Darstellungsziele und Erzählstrategien in antiken Texten () || Komatas’ Sieg über Lakon

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Komatas' Sieg über Lakon [Hermes 108 (1980) 122-125] Das Streitsingen der Hirten in Theokrits fünftem Idyll ist in neuester Zeit auf- fallend oft und bemerkenswert unterschiedlich interpretiert worden. 1 Dabei steht die (auch in Vergils siebenter Ekloge umstrittene) 2 Frage im Vordergrund: Nach welchen Kriterien wird der Sängerwettstreit entschieden? Weshalb bleibt der Ziegenhirt Komatas gegenüber dem Schafhirten Lakon siegreich? Bevor die Flut der Vermutungen zu diesem Thema weiter ansteigt, soll auf zwei Fakten hingewiesen werden, die in der modernen Diskussion zu kurz kommen: 1. V. 21f. sagt Lakon zu Komatas: ,wenn du bereit bist, ein Böcklein zu setzen, so ist das zwar nichts Besonderes, 3 doch nur los, dann werde ich mit dir um die Wette singen, bis du nicht mehr kannst' (αϊ κα λης εριφον θέμευ, εστί μέυ ούδέυ / ιερόν, άλλ' αγε τοι διαείσομαι εστε κ' άπείπης). Die von Komatas 1 Vgl. ζ. Β. folgende Beiträge (im weiteren nur mit Name und Seite zitiert): G. LAW ALL, Theo- critus' Coan Pastorals. A Poetry Book, 1967, 52-65 (nach LAWALL hätte eigentlich Lakon gewinnen müssen); U. OTT, Die Kunst des Gegensatzes in Theokrits Hirtengedichten, Spu- dasmata 22, 1969, 32ff. (glaubt Regelwidrigkeiten Lakons festzustellen: s. u. Anm. 13); K. LEMBACH, Die Pflanzen bei Theokrit, 1970, 23 f. mit Anm. 14 und 16 (Komatas sei der „viel elegantere Dichter"); S. RADT, Theocritca, Mnemosyne 24, 1971, 252f. (nimmt Regelverstoß Lakons an: s. u. Anm. 13); G. SERRAO Problemi di poesia alessandrina, 1971, 7Iff. (vgl. DENS., L'idillio V di Teocrito: realtä campestrc c stilizazzionc letteraria, QUCC 19, 1975, 73-109: nimmt Regelverstoß Lakons an: s. u. Anm. 13); E.A. SCHMIDT, Der göttliche Zie- genhirt. Analyse des fünften Idylls als Beitrag zu Theokrits bukolischer Technik, Hermes 102, 1974, 207-243 (zentrale Themen in id. 5 seien [S. 217] „Wahrhaftigkeit, Wahrheit und echtes Künstlertum", i. e. Komatas, „Lüge, falsche Anmaßung und Stümperei", i. e. Lakon); G. GIANGRANDE, Victory and Defeat in Theocritus' Idyll V, Mnemosyne 29, 1976, 142-153 (Lakon überschreite mit seiner Behauptung, V. 134f., er habe seine Syrinx vcrschcnkt, „all li- mits of credibility, and immediately, ipso facto, loses the contest"); vgl. auch Ch. SEGAL, Thematic Coherence in Theocritus' Bucolic Idylls, WSt. 90, 1977, 59 („truthfulness ... possi- bly the decisive element in Comatas' victory [cf. 134/35 and 4]..."). - Die kommentierten Ausgaben von Κ. J. DOVER, Theocritus. Sclcct Poems, 1971, 135F., und Η. BECKBY, Die griechischen Bukoliker, Beitr. Klass. Phil. 49, 1975, 406) halten die Gründe für den Sieg des Komatas für unklar. - Vgl. Gnomon 44, 1972, 755f. 2 Durch die Einführung des Ich-Erzählers Meliboeus und die Eliminierung des Schiedsrichters (vgl. dagegen ecl. 3) hat Vergil jedoch dem Streitsingen eine ganz andere Form gegeben als Theokrit. Es fehlt die dramatische Gegenwärtigkeit und damit auch die Überprüfbarkeit des Ergebnisses: s. bes. V. 69 haec memini, el victum frustra contendere Thyrsim (vgl. LADE- WIG-SCHAPER-DEUTICKE-JAHN, Komm. 1915 z. St.: ,so weit entsinne ich mich (des Inhalts) und (in bezug auf das Ergebnis), daß ...'): Zwischen dem letzten Vierzeiler des Thyrsis (V. 65-68) und dem Ende des Kampfes muß man sich eine unbestimmte Zahl weiterer alternie- render Wettkampfbeiträge des Corydon und des Thyrsis denken. Vergil hat uns also mit dem Kunstgriff des haec memini bewußt die Möglichkeit genommen, den Ausgang des Wettstreites zu kontrollieren. 3 S. DOVER, Komm. 131 zu V. 21f. und 22; vgl. Men. Aspis 242 ούδέν ιερόν. Brought to you by | St. Petersburg State University Authenticated | 134.99.128.41 Download Date | 10/30/13 5:59 PM

