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steeldoc 04/05 Bauen in Stahl Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz Stadien

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Bauen in Stahl Bautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz

Stadien

Auf dem Areal des ehemaligen Fussballstadions Wankdorf ist ein multifunk-tionales Gebäude errichtet worden, das unter anderem dem Schweizer Fussballverband als Nationalstadion dient. Die Tribünen sind mit einer leichtenStahlkonstruktion überdacht, die an einen schwebenden Flugzeugflügel erinnert. Umhüllt wird die Fassade mit einem halbtransparenten Stahlgewebe.

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Aalglatter Flugzeugflügel

Stade de Suisse, Bern

BauherrschaftCoop, Suva, Winterthur Leben

ArchitektenArchitektengemeinschaft Luscher/Schwaar & Rebmann

BauingenieureBeyeler Ingenieure AG, BernElectrowatt Infra AG, Zürich

Baujahr2005

Bekannt wurde das ehemalige Wankdorfstadion ausdem Jahre 1954 durch das «Wunder von Bern» –das denk würdige Weltmeisterschafts-Final Ungarngegen Deutschland. Der Zustand des Stadions genüg-te den Sicherheits- und Komfortanforderungen von heute nicht mehr. Treibende Kraft für einen Neu-bau war der Bauunternehmer Bruno Marazzi, der

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schon seit Ende der achtziger Jahre ein Konzept fürein neues Wankdorfstadion entwickelte. Klar war,dass ein reiner Sportbau sich nicht finanzieren las -sen würde. Um Rendite zu erzielen, musste das Volu-men des Stadions mit anderen Nutzungen aufgeladenwerden – man entschied sich für ein Multiplexkinomit zehn Sälen, ein Hotel, 500 Büroarbeits plätze undschliesslich das obligatorische Einkaufszen trum, umdas alltägliche Besucheraufkommen zu garantieren.

Im Jahre 1998 wurde unter zwölf Architekturbürosein Wett bewerb durchgeführt: der Entwurf des Zürcher Teams Rebmann, Rebmann, Meier landeteauf dem ersten Rang. Die Stadt Bern verlangte je doch 1999 einen neuerlichen Wettbewerb der fünfPreisträger auf Basis des Rebmann Entwurfs. Nun-mehr er hielt die im Vorjahr zweitplacierte Arbeitsge-meinschaft von Rodolphe Luscher aus Lausanne und dem Berner Partnerbüro Schwaar & Partner denZuschlag, das Büro Rebmann wurde ins Team in -tegriert. Im Jahr 2000 lag ein baureifes Projekt vor –doch das Multiplex kino führte zu Einsprachen, sodass eine Umplanung mit mehr Bürofläche anstellevon Hotel und Kinos nötig wurde. Die Gesamtan -lage wurde Mitte 2005 eröffnet und vom Schweizeri -schen Fussballverband zum «Nationalstadion» –dem «Stade de Suisse» erklärt.

Zeigten die Entwurfspläne zu Beginn noch ein span-nungsreiches Arrangement von Stadionoval und Baukörpern für die Nebennutzungen, das von einemschwebenden Dach überfangen wurde, ist das aus -geführte Projekt deutlich kompakter. Stahlbetonstützenim regelmässigen Rhythmus tragen den vier eckigenDachkranz, der konstruktiv aus weit in Richtung

Spiel feld vorkragenden Fachwerkträgern von 30 MeternLänge besteht und ursprünglich von innen verschie-denfarbig beleuchtet werden sollte. Ein auf der Süd-seite in die Arena hineingedrücktes Volumen enthält imvierten Obergeschoss an Firmen vermieteten Logen.Zwei Tribünen, die den strengen FIFA- und UEFA-Richtlinien genügen müssen, fassen rund 32 000 Sitz-plätze – wie heute üblich, wurde dabei auf grösst -mögliche Nähe zum Spielfeld Wert gelegt. Für Festan-lässe wie Konzerte und Events sind bis zu 40 000 Besucher zugelassen.

Schwebendes StahldachDas Stadiondach dient in erster Linie dem Zuschauer-komfort. Sämtliche Sitzplätze sind grosszügig über-dacht. Daneben bietet das Dach die Möglichkeit fürverschiedene Zusatznutzungen. So wird auf einer Fläche von 5300 m2 das grösste schweizerische Sonnen -kraftwerk errichtet. Interessierte Besucher werden die Anlage von einer erlebnisorientiert aus gestaltetenPlattform über dem Dach besichtigen können. Ausser-dem dient das Stadiondach zur Aufnahme einer Vielzahl von Betriebseinrichtungen wie An zeigetafelnmit LED-Technik, Beleuchtung und Flutlichter, Laut-sprecher und Mikrofone sowie Video kameras. Im Innern des Dachs befinden sich weitere technischeInstallationen wie Kabelkanäle und Dachwasserleitun -gen sowie ein Servicesteg.

Neben den statisch-technischen Anforderungen hatdas Dach auch die gestalterische Idee der Architektenzu tragen. Es soll wie ein Flugzeugflügel über demStadion schweben. Daraus entstand die Konzep-tion der Dachhaut, welche die Konstruktion einfasst,wie auch das Tragkonzept mit der 29 m grossen

Querschnitt

Längsschnitt

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stützenfreien Auskragung. Die Unterseite des Dacheswird mit Metallkassetten verkleidet. Der Dachrandauf der Innenseite wird auf einer Breite von rund 8 mmit Mehrstegplatten aus Polycarbonat transparent gehalten, um harten Schattenwurf auf dem Spielfeldzu vermeiden.

TragkonzeptDie Tragkonstruktion des Daches besteht aus 40 Stahl -fachwerk-Hauptträgern im Abstand von 16,0 m bzw.17,16 m. Diese 40 m langen, 29 m auskragendenFachwerke mit 5,10 m Scheitelhöhe sind innen aufStahlrohrstützen Ø 813 mm abgestellt und aussen mitStahlrohren Ø 457 mm zugverankert. Um die Spann-weite zwischen zwei Hauptträgern zu halbieren, wurden diese mit Fachwerk-Querträgern verbunden,welche als Auflager für die Sekundärträger dienen.Dadurch konnte die Spannweite für die Pfetten auf 8 m bzw. 8,58 m reduziert werden. Die für die Dimen-sionierung massgebenden Einwirkungen ergebensich aus Schnee und Wind.

Zur Aussteifung der Dachkonstruktion werden sowohlin der oberen wie auch in der unteren DachebeneVerbände angeordnet. Die Horizontalstabilisier ung

des Daches gegen Wind- und Erdbebenkräfte erfolgtüber die inneren Stahlstützen, die in 11 m Höhe – bei einer Gesamtlänge von 15 m – durch die vorfabri-zierten Beton-Tribünenträger horizontal gehaltensind. Dabei ist zu beachten, dass die Steifigkeit derTribünen träger in Querrichtung zehnmal grösser istals in Längsrichtung.

MontageTrotz der weitgespannten Tragkonstruktion beträgtder Stahlverbrauch nur etwa 75 kg/m2 (ohne Stützen).Bei einer Dachfläche von rund 24 000 m2 ergibt diesdennoch ein Gesamtgewicht von 1800 t sowie zusätz-lich 500 t für die Stahlstützen und weitere 500 t für eine Stahlverbunddecke. Das Montagekonzept wurdebestimmt durch die Transportmöglichkeiten vomWerk auf die Baustelle, den Platzverhältnissen für dieLagerung vor Ort und den zur Verfügung stehendenHebezeugen. In einem ersten Umgang wurde zuerstder äussere Kranz – der so genannte «Rucksack» –montiert und in einem zweiten Umlauf folgte dannder nach innen auskragende Teil. Die Konstruktionwurde jeweils auf dem Spielfeld vormontiert unddann in Elementen mit einer Länge von zwei Stützen-feldern auf die vorgängig gestellten Stützen gesetzt.

Der Dachrand auf der Innen-seite wird Polycarbonatplattentransparent gehalten, um harten Schattenwurf auf demSpielfeld zu vermeiden.

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Isometrie der Dachstruktur aus Stahl

Um den Einruck eines Flug-zeugflügels zu erzeugen, wirddie Stahlkonstruk tion vollstän-dig verkleidet.

Dachaufsicht Stade de Suisse

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Eine Stahlhaut für mehr Licht und LuftMetallgewebe wurden in der Architektur erstmalsdurch Dominique Perrault am Neubau der National-bibliothek in Paris angewendet. Seither haben zahlreiche namhafte Architekten wie Jean Nouvel,Norman Foster oder Mario Botta auf diese halb-transparenten Metallgewebe zur Gestaltung von Fas-saden zurückgegriffen. Für die Fassadenhaut am«Stade de Suisse» wurde Edelstahl-Seilgewebe verwendet. Um nachteilige Effekte wie Flattern oderSchlagen zu verhindern, werden alle Metallgewebegrundsätzlich vorgespannt. Dadurch entstehen Verankerungskräfte an den Auflagerpunkten, diekonstruktiv in das Gewebe einzuleiten sind. Da beiSeilkonstruktionen keine Kräfte senkrecht zur Hauptachse übertragen werden können, müssen die-se in die Befestigung abgeleitet werden, welche ihrerseits gewisse Verformungen zulassen muss. Des-halb «baumeln» die Bahnen windbelastungsfrei vonder Decke herab, lediglich mit Haltepunkten ent -lang der Achse befestigt. Die Bahnen sind 8 bis 10 mlang und bis zu 4,5 m breit. Für die sichere Anwen-dung wurden vorgängig Windversuche, sowie Versuche zur Abklärung der Belastung durch Eisbil-dung vorgenommen.

