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DAS BRANCHENMAGAZIN DER IG METALL 3 2014 IT MAGAZIN Ausbildung in der ITK-Branche Cool und stressig Betriebsratswahl bei SAP: Zugewinn für die IG Metall Atos IT: Belegschaft kämpft um Standorterhalt EuGH-Urteil: Protestbewegung und Datenschützer gestärkt 4 6 14

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DAS BRANCHENMAGAZIN DER IG METALL 3■2014

IT MAGAZIN

Ausbildung in der ITK-Branche

Cool und stressigBetriebsratswahl bei SAP:Zugewinn für die IG Metall

Atos IT: Belegschaft kämpft um Standorterhalt

EuGH-Urteil: Protestbewegungund Datenschützer gestärkt

4 6 14

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I N E I G E N E R S A C H E ■

Was erwarten junge ITKler/-innen von ihrem Arbeitgeber? DiesemThema versucht sich der Schwerpunkt dieser Ausgabe anzunähern.Im Mittelpunkt steht dabei die Ausbildung in der ITK-Branche.Alles in allem scheinen die meisten Jugendlichen mit den Ausbil-dungsbedingungen recht zufrieden zu sein. Schwieriger wird esbei den Zukunftsfragen – etwa danach, welcher Abschluss sinnvollist angesichts der aktuellen Umbrüche in der ITK-Branche. Oderob eine Karriere im IT-Job zwangsläufig im Burnout oder Single-Dasein endet. Hier vermissen sie klare Antworten.

Die besten Arbeitgeber in der ITK-Branche zeichnen sich dadurchaus, dass sie eine vertrauensvolle und begeisternde Arbeitsplatz-kultur pflegen. Dem Vertrauen in das Management, einer gutenZusammenarbeit, Wertschätzung und Fairness, der Identifikationmit der eigenen Arbeit und dem Unternehmen, beruflichen Ent-wicklungsmöglichkeiten, der Gesundheitsförderung und einerWork-Life-Balance räumen sie einen hohen Stellenwert ein.

Diese Kriterien spielen beim Branchenwettbewerb „Beste Arbeitgeberin der ITK“, der seit 2011 alljährlich vom Bundesverband Bitkomund dem Great Place to Work-Institut (www.greatplacetowork.de)ausgerichtet wird, eine zentrale Rolle. Interessant ist, dass es indiesem Jahr unter den 50 Bestplatzierten nur sechs Unternehmenmit mehr als 1 000 Beschäftigten gibt – unter anderem Microsoft,T-Systems Multimedia Systems und Telefónica. Ein knappes Viertelder Ausgezeichneten hat gerade mal 100, davon knapp die Hälftesogar weniger als 50 Beschäftigte. Etliche Preisträger sind kaumbekannt.

Was ist los in der Branche, dass man die größten und bedeutendstenITK-Unternehmen wie IBM, SAP, Hewlett Packard, Atos usw. bei denLeuchttürmen nicht findet? Offensichtlich kümmern sich renommierteITK-Unternehmen wenig darum, für ihre Beschäftigten und insbe-sondere für qualifizierte Nachwuchskräfte attraktiv zu sein.

Herausgefordert ist nicht nur das Management der großen ITK-Unter-nehmen. Auch Betriebsräte, Jugend- und Auszubildendenvertretungensowie die IG Metall-Vertrauensleute sind angesprochen, im Dialogmit der ITK-Jugend innovative Personalentwicklungskonzepte, einemitarbeiterorientierte Unternehmenskultur, präventive Work-Life-Ba-lance-Konzepte und Gesundheitsförderung auf den Weg zu bringen.

Ihre Redaktion

Das IT-Magazin im Internet:www.itk-igmetall.de

Best-practice Seite 4Als Gewerkschafter bei SAP 2006 zum ersten Mal dieWahl eines Betriebsrats auf den Weg brachten, gab eseinen Aufschrei beim Management und in Teilen der Be-legschaft. Heute sind Betriebsräte bei dem Software-konzern Normalität. Die gewerkschaftlichen Kräfte ge-wannen bei der diesjährigen Betriebsratswahl sogarkräftig hinzu.

Seite 6Der IT-Dienstleister Atos will seinen Standort in Frank-furt-Hahnstraße schließen. Nun hagelt es Protest – bishin zum Oberbürgermeister. Es ist kaum nachvollzieh-bar, dass das Management sich von dem Standort mitseinem spezifischen Banken-Knowhow verabschiedenwill.

IG Metall auf der CeBIT:Reges Interesse von Jugendlichen .............................. 5

Branchen-Dialog:IG Metall besucht das Bundesamt fürSicherheit in der Informationstechnik ......................... 6

Ausbildung in der ITK-Branche:Cool und stressig

■ Trend zur Akademisierung? .............................. 9

■ Dual Studierende: Vieles ungeregelt ............... 10

■ Experten-Interview: IT-Ausbildung optimal nutzen.......................... 11

IndustriAll/UNI:Gemeinsam gegen Stellenabbau bei IBM ............. 13

Peter Wedde zum EuGH-Urteil zu Vorratsdaten-speicherung und Beschäftigtendatenschutz......... 14

Service ............................................................... 15

Impressum ......................................................... 15

Titelfoto: Sven Ehlers

AUS DEM INHALT

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■ N E W S

ITK-ARBEITSMARKT:BRANCHE SCHAFFT ARBEITSPLÄTZEDer Beschäftigungsboom in der ITK-Branche hält weiterhin an. Im vergan-genen Jahr ist die Zahl der Beschäf-tigten nach Angaben des Branchen-verbands Bitkom um 15 000 auf denRekordwert von 917 000 gestiegen.Und auch für dieses Jahr rechnet derVerband mit einem Zuwachs „vonmindestens 10 000 Stellen“, derdamit als nicht so stark prognosti-ziert wird wie 2013. 63 Prozent derUnternehmen wollen im laufendenJahr zusätzliches Personal einstellen.Und lediglich sieben Prozent gabenzu Jahresbeginn an, Stellen abbauenzu wollen. Besonders Software-Un ter-nehmen und IT-Dienstleister suchenPersonal.

+++

FRAUNHOFER IAO UND BITKOM:WACHSTUM DURCH INDUSTRIE 4.0Von der vierten industriellen Revo-lution kann der WirtschaftsstandortDeutschland kräftig profitieren.Dies geht aus einer Studie desFraunhofer-Instituts für Arbeits-wirtschaft und Organisation (IAO)im Auftrag von Bitkom hervor. Bis2025 könnte diese Entwicklungeinen zusätzlichen Wachstums-schub in mindestens sechs volks-wirtschaftlich wichtigen Branchenin Höhe von insgesamt 78 Miiliar-den auslösen. Das Institut rechnetdamit, dass durchschnittlich 1,7 Pro-zent pro Jahr und Branche als zu-sätzliche Bruttowertschöpfungerzielt werden können, wenn Pro-

Die IG Metall bereitet sich darauf vor, mitder Atos-Tochter Worldline über einen Tarif-vertrag zu verhandeln. „Was bei anderenAtos-Standorten die Regel ist, muss auchfür die Atos-Tochter Worldline gelten“, sagtFranz-Peter Beckers, erster Bevollmächtig-ter der IG Metall in Aachen. „Die Kollegin-nen und Kollegen wollen das so.“Seit rund eineinhalb Jahren steht die IG Metall mit den 250 Beschäftigten inAachen und den rund 600 Beschäftigten inFrankfurt auf Betriebsversammlungen undbei anderen betrieblichen Anlässen inregem Dialog über das Thema „Tarifver-trag“. Jetzt geht es ans Handeln. Anfang Mai wurde bei dem europäischenMarktführer und globalen Akteur für Be -

zahlsysteme eine gewerkschaftliche Tarif-kommission gegründet. Diese wird in dennachfolgenden Wochen ihre Forderungenaufstellen. Sie betreffen insbesondere dieEingruppierung und Entgeltfragen. „Un-ser Ziel ist es, klare Kriterien festzulegen,nach denen eingruppiert wird, damit dieBeschäftigten nicht weiter nach Marktlageentgolten werden. Jeder soll wissen, wasseine Arbeit wert ist und was ihm zusteht“,so Beckers. Die IG Metall strebt für Worldline einenTarifvertrag an, der sich an den Atos-Tarif-vertrag und den ebenfalls mit Atos abge-schlossenen IT-Flächentarifvertrag Nord-rhein-Westfalen anlehnt.■ ■ ■