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Komatas' Sieg über Lakon

[Hermes 108 (1980) 122-125]

Das Streitsingen der Hirten in Theokrits fünftem Idyll ist in neuester Zeit auf-fallend oft und bemerkenswert unterschiedlich interpretiert worden.1 Dabei steht die (auch in Vergils siebenter Ekloge umstrittene)2 Frage im Vordergrund: Nach welchen Kriterien wird der Sängerwettstreit entschieden? Weshalb bleibt der Ziegenhirt Komatas gegenüber dem Schafhirten Lakon siegreich? Bevor die Flut der Vermutungen zu diesem Thema weiter ansteigt, soll auf zwei Fakten hingewiesen werden, die in der modernen Diskussion zu kurz kommen:

1. V. 21f. sagt Lakon zu Komatas: ,wenn du bereit bist, ein Böcklein zu setzen, so ist das zwar nichts Besonderes,3 doch nur los, dann werde ich mit dir um die Wette singen, bis du nicht mehr kannst' (αϊ κα λης εριφον θέμευ, εστί μέυ ούδέυ / ιερόν, άλλ' αγε τοι διαείσομαι εστε κ' άπείπης). Die von Komatas

1 Vgl. ζ. Β. folgende Beiträge (im weiteren nur mit Name und Seite zitiert): G. LAW ALL, Theo-critus' Coan Pastorals. A Poetry Book, 1967, 52-65 (nach LAWALL hätte eigentlich Lakon gewinnen müssen); U. OTT, Die Kunst des Gegensatzes in Theokrits Hirtengedichten, Spu-dasmata 22, 1969, 32ff. (glaubt Regelwidrigkeiten Lakons festzustellen: s. u. Anm. 13); K. LEMBACH, Die Pflanzen bei Theokrit, 1970, 23 f . mit Anm. 14 und 16 (Komatas sei der „viel elegantere Dichter"); S. RADT, Theocritca, Mnemosyne 24, 1971, 252f. (nimmt Regelverstoß Lakons an: s. u. Anm. 13); G. SERRAO Problemi di poesia alessandrina, 1971, 7Iff . (vgl. DENS., L'idillio V di Teocrito: realtä campestrc c stilizazzionc letteraria, QUCC 19, 1975, 73-109: nimmt Regelverstoß Lakons an: s. u. Anm. 13); E.A. SCHMIDT, Der göttliche Zie-genhirt. Analyse des fünften Idylls als Beitrag zu Theokrits bukolischer Technik, Hermes 102, 1974, 207-243 (zentrale Themen in id. 5 seien [S. 217] „Wahrhaftigkeit, Wahrheit und echtes Künstlertum", i. e. Komatas, „Lüge, falsche Anmaßung und Stümperei", i. e. Lakon); G. GIANGRANDE, Victory and Defeat in Theocritus' Idyll V, Mnemosyne 29, 1976, 142-153 (Lakon überschreite mit seiner Behauptung, V. 134f., er habe seine Syrinx vcrschcnkt, „all li-mits of credibility, and immediately, ipso facto, loses the contest"); vgl. auch Ch. SEGAL, Thematic Coherence in Theocritus' Bucolic Idylls, WSt. 90, 1977, 59 („truthfulness ... possi-bly the decisive element in Comatas' victory [cf. 134/35 and 4].. ."). - Die kommentierten Ausgaben von Κ. J. DOVER, Theocritus. Sclcct Poems, 1971, 135F., und Η. BECKBY, Die griechischen Bukoliker, Beitr. Klass. Phil. 49, 1975, 406) halten die Gründe für den Sieg des Komatas für unklar. - Vgl. Gnomon 44, 1972, 755f.

2 Durch die Einführung des Ich-Erzählers Meliboeus und die Eliminierung des Schiedsrichters (vgl. dagegen ecl. 3) hat Vergil jedoch dem Streitsingen eine ganz andere Form gegeben als Theokrit. Es fehlt die dramatische Gegenwärtigkeit und damit auch die Überprüfbarkeit des Ergebnisses: s. bes. V. 69 haec memini, el victum frustra contendere Thyrsim (vgl. LADE-WIG-SCHAPER-DEUTICKE-JAHN, Komm. 1915 z. St.: ,so weit entsinne ich mich (des Inhalts) und (in bezug auf das Ergebnis), daß ...'): Zwischen dem letzten Vierzeiler des Thyrsis (V. 65-68) und dem Ende des Kampfes muß man sich eine unbestimmte Zahl weiterer alternie-render Wettkampfbeiträge des Corydon und des Thyrsis denken. Vergil hat uns also mit dem Kunstgriff des haec memini bewußt die Möglichkeit genommen, den Ausgang des Wettstreites zu kontrollieren.

3 S. DOVER, Komm. 131 zu V. 21f. und 22; vgl. Men. Aspis 242 ούδέν ιερόν.

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Komatas ' Sieg über Lakon 123

V. 23f. ohne weiteres akzeptierte4 Herausforderung Lakons (V. 22 TOI διαείσομαι εστε κ' άττείπης) legt eindeutig die Grundbedingung für das (nach einigem weiteren Vorgeplänkel um Kampfpreis, Kampfort und Schiedsrichter) V. 80-137 ablaufende eigentliche Streitsingen fest. Die beiden wollen solange gegeneinander singen, bis einer von ihnen nicht mehr weiter weiß.5 Wenn diese Bedingung gilt, dann kann die Antwort auf die Frage ,weshalb erklärt der Schiedsrichter V. 138f. Lakon zum Verlierer und Komatas zum Sieger?' nur heißen: weil Lakon den letzten Zweizeiler des Komatas (V. 136f.) [123] nicht mehr rechtzeitig parieren kann.6 Entscheidend fur Sieg oder Niederlage im Sängerwettstreit sind also Geschick und Ausdauer im Erfinden und Parieren (jeder der beiden Sänger muß jeweils zwei Verse zum selben Thema singen; der erste, Komatas, gibt das Thema an, der zweite, Lakon, muß es variierend aufnehmen oder überbieten).7 Der Sängerwettstreit in Idyll 5 ist der einzige im corpus Theocriteum, dessen Ausgang expressis verbis von der Ausdauer der beiden Kontrahenten abhängig gemacht wird.8 Merkwürdigerweise aber wird der Vers 22, der methodisch den Ausgangspunkt für jede Deutung bilden müßte, in den jüngsten Interpretationen kaum beachtet.9

2. Der Schiedsrichter Morson erklärt (V. 138) nach einem Zweizeiler des Komatas (V. 136f.) und vor der darauf zu erwartenden Replik Lakons den Kampf für beendet. Die Formulierung des Satzes, mit dem Morson eingreift

4 Unrichtig OTT 34 mit Anm. 108: V. 22 ist keine unverbindliche Meinungsäußerung Lakons, wie schon die Reaktion des Komatas zeigt. Da id. 5. rein dramatisch konzipiert ist, legt Theo-krit die Spielregel einer der handelnden Personen, dem Herausforderer Lakon, in den Mund.

5 Zu V. 22 εστε κ' άπείπης vgl. ζ. Β. PI. Tilt. 200 d 5 - 7 τί ουυ τις έρεΐ πάλιν έξ αρχής έπιστή-μην; ού γ ά ρ που άττεροΟμέν γε π ω ; - "Ηκιστα, έσυπερ μή σύ γε άπαγορεύης (vgl. LSJ s. v. άπεπτου IV 3). I

6 S. schon Ph.Ε. LEGRAND, Etude sur Theocrite, 1898, 161ff. und bes. R. MERKELBACH, BOY-ΚΟΛΙΑΣΤΑΙ. Der Wettgesang der Hirten, RhM 99, 1956, bes. 110 und 112 mit Anm. 49; vgl. auch P. MONTEIL, Thcocrite Id. II, V, VII, XI, XV, Coli. Erasme, 1968, 78: „La defaite doit revenir (22) a cclui des deux rivaux qui, le premier, sera ä court d ' inspiration" (er wertet jedoch außerdem Lakons Couplets als „fanfaronnades infantiles" ab: s. dazu nächstc Anm.).

