Darlehensvertrag Teil II: Darlehensgeber in Insolvenz · Insolvenzrecht II (Vertiefung):...

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Prof. Dr. von Wilmowsky Insolvenzrecht II: Vertiefung (Vorlesung) Darlehensvertrag Teil II: Darlehensgeber in Insolvenz Einleitung 3 I. Vor Valutierung (= nicht valutiertes Darlehen) 4 1. Vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses (ohne Mitwirkung der Insolvenzverwaltung) (vor Valutierung) 4 2. Verwertung des Insolvenzvermögens: Die vertraglichen Rechte des insolventen Darlehensgebers (vor Valutierung) 5 3. Verteilung des Insolvenzvermögens: Die Befriedigung der vertraglichen Ansprüche des Darlehensnehmers (vor Valutierung) 5 a) Entscheidung der Insolvenzverwaltung, den Zinsanspruch des Darlehensgebers geltend zu machen 6 b) Entscheidung der Insolvenzverwaltung, den Zinsanspruch des Darlehensgebers nicht geltend zu machen 6 4. Ergebnisse zur Insolvenz des Darlehensgebers (vor Valutierung) 7 II. Nach Valutierung (= valutiertes Darlehen) 9 1. Vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses (ohne Mitwirkung der Insolvenzverwaltung) (nach Valutierung) 9 2. Verwertung des Insolvenzvermögens: Die vertraglichen Rechte des insolventen Darlehensgebers (nach Valutierung) 10 a) Rechtslage 10 b) Kein Recht (des Darlehensgebers oder dessen Insolvenzverwaltung), den Anspruch( des Darlehensgebers) auf Rückzahlung des Darlehensbetrags sofort fällig zu stellen 11 3. Verteilung des Insolvenzvermögens: Die Befriedigung der vertraglichen Ansprüche des Darlehensnehmers (nach Valutierung) 12 4. Ergebnisse zur Insolvenz des Darlehensgebers (nach Valutierung) 13

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Prof. Dr. von Wilmowsky

Insolvenzrecht II: Vertiefung

(Vorlesung)

Darlehensvertrag

Teil II: Darlehensgeber in Insolvenz

Einleitung 3

I. Vor Valutierung (= nicht valutiertes Darlehen) 4

1. Vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses (ohne Mitwirkung der

Insolvenzverwaltung) (vor Valutierung) 4

2. Verwertung des Insolvenzvermögens: Die vertraglichen Rechte des insolventen

Darlehensgebers (vor Valutierung) 5

3. Verteilung des Insolvenzvermögens: Die Befriedigung der vertraglichen

Ansprüche des Darlehensnehmers (vor Valutierung) 5 a) Entscheidung der Insolvenzverwaltung, den Zinsanspruch des

Darlehensgebers geltend zu machen 6 b) Entscheidung der Insolvenzverwaltung, den Zinsanspruch des

Darlehensgebers nicht geltend zu machen 6

4. Ergebnisse zur Insolvenz des Darlehensgebers (vor Valutierung) 7

II. Nach Valutierung (= valutiertes Darlehen) 9

1. Vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses (ohne Mitwirkung der

Insolvenzverwaltung) (nach Valutierung) 9

2. Verwertung des Insolvenzvermögens: Die vertraglichen Rechte des insolventen

Darlehensgebers (nach Valutierung) 10 a) Rechtslage 10 b) Kein Recht (des Darlehensgebers oder dessen Insolvenzverwaltung), den

Anspruch( des Darlehensgebers) auf Rückzahlung des Darlehensbetrags sofort fällig zu stellen 11

3. Verteilung des Insolvenzvermögens: Die Befriedigung der vertraglichen

Ansprüche des Darlehensnehmers (nach Valutierung) 12

4. Ergebnisse zur Insolvenz des Darlehensgebers (nach Valutierung) 13

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 2

III. Sonderproblem: Abtretung (oder Verpfändung) der Ansprüche des Darlehensgebers

(Rechte an den Ansprüchen des insolventen Darlehensgebers) 15

1. Problemstellung 15 a) Grundsatz: (Unveränderter) Fortbestand von Rechtshandlungen, die der

Darlehensgeber vor der Insolvenz vornahm 15 b) BGH-Rechtsprechung zum Erlöschen der Rechte, die am Vertragsanspruch

der IVP begründet worden waren 16

2. Rechtslage vor Valutierung 17

3. Rechtslage nach Valutierung 18 a) Ausführliche Darlegung, warum die Novationslehre des BGH keine Geltung

beansprucht 19 b) „Gefühlte“ Rechtsunsicherheit 21 c) Gesetzliche Klarstellung 22

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 3

Einleitung

-- drei Regelungsprobleme, wenn der Darlehensgeber in Insolvenz fällt und

über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird:

(1) vorzeitige Beendigung durch den Darlehensnehmer

(2) Verwertung der Ansprüche des insolventen Darlehensgebers

(3) Verteilung von Insolvenzvermögen zur Befriedigung der Ansprüche

des Darlehensnehmers

-- Gesetzlicher Rahmen:

Insolvenz Darlehensgeber: es gilt das allgemeine Insolvenzvertragsrecht

(§ 103 InsO); zwar eine spezielle gesetzliche Regelung (§ 108 Abs. 2 InsO),

die aber funktionslos ist

-- Differenzierung nach dem Erfüllungsstadium, in dem sich der

Darlehensvertrag bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens befand: vor

Valutierung / nach Valutierung

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 4

I. Vor Valutierung (= nicht valutiertes Darlehen)

in diesem Abschnitt (I) betrachtetes Erfüllungsstadium: vor Valutierung

Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens war dem (nunmehr insolventen)

Darlehensnehmer der Darlehensbetrag noch nicht ausgezahlt worden.

1. Vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses (ohne Mitwirkung

der Insolvenzverwaltung) (vor Valutierung)

-- Frage: ob das Darlehensverhältnis wegen der Insolvenz des

Darlehensgebers vorzeitig endet oder seitens des Darlehensnehmers ohne

Mitwirkung der Insolvenzverwaltung des Darlehensgebers vorzeitig

beendet werden kann

-- Gesetz: Das gesetzliche Vertragsrecht (insbesondere der § 490 BGB) sieht

keine vorzeitige Beendigung für den Fall der Insolvenz des

Darlehensgebers vor.

-- Vertrag:

Die Parteien könnten ein außerordentliches Kündigungsrecht des

Darlehensnehmers vereinbaren (Vertragsfreiheit).

allerdings: Anfechtbarkeit

-- Nachteil für die Gläubiger des Darlehensgebers: wenn Marktzins

niedriger als Vertragszins

-- vor Valutierung: wesentliches Lösungsinteresse (und damit nicht

anfechtbar), wenn dem Darlehensgeber vor der Kündigung die Möglichkeit

zur Geltendmachung seines Zinsanspruchs (und damit zur Durchführung

des Darlehensvertrags) gegeben wird.

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 5

2. Verwertung des Insolvenzvermögens: Die vertraglichen Rechte des

insolventen Darlehensgebers (vor Valutierung)

-- Frage: Wie sind die Ansprüche, die dem Darlehensgeber aufgrund des

Darlehensvertrags zustehen und die damit zum Insolvenzvermögen

gehören, in dem Insolvenzverfahren (von der Insolvenzverwaltung) zu

verwerten?

-- Die hierfür maßgeblichen Erwägungen hängen von dem

Erfüllungsstadium ab, in dem sich das Darlehensverhältnis bei Eröffnung

des Insolvenzverfahrens befand.

-- in diesem Abschnitt betrachtetes Erfüllungsstadium: vor Valutierung

-- Entscheidungssituation vor Valutierung: Prüfung, ob es sich wirtschaftlich

lohnt, den Zinsanspruch des Darlehensgebers geltend zu machen und

hierzu den Darlehensbetrag vollständig an den Darlehensnehmer

auszuzahlen.

-- Kriterium: Maßgeblich ist die (relative) Höhe des vertraglich vereinbarten

Zinssatzes. Liegt dieser (im Zeitpunkt der Verwertungsentscheidung) über

dem Marktniveau (für die Laufzeit des Vertrags), lohnt sich die

Geltendmachung. Im umgekehrten Fall (Vertragszins niedriger als

Marktzins) ist es wirtschaftlich günstiger, die Darlehenssumme zum

höheren Marktzins an eine andere Person als Darlehen zu vergeben.

3. Verteilung des Insolvenzvermögens: Die Befriedigung der vertraglichen

Ansprüche des Darlehensnehmers (vor Valutierung)

-- Frage: Wie werden die Ansprüche, die der Darlehensnehmer gegenüber

dem insolventen Darlehensgeber besitzt, in dem Insolvenzverfahren (gegen

den Darlehensgeber) befriedigt?

-- Differenzierung nach Erfüllungsstadium

-- in diesem Abschnitt betrachtetes Erfüllungsstadium: vor Valutierung

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 6

-- vor Valutierung: Anspruch des Darlehensnehmers auf Zahlung des

vereinbarten Darlehensbetrags (§ 488 Abs. 1 Satz 1 BGB)

-- Befriedigung: abhängig von der Verwertungsentscheidung der

Insolvenzverwaltung über den Zinsanspruch des Darlehensgebers

a) Entscheidung der Insolvenzverwaltung, den Zinsanspruch des

Darlehensgebers geltend zu machen

-- Geltendmachungsentscheidung: Der Auszahlungsanspruch des

Darlehensnehmers wird vollständig und gegenständlich (aus dem

Insolvenzvermögen) befriedigt. Dafür sorgt die Einrede des § 320 BGB, die

der Darlehensnehmer dem Zinsanspruch des Darlehensgebers

entgegenhalten kann.

-- außerdem: Der Auszahlungsanspruch wird in den Rang einer

Masseforderung erhoben (§ 55 Abs. 1 Ziff. 2 Alt. 1 InsO).

b) Entscheidung der Insolvenzverwaltung, den Zinsanspruch des

Darlehensgebers nicht geltend zu machen

-- Nichtgeltendmachungsentscheidung: Befriedigung des

Auszahlungsanspruchs des Darlehensnehmers nach § 103 Abs. 2 Satz 1

InsO

-- Bedeutung: Der Zinsanspruch des Darlehensgebers sowie der

Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers werden dazu verwendet, den

Wert des Auszahlungsanspruchs des Darlehensnehmers zu befriedigen.

-- Schritt 1: Verrechnung dieser Ansprüche.

Seite des Darlehensgebers: vertraglich vereinbarter Zinsanspruch;

Rückzahlungsanspruch; jeweils Abzinsung (zum Marktzins) auf

Gegenwartswerte

(Diese Abzinsung erfasst den Zeitraum zwischen der

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 7

Verwertungsentscheidung der Insolvenzverwaltung und den zukünftigen

Terminen der Zinszahlungen und der Rückzahlung.)

Seite des Darlehensnehmers: Wert des Auszahlungsanspruchs

Ergebnis der Verrechnung: Unterschied, der zwischen dem Marktzinssatz

(am Tag der Verrechnung) und dem Vertragszinssatz, jeweils bezogen auf

den Darlehensbetrag und die vereinbarte Laufzeit, besteht.