Ort Stade de Suisse, Papiermühlestrasse, BernBauherrschaft Coop, Suva, Winterthur LebenArchitekten Architektengemeinschaft Luscher/Schwaar &Rebmann: Rodolphe Luscher, Lausanne; Schwaar und Partner,Bern; Felix Rebmann, ZürichGeneralunternehmer Marazzi Generalunternehmung AG, Muri bei BernBauingenieure Beyeler Ingenieure AG, BernElectrowatt Infra AG, ZürichStahlbau ARGE Baltensperger AG, Höri und Schneider Stahlbau AG, JonaGewebefassade E. Pfister & Cie AG, Dietlikon (Planung: Ingenieurbüro Lenz, Steinen, D und Wolke AG, Lengnau BE)Stahlverbrauch ca. 3000 t Dachfläche ca. 23 000 m2; davon 19 000 m2 Blech und 4 000 m2 transparentBaukosten total CHF 350 Mio., Stadion CHF 70 Mio.Baujahr 2005

Vertikalschnitt durch die Gewebefassade

1 Unterkonstruktion2 Anschluss an Unterkonstruktion3 Tragprofil4 Anschluss an Tragprofil5 Auflager6 Tragproflil Edelstahlgewebefassade 25 mm7 Edelstahlgewebe Typ Omega 15208 Pendellasche Edelstahlgewebefassade9 Rundstange für Mittenanbindung 20 mm

10 Zwischenpodest mit Warzenblech11 Druckfeder 34 mm (132,5 N/mm2)

Stahlgewebe ist ein klimafesterBaustoff. Der Anwendunggingen bauphysikalische Unter-suchungen voraus.

Bauen in Stahl/steeldoc© ist die Bautendokumentation desStahlbau Zentrums Schweiz und erscheint mindestens viermaljährlich in deutscher und französischer Sprache. Mitglieder des SZS erhalten das Jahresabonnement und die technischen Informationen des SZS gratis.

Die Rechte der Veröffentlichung der Bauten bleiben den Architekten vorbehalten, das Copyright der Fotos liegt bei denFotografen. Ein Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mitschriftlicher Genehmigung des Herausgebers und bei deutlicherQuellenangabe gestattet.

steeldoc 04/05, Dezember 2005Bauen in StahlBautendokumentation des Stahlbau Zentrums Schweiz

Herausgeber: SZS Stahlbau Zentrum Schweiz, ZürichEvelyn C. Frisch, Direktorin

Designkonzept:Gabriele Fackler, Reflexivity AG, Zürich

Texte, Redaktion und Layout:Evelyn C. Frisch, Zürich

Fotos:Titel: Olypiastadion Berlin; Fritz BusamEditorial: Athen; Palladium PhotodesignBarbara Burg + Oliver Schuh, KölnOlympiagelände Athen: Palladium PhotodesignBarbara Burg + Oliver Schuh, KölnOlympiastadion Berlin: Heiner Leiska (S. 12, S. 14, S. 16); Fritz Busam (S. 13); gmp (S. 16 oben, S. 17)Allianz Arena, München: Allianz Arena München GmbH, München(S. 18 oben, 20, 21); Christoph von Haussen/artur, Köln (S. 19)Waldstadion, Frankfurt: Heiner Leiska; Boris Roessler/dpa (S. 24unten); gmp (S. 24 oben, S. 25)Stade de Suisse, Bern: Philipp Zinniker, Bern

Quellen:Projektangaben und Pläne stammen von den Planungsbüros.Olympiastadion Berlin, Allianz Arena München, WaldstadionFrankfurt: Projekttexte und Detailpläne aus Dokumentation 590,mit freundlicher Genehmigung des Stahl-Informations-Zentrums,Düsseldorf (Redaktion: circa drei, München)

Administration, Abonnemente, Versand:Andreas Hartmann, SZS

Druck: Kalt-Zehnder-Druck AG, Zug

ISSN 0255-3104

Jahresabonnement Inland CHF 40.– / Ausland CHF 60.–Einzelexemplar CHF 15.–Preisänderungen vorbehalten.

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