7 Vgl. ζ. B. MERKELBACH, a. O.; DOVER, Komm. 135 zu V. 80-137 (allerdings ohne Berück-sichtigung von V. 22). - Die generelle Abwertung des Respondcntcn Lakon ζ. B. bei MON-TEIL (Komm. 78: „son procede denote unc evidente absence d ' inspiration") berücksichtigt diese Rollenverteilung zu wenig.

8 Die idd. 1, 3 und 11 enthalten nur Gesangssoli; die idd. 6 und 7, vgl. 10 (vgl. auch 9) jeweils einen Sängerwettstreit in zwei Einzcllicdern; nur in id. 5 (und im Ansatz im ,Hirtengcspräch' id. 4: vgl. M. SANCHEZ-WLLDBERGER, Thcokrit-Interprctationen, 1955, 43 -48 ) liegt ein Wettsingen vor, dessen Dauer und Ausgang .offen ' sind: der Schiedsrichter urteilt nicht über abgeschlossene Kompositionen, sondern er entscheidet über das Ende des Streitsingens. - Zu id. 8 s. u. S . 125.

9 In den o. Anm. 1 angeführten Interpretationen wird V. 22 entweder überhaupt nicht berück-s i ch t i g t (LAWALL; LEMBACH; RADT; E .A . SCHMIDT; GIANGRANDE; DOVER; BECKBY) o d e r nur beiläufig (OTT 34 Anm. 8; SERRAO, L'idillio V, 86f.; SEGAL 45). MERKELBACHS Fest-stellung (a. Ο. 112, vgl. 110), Komatas sei Sieger, weil er Lakon ,ausgesungen' habe, ist je-doch keine bloße ,These' (E.A. SCHMIDT 211, vgl. OTT 33), sondern beruht auf V. 22 (vgl. Gnomon 44, 1972, 756).

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124 Hellenistische Dichtung: Klc informcn

(παύσασθαι κέλομαι τόν ποιμένα) zeigt, daß an sich eine Antwort Lakons zu erwarten war: Morson sagt nicht ,du hast gewonnen, Komatas', sondern er wendet sich zuerst an den Verlierer Lakon, weil dieser an der Reihe gewesen wäre.10 Wäre die Entscheidung von der Qualität der Verse oder des musikali-schen Vortrags abhängig," dann hätte der Schiedsrichter den Kampf nach ei-nem schlechten Couplet Lakons abbrechen müssen. Das gleiche gilt, wenn die ,Unwahrhaftigkeit' Lakons12 oder ein Verstoß gegen Wettkampfregeln13 der [124] Grund für Morsons Urteil gewesen wären. Der Kampf hätte dann mit dem letzten Zweizeiler Lakons (V. 134f.) zu Ende sein müssen.14 Das vorliegende Arrangement aber läßt, in Übereinstimmung mit V. 22, nur den Schluß zu, daß Lakon auf das letzte Couplet des Komatas keine Antwort findet und solange zö-gert, bis ihm der Schiedsrichter das Wort entzieht (V. 138: Syntax, Wortstel-lung und Rhythmus sind bemerkenswert. Statt ,hör auf, Lakon', läßt Theokrit den Schiedsrichter mit asyndetisch einsetzender gemessener Umschreibung er-klären: ,aufhören, sag' ich, soll der Schafhirt', παύσασθαι κελομαι τόν ποιμέ-να. Damit erzielt er eine ganz bestimmte Wirkung: der Infinitiv am Anfang mit

10 Vgl . dagegen das nicht-theokritcischc id. 8 (eine Mischung der Gesangs typen ,Stre i t s ingen' , V. 3 0 - 6 1 , und , Wet tkampf in zwei Einzcll icdern' , V. 6 1 - 8 0 ) : dort wendet sich der Schieds-richter, nachdem beide Kontrahenten ihre Gesangsbe i t räge vol ls tändig vorgetragen haben, zuerst an den Sieger: s. u.