-- Schritt 2: Auf die Differenzforderung des Darlehensnehmers (die sich aus

der Verrechnung der Anspruchswerte ergibt) wird die Insolvenzquote

ausgeschüttet (§ 103 Abs. 2 Satz 1 InsO).

-- anders h.M.: Verständnis des § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO als

Schadensersatzanspruch des Darlehensnehmers

(Obwohl sich die Konzeptionen stark unterscheiden, führen sie in vielen

Fällen zu demselben Ergebnis.)

4. Ergebnisse zur Insolvenz des Darlehensgebers (vor Valutierung)

Die Regelungsprobleme, die sich in der Insolvenz des Darlehensgebers vor

Valutierung stellen, lassen sich wie folgt bewältigen.

(1) Der Darlehensvertrag kann eine Regelung enthalten, der zufolge das

Darlehensverhältnis vorzeitig endet oder vom Darlehensnehmer fristlos

gekündigt werden kann, wenn der Darlehensgeber in Insolvenz fällt. Die

Einwilligung, die der Darlehensgeber hierzu gegeben hat, (und damit die

genannte vertragliche Regelung) kann wegen Schuldnerfehlverhaltens

anfechtbar sein (§§ 133, 132 InsO, § 3 AnfG). Sie wirkt nachteilig für die

Gesamtheit der Gläubiger des Darlehensgebers, wenn bei ihrem Eingreifen der

Marktzinssatz (für die noch ausstehende Laufzeit) unter dem vertraglich

vereinbarten Zinssatz liegt. -- Vor Valutierung ist die Klausel für den

beschriebenen Nachteil aber nur dann verantwortlich, wenn dem Darlehensgeber

(bzw. seiner Insolvenzverwaltung) vor der vorzeitigen Beendigung durch den

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 8

Darlehensnehmer keine Gelegenheit gegeben wird, vollständig zu leisten (d.h.

den Darlehensbetrag auszuzahlen) oder Sicherheit hierfür zu leisten.

(2) Wie der Anspruch des Darlehensgebers auf Zinsen und

Rückzahlungssumme im Insolvenzverfahren am besten verwertet wird, hängt

vom Erfüllungsstadium des Darlehensvertrags ab. Vor Valutierung lohnt sich

die Geltendmachung dieser Ansprüche (gegen vollständige Auszahlung des

Darlehensbetrags) nur dann, wenn der Vertragszins über Marktniveau liegt. Ist

er dagegen niedriger, wird eine ordnungsgemäß tätige Insolvenzverwaltung

entscheiden, diese Ansprüche nicht geltend zu machen.

(3) Für die Frage, wie die noch ausstehenden Ansprüche des

Darlehensnehmers befriedigt werden, kommt es gleichfalls auf das

Erfüllungsstadium an. Vor Valutierung ist die Entscheidung maßgebend, die

über die Verwertung der Darlehensgeberansprüche gefällt wurde. Lautet sie,

Zins- und Rückzahlungsanspruch geltend zu machen, sorgt die Einrede des

Darlehensnehmers aus § 320 BGB dafür, dass der Darlehensnehmeranspruch auf

Auszahlung des Darlehensbetrags vollständig befriedigt wird. Flankierend greift

§ 55 Abs. 1 Ziff. 2 Alt. 1 InsO ein, der dem Auszahlungsanspruch des

Darlehensnehmers Massestatus verleiht. Hat die Insolvenzverwaltung dagegen

entschieden, die Darlehensgeberansprüche nicht geltend zu machen, wird der

Anspruch des Darlehensnehmers auf Auszahlung nach § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO

befriedigt. Danach sind die (nicht geltend gemachten) Zahlungsansprüche des

Darlehensgebers (genauer: ihr Wert) zur wertmäßigen Befriedigung des

Zahlungsanspruchs des Darlehensnehmers zu verwenden. In diese Verrechnung

sind die Gegenwartswerte der Ansprüche einzustellen. Soweit Ansprüche erst in

Zukunft fällig werden, sind sie mit dem Marktzinssatz auf den Gegenwartswert

abzuzinsen. Diese Verrechnung bringt den Unterschied zum Ausdruck, der

zwischen dem Marktzinssatz (der den Wert des Auszahlungsanspruchs des

Darlehensnehmers definiert) und dem Vertragszinssatz (der den Wert der

Zahlungsansprüche des Darlehensgebers bestimmt). Auf die Differenz, die nach

der Verrechnung der Anspruchswerte zugunsten des Darlehensnehmers

verbleibt, wird dann die Insolvenzquote ausgeschüttet. (Anders verfährt die

h.M., die den § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO als eine Anspruchsgrundlage für

Schadensersatz deutet.)

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 9

II. Nach Valutierung (= valutiertes Darlehen)

in diesem Abschnitt (II) betrachtetes Erfüllungsstadium: nach Valutierung

Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens (oder bei Eintritt des sonstigen

Insolvenzereignisses) hatte der Darlehensgeber den Darlehensbetrag

bereits an den Darlehensnehmer gezahlt.

1. Vorzeitige Beendigung des Darlehensverhältnisses (ohne Mitwirkung

der Insolvenzverwaltung) (nach Valutierung)

-- Frage: ob das Darlehensverhältnis wegen der Insolvenz des

Darlehensgebers vorzeitig endet oder seitens des Darlehensnehmers ohne

Mitwirkung der Insolvenzverwaltung des Darlehensgebers vorzeitig

beendet werden kann

-- Gesetz: Das gesetzliche Vertragsrecht (insbesondere der § 490 BGB) sieht

keine vorzeitige Beendigung für den Fall der Insolvenz des

Darlehensgebers vor.