■ Worldline

AUF DEM WEG ZUM TARIF

■ SAP-Betriebsratswahl

IG METALL MIT ZUGEWINNMit zwei weiteren Plätzen im Betriebsratkonnte die IG Metall-nahe Liste „Pro Mit-bestimmung“ ihren Einfluss beim Soft-warekonzern SAP in Walldorf erweitern.„Zusammen mit Verdi verfügen die ge-werkschaftlichen Kräfte nun über einViertel der Betriebsratsmandate“, sagteEberhard Schick, der die Liste „Pro Mit-bestimmung“ bei der diesjährigen Wahlanführte. „Das ist eine klare Stärkung ge-werkschaftlicher Positionen, und dieswerden wir in der nächsten Amtsperiodeauch sichtbar machen.“Auch die IG Metall ist erfreut: „Solche Er-folge zeigen, dass unsere Themen auchdie Themen der SAP-Beschäftigten sind“,sagte Roman Zitzelsberger, IG Metall-Be-zirksleiter für Baden-Württemberg.Bei der ersten Betriebsratswahl bei SAP2006 schlug den Gewerkschaftern nocherheblicher Widerstand aus der Beleg-schaft und insbesondere seitens des Ma-nagements entgegen. Die damaligeAngst vor „Fremdbestimmung“ hat sichdurch die betriebliche Praxis der gewerk-schaftsorientierten Betriebsräte inzwi-schen gelegt. Die betriebliche Mitbestim-mung auf gesetzlicher Grundlage hat sichinzwischen im Unternehmensalltag etab-liert. ■ ■ ■

duktion und Internet immer stärkerzusammenwachsen. Dadurch könnenicht nur effizienter produziert wer-den, sondern dies lasse auch neueService-Modelle entstehen. Für dieITK-Branche prognostoziert das Insti-tut eine zusätzliche Wertschöpfungvon 1,2 Prozent. Chancen ergäbensich vor allem aus neuen Produktenund Dienstleistungen für eine einfa-che, flexible und echtzeitnahe Pro-duktionsplanung und -steuerung.

2013

343,3

2025

WACHSTUMSCHANCEN DURCH INDUSTRIE 4.0Bruttowertschöpfung ausgewählter Branchen in Deutschland Angaben in Mrd. €

Quelle: Fraunhofer IAO/BITKOM* Prognose ** jährliche Steigerung

93,7

Chemische Erzeugnisse

Kraftwagen- und Kraftwagenteile

Maschinenbau

Elektrische Ausrüstung

ITK-Branche

Land- und Fortswirtschaft

gesamt gesamt

18,6

40,376,8

74,0

40,1107,7

21,3

52,4

99,8

88,8

52,11,7%**

422,1

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N E W S ■

■ ZTE Operations

BEKENNTNIS FÜR HAUSTARIFVERTRAGNach der Übernahme von Alcatel LucentNetwork Services (ALNS) durch den chine-sischen Mobilfunklieferanten und Telekom-munikationsausrüster ZTE Operations imJanuar 2014 ist die IG Metall dabei, mit derneuen Geschäftsführung über die Weiter-entwicklung des weiterhin geltenden ALNS-Haustarifvertrags ins Gespräch zu kom-men. „Wir würden uns über ein starkes Be-kenntnis des Unternehmens zur Tarifbin-dung freuen“, sagt Ulrike Saaber von derIG Metall-Verwaltungsstelle Düsseldorf-Neuss. „ZTE ist das erste chinesische IT-Unternehmen in Deutschland und stelltsich gerne positiv als attraktives und ver-trauensvolles Unternehmen in Europa dar.Dazu gehört aus unserer Sicht auch, dasses sich eindeutig dazu bekennt, gute Ar-beitsbedingungen, tarifliche Bindung undeine ausgeprägte Mitbestimmungskulturzu gewährleisten.“Seit 2005 ist die ZTE Deutschland GmbHmit ihrer Deutschlandzentrale in Düssel-dorf vertreten. Das chinesische Unterneh-men, das nicht nur Netztechnik anbietet,sondern auch mobile Endgeräte herstellt,verfügt inzwischen über 11 Standorte inDeutschland. Dazu zählt auch ZTE Opera -tions in Düsseldorf. Es setzt auf eine lang-fristig stabile Zukunft, wächst, investiertund ist seit 2012 dabei, eine eigene Handy-Marke auf den Weg zu bringen.■ ■ ■

IG Metall auf der CeBIT 2014

Reges Interessevon JugendlichenWie in den vergangenen Jahren war dieIG Metall auch 2014 bei der Welt-Leit-messe für IT und Telekommunikation,der CeBIT in Hannover, mit einem eige-nen Infostand vertreten. Vor allem dieFrage „Was kann ich in der Branche inwelcher Position verdienen?“ stand beiden vielen jungen Leuten im Mittelpunkt,die sich bei der IG Metall im Messebe-reich „Job and Career“ umschauten, indem viele Unternehmen um Fachkräf-tenachwuchs warben. Mit dabei: eineGruppe Studierender in technisch-natur-wissenschaftlichen Fächern aus Mann-heim und anderen Studienorten in Ba-den-Württemberg. Die IG Metall hatte

den kostenlosen Messebesuch für sieorganisiert, damit sie sich fachlich undberuflich orientieren konnten. „Wir woll-ten zeigen, dass die IG Metall ein hilfrei-ches Netzwerk ist“, sagt Simon Golden-stein, IG Metall-Sekretär in Mannheim.Am Stand der IG Metall konnten sie inder dort ausliegenden ITK-Entgelterhe-bung 2014 nachschlagen, sich über dasThema „Arbeitsvertrag“ informierenoder auch einen der Vorträge der IG Me-tall besuchen, in denen es um Arbeits-zeit und Entgelte, Digitalisierung undDatenschutz ging. Und viele zeigten sichauch sehr interessiert an den Leistun-gen der IG Metall.

FACHKRÄFTEBEDARF: ITK-BRANCHESETZT AUF HOCHSCHULABSOLVENTENEin einschlägiger Hochschulabschlusswird für eine Karriere in einem IT-Berufimmer wichtiger. Vor allem Absolven-ten von Master- und dualen Studien-gängen sind sehr gefragt. Beim nor -malen Bachelor ohne die für das dualeStudium übliche Praxisintegrationreagieren ITK-Unternehmen zurück-haltend. Auch für Quereinsteiger wirdes künftig schwieriger, so das Ergeb-nis einer Umfrage des Meinungsfor-schungsins-tituts Aris. Gegenwärtighaben 43 Prozent der IT-Spezialisten in ITK-Unternehmen einen fachspezi -fischen Hochschulabschluss.

IT-SPEZIALISTEN: BESTE CHANCEN FÜR HOCHSCHULABSOLVENTENAnteil der Unternehmen, die verstärkt Absolventen mit entsprechenden Hochschulabschlüssen rekrutieren wollen.

Master Duale Studiengänge Bachelor

Quelle: Aris im Auftrag des BITKOM 2014

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Es ist gerade mal vier Jahre her, dass ITK-Beschäftigte in Frankfurt öffentlich gezeigthaben, dass sie sich nicht alles gefallenlassen, was Vorstände kurzum beschließen.2010 protestierten die Kolleginnen und Kol-legen der ehemaligen Siemens-Tochter Sie-mens IT Solutions und Services GmbH (SIS)über 13 Wochen lang gegen die Ausgliede-rung der IT-Sparte aus dem Siemens-Kon-zern in eine eigenständige Gesellschaft. Alssie dann im März 2011 von Atos Origin über-nommen wurden und der französische Kon-zern ihnen zusicherte, die Tarifbindung zuerhalten, schien alles gut zu werden. DieKolleginnen und Kollegen hatten allerdingseine wichtige Erfahrung gemacht: Gemein-sames Handeln und konsequenter Wider-stand führen zum Erfolg!Diese Erkenntnis schwingt nun auch beiden aktuellen Protesten gegen die von Atosbeabsichtigte Schließung des IT-StandortsFrankfurt-Hahnstraße mit. Und sie drücktsich in ähnlichen Protestformen wie damalsaus: Montagsdemonstrationen, spontaneProteste, aber auch geplante Solidaritäts-kundgebungen.

NICHT WETTBEWERBSFÄHIG?Die Unternehmensleitung von Atos IT hattedie rund 300 Beschäftigten am 12. März2014 ohne Vorankündigung darüber infor-miert, dass der Standort geschlossen wer-den soll. Weder Gesamtbetriebsrat nochWirtschaftsausschuss waren zuvor in diePläne eingeweiht worden.Angeblich kann der Betrieb „nicht mehr wett-bewerbsfähig aufrechterhalten werden“,heißt es von Seiten der Unternehmenslei-tung. Zwar sind einige Kunden wie dieDresdner Bank nach der Übernahme durchdie Commerzbank verloren gegangen Auchdas Neukundengeschäft schwächelt. Den-noch hat es der Atos-Standort Hahnstraße in

Frankfurt in den vergangenen Jahren immerwieder geschafft, mit Hilfe einer großen Zahlvon Projektstandorten im Umland und lang-fristigen Nachfolgeaufträgen mit der Com-merzbank (bis 2017) sein Banken-Knowhowgut zu vermarkten. „Deshalb ist es einfachunverständlich, weshalb der Standort kurz-fristig geschlossen und hochgradig speziel-les Wissen outgesourct oder gar vernichtetwerden soll“, sagt Martin Weiss, Unterneh-mensbetreuer der IG Metall für Atos inFrankfurt. „Mit seinen Plänen brüskiert dasUnternehmen seine Kunden und steht ihnenfür Serviceleistungen nicht mehr zur Verfü-gung. Das kann unabsehbare Folgen für dengesamten Konzern haben.“Selbst aus anderen Unternehmen gibt es kri-tische Äußerungen. In einer Solidaritäts -resolution an die Atos-Kolleginnen und Kol-legen erinnerten Betriebsräte und Vertrau-ensleute von Hewlett Packard (HP) an die Be-triebsschließung des HP-Standorts Rüssels-heim: „Der Geschäftsführung von HewlettPackard ist inzwischen klar geworden, dasseine Betriebsschließung die geschäftlichenChancen beim Outsourcing deutlich ver-schlechtert und deshalb sogenannte Freiwil-ligenprogramme beim Personalabbau vor-zuziehen sind.“

NOTBREMSE GEZOGENGemeinsam haben IG Metall und Atos-Be-triebsräte daher die Notbremse gezogen.Dank des bestehenden Tarifvertrags er-reichten sie, dass die Unternehmensleitungsich sehr bald zu ihnen an den Verhand-lungstisch setzte. „Die vielen Verhandlun-gen und Gespräche, die wir im vergangenenJahr zum Atos-Tarifvertrag führten, habendie Kontakte und den gegenseitigen Res-pekt hergestellt, um die Türen zu öffnen“,berichtet Konrad Jablonski von der IG MetallBezirksleitung Nordrhein-Westfalen undUnternehmensbeauftragter für Atos. Be-reits in den ersten Verhandlungen konnten IG Metall und die Atos-Betriebsräte den Ar-beitgeber auf ein Moratorium verpflichten.Es sieht vor, dass die Schließung des Stand-orts Hahnstraße vorläufig ruht. Bis EndeJuni wollen beide Seiten zu einem Ergebnisgelangen. Ziel der IG Metall ist es, den Standort Frank-furt und die Arbeitsplätze der von der Schlie-ßung bedrohten Beschäftigten zu sichern.Dies machte sie auch auf der Protestkund-gebung am 28. April 2014 deutlich. Sie setztdabei auf konstruktive Verhandlungen überAlternativen zur Standortschließung undzum Stellenabbau. Dazu zählen unter ande-rem eine Weiterbildungsoffensive sowie ge-sicherte soziale Rahmenbedingungen füreine größere fachliche Flexibilität und räum-liche Mobilität der Beschäftigten. Unter an-derem sollen externe Berater hinzugezogenwerden, um Qualifikationen auszumachen,die weiterhin im Umfeld von Frankfurt ge-braucht werden und daher am Standort er-halten bleiben müssen.Auch Frankfurts Oberbürgermeister PeterFeldmann unterstützte die Demonstranten:„Wir werden alles tun, dass Ihre Arbeits-plätze in Frankfurt erhalten bleiben.“ DieStadt sei gerade dabei, mit den anderenBürgermeistern der Region das Rhein-Main-Gebiet als IT-Standort zu stärken. Die Be-reitschaft der Firmenleitung, rasch mit derIG Metall in Verhandlungen zu treten, wer-tete er bereits als großen Erfolg des Beleg-schaftsprotestes.

■ U N T E R N E H M E N

Montagsdemos, spontane Protestaktionen in der Bürostadt Niederrad und Ende April eineSolidaritätskundgebung, an der auch Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann teil-nahm: Mehr als 300 Kolleginnen und Kollegen des IT-Dienstleisters Atos IT in Frankfurt(Hahnstraße) kämpfen zurzeit um den Erhalt ihres Standorts. Einen ersten Erfolg habensie bereits erreicht: Die Unternehmensleitung ist bereit zu verhandeln.

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Atos IT Frankfurt-Hahnstraße

Proteste gegen Betriebsschließung

Unter den Protestierenden: Frankfurts Ober-bürgermeister Peter Feldmann (r.)

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Viel Zeit nahmen sich Michael Hange, Präsi-dent des Bundesamtes für Sicherheit in derInformationstechnik und sein Team, um dieVertreterinnen und Vertreter der IG Metallkonzentriert über die aktuellen Herausforde-rungen der Datensicherheit zu informieren.„Einführung in die Bedrohungslage“ lautetedann folgerichtig auch der erste Tagesord-nungspunkt des Besuchsprogrammes.Christiane Benner, geschäftsführendes Vor-standsmitglied der IG Metall sowie die Be-triebsräte und Datenschutzexperten NorbertBaumgarten von Hewlett Packard, BerndÖhrler der Daimler AG, Gunter Wachholz derVolkswagen AG, Andreas Sesterhenn vonAtos sowie Johannes Katzan aus dem ITK-Branchenteam der IG Metall, informiertensich aus erster Hand darüber, wie der Da-tenverkehr im weltweiten Netz sicherer ge-staltet werden kann. Daran arbeitet das BSI.In Zeiten des Heartbleed Bug, geklauterPasswörter und angesichts bekannter Risi-ken des Internet Explorers hat das Bundes-amt nunmehr alle Hände voll zu tun, umüber Risiken aufzuklären und gegen Ver-schwörungstheorien anzuarbeiten.Dass der Besuch der IG Metall willkommenwar, hat einen einfachen Grund: Das BSIwünscht sich Partner mit breiter gesellschaft-licher Verankerung, „um das Sicherheitsbe-wusstsein in Wirtschaft und Gesellschaft zustärken“, wie Michael Hange hervorhob.„Wenn es um Krisenprävention in unserenBetrieben geht, müssen wir unseren Blickweiten“, fasst Christiane Benner eine Er-kenntnis aus der Diskussion zusammen.„Wir müssen Risiken in den Blick nehmen,die durch die Angreifbarkeit digitaler Steue-rungsprozesse entstehen – so wie wir dieAuswirkungen von etwaigen Naturkatastro-phen auf die Produktionsketten und die Be-schäftigung betrachten."Zum Abschluss des Besuches lud MichaelHange die IG Metall ein, an der Allianz für

Cybersicherheit mitzuwirken, um die Si-cherheit der Beschäftigtendaten zu stärkenund Risiken für Arbeitsprozesse in den Blickzu nehmen.Die Metallerin und der BSI-Präsident warensich einig, dass es an der Zeit sei, eine Zerti-fizierung im Datenschutz zum Standard zumachen. Michael Hange verwies auf einengroßen Bedarf an besonderen IT-Spezialisten,beispielsweise an IT-Forensikern, die den Tat-ort eines Cyberangriffs genau untersuchenund so erst Aufklärung ermöglichen.Ein weiteres Ergebnis des Besuches ist, dassOliver Klein vom BSI bei der IT- und Engi-neering-Tagung der IG Metall im Septemberüber Datensicherheit beim mobilen Arbeiten

referieren wird. „Die Sicherheit von Infor-mationen und Daten ist die Grundlage fürdie informationelle Selbstbestimmung imdigitalen Zeitalter“, betonte Christiane Ben-ner und lud den BSI-Präsidenten zur Zusam-menarbeit beim Thema „ArbeitnehmerIn-nendatenschutz“ ein. Damit rannte sie beiMichael Hange offene Türen ein.

Als Wunschpartner, um das Sicherheitsbewusstsein in Wirtschaft und Gesellschaft zu stär-ken, wurde die Delegation der IG Metall Mitte April vom Präsidenten des Bundesamts für Si-cherheit in der Informationstechnik (BSI) herzlich willkommen geheißen. Die Sicherheit derBeschäftigtendaten und Risiken für Arbeitsprozesse standen im Mittelpunkt des Dialogs.

B R A N C H E N D I A L O G ■

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■ Gemeinschaftsprojekt digit-DL

SOZIALE INNOVATIONEN VORANBRINGEN

Cloud Computing, Big Data sowie der Einsatz von Social Media und Smart Serviceswerden die Produktion und Dienstleistungen in Wirtschaft und Gesellschaft grundle-gend ändern. Basis ist die fortschreitende Digitalisierung in allen Lebensbereichenund damit – vermittelt über das Internet – das Entstehen eines global verfügbarenInformationsraums. ITK-Unternehmen nehmen hierbei eine zentrale Rolle ein. Sie liefern nicht nur die Grund-lage, insbesondere die Hard- und Software, für die neuen Produktions-, Geschäfts- undDienstleistungsmodelle. Sie sind auch Vorreiter bei deren Umsetzung. Wie nutzen ITK-Unternehmen die neuen Möglichkeiten des globalen Informations-raums? Welche zukunftsfähigen und nachhaltigen Ansätze werden sichtbar? Und wel-che Chancen für „soziale Innovationen“ bietet die fortschreitende Digitalisierung?Diesen Fragen stellt sich das Verbundprojekt digit-DL unter der Leitung des Institutsfür Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. in München und in Zusammenarbeit mitder IG Metall. Es geht darum, mit einzelnen Vorreiter-Unternehmen aus der ITK-Bran-che Beispiele für Good-Practices und Erfolgsfaktoren für soziale Innovationen heraus-zufinden, um sie auch für andere Branchen nutzbar zu machen. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)gefördert und im Rahmen der Förderinitiative „Innovation mit Dienstleistungen“ inenger Zusammenarbeit mit dem Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- undRaumfahrt (DLR) durchgeführt.3 Weitere Informationen und Kontakt: www.digit-dl-projekt.de,

[email protected], [email protected]

Bild oben: Besuch im Lagezentrum zurIT-Sicherheit, dem Herzstück des BSI(von links): Gunter Wachholz (Betriebs-rat Volkswagen AG), Stefan Ritter (Leiterdes IT-Lagezentrums), Michael Hange(Präsident BSI), Andreas Sesterhenn(Betriebsrat Atos), Christiane Benner(Geschäftsführendes Vorstandsmitgliedder IG Metall), Norbert Baumgarten (Be-triebsrat HP), Bernd Öhrler (BetriebsratDaimler AG).

IG Metall zu Besuch beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik

Einführung in die Bedrohungslage

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■ S C H W E R P U N K T

Ausbildung in der ITK-Branche

Cool und stressig8

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S C H W E R P U N K T ■

Stress mit dem Ausbilder, hohes Arbeits-pensum, Hin- und Herpendeln zwischen Be-trieb, Berufsschule und/oder Hochschule,wenig Zeit für das Nacharbeiten oder Selbst-studium ... das prägt den Alltag vieler Ju-gendlicher, ob Auszubildende oder dual Stu-dierende, in ITK-Berufen. Hinzu kommt oftnoch die Unsicherheit, nicht übernommenzu werden. Trotzdem sind die meisten jun-gen ITKler froh über ihren Berufsstart in derHightech-Branche. Die digitale Welt erfas-sen, nie dagewesene Kommunikationsfor-men erproben, innovative Geschäftsfelderaufbauen, neuartige Software entwickelnund Internetprobleme lösen ist cool.„Eigentlich gibt es keine großen Problemebei uns“, sagt Moritz Rupp, dual Studieren-der im Fach Angewandte Informatik undMitglied der Jugend- und Auszubildenden-vertretung (JAV) bei HP in Bad Homburg.„Die beruflichen Perspektiven sind gut, dieAusbildungs- und Praxisphasen klar gere-gelt. Bei den Auszubildenden gibt der Lehr-plan und bei den dual Studierenden dieHochschule vor, was gemacht werdenmuss. Daran muss sich der Betrieb halten.“Auch die Grundvergütung während der Aus-bildung beziehungsweise während desdualen Studiums stimme. Es komme zudemkaum vor, dass sich ein Jugendlicher überdie Qualität seines Ausbilders oder Betreu-ers beschwert. Und wenn – etwa, weil sichjemand von seinem Ausbilder oder Praxis-betreuer falsch beurteil fühlt – gebe es einVerfahren, in das die JAV moderierend ein-bezogen werden kann. Was Moritz Rupp an HP besonders reizt:„Bei uns haben Auszubildende und dualStudierende viele Möglichkeiten, eigeneProjekte anzuregen und relativ selbststän-dig umzusetzen.“ Seine JAV-Kollegin Cyn-thia Wender bestätigt dies: „HP legt großenWert auf selbstständiges Arbeiten. Wir ha-ben viele Freiheiten, Praktika nach unseren

Wünschen zu machen oder auch öfter imHome Office zu arbeiten. Auch die Bezie-hung zwischen Auszubildenden und Aus-bildern beziehungsweise Praxisbetreuernist angenehm unverkrampft.“ Was die bei HP ausgebildete Wirtschafts-informatikerin und SAP-Beraterin im Au-ßendienst allerdings stört, ist der Klima-wandel im Unternehmen, den der eingelei-tete Stellenabbau und speziell die Schlie-ßung des HP-Standorts in Rüsselsheimausgelöst haben. „Viele von uns Jugend -lichen haben dadurch erfahren, dass keinJob langfristig sicher ist, auch wenn manuns Berufseinsteigern bisher noch gute Per-spektiven in Aussicht stellt. Das Image von

HP ist bei jungen Leuten angekratzt. Vielesind durch das Sparprogramm des Unter-nehmens und die Verlagerung von Arbeits-plätzen ins Ausland verunsichert“, so Cyn-thia Wender. Das ist mit ein Grund, warum sich beide inder JAV und in der IG Metall engagieren.„Wir wollen, dass HP auch weiterhin einehohe Qualität der Ausbildung bietet. Undwir wollen Jugendliche dafür sensibilisie-ren, dass sie sich nicht alles gefallen lassenmüssen. Sie sollen wissen, dass sie nichtnur allein auf sich gestellt, sondern vor al-lem auch mit anderen zusammen etwas ver-ändern und voranbringen können“, sagtMoritz Rupp.

Die ITK-Branche braucht dringend junge Fachkräfte. Aber sie macht es vielen Jugendlichen nicht leicht, in diesem Bereich ihren

beruflichen Einstieg zu finden. Die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in IT-Berufen stagniert seit Jahren,

dual Studierende in Ingenieur-, IT- und Technik-Bereichen fühlen sich häufig ausgepowert, und fast die Hälfte der Studienan-

fänger im Fach Informatik bricht das Studium ab. Der Spaß an der Technik, speziell daran, neue Software zu entwickeln, Netz-

werkprobleme zu lösen und neue Formen der Kommunikation auszuprobieren, hält selbst bei vielen „digital natives“ nicht

lange vor. Die Branche muss für Jugendliche attraktiver werden. Das meint auch die IG Metall – und dafür setzt sie sich ein. ■

Moritz Rupp, Student HP DualStudy Applied Computer Science:»Bei uns haben Auszubildende und dual Studierende vieleMöglichkeiten, eigene Projekte anzuregen und relativ selbst-ständig umzusetzen.«

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AUSBILDUNG AUF DEM PRÜFSTANDDie Qualität der Ausbildung in der ITK-Bran-che sichern und ausbauen: Dafür engagie-ren sich die IG Metall und ihre Mitgliederin den Unternehmen sowie an den Hoch-schulen. Damit reagiert die Gewerkschaftauf Tendenzen in der ITK-Branche – undnicht nur dort – einer fortschreitenden Aka-demisierung der Ausbildung. So etwa bildetHP an vielen Standorten kaum noch bis garnicht mehr in den 1998 neu geordneten be-ziehungsweise eingeführten IT-Berufen aus.Stattdessen schließt der Computerkonzern

immer mehr Ausbildungsverhältnisse mitdual Studierenden ab.

Interessant ist jedoch, dass Anwenderun-ternehmen wie Bosch oder Daimler geradedabei sind, duale IT-Ausbildungsgänge ver-

stärkt einzuführen. „Ich zähle hier zu demersten Ausbildungsjahrgang für IT-System-elektroniker“, berichtet Tobias Holfoth, Aus-zubildender bei Daimler in Stuttgart-Unter-türkheim. „Für mich ist diese Ausbildungtotal spannend und interessant. Zwarkommt die eigentliche IT-Tätigkeit im erstenJahr noch zu kurz. Deshalb freue ich michschon auf´s Programmieren im zweitenund dritten Lehrjahr.“ Aber alles in allemist er sehr zufrieden mit der Ausbildung.„Die Ausbilder kümmern sich sehr intensivum uns, Theorie und Praxis sind gut mit-einander abgestimmt und die beruflichenAussichten sind sehr gut.“ Diese Verschiebungen bei der IT-Ausbildungweisen darauf hin, dass sich viele Unter-nehmen infolge der fortschreitenden Digi-talisierung von Arbeit und Gesellschaft so-wie durch Cloud Computing, Big Data undIndustrie 4.0 strategisch neu ausrichten.„Es ist jedoch zu früh, um daraus einen kla-ren Ausbildungstrend bei den IT-Berufenetwa in Richtung einer Akademisierung ab-zuleiten“, sagt Andrea Baukrowitz, Wissen-schaftlerin und Projektmitarbeiterin Globe-Pro am Institut für SozialwissenschaftlicheForschung München (siehe Interview).Einer der Gründe für das – gemessen andem Beschäftigungswachstum und denPrognosen des Fachkräftebedarfs in derBranche – unzureichende Engagement derITK-Unternehmen in der dualen Ausbildungkönnte darin liegen, dass die Ausbildungs-pläne den heutigen technologischen Stan-dards nicht mehr voll entsprechen. „Wir be-mühen uns bereits seit längerer Zeit darum,die IT-Ausbildungsberufe neu zu regeln“,sagt Jörg Ferrando, Experte für beruflicheBildung beim Vorstand der IG Metall. „Zwarwurde die gültige Verordnung 1997 technik -10

■ S C H W E R P U N K T

STAGNATION AUF HOHEM NIVEAUDie Anzahl der neu abgeschlossenenAusbildungsverträge in den ITK-Beru-fen lag in den vergangenen Jahren aufannähernd gleich hohem Niveau. Zwi-schen 2012 und 2013 gab es einenleichten Anstieg um 0,35 Prozent auf15 282 Ausbildungsverträge. Währendsich der männliche Anteil an den Aus-zubildenden in dieser Zeitspanne um0,5 Prozent erhöhte, sank er bei denweiblichen Azubis um 1,4 Prozent.Angesichts der steigenden Beschäfti-gungszahlen in der Branche und desprognostizierten Fachkräftebedarfs istdas Ausbildungsengagement der ITK-Unternehmen unzureichend, kritisiertdie IG Metall.

ENTWICKLUNG DER AUSBILDUNGSVERTRÄGE 2003 – 2013*18000

16000

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02003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

Quelle: Bundesinstitut für Bildung 30. September 2013*jeweils neu abgeschlossene Ausbildungsverträge im ITK-Bereich

■ Gesamt ■ Männer ■ Frauen

Cynthia Wender, Wirtschaftsinformatikerin bei HP:»Viele von uns Jugendlichen haben erfahren, dass kein Joblangfristig sicher ist, auch wenn man uns Berufseinsteigernbisher noch gute Perspektiven in Aussicht stellt.«

■ IT-Systemelektroniker/-in■ Fachinformatiker/-in Systemintegra-

tion bzw. Anwendungsentwicklung■ IT-System-Kaufmann/-frau■ Informatik-Kaufmann/-frau

DUALE ITK-AUSBILDUNGSBERUFE

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offen formuliert, aber nach 17 Jahren hatsich zum Beispiel mit der Glasfaser, LTEusw. so Vieles geändert, dass eine Überar-beitung nötig wird.“ Einige Arbeitgeberwehrten sich jedoch zurzeit vehement ge-gen jede Art von Neuregulierung, weil sieihre Einzellösungen bevorzögen. „Für unsist aber wichtig, auch Nicht-Studierendenden Zugang zu IT-Berufen offen zu haltenund ihnen mit Hilfe eines umfassenden Wei-terbildungssystems sichere berufliche Per-spektiven zu bieten“, so Ferrando.Auch für dual Studierende in der ITK-Bran-che hat der in vielen Unternehmen stattfin-dende Ausbau der akademischen Ausbil-dung nicht nur positive Effekte, wie die viel-fach in Aussicht gestellten guten beruf-lichen Einstiegschancen. Es gibt zumindestviele Fragen und Unsicherheiten. Diese betreffen vor allem die beruflichen Zu-kunftschancen, die mit dem Bachelor-Ab-schluss verbunden sind: Wie werden dualStudierende in der aktuell von enormen Um-

brüchen heimgesuchten ITK-Branche künftigeingesetzt? In welchem Maße werden durchden Bachelor erworbene akademische Kom-petenzen überhaupt benötigt oder sind dualStudierende die neuen Facharbeiterinnenund Facharbeiter? Welches Entgelt und wel-che Aufstiegschancen können sie erwarten?Was passiert und an wen kann man sich wen-den, wenn man vom Ausbildungsbetriebnicht übernommen wird?

VIELES IST NICHT GEREGELTViele dieser Fragen und Unsicherheitenhängen damit zusammen, dass das dualeStudium unterschiedlich organisiert ist undsich dementsprechend auch der Status derdual Studierenden in den Ausbildungsbe-trieben unterscheidet. Studierende, die ein ausbildungsintegrie-rendes Studium (auch Studium im Praxis-verbund) absolvieren, haben oft einen Aus-bildungsvertrag mit einem Unternehmen,der sich eng an den Vorgaben des Berufs-

bildungsgesetzes beziehungsweise derHandwerksordnung anlehnt. Für sie geltenin der Regel bis zum Abschluss der dualenAusbildung alle gesetzlichen, tariflichenund betrieblichen Regelungen des Unter-nehmens, nach denen auch die Auszubil-denden behandelt werden. Bei dual Studierenden, die ein praxisinte-grierendes duales Studium durchlaufen, istder vertragliche Gestaltungsspielraum fürdie Betriebe größer. Sie sind Beschäftigteim Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes,fallen aber nicht automatisch unter die Re-gelungen für Auszubildende. Dies hat oftnegative Folgen. Bei „klassischen“ Ausbil-dungsverhältnissen und ausbildungsinte-griertem dualem Studium ist die Über-nahme vielfach tariflich gesichert. Zudembekommen Auszubildende per Gesetz unteranderem die Kosten für Lehr- und Lernmittelsowie Reisekosten zum Betrieb und zur Be-rufs- beziehungsweise Hochschule erstat-tet. Dies alles ist bei dual Studierenden in 11

S C H W E R P U N K T ■

In vielen Branchen werden eine zuneh-mende Akademisierung und ein Rückgangder Ausbildungszahlen beklagt. Wie siehtdas im ITK-Sektor aus?Andrea Baukrowitz: Der ITK-Sektor gilt alshochqualifiziert und damit als Arbeitsfeldvon Akademikern. Tatsächlich aber arbei-ten mehr Beschäftigte mit Berufsausbil-dung in einem IT-Beruf als mit Hochschul-abschluss – und sehr viele Querein-steiger. Der IT-Bereich zeigt deshalb vorallem: Hochqualifiziert ist nicht gleichzu-setzen mit akademisch. Denn hier führenviele Wege in hochqualifizierteTätigkeits-felder – mit unterschiedlicher Ausbil-dung, beruflicher Erfahrung und Weiter-bildung.Wie steht es mit der IT-Ausbildung?Es wird erfolgreich und auf konstant ho-hem Niveau in den neuen IT-Berufen aus-gebildet. Aber die Potentiale dieser Berufewerden für die Fachkräfteentwicklung imIT-Bereich nicht voll entfaltet. Es muss da-her darum gehen, den Beitrag der dualenIT-Ausbildung in der ITK-Branche besserzu erkennen und auszubauen, um den ak-tuellen Umbruch gut zu bewältigen.Worin zeigt sich dieser Umbruch?Die ITK-Branche entwickelt sich in denletzten Jahren zunehmend zu einer glo-balen Branche. Da geht es nicht mehr umeinfachen Export, sondern um globale Ge-schäftsmodelle und Arbeitsprozesse. Die-ser Umbruch hat tief greifende Auswir-kungen auf Arbeit und Qualifikation. Zumeinen erweist sich das Arbeiten in globa-

len Bezügen als Triebfe-der eines umfassendenWandels der Qualifika -tionsanforderungen, derin der Ausbildung und imArbeitsalltag bewältigtwerden muss. Zum ande-ren drängt die Globalisie-rung alle Beschäftigte zumehr beruflicher Flexibi-lität und Veränderung.Hier sehe ich für Beschäf-tigte mit Berufsabschluss(und für Quereinsteiger)ein großes Risiko, auf derStrecke zu bleiben, wennes in den Unternehmenan Weiterbildung und be-ruflichen Entwicklungs-perspektiven mangelt.Was ist zu tun?Es ist wichtig, sich dieAusbildung jetzt nocheinmal anzuschauen undkonzeptionell auf eineglobale Arbeitswelt ein-zustellen – auch mit Blickauf die Ausgestaltungder Lernfelder an den Be-rufsschulen. Aber auchdie betriebliche Weiterbildung ist ein zen-traler Faktor. Für die beruflichen Perspek-tiven von Fachinformatikern und anderenAbsolventen einer IT-Ausbildung sowievon Quereinsteigern ist eine systemati-sche und zertifizierte Weiterbildung dasA und O. Es gibt zwar ein innovatives IT-Weiterbildungssystem, an dem die IG Me-tall maßgeblich mitgewirkt hat. Doch in

den Betrieben findet eine systematischeWeiterbildung zu wenig statt. Hier seheich einen zentralen Erfolgsfaktor für Un-ternehmen und Beschäftigte, die dualeIT-Ausbildung optimal zu nutzen. Dafürmüsste das Thema „Qualifizierung“ wie-der verstärkt auf die betriebliche Tages-ordnung gesetzt und vorangetrieben wer-den – auch durch Betriebsräte.

Andrea Baukrowitz, Wissenschaftlerin und Expertin für denWandel von Arbeit und Qualifikation in der ITK-Branche

... nachgefragt bei Andrea Baukrowitz

IT-AUSBILDUNG OPTIMAL NUTZEN

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■ S C H W E R P U N K T

praxisintegrierenden Studiengängen viel-fach ungeregelt oder wird unterschiedlichgehandhabt. „Dual Studierende sind daher in vielen Un-ternehmen der ITK-Branche keineswegs pri-vilegierte Auszubildende, wie es manchmalerscheint“, sagt Rico Irmischer, Fachsekretärfür Studierendenarbeit bei der IG Metall-Ver-waltungsstelle Regensburg. Das betreffenicht nur Entgeltfragen, sondern auch dieLeistungsanforderungen. So sei der von ih-nen abgeforderte Workload vielfach wesent-lich höher als der, der von Auszubildenden– bei gleicher Tätigkeit – erwartet werde.„Auch der organisatorische Aufwand, dendual Studierende oft betreiben müssen, umzwischen Betrieb, Hochschule und womög-lich noch Berufsschule hin- und herzupen-deln, ist enorm. Er kostet nicht nur viel Zeit,sondern auch Geld.“ Es komme auch vor,dass dual Studierende, die nicht von ihremAusbildungsbetrieb übernommen wordenseien, bei Zeitarbeitsfirmen landeten unddann zu schlechteren Bedingungen wiederan diesen entliehen würden.

STUDIUM UND BETRIEB BESSER ZUSAMMENBRINGENUmfragen der IG Metall unter dual Studie-renden in Baden-Württemberg und im Be-reich Hessen ergaben, dass für sie eine Ar-beitsbelastung von über 60 Wochenstun-den nicht selten ist. Insbesondere, wennes auf die Prüfungen zugeht, haben vieledual Studierende kaum angemessen Zeit,um sich vorzubereiten. Probleme gibt esgelegentlich auch, weil die Praxisphasenim Betrieb nicht optimal auf die Anforde-rungen der Hochschule abgestellt sind. „Hochschulen und Unternehmen müssenbei der Ausbildung noch viel enger zusam-menarbeiten“, sagt Alexandra Klein, Vor-sitzende des Allgemeinen Studentenaus-schusses (AStA) an der Dualen HochschuleBaden Württemberg (DHBW) in Stuttgartund zugleich dual Studierende bei der ört-

lichen IG Metall. „Die Abbrecherquote istbei den dualen Studiengängen in den Fä-chern Technik und Informatik immer nochzu hoch.“ Gerade vor dem Hintergrund,dass das duale Studium boomt und auchan der DHBW immer mehr Studienplätzegeschaffen werden, steht für AlexandraKlein die Qualitätssicherung von Studiumund Ausbildung im Mittelpunkt ihres Enga-gements. „Die Hochschule bietet inzwi-schen Einstiegskurse in Mathe und Technikan, damit Studierende bestehende Schwä-chen in diesen Fächern frühzeitig ausglei-chen können. Wir Studierendenvertreterkümmern uns auch um regelmäßige Treffenmit den dualen Partnern, damit sich Stu-dierende und betriebliche Praktiker leichtervernetzen können. In den Mitbestimmungs-gremien der Hochschule sorgen wir fernerdafür, dass Probleme mit der Infrastrukturauf den Tisch kommen, damit ausreichendLehrmittel, Parkplätze und bezahlbarerWohnraum zur Verfügung gestellt werden.“

IG METALL BIETET PRAKTISCHE HILFEAuch Simon Goldenstein, Fachsekretär fürStudierendenarbeit der IG Metall in Mann-heim und Baden-Württemberg, findet eswichtig, dual Studierende dabei zu unter-stützen, den Bogen zwischen betrieblicherPraxis und akademischem Studium besserzu spannen. „Die Leute kommen zu uns,weil wir Ihnen praktische Angebote machen:Wir beraten sie, wenn sie Probleme mit demAusbilder, den Fahrt- und Lehrmittelkosten-kosten, dem Urlaub beziehungsweise freienStudientagen oder mit ihrem Ausbildungs-vertrag haben. Wir bieten ihnen Seminareund Workshops zum wissenschaftlichen Ar-beiten, zu Rhetorik, aber auch zu Einstiegs-gehältern in ihrem gewünschten Beruf an.“Im März hatte der Metaller den Besuch vondual studierenden ITKlern zur CeBit (sieheauch Seite 5) organisiert. Auch sorgt er dafür,dass Fach-Austellungen gemeinsam besuchtwerden können.

Dies alles kommt bei den dual Studieren-den gut an. Viele von ihnen haben diesdurch ihre Mitgliedschaft in der IG Metallgezeigt. „Wir legen ihnen immer wiedernahe, bei Problemen zusammenzustehen,um Dinge im Betrieb und an der Hochschulegemeinsam anzuschieben“, so Golden-stein. „Und wir freuen uns natürlich, wennsie dann die Erfahrung machen: Da gehtdoch was! Aktuell orientieren wir auf denbundesweiten Aktionstag der IG Metall ,Revolution Bildung‘ im September (sieheSeite 2), um gute Ausbildungsbedingungenzu sichern.“Seit mittlerweile zehn Jahren kümmert sichdie IG Metall bundesweit verstärkt um Stu-dierende. Sie informiert zu aktuellen Fragenunter www.hochschulinformationsbuero.deund ist vor Ort an über 50 Standorten miteinem umfangreichen Beratungs- und In-formationsangebot vertreten. Die Themenreichen von Arbeitsvertrag, Bafög, Bewer-bungstraining, Einstiegsgehälter bis zu Pro-blemen mit dem Chef und wissenschaftli-chem Arbeiten. Die IG Metall organisiert vorOrt Betriebsexkursionen, lädt zu interes-santen Fachtagungen ein und hilft beimKontakt zur Hans-Böckler-Stiftung, um einStipendium zu beantragen. „Wir bieten Studierenden ein breites Netz-werk und kompetente Ansprechpartner, umden Sprung vom Studium in den Beruf zumeistern“, sagt Stefanie Geyer, Referentinfür Studierendenarbeit beim IG Metall-Vor-stand. „Und wenn es um Probleme im Be-trieb geht, knüpfen wir den Kontakt zur ört-lichen IG Metall-Verwaltungsstelle und denBetriebsräten sowie der Jugend- und Aus-zubildendenvertretung in dem jeweiligenUnternehmen. Wir wünschen uns sehr, dassviele Jugendliche auch aus der ITK-Branchediese Angebote nutzen und die Relevanzgewerkschaftlicher Arbeit für ihre Situationerkennen – und dann auch bessere Ausbil-dungsbedingungen in den Betrieben mitanschieben helfen.“