11 Erwogen von A . S . F . G o w , Thcocritus 11, 1952, 94; vgl. DOVER, K o m m . 136. - Vgl . E .A . SCHMIDTS .zweites Postulat ' (207) , „der S ieg des Ziegenhirten K o m a t a s m ü s s e künstlerisch gerechtfertigt erscheinen" .

12 S o E . A . SCHMIDT; GIANGRANDE; SEGAL (s. O. Anm. 1). GIANGRANDE entzieht E .A . SCHMIDTS Hauptargumenten den Boden (149f . ) , hält j e d o c h trotzdem an der Grundthesc von der Unglaubwürdigke i t Lakons als Grund für seine Nieder lage fest (151f . ) . Se ine Argumenta-tion (s. o. Anm. 1) überzeugt freilich nicht: der von Komata s V. 104f. behauptete B e s i t z eines von Praxiteles geschaf fenen Mischkrugs (s. dazu G o w , K o m m . 110 zu V. 105) ist ζ. B . min-destens ebenso unglaubwürdig wie Lakons Angaben über Bes i t z und Weitergabe seiner Sy-rinx, V . 134f. Prahlerei und Provokation gehören für beide Kontrahenten zum G e s c h ä f t des Streits ingens. - Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß das au f die Syr inxvcrse Lakons (134f . ) fo lgende letzte Couplet des K o m a t a s (136f . ) keinen Anhaltspunkt für die These von der Unglaubwürdigke i t Lakons ergibt. Zu dem Mischkrug vgl. G o w , Kommentar 110 zu V. 105.

13 So OTT; RADT; SERRAO (s. o. Anm. 1). Gegen OTTS Annahme ( 3 3 f f „ nach DEICKE und GAL-LAVOTTI), Lakon habe gegen das .Gesetz der Parallelität' der Couplet s verstoßen, s. E .A . I SCHMIDT (240 Anm. 115) und SERRAO (Problemi 76f. mit Anm. 12). Gegen SERRAOS Ver-such, ein Sys tem paralleler Themen im Streitsingen nachzuweisen, das L a k o n mit se inem letzten Couplet mißachtet habe, s. GIANGRANDE (144ff . ) . RADT (253 ) meint: „Ni rgends wie-derholt Lakon ein wesentl iches Wort seines Gegners - außer in V. 135 ... Das ist, wie mir scheint, der Grund seiner Nieder lage . . ." Da j edoch die Voraus se tzung nicht zutrifft (vgl. z. Β. V. 80 φιλεΰντι ~ 82 φιλέει; 112 μισέω ~ 114 μισέω; 116 ού μεμυασ' ~ 118 ού μέμυαμ'; 124 ρΕΪτω ~ 126 ρε ί τω; 132 ούκ εραμ' - 134 εραμσι), kann auch die L ö s u n g nicht richtig sein (s. SERRAO, L ' id i l l io V, 75f . ) .

14 Desha lb ist ζ. B . GIANGRANDES Darstellung (150) , „Morson ... unhesitatingly declares Lacon to be the loser as soon as the latter has pronounced lines 1 3 4 - 5 " (Hervorhebungen von mir), die den folgenden Zweizeiler des K o m a t a s außer Betracht läßt (s. GIANGRANDE selbst 152 mit A n m . 15), irreführend.

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Komatas' Sieg überLakon 125

seinen drei langen Silben, παύ-σα-σθαι, ,malt' das langsame .Auszählen' des Unterlegenen); dann erst spricht Morson Komatas den Siegespreis zu (V. 138f. Tiv δε, Κοματα, / δωρεΤται Μόρσων τάν άμυίδα: direkte namentliche Anrede des Siegers in expressivem Kontrast zum vorhergehenden anonym-abschätzi-gen Hinweis auf den Verlierer, του ποιμένα statt ,Lakon').15