-- Vertrag:

Die Parteien könnten ein außerordentliches Kündigungsrecht des

Darlehensnehmers vereinbaren (Vertragsfreiheit).

allerdings: Anfechtbarkeit

-- Nachteil für die Gläubiger des Darlehensgebers: wenn Marktzins

niedriger als Vertragszins

-- nach Valutierung: immer anfechtbar; kein wesentliches Interesse an

vorzeitiger Beendigung

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 10

2. Verwertung des Insolvenzvermögens: Die vertraglichen Rechte des

insolventen Darlehensgebers (nach Valutierung)

-- Frage: Wie sind die Ansprüche, die dem Darlehensgeber aufgrund des

Darlehensvertrags zustehen und die damit zum Insolvenzvermögen

gehören, in dem Insolvenzverfahren (von der Insolvenzverwaltung) zu

verwerten?

-- Die hierfür maßgeblichen Erwägungen hängen von dem

Erfüllungsstadium ab, in dem sich das Darlehensverhältnis bei Eröffnung

des Insolvenzverfahrens befand.

-- in diesem Abschnitt betrachtetes Erfüllungsstadium: nach Valutierung

a) Rechtslage

-- nach Valutierung: keine Verwertungsfrage

Die Insolvenzverwaltung des Darlehensgebers hat den Zinsanspruch und

den Rückzahlungsanspruch jeweils bei Fälligkeit einzuziehen.

(Anderenfalls machte sie sich gegenüber den Insolvenzgläubigern

schadensersatzpflichtig, § 60 InsO).

Anders als vor Valutierung verursacht die Geltendmachung der

Darlehensgeberansprüche keine Kosten. Ihre Einziehung setzt nicht

voraus, dass noch Leistungen aus dem Insolvenzvermögen an den

Darlehensnehmer erbracht werden.

Es gibt keine Leistung, die der Darlehensnehmer nach Valutierung noch zu

beanspruchen hätte und zu deren Erbringung Vermögen des

Darlehensgebers in Anspruch genommen werden müsste. Das gilt auch

dann, wenn man sich der (verfehlten) Lehrmeinung vom sog.

„Belassungsanspruch“ anschließt. Um diesen „Anspruch“ zu erfüllen,

muss kein Vermögen (des Darlehensgebers) aufgewendet werden. Der

„Belassungsanspruch“ hat zum Inhalt, dass der Darlehensgeber es zu

unterlassen hat, die Rückzahlung vor Fälligkeit einzufordern. Erfüllt wird

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 11

er, indem der Fälligkeitstermin abgewartet wird. Vermögen (des

Darlehensgebers) ist hierzu nicht aufzuwenden.

-- insoweit richtig: Jaeger (Henckel), KO, 9. Aufl., § 17 KO Rn. 12

(„Insolvenzverwalter kann nicht vorzeitig zurückfordern“; § 103 InsO

finde nach Valutierung keine Anwendung), und Münchener Kommentar

zur InsO (Huber), 3. Aufl., Band 2, 2013, § 103 Rn. 69: kein § 103 bei

Valutierung; „der Insolvenzverwalter kann das voll valutierte Darlehen

dem Darlehensnehmer also nicht über die „Erfüllungsablehnung“

entziehen“.

-- Bestätigung dieser Rechtslage durch § 108 Abs. 2 InsO (eingefügt 2007).

b) Kein Recht (des Darlehensgebers oder dessen Insolvenzverwaltung), den

Anspruch( des Darlehensgebers) auf Rückzahlung des Darlehensbetrags

sofort fällig zu stellen

-- bis zur Ergänzung der InsO durch § 108 Abs. 2 InsO im Jahr 2007:

einige Autoren: Die Insolvenzverwaltung habe die Macht, durch die

Entscheidung, den Zinsanspruch nicht geltend zu machen, den Anspruch

auf Rückzahlung des Darlehens sofort fällig zu stellen.

Folge dieser Rechtsansicht: Die Insolvenzverwaltung erlangte ein

„Wahlrecht“. Entweder machte sie den Zinsanspruch geltend; oder sie

erklärte das Darlehensverhältnis für beendet und verlangt sofortige

Rückzahlung des Darlehensbetrags.

-- seit 2007:

Diese Rechtsansicht kann seit 2007 nicht mehr vertreten werden. Indem in

§ 108 Abs. 2 InsO festgestellt wird, dass das valutierte Darlehensverhältnis

(„mit Wirkung für die Masse“) fortbesteht, ist ausgeschlossen, dass das

Darlehensverhältnis durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorzeitig

endet oder durch die Insolvenzverwaltung des Darlehensgebers vorzeitig

beendet werden kann. Die Insolvenzverwaltung kann sich über diese

Festlegung nicht hinwegsetzen. (Die These von der Rechtsmacht der

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 12

Insolvenzverwaltung, den Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers

sofort fällig zu stellen, war bereits vor Einführung des § 108 Abs. 2 InsO

verfehlt. Für eine derartige Rechtsmacht gab es keine Grundlage.)

-- Ergebnis: Über die Beendigung des Darlehensverhältnisses (und damit die

Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs) entscheiden mithin nicht

Maßnahmen der Insolvenzverwaltung, sondern die Regeln des

Vertragsrechts. Das Darlehensverhältnis endet (erst) zu dem Zeitpunkt,

der sich aus dem Darlehensvertrag oder dem BGB-Darlehensvertragsrecht

ergibt.

3. Verteilung des Insolvenzvermögens: Die Befriedigung der vertraglichen

Ansprüche des Darlehensnehmers (nach Valutierung)

-- Frage: Wie werden die Ansprüche, die der Darlehensnehmer gegenüber

dem insolventen Darlehensgeber besitzt, in dem Insolvenzverfahren (gegen

den Darlehensgeber) befriedigt?

