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FHTW Berlin
Fachbereich Gestaltung
Studiengang Museumskunde
Diplomarbeit
Das Familienbild in der Berliner Fotografie des 19. Jahrhunderts
vorgelegt von:
Kathrin Wrona
Berlin, 17. September 2008
Gutachterin: Frau Prof. Dr. Sibylle Einholz
Zweitgutachterin: Frau Dr. Susanne Kähler
Inhalt
Einleitung 4
1 Einführung in das Thema 9
1.1 Das Familienbild in der Kunstgeschichte 9
1.1.1 Definition des Begriffs Familienbild 9
1.1.2 Zu dem Begriff des Genres 12
1.1.3 Familiengenre 15
1.2 Familie im 19. Jahrhundert 16
2 Das Familienbild in der Fotografie 22
2.1 Funktionen des bürgerlichen fotografischen Porträts 22
2.2 Soziokulturelle Aspekte des Familienbildes 29
2.3 Übergänge von der Malerei zur Fotografie 34
3 Beispiele Berliner Familienbilder 43
3.1 Familienbilder in der Berliner Malerei 43
3.1.1 Daniel Chodowiecki: „Die Familie des Künstlers im
Tiergarten“, 1772 43
3.1.2 Carl Begas: „Die Familie Begas“, 1821 47
3.1.3 August Rémy: „Unbekannte Dame mit ihrem Sohn“, 1843 51
3.1.4 Julius Moser: „Familienporträt Moritz Manheimer“, 1850 53
3.1.5 Ludwig Knaus: „Familie Moritz Reichenheim“, 1866 58
3.2 Familienbilder in der Berliner Fotografie 60
3.2.1 Bürgerliche Familienfotografien 60
3.2.1.1 Darstellungen mit patriarchalischer Komposition 61
3.2.1.2 Darstellungen ohne patriarchalische Komposition 66
3.2.1.3 Mutter-Kind-Darstellungen 69
3.2.2 Aristokratische Familienfotografien 73
3.3 Vergleich ausgewählter Fotografien mit Beispielen der
Berliner Malerei 77
3.3.1 Friedrich Wilhelm Herbig: „Die Familie
des Künstlers“, 1824 77
3.3.2 Eduard Gaertner: „Im Gewächshaus“, 1836 80
3.3.3 Eduard Magnus: „Die Familie des Bankiers
Freiherr Martin von Magnus“, um 1837 83
3.3.4 Ludwig Knaus: „Familienbildnis Strousberg“, 1870 87
4 Fazit 92
Anhang 95
Abbildungsteil
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
4
Einleitung
Nach der Veröffentlichung der Daguerreotypie durch den französischen Staat 18391
entstanden mit kurzer Verzögerung auch in Deutschland das fotografische Gewerbe und
in der Folge fotografische Ateliers, in denen Porträts angefertigt wurden.2 Neben
zahlreichen Einzelporträts entstanden auch Gruppenporträts, z.B. Freundschafts-, und
Studentenbilder. Vor allem Familienbilder waren ein beliebtes Motiv und fanden sich in
jedem privaten Fotoalbum wieder.3 Vorläufer der fotografischen Familienporträts waren
gemalte oder gezeichnete Bildnisse. Diese dