten

berichteten 94 Personen über einen Preisanstieg auf dem Schwarzmarkt. Beim Kokain stellten 37

Personen in den letzten 30 Tagen einen erhöhten Preis fest, beim Heroin 16 Befragte. Der grösste Teil

der Teilnehmenden nahm jedoch keine Preisveränderung wahr oder konnte dazu keine Angaben

machen.

Abbildung 8: Beobachtete Veränderung der Preise auf dem Schwarzmarkt

In Bezug auf die Qualität gibt es, gemäss Aussagen der Befragten, nur vereinzelt Veränderungen und

keine eindeutigen Tendenzen. Teilweise wird darüber berichtet, dass Hanfprodukte seit dem Ausbruch

von COVID-19 in der Wirkung schwächer, oder aber auch stärker geworden sind. Ebenfalls hatten 28

Personen den Eindruck, dass die Wirkung des Kokains schwächer bzw. die Substanz weniger rein war. Die

meisten Teilnehmenden stellten jedoch bezüglich der Qualität der Substanzen auf dem Schwarzmarkt

keine Veränderung fest oder konnten dazu keine Aussagen machen.

Abbildung 9: Beobachtete Veränderungen der Qualität der Substanzen auf dem Schwarzmarkt

94

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150

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250

300 Preis gestiegen (Anzahl Nennungen); n=454

Preis gesunken (Anzahl Nennungen); n=448

22 3 2 3 2 1 2 0 1 1 1 0 1 9 1 1 0 1 0 3

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267

31 286 2 0 3 2 0 1 1 1 0 5 12 2 1 1 0 0 4

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265

0

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100

150

200

250

300Stärker/reiner: Anzahl Nennungen (n=443)

Schwächer/weniger rein: Anzahl Nennungen (n=438)

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Zusätzlich wurde nach weiteren Veränderungen gefragt, welche von den Befragten auf dem illegalen

Drogenmarkt beobachtet wurden. Ein Drittel aller Befragten stellten keine Veränderungen fest (n=137).

Jede fünfte Person hatte den Eindruck, dass insgesamt weniger Substanzen auf dem Markt waren (n=93)

oder, dass die Auswahl kleiner geworden ist (z. B. nur noch eine bestimmte Grassorte beim Dealer,

(n=84).

Abbildung 10: Weitere beobachtete Veränderungen auf dem Drogenmarkt, Mehrfachnennungen möglich, n=426

5.6 Veränderungsmotivation und Auswirkungen von COVID-19 auf das

Wohlbefinden

Abschliessend wurde gefragt, ob die Befragten in den nächsten Wochen nach der Befragung planen,

etwas an ihrem Konsumverhalten zu verändern. Rund 42% aller Antwortenden (n=176) gaben an, dass

sie keine Veränderungen planen. Knapp jede dritte Person (n=135) plante, in den nächsten Wochen

insgesamt weniger häufig zu konsumieren (n=424).

Abbildung 11: Veränderungsmotivation in Bezug auf Konsumverhalten in den nächsten Wochen, n=426

7

24

26

36

53

135

176

0 50 100 150 200

Ja, ich plane grössere Mengen auf einmal zu konsumieren.

Ja, ich plane häufiger zu konsumieren.

Ja, ich plane weniger grosse Mengen auf einmal zukonsumieren.

Ja, ich plane den Konsum zu stoppen.

Weiss nicht

Ja, ich plane weniger häufig zu konsumieren.

Nein, ich plane keine Veränderungen.

6

19

23

84

93

137

149

0 50 100 150 200

Die Auswahl ist grösser geworden

Beim Konsum treten vermehrt unerwünschte oderunerwartete Wirkungen auf

Mein Dealer/ meine Dealerin bietet mir andere Substanzenan als üblich

Die Auswahl ist kleiner geworden (z. B. nur noch eineGrassorte, nur noch eine bestimmte Ecstasy-Pille)

Es sind weniger Substanzen auf dem Markt vorhanden

Keine Veränderungen

Weiss nicht/ keine Angaben

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Etwas weniger als die Hälfte der Antwortenden (n=204) berichteten von einem negativen Einfluss der

aktuellen Situation auf ihr allgemeines Wohlbefinden; demgegenüber nahmen rund ein Viertel (n=117)

positive Auswirkungen auf ihr allgemeines Wohlbefinden wahr.

Abbildung 12: Einfluss der COVID-19-Pandemie auf das Wohlbefinden, n=479

6 Diskussion

Die Stichprobe weist die typischen Merkmale der Gruppe der Freizeitdrogenkonsumierenden auf: junges

bis mittleres Erwachsenenalter, deutlich grössere Konsumerfahrung mit illegalen psychoaktiven

Substanzen als die Allgemeinbevölkerung und deutlich höherer Konsum in den vergangenen 30 Tagen.

Das Konsumverhalten dieser Zielgruppe scheint durch die COVID-19-Pandemie massgeblich beeinflusst

zu werden. Das Veranstaltungsverbot und die massiven Einschränkungen von Sozialkontakten scheint

dazu geführt zu haben, dass Substanzen, die von Freizeitdrogenkonsumierenden im Partysetting oder

aufgrund ihres Wirkspektrums zumindest häufig in Gruppen konsumiert werden (z. B. MDMA/Ecstasy

oder Kokain), seltener konsumiert werden. Die gleichzeitige Zunahme des Konsums bei den legalen

Substanzen Alkohol und Tabak sowie bei Hanfprodukten könnte aber ein Indiz dafür sein, dass nicht

insgesamt weniger konsumiert wird, sondern lediglich eine Konsumverlagerung hin zu anderen

Substanzen stattfindet. Weniger berufliche oder schulische Verpflichtungen oder der Wegfall einer

sozialen Kontrolle (z. B. durch Arbeiten im Homeoffice) scheint den Konsum dieser Substanzen

tendenziell zu begünstigen. Psychische oder soziale Belastungen (etwa durch Vereinsamung, Stress oder

Angst um den Arbeitsplatz) könnten einen zusätzlichen Einfluss haben.

Der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf den illegalen Drogenmarkt scheint hingegen deutlich geringer

gewesen zu sein, als dies Mitte März befürchtet worden ist. Einige DealerInnen haben vermutlich

versucht, aus dem befürchteten Kollaps des illegalen Drogenmarktes Kapital zu schlagen und haben bei

einzelnen Substanzen (v. a. Hanfprodukte) die Preise erhöht. Weitere bisher verfügbare Datenquellen

stützen die These, dass die Auswirkungen der Krise auf den illegalen Drogenmarkt insgesamt als gering

einzuschätzen sind.7

7https://www.infodrog.ch/files/content/corona/bulletin-marche-des-drogues-et-covid-no1_de.pdf

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Keine Veränderung

Negative Veränderung

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COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 15

Vereinzelt wurde darüber berichtet, dass illegale Hanfprodukte seit Ausbruch von COVID-19 stärker in

ihrer Wirkung geworden sind. Es ist denkbar, dass dies mit dem vermehrten Auftauchen von mit

synthetischen Cannabinoiden gestreckten, als klassische Cannabisprodukte verkaufte Substanzen,

zusammenhängt. In den letzten Wochen kam es in den Drug-Checking-Angeboten in der Schweiz zu

einer Häufung solcher Proben.

Einzelne Personen berichten auch davon, dass Kokain seit Ausbruch von COVID-19 schwächer geworden

ist. Erste Erkenntnisse aus den wiedereröffneten Drug-Checking-Angeboten stützen diese Einschätzung

allerdings nicht. Es ist folglich nicht auszuschliessen, dass ein Verzerrungseffekt aufgrund einer

veränderten Erwartungshaltung vorhanden ist. Wenn ich (als Konsumierende/r) davon ausgehe, dass der

Kokainmarkt austrocknet und die Substanz mehr gestreckt wird, erwarte ich beim Konsum auch eine

schwächere Wirkung. Die schwächere Wirkung empfinde ich nach dem Konsum womöglich tatsächlich,

obwohl sich der Reinheitsgrad des Kokains gar nicht verändert hat.