-- Differenzierung nach Erfüllungsstadium

-- in diesem Abschnitt betrachtetes Erfüllungsstadium: nach Valutierung

-- nach Valutierung: Es stellt sich keine Verteilungsfrage.

-- Es gibt keine Leistungen mehr, die der Darlehensnehmer vom

Darlehensgeber verlangen könnte und zu deren Erbringung

Insolvenzvermögen in Anspruch genommen werden müsste.

-- sog. „Belassungsanspruch“: Um diesen Anspruch zu erfüllen, ist kein

Vermögen (und damit auch kein Insolvenzvermögen) aufzuwenden. Der

„Belassungsanspruch“ richtet sich auf ein Unterlassen: Der

Darlehensgeber hat es zu unterlassen, seinen Anspruch auf Zahlung der

Rückzahlungssumme vor Fälligkeit gegenüber dem Darlehensnehmer

geltend zu machen. Erfüllt wird dieser Anspruch, indem der

Darlehensgeber (oder seine Insolvenzverwaltung) Rückzahlung nicht vor

Fälligkeit verlangt. Hierzu müssen keine Gegenstände des

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 13

Insolvenzvermögens aufgegeben werden. Der „Belassungsanspruch“

gehört daher nicht zu den Forderungen, die nach § 38 InsO an dem

Insolvenzverfahren teilnehmen und damit durch das Insolvenzverfahren

vollstreckt werden. Der „Belassungsanspruch“ wird somit nicht nach den

Regeln befriedigt, die die InsO (in ihrem Insolvenzvertragsrecht) für die

Ansprüche von Vertragspartnern des Insolvenzschuldners vorsieht. Die

Befriedigung erfolgt vielmehr außerhalb des Insolvenzverfahrens: Vor

Fälligkeit kann der Darlehensgeber den Rückzahlungsanspruch nicht

geltend machen. Um dies durchzusetzen, steht dem Darlehensnehmer die

Einrede der mangelnden Fälligkeit zur Verfügung.

-- keine Änderung dieser Rechtslage durch den 2007 eingeführten Abs. 2 des

§ 108 InsO:

Der sog. „Belassungsanspruch“ kann keine Masseforderung (im Sinn des

§ 53 InsO) sein. Dazu können nur Forderungen gehören, die zu befriedigen

die Aufwendung von Insolvenzvermögen („Masse“) erfordert. Daran fehlt

es beim „Belassungsanspruch“ – wenn man diese Rechtsfigur trotz ihrer

Funktionslosigkeit überhaupt verwenden möchte.

4. Ergebnisse zur Insolvenz des Darlehensgebers (nach Valutierung)

Die Regelungsprobleme, die sich in der Insolvenz des Darlehensgebers nach

Valutierung stellen, lassen sich wie folgt bewältigen.

(1) Der Darlehensvertrag kann eine Regelung enthalten, der zufolge das

Darlehensverhältnis vorzeitig endet oder vom Darlehensnehmer fristlos

gekündigt werden kann, wenn der Darlehensgeber in Insolvenz fällt. Die

Einwilligung, die der Darlehensgeber hierzu gegeben hat, (und damit die

genannte vertragliche Regelung) kann wegen Schuldnerfehlverhaltens

anfechtbar sein (§§ 133, 132 InsO, § 3 AnfG). Sie wirkt nachteilig für die

Gesamtheit der Gläubiger des Darlehensgebers, wenn bei ihrem Eingreifen der

Marktzinssatz (für die noch ausstehende Laufzeit) unter dem vertraglich

vereinbarten Zinssatz liegt. -- Nach Valutierung (d.h. nach Auszahlung des

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 14

Darlehensbetrags) ist die Klausel für den beschriebenen Nachteil immer

verantwortlich; sie ist daher der Anfechtbarkeit nach § 133 InsO ausgesetzt.

(2) Wie der Anspruch des Darlehensgebers auf Zinsen und

Rückzahlungssumme im Insolvenzverfahren am besten verwertet wird, hängt

vom Erfüllungsstadium des Darlehensvertrags ab. Nach Valutierung sind die

Zahlungsansprüche des Darlehensgebers immer geltend zu machen. Für deren

Fälligkeit sind, wie auch außerhalb der Insolvenz, die Regeln des Vertragsrechts

maßgebend. Dass sich der Darlehensgeber im Insolvenzverfahren befindet, lässt

seine Ansprüche nicht vorzeitig fällig werden. Die Eröffnung des

Insolvenzverfahrens begründet kein Recht der Insolvenzverwaltung, vorzeitige

Zahlung (der Zinsen oder der Rückzahlungssumme) zu verlangen.

(3) Für die Frage, wie die noch ausstehenden Ansprüche des

Darlehensnehmers befriedigt werden, kommt es gleichfalls auf das

Erfüllungsstadium an. Nach Valutierung ist nichts an den Darlehensnehmer zu

verteilen. Ihm stehen aus dem Darlehensverhältnis keine Ansprüche mehr zu, zu

deren Befriedigung (Insolvenz-) Vermögen aufzuwenden wäre. (Das gilt auch

für den von einigen Autoren vertretenen „Belassungsanspruch“ des

Darlehensnehmers. Um diesem nachzukommen, wird kein (Insolvenz-)

Vermögen benötigt.)