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Mit seinen Roadmaps 2010 und 2015 habesich IBM zu einer ausschließlich profitori-entierten „Maschine“ entwickelt, kritisierendie beiden globalen Gewerkschaftsbünde,die sich bei IBM zur Global Union Alli-ance@IBM zusammengeschlossen haben.„Der Gewinn pro Aktie ohne Rücksicht aufdie eigenen Mitarbeiter ist zum bedeutends-ten Ziel für das Unternehmen geworden.Daran droht der Konzern nun innerlich zuzerbrechen“, heißt es in einer gemeinsa-men Stellungnahme. Die Anzahl der Be-schäftigten sei in diesem Jahr erstmals seitzehn Jahren rückläufig. Dies stehe in deut-lichem Zusammenhang mit einem rigidenKostensparprogramm für immer höhereProfit-Margen. Wenn sich an dieser Strate-gie nichts ändere, würden bald Tausendevon weiteren Arbeitsplätzen verloren ge-hen.In dem gemeinsamen Forderungspaket ver-langen die Gewerkschaften eine Unterneh-

mensstrategie, die sich nicht ausschließlicham Gewinn orientiert, sondern auch dieLeistung der IBM-Beschäftigten an der Ge-schäftsentwicklung anerkennt. Sie fordernferner verbesserte Arbeitsbedingungen unddie weltweite Anerkennung der Gewerk-schaften als Partner im Sozialen Dialog undals Tarifpartei.„IBM ist dabei, Stellen abzubauen und aus-zugliedern und zwingt damit die Beschäf-tigten in prekäre Arbeitsverhältnisse“, kri-tisiert Kann Matsuzaki, Leiter des BereichsITK bei der IndustriAll Global Union. „Wirmüssen mehr Druck in den Betrieben ent-falten, um besser verhandeln zu können.Deshalb ist das gemeinsame Vorgehen sowichtig.“Der Konzern habe die Bedeutung der eige-nen Beschäftigten systematisch unter-schätzt, heißt es in dem Papier. Seine Per-sonalstrategie ziele vor allem darauf, Stel-len abzubauen und nehme dafür man-gelnde Motivation und ein Klima der Angstin Kauf. „Wir verlangen von IBM uns gegen-über ein respekt- und würdevolles Verhal-ten, das sich auch darin zeigt, dass es deneigenen Beschäftigten zuhört, wenn dieseinnerhalb der IBM ihre Situation diskutie-ren“, sagt Lee Conrad, langjähriger Koor-dinator von IBM Global Alliance. „Wir wolleneine bessere IBM und eine bessere Zukunftfür IBM-Beschäftigte weltweit.“

IndustrieAll/UNI

Gemeinsam gegen Stellenabbau bei IBMMit einem gemeinsamen Forderungspaket haben sich die IndustriAll Global Union, der auch die IG Metall angeschlossen ist, sowie die UNI Global Union an den IBM-Vorstandgewandt, um gegen den angekündigten Stellenabbau zu protestieren.

■ Micron Semiconductor Italia

SOLIDARITÄT MIT DERBELEGSCHAFT

Seit Wochen kämpfen die Beschäftig-ten des italienischen Chip-Herstel-lers Micron Semiconductor Italiagegen massiven Stellenabbau, derrund 40 Prozent der Belegschaftbetrifft. Besonders brisant ist, dassdas Unternehmen bei seiner Ent-scheidung die gewerkschaftlichenArbeitnehmervertretungen außenvor gelassen und nicht rechtzeitiginformiert hat. Micron Semiconductor ist in Italienein bedeutendes Hightech-Unter-nehmen mit hoch qualifizierten –überwiegend Akademiker und gutausgebildete Fachkräfte – Beschäf-tigten, die größtenteils unter 50Jahre alt sind. Die drei für Micron SemiconductorItalia zuständigen Gewerkschaftenwehren sich auch deswegen gegenden Kahlschlag, weil er die Präsenzder Unternehmensgruppe in Italiengefährdet und damit den industriel-len Sektor deutlich schwächt. NachProtesten und Streikaktionen kam eszu einem ersten Treffen von Gewerk-schafts- und Unternehmensvertre-tern im italienischen Wirtschaftsmi-nisterium. Die Gewerkschaften nah-men zudem Kontakt zum Mutterkon-zern Micron Technology in den USAauf, der es allerdings verweigerte,mit Gewerkschaftsvertretern zu ver-handeln. In einem öffentlichenAppell fordern sie die Regierung auf,sich stärker um die Hightech-Indus-triebereiche zu kümmern, Investitio-nen anzukurbeln und die industrielleZukunft Italiens zu sichern.

I N T E R N A T I O N A L E S ■

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Anfang April hat der Europäische Gerichtshof(EuGH) die europäische Richtlinie zur Vor-ratsdatenspeicherung für nichtig erklärt. Da-mit – so meinen Datenschützer – wird auchin Deutschland ein Gesetz zur Vorratsdaten-speicherung sinnlos. Es spricht jedoch vieldafür, ein Beschäftigtendatenschutzgesetzschnellstens auf den Weg zu bringen, ummöglichen Risiken einer „gesetzten Praxis“– etwa als Folge des Transatlantischen Frei-handelsabkommens – vorzubeugen.

Wie bewerten Sie das Urteil des EuGH? Peter Wedde: Das Urteil ist ein klarer Erfolgder europäischen Protestbewegung. Die fürganz Europa geplante Vorratsdatenspeiche-rung ist jetzt unzulässig. Aber nach wie vorerlaubt der EuGH die Speicherung von Ver-bindungsdaten, um etwa staatsfeindlicheBestrebungen und schwere Verbrechen imNachhinein aufzuklären. Hierfür verlangt erallerdings klare gesetzliche Vorgaben. Au-ßerdem dürfen Verbindungsdaten auch indiesen Fällen nur auf der Basis höchster Si-cherheitsstandards gesammelt werden. Was folgt aus diesem Urteil für den Arbeit-nehmerdatenschutz?Wenn schon der Staat nicht alle Verbin-dungsdaten auf Vorrat sammeln darf, dannist dies erst recht Unternehmen zu verweh-

ren. Aus meiner Sicht dürfen ArbeitgeberKommunikationsdaten ihrer Mitarbeiter nurausnahmsweise sammeln und auswerten.Denkbar ist dies etwa für Bereiche mit be-sonders sensiblen Geschäftsdaten. Ich plä-diere nachdrücklich dafür, dieses Thema ineinem längst überfälligen Beschäftigten-datenschutzgesetz eindeutig zu regeln. Steht das überhaupt noch auf der Agendader neuen Bundesregierung?Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass sichdie Regierung um den Beschäftigtendaten-schutz kümmert. Aber offensichtlich wirdauf die Europäische Datenschutzgrund-verordnung gewartet. Katastrophal wäre allerdings, wenn sich zwischenzeitlich Standards beim Arbeitnehmerdatenschutzdurchsetzen würden, die sich an dem –ganz im Sinne der Arbeitgeber – erweiter-ten Paragraphen 82 des Entwurfs der Eu-ropäischen Datenschutzgrundverordnunganlehnen, der ihnen weitgehende Befug-

nisse einräumt.Bleibt nur zu

hoffen, dassdie deut-sche Ge-richtsbar-keit ihrend a t e n -s ch u t z-f r e u n d -

lichen Kursbeibehält.

Inwiefern?Aus dem bestehenden gesetzlichen Va-kuum heraus haben es Gerichte in den letz-ten Jahren immer wieder geschafft, Schutz-standards zu erhalten, Bürger- und Arbeit-nehmerrechte zu sichern und die Rechtevon Betriebsräten und Gewerkschaften ge-genüber der Arbeitgeberseite zu vertei -digen. Diese „liberale“ Gerichtsbarkeit könnte aber aufgrund neuer europäischerVorgaben wie beispielsweise dem Transat-lantischen Freihandelsabkommen (Trans-atlantic Trade and Investment Partnership– TTIP) schnell am Ende sein.