Grundsätzlich muß jede Antwort auf die Frage nach dem Grund für Koma-tas' Sieg vier Elemente beachten: 1. die Bedeutung der V. 22 formulierten .Spielregel' für den Ausgang des Kampfes (V. 138ff) ; 2. die Institution des Schiedsrichters; 3. die Art der Unterbrechung des Kampfes (nach einem Couplet des Komatas, V. 136f.) und 4. das Fehlen einer Begründung für die Entscheidung des Schiedsrichters (V. 138-140: das Ergebnis ist offenbar so eindeutig und unanfechtbar, daß es nicht begründet zu werden braucht). Aufschlußreich für die Beurteilung aller vier Elemente scheint mir der Vergleich mit dem nicht-theokriteischen Idyll 8, dessen ,Bukoliasmos' ein Ergebnis aufweist, wie es viele Interpreten für Idyll 5 zu postulieren scheinen:16 In Idyll 8 wird zunächst der Sängerwettstreit abge-schlossen (V. 81 ώς οί παίδες σεισαυ: jeder Sänger hat die gleiche Anzahl von Versen gesungen), dann erst fällt der Schiedsrichter sein Urteil (V. 81 ό δ' αίπόλος ώδ ' άγόρευευ ...) und er wendet sich nicht erst an den Verlierer, son-dern gleich an den Sieger (V. 82 ώ Δάφνι). Vor allem aber gibt er eine aus-drückliche Begründung für den Sieg (V. 82-84: Daphnis habe schöner gesungen). Die Abweichungen machen deutlich, worauf es in Idyll 5 ankommt: der Schiedsrichter beurteilt nicht eine abgeschlossene Darbietung, und er wägt nicht die Qualität der im Verlauf des Sängerwettstreits gesungenen Couplets gegeneinander ab, sondern er fällt überhaupt nur die Entscheidung über das Ende des Kampfes (V. 138 παύσσσθαι κέλομαι του ποιμένα; wie in V. 22 έστε κ' άπείπης geht es auch in V. 138 nur um die Frage: ,wann ist der Kampf zu Ende?' In Idyll 8 dagegen ist diese Frage für Sieg oder Niederlage irrelevant). Folglich braucht der [125] Schiedsrichter in Idyll 5 seine Entscheidung auch nicht zu begründen: die Begründung ist schon in der Art seines Eingreifens enthalten. Der Schiedsrichter Morson fungiert gleichsam als .Ringrichter': er ,zählt' Lakon ,aus', bevor dieser die Antwort auf das letzte Couplet seines Gegners (V. 136f.) finden kann. Der härteste Sängerwettstreit in Theokrits Hirtenwelt schließt entsprechend der Ankündigung (V. 22 τοι διαείσομαι έστε κ' άπείπης) und der Unversöhnlichkeit der beiden Kontrahenten mit der Er-

15 Anders zum Eingreifen Morsons S e r r a o , Problemi 75. 16 Vgl. ζ. B. Gow, Thcocritus II 93, der ausdrücklich von id. 8 auf id. 5 schließt. I

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H e l l e n i s t i s c h e D i c h t u n g : K l e i n f o r m e n 126

Schöpfung des einen:17 Lakon erleidet die Niederlage, die er eigentlich Komatas zugedacht hatte: ihm ist ,die Puste ausgegangen' (άττείρηκευ).18

17 V g l . SEGAL 4 5 zu V . 2 2 : „The i n t e n s i f y i n g p r e f i x ( δ ι α - ) d i r e c t s th i s s i n g i n g .. . to e x h a u s t i o n ,

c o l l a p s e , f a i l u r e of s p e e c h : δ ι -αε ίδε ι ν p r o d u c e s ά π - ε π τ ε ϊ ν . " T r o t z d e m m e i n t SEGAL ( 5 9 ) ,

„ t r u t h f u l n e s s " se i „ p o s s i b l y the d e c i s i v e e l e m e n t in C o m a t a s ' v i c t o r y " .

18 Ä h n l i c h s teht a u c h i m n i c h t - b u k o l i s c h e n id. 2 2 der s to lze H e r a u s f o r d e r e r A m y k o s a m E n d e

a l s d e r V e r l i e r e r da . A u f f ä l l i g e r w e i s e ist a u c h d a s S t r e i t g e s p r ä c h z w i s c h e n P o l y d e u k e s und

A m y k o s ( id . 2 2 , 5 4 - 7 4 ) d i e w o h l n ä c h s t e P a r a l l e l e bei Thcok r i t z u m Hi r t ens t r e i t K o m a t a s -

L a k o n . V i e l l e i c h t so l l t e m a n id. 5 ä h n l i c h beu r t e i l en w i e den B o x k a m p f in id. 2 2 . ( V g l . LE-

GRAND, o. A n m . 6 , 175 ) .

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