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 15

III. Sonderproblem: Abtretung (oder Verpfändung) der Ansprüche des

Darlehensgebers (Rechte an den Ansprüchen des insolventen

Darlehensgebers)

Sachverhalt: Abtretung (oder Verpfändung) der Zins- und

Rückzahlungsansprüche vor Insolvenz des Darlehensgebers

Bevor der Darlehensgeber insolvent (und gegen ihn das

Insolvenzverfahren eröffnet) wurde, hatte er seine Ansprüche aus dem

Darlehensvertrag (auf Zahlung der Zinsen und Rückzahlung des

Darlehensbetrags) an einen Neugläubiger abgetreten.

Frage: Kann die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Darlehensgeber

dazu führen, dass die Abtretungen der Ansprüche aus dem Darlehensvertrag

nunmehr unwirksam sind?

1. Problemstellung

a) Grundsatz: (Unveränderter) Fortbestand von Rechtshandlungen, die

der Darlehensgeber vor der Insolvenz vornahm

-- Da die Abtretungen der Darlehensforderungen zeitlich vor dem

Insolvenzfall erfolgten, steht ihre Wirksamkeit außer Frage: Der

Darlehensgeber war verfügungsbefugt. Für eine insolvenzrechtliche

Anfechtbarkeit gibt es gleichfalls keine Gründe.

-- In den letzten einhundert und mehr Jahren bestanden mithin keinerlei

Zweifel an der Wirksamkeit dieser Abtretungen.

-- Dass die Abtretungen durch das Insolvenzverfahren gegen den

Darlehensgeber ihre Wirkung verlieren, ist nur vorstellbar, wenn hier eine

Rechtsregel, die der BGH zum Insolvenzvertragsrecht aufgestellt hat, zur

Anwendung käme.

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 16

-- Nach dieser Rechtsregel können Rechte, die der Insolvenzschuldner vor

dem Insolvenzverfahren an ihm zustehenden Ansprüchen aus Verträgen

begründet hatte, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen.

Da diese Rechtsprechung ausdrücklich auch zu Sicherungsabtretungen

entwickelt wurde, ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass sie auch

Abtretungen ohne Sicherungsfunktion erfasst. Dies hätte zur Folge, dass

die Abtretungen, die der Darlehensgeber vor seiner Insolvenz

vorgenommen hatte, im Insolvenzverfahren unwirksam würden.

b) BGH-Rechtsprechung zum Erlöschen der Rechte, die am

Vertragsanspruch der IVP begründet worden waren

-- Rechtsregel des BGH: Für Verträge, die sich in dem Erfüllungsstadium

befinden, an das der § 103 InsO anknüpft (beiderseits noch nicht

vollständig erfüllter Vertrag), hat der BGH folgende Rechtsregel entwickelt,

die er seit 1988 praktiziert: Wenn die Insolvenzverwaltung entscheidet,

den Vertragsanspruch ihres Insolvenzschuldners beim Vertragspartner

geltend zu machen und zu diesem Zweck die dem Vertragspartner noch

zustehende Leistung vollständig zu erbringen (aus dem

Insolvenzvermögen), ändere der Vertragsanspruch des Insolvenzschuldner

seine rechtliche Qualität: Es finde eine Novation statt. Der von der

Insolvenzverwaltung geltend gemachte Anspruch sei nicht identisch mit

dem bisherigen Vertragsanspruch des Insolvenzschuldners; vielmehr

handele es sich um einen neuen Anspruch.1

-- Wirkung der BGH-Rechtsregel: Die vom BGH postulierte Novation

bewirkt, dass die Rechte, die an dem ursprünglichen Vertragsanspruch des

Insolvenzschuldners bestanden haben mögen, an dem nunmehr geltend

1 Die drei Leitentscheidungen sind: BGH, 11.2.1988, IX ZR 36/87, BGHZ 103, 250 (254),

BGH, 20.12.1988, IX ZR 50/88, BGHZ 106, 236 (241-245), und BGH, 21.11.1991, IX ZR

290/90, BGHZ 116, 156 (158). Eine Modifizierung erfolgte 2002, als der BGH

„klarstellte“, dass zwar eine Novation erfolge, ohne dass jedoch der ursprüngliche

Vertragsanspruch erlösche („Qualitätsänderungstheorie“). BGH, 25.4.2002, IX ZR

313/99, BGHZ 150, 354.

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 17

gemachten, neuen Vertragsanspruch des Insolvenzschuldners nicht

fortbestehen. Deutlich wird dies bei der Abtretung. Hatte der

Insolvenzschuldner seinen Vertragsanspruch vor der Insolvenz an einen

Zessionar abgetreten, so verliert diese Abtretung mit der

Geltendmachungsentscheidung der Insolvenzverwaltung ihre Wirkung.

Die Abtretung des ursprünglichen Vertragsanspruchs geht ins Leere. Der

neue Anspruch, der durch die Geltendmachungsentscheidung (nach der

Rechtsregel des BGH) entsteht, kann von der Abtretung des

Insolvenzschuldners nicht erfasst werden: Für ihn, der ja erst nach

Verfahrenseröffnung durch die Novation geschaffen wurde, hatte der

Insolvenzschuldner keine Verfügungsbefugnis mehr (§ 81 Abs. 1 Satz 1

InsO). Folge: Ansprüche aus einem gegenseitigen Vertrag, die der spätere

Insolvenzschuldner vor seiner Insolvenz wirksam (und anfechtungsfrei)

abgetreten hatte, gehören wieder dem Insolvenzschuldner; es ist, als hätte

die Abtretung gar nicht stattgefunden.

2. Rechtslage vor Valutierung

-- Vor Valutierung ist es denkbar, dass die dargelegte BGH-Rechtsprechung

(zu Rechten am Vertragsanspruch der IVP) Geltung beansprucht.

-- Die dargelegte Rechtsprechung knüpft daran an, dass die

Insolvenzverwaltung entscheidet, den vertraglichen Anspruch des

Insolvenzschuldners geltend zu machen, und dass zu diesem Zweck

Leistungen aus dem Insolvenzvermögen an den Vertragspartner

erbracht werden .

-- Vor Valutierung kann dieser Fall eintreten: Wenn die Insolvenzverwaltung

des Darlehensgebers entscheidet, den Zinsanspruch geltend zu machen,

dann wird zu diesem Zweck der Darlehensbetrag aus dem

Insolvenzvermögen aufgebracht und an den Darlehensnehmer ausgezahlt

werden.

-- Zwar hat der BGH seine These von der Novation zur Sicherungsabtretung

entwickelt. Es ist aber nicht völlig ausgeschlossen, dass er diese These auch

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 18

auf Abtretungen ohne Sicherungsfunktion erstrecken wird. (Allerdings

fehlt der Insolvenzverwaltung bei solchen Abtretungen die Kompetenz,

über die Verwertung der Darlehensgeber-Ansprüche zu entscheiden.)

-- Folge der BGH-Rechtsprechung: Entscheidet die Insolvenzverwaltung, die

Ansprüche des Darlehensgebers gegenüber dem Darlehensnehmer geltend

zu machen und hierzu den Darlehensbetrag an den Darlehensnehmer

auszuzahlen, erfolgt nach dieser Rechtsprechung die Novation: Die

Zinszahlungen des Darlehensnehmers stehen (trotz der Abtretung) allein

dem Darlehensgeber zu.

-- Kritik: Für eine derartige Enteignung des Empfängers der Verfügung (d.h.

des Zessionars oder des Erwerbers des Pfandrechts) gibt es keine

Grundlage. Vorzuziehen ist die Auffassung, dass die Leistungen, die der

Darlehensnehmer als Vertragspartner erbringt, in erster Linie so zu

verteilen sind, dass sie den Aufwand decken, den die Geltendmachung

erforderte und der aus der Auszahlung des Darlehensbetrags bestand. In

diesem Umfang stehen die Leistungen des Darlehensnehmers mithin dem

Insolvenzschuldner (= Darlehensgeber) zu, aus dessen Insolvenzvermögen

der Darlehensbetrag an den Darlehensnehmer ausgezahlt wurde. Was

nach Abzug dieses Aufwands verbleibt – also die Differenz zwischen

Vertragszinsen und Marktzinsen --, gebührt jedoch dem

Verfügungsempfänger (Zessionar oder Erwerber des Pfandrechts).

-- ausführlich: Vorlesungs-Übersicht Allgemeines Insolvenzvertragsrecht:

„Rechte am Vertragsanspruch der IVP“

3. Rechtslage nach Valutierung

-- Nach Valutierung ist es nicht denkbar, dass die dargelegte Novations-

Rechtsprechung zur Anwendung gelangt.

denn: Wenn die Insolvenzverwaltung die abgetretenen oder verpfändeten

Darlehensgeberansprüche beim Darlehensnehmer geltend macht, sind

hierzu keine Leistungen aus dem Insolvenzvermögen an den

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 19

Darlehensnehmer erforderlich. Für dieses Erfüllungsstadium beansprucht

die Novationsthese des BGH keine Geltung.

a) Ausführliche Darlegung, warum die Novationslehre des BGH keine

Geltung beansprucht

-- Die Voraussetzungen, unter denen die dargelegte Rechtsregel des BGH zur

Anwendung kommt, sind nicht gegeben.

-- Die BGH-Rechtsregel setzt voraus, dass die Insolvenzverwaltung trotz der

vorausgegangenen Verfügung über den Vertragsanspruch des

Insolvenzschuldners zur Verwertung befugt ist. Bei Abtretungen ist die

Insolvenzverwaltung nur dann verwertungsbefugt, wenn die Abtretung zu

Sicherungszwecken erfolgte; die Verwertungsbefugnis der

Insolvenzverwaltung ergibt sich dann aus § 166 Abs. 2 InsO. Daran fehlt es

bei Abtretungen ohne Sicherungsfunktion: Wurde die Darlehensforderung

nicht zu dem Zweck abgetreten, Forderungen zu sichern, die dem

Zessionar (Neugläubiger) gegen den Zedenten (Darlehensgeber) zustehen,

besitzt die Insolvenzverwaltung des Darlehensgebers keine

Verwertungsbefugnis.

-- Bei derartigen Abtretungen sind die betroffenen Forderungen vollständig

aus dem Vermögen des Zedenten (Darlehensgebers) ausgeschieden; im

Insolvenzfall erstreckt sich die Verwertungsbefugnis der

Insolvenzverwaltung des Zedenten (Darlehensgebers) nicht auf sie.

-- Die Rechtsregel des BGH kommt allein dort zum Einsatz, wo im Zeitpunkt

der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von beiden Vertragsparteien noch

vertraglich geschuldete Leistungen ausstehen. Daran fehlt es hier. Der

Darlehensgeber hatte mit der Auszahlung des Darlehensbetrags seine

Leistungspflichten aus dem Darlehensvertrag vollständig erfüllt.

-- Allerdings: Teilweise wird im juristischen Schrifttum vertreten, dass ein

Darlehensgeber nicht nur die Auszahlung, sondern auch das fortdauernde

„Belassen“ des Darlehensbetrags als Leistungspflicht aus dem

Darlehensvertrag schulde. Nach dieser Auffassung: Darlehensgeber hat

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 20

noch nicht vollständig erfüllt. Dann – so scheint es – wäre der

Anwendungsbereich der Rechtsregel des BGH eröffnet.

-- Doch auch diese Frage kann hier dahingestellt bleiben. Selbst wenn man –

obwohl das zivilrechtlich nicht sinnvoll wäre – eine „Belassungspflicht“

des Darlehensgebers annähme, fände die Rechtsregel des BGH keine

Anwendung. Das Problem, das die Rechtsregel des BGH zu bewältigen

versucht, liegt in dem Aufwand , der aus dem Insolvenzvermögen

bestritten werden muss, um eine noch ausstehende Leistung des

Insolvenzschuldners zu erbringen und dadurch die Einrede des

Vertragspartners nach § 320 oder § 273 BGB zu überwinden. Wenn die

Insolvenzverwaltung den Vertragsanspruch des Insolvenzschuldners

(erfolgreich) geltend machen will, muss sie diesen Aufwand bestreiten. Mit

der Vernichtung vorausgegangener Verfügungen will der BGH erreichen,

dass dieser Aufwand wirtschaftlich dem Insolvenzvermögen zugute

kommt. Handelt es sich bei der Leistungspflicht, die seitens des

Insolvenzschuldners noch offen steht, um eine „Belassungspflicht“, besteht

dieses Problem gar nicht. Erstens kann die Insolvenzverwaltung des

Darlehensgebers die Rückzahlung des Darlehensbetrags ohnehin erst dann

verlangen, wenn der Rückzahlungsanspruch fällig ist. In diesem Moment

ist dann aber auch die „Belassungspflicht“ des Darlehensgebers vollständig

erfüllt. Folglich steht dem Darlehensnehmer keine hierauf gestützte

Einrede zu, die der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs im Weg

stehen könnte. Zweitens: Selbst wenn der Darlehensnehmer die Einrede

der noch nicht vollständigen „Belassung“ des Darlehensbetrags besäße,

würde deren Überwindung das Insolvenzvermögen (d.h. das Vermögen

des Darlehensgebers) nicht in Anspruch nehmen. Um die

„Belassungspflicht“ zu erfüllen, sind keine Mittel aus dem

Insolvenzvermögen aufzuwenden. Es handelt sich um eine

Unterlassungspflicht, zu deren Erfüllung kein Vermögen benötigt wird.

Das ist unstreitig.

-- Ergebnis: Das Problem, dass zur Geltendmachung eines vertraglichen

Anspruchs des Insolvenzschuldners Insolvenzvermögen eingesetzt werden

muss (nämlich um die Einrede des Vertragspartners zu überwinden, dass

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 21

eine Leistungspflicht des Insolvenzschuldner noch nicht erfüllt ist), kann

sich beim Darlehensvertrag (in der Insolvenz des Darlehensgebers) nach

Auszahlung des Darlehensbetrags schlicht nicht stellen.

-- Es gibt kein Gerichtsurteil, das dies anders sähe und die BGH-Rechtsregel

zur „Qualitätsänderung und Novation“ vertraglicher Ansprüche des

Insolvenzschuldners auf die Forderung auf Rückzahlung eines valutierten

Darlehens anwendete. Auch das juristische Schrifttum schließt ganz

überwiegend aus, dass die genannte Rechtsregel des BGH auf valutierte

Darlehen Anwendung finden könnte.

b) „Gefühlte“ Rechtsunsicherheit

-- Erstaunlicherweise entwickelten sich Bedenken, dass die Novations-

Rechtsprechung des BGH eines Tages möglicherweise doch Abtretungen

von Rückzahlungsforderungen aus valutierten Darlehen erreichen könnte.

-- Befürchtungen in Bankenkreisen, dass die erwähnte Rechtsregel des BGH

auf (valutierte) Darlehen Anwendung finden und damit der Veräußerung

(Übertragung) von (valutierten) Darlehensforderungen bei Insolvenz des

Darlehensgebers nachträglich die Wirksamkeit entziehen könnte.

-- Rating-Unternehmen: sahen (vor 2007) ein gewisses rechtliches Risiko in

der Abtretung von Darlehensforderungen (wenn hernach der

Darlehensgeber in Insolvenz fällt); dadurch Minderung des Marktwerts

dieser Forderungen; dadurch wiederum wirtschaftliche Belastung von

ABS-Transaktionen (asset backed securities), CDOs (collateralized debt

obligations) und anderen Formen des Handels mit Darlehensforderungen

möglich oder befürchtet

-- hieraus: Druck auf den Gesetzgeber, sicherzustellen, dass die „Novations“-

Rechtsprechung des BGH auf Darlehensverträge nach Valutierung unter

keinen Umständen zur Anwendung gelangen kann

Insolvenzrecht II (Vertiefung): Darlehensvertrag, Darlehensgeber in Insolvenz 22

c) Gesetzliche Klarstellung

Abs. 2 des § 108 InsO (in der Fassung des Gesetzes vom 13.4.2007 zur Änderung

der InsO, in Kraft seit 1.7.2007):

„Ein vom Schuldner als Darlehensgeber eingegangenes

Darlehensverhältnis besteht mit Wirkung für die Masse fort, soweit dem

Darlehensnehmer der geschuldete Gegenstand zur Verfügung gestellt

wurde.“

Kritik:

Regelung ohne Gehalt und ohne Funktion

Sie beruht auf der irrationalen Befürchtung, der BGH könne seine

(verfehlte) Rechtsprechung zur Novation auch auf solche vertraglichen

Ansprüche des Insolvenzschuldners ausdehnen, zu deren Durchsetzung

kein Insolvenzvermögen aufwendet werden muss (wie etwa auf den

Anspruch des insolventen Darlehensgebers auf Rückzahlung des

ausgezahlten Darlehens).

vorläufige Fassung; Änderungen vorbehalten