Worin bestehen die Risiken beim TTIP?Bislang wird das Abkommen hinter ver-schlossenen Türen verhandelt. Zudem sinddie Rahmenbedingungen ungut. Die USAhaben eine ganze Reihe von ILO-Abkom-men nicht unterzeichnet, in denen wesent-liche Rechte festgeschrieben sind wie etwaKoalitionsfreiheit, Tarifverträge, Diskrimi-nierungsverbote in der Arbeitswelt usw.Auch der Datenschutz in den USA ist vomdeutschem Standard weit entfernt. DasTTIP soll nun dazu dienen, die unterschied-liche Rechtssituation zu vereinheitlichen,um Handelshemmnissen zwischen US-amerikanischen und europäischen Unter-nehmen zu beseitigen. Da droht eine Spi-rale nach unten. So könnte etwa der deut-sche Beschäftigtendatenschutz von denAmerikanern als Handelshemmnis gewer-tet werden. Rechtliche Streitigkeiten wür-den möglicherweise nicht vor einem deut-schen Gericht, sondern von einem inter-nationalen Schiedsgericht geklärt. Überdiesen Weg könnten amerikanische Un -ternehmen eigenes Recht setzen und so-gar den Staat mit Auflagen belegen. Be-sonders gefährdet sind aus meiner Sichtbestehende Standards in US-amerikanischgeprägten Unternehmen in Deutschland,zu denen ja viele ITK- und Hightech-Firmenzählen.Was können die Gewerkschaften dagegenunternehmen?Sie müssten den Beschäftigtendatenschutzwieder deutlich stärker thematisieren undihre Muskeln zeigen! Und sie sollten dieBetriebsräte intensiver informieren. Geradeim IT-Bereich geht es darum, die Schutzin-teressen der Beschäftigten anzuschiebenund auch auf ITK-Entwicklungen mehr Ein-fluss zu nehmen.

3 Prof. Dr. Peter Wedde/Karl Schmitz/Ingrid Maas: Datenschutz 2014 – Pro-bleme und Lösungsmöglichkeiten 2014, 121 Seiten zum Download unter:www.hugo-sinzheimer-institut.de –>Veröffentlichungen/HSI-Schriftenreihe,Band 9

■ A K T U E L L E S T H E M A

Prof. Dr. Peter Wedde, Professor für Arbeits-recht und Recht der Informationsgesellschaftan der Fachhochschule Frankfurt/Main

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Interview mit Peter Wedde zum EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung

Die Muskeln zeigen!

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DIE ANSPRECHPARTNER DER IG METALL FUR DIE IT-BRANCHE Johannes Katzan, ITK-Branche

Telefon 069–66 93-28 57,[email protected]

Martin Weiss, ITK-Rhein-MainTelefon 069–24 25 31-35,[email protected]

Juan-Carlos Rio Antas, ITK-TarifTelefon 069–66 93-25 24,[email protected]

Jörg Ferrando, AusbildungTelefon 069–66 93-22 92,[email protected]

INTERNET Aktuelles aus den Betrieben und der

Branche, aus Wissenschaft und Politikwww.itk-igmetall.de

Weiterbilden – Ausbilden – Prüfen:Darum geht es im Internetportal WAPder IG Metall fur berufliche Bildung. Mitglieder der IG Metall können sich mitihrer Mit glieds nummer anmelden unddanach auf Berufs infos und Rechtstipps zu Qualifizierung zugreifen.www.igmetall-wap.de

Aktuelle Informationen der IG Metallaus den Betrieben:www.dialog.igmetall.de (Siemens)www.nsn-dialog.dewww.infineon.igmetall.dewww.sapler.igm.dewww.vodafone.igm.dewww.avaya.igmetall.dewww.hp.igm.de

Studierendenportal und Informationen: www.hochschulinformationsbuero.dewww.hochschulinformationsbuero.de/portal/dual-studierenwww.hochschulinformationsbuero.de/portal/meldung/alles-auf-eine-karte-ausbildung-plus-studiumwww.hochschulinformationsbuero.de/portal/materialien-fuer-studierende

Netzwerk der IG Metall fu ̈r Beschäf-tigte in IT- und in Engineering-Unter-nehmenwww.i-connection.info

IT 50plus: Die Initiative will die Be-schäftigungs situation und die Be-schäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerver-bessern helfen.www.it-50plus.org

Netzwerk der IG Metall fu ̈r Ingenieu-rinnen und Ingenieurewww.engineering-igmetall.de

WEITERE LINKS Links zur Kampagne »Arbeit: sicher

und fair!«:www.fokus-werkvertraege.dewww.gut-in-rente.de

Jobnavigator:www.igmetall.jobnavigator.org

IMPRESSUMIT-MagazinDas Branchenmagazin der IG MetallHerausgeber: Detlef Wetzel, Jörg Hofmann, Jürgen KernerAnschrift: IG Metall, Wilhelm-Leuschner-Straße 7960329 Frankfurt am Main Internet: www.igmetall.deRedaktion: Johannes Katzan,Telefon 069–66 93-28 57, Fax 069–66 93-80 28 57E-Mail: [email protected], Design und Layout: WAHLE & WOLF, 56479 ElsoffVertrieb: Thomas KöhlerTelefon 069–66 93-22 24, Fax 069–66 93-25 38E-Mail: [email protected]: apm AG, DarmstadtFotos: Sven Ehlers (1, 8), Fotolia (4, 7), PantherMedia (13, 14, 15), IG Metall

S E R V I C E ■

Dual Studierende

ERFOLGREICHE INTERESSEN-VERTRETUNGDual Studierende haben im Unternehmenstarke Partner an ihrer Seite: Betriebsrat, Ju-gend- und Auszubildendenvertretung (JAV),IG Metall-Vertrauensleute im Betrieb und dieörtliche IG Metall-Verwaltungsstelle. Die Bro-schüre wendet sich in erster Linie an Be-triebsräte, Jugendvertretungen und Vertrau-ensleute, um die Situation und Themen vondual Studierenden besser kennenzulernenund mit ihnen gemeinsam Wege zu finden,um beispielsweise die oft sehr hohe Arbeits-belastung von dual Studierenden, ungün-stige Arbeitszeiten, eine ungesicherte Über-nahme und umfas-sende Weiterbildunganzugehen. Sie stelltBest-Practice-Beispie-le aus einzelnen Un-ternehmen vor undinformiert über Mit-bestimmungsrechtesowie arbeitsrecht-liche, sozialversiche-

rungs- und steuerrechtliche Fragen. Check-listen ergänzen die Broschüre.3 IG Metall: Erfolgreiche Interessenvertre-

tung für dual Studierende. Informatio-nen und Tipps für Betriebsrat und JAV,107 Seiten, DIN A 5, Bezug über das Hoch-schulinformationsbüro der IG Metall.Kontakt: [email protected]

Werkstudierende

BILLIGARBEITSKRÄFTE ODERGLEICHGESTELLT?Werkstudierende nehmen in vielen Unter-nehmen einen Sonderstatus ein: als Prak-tikanten, befristet beschäftigte Aushilfs-kräfte, tarifliche Arbeitnehmer. Die kleineBroschüre enthält viele nützliche Informa-tionen für Werkstudierende (Vergütungs-grundsätze, Beschäftigungsdauer, UrlaubSonderzahlungen, Steuern und Sozialver-sicherung u.v.m.). Im Mittelpunkt steht,dass diesen als Mitglied einer Gewerk-schaft ein tarifliches Entgelt zusteht undwie sie diesen Anspruch durchsetzen kön-nen. Anhand von Beispielrechnungen wirddeutlich: besser Arbeiten mit Tarif!

3 IG Metall: Recht oder billig? Informatio-nen für Werkstudierende, 20 Seiten, DINA5, als PDF zum Download überwww.hochschulinformationsbuero.de –>Stichwort: Material für Studierende/Studienfinanzierung

Hochschulabolventen

EINSTIEGSGEHÄLTER UND WEITERE TIPPSStudium abgeschlossen und nun hinein inden Beruf – aber welche Bezahlung darf manverlangen? Das Faltblatt der IG Metall gibteinen Überblick über Jahresentgelte, dienach Angaben von Beschäftigten (WSI-Lohn-spiegel) und nach den Tarifverträgen der IG Metall Hochschulabsolventen in der Me-tallindustrie in verschiedenen Bundeslän-dern gezahlt werden. Und es informiert dar-über, was zum Jahresentgelt zählt und wo-rauf es auch beim Arbeitsvertrag ankommt.3 Einstiegsgehälter für Absolventen 2014.

Informationen der IG Metall für dieMetall- und Elektroindustrie, als PDFzum Download unter www.itk-igmetall.de/Service

KONTAKTE UND INFORMATIONEN

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3 Die Beitrittserklärung ausfüllen, ausschneiden und beim Betriebsrat abgeben oder einsenden an:IG Metall, Wilhelm-Leuschner-Straße 79, 60329 Frankfurt am Main oder per Fax 069–6693 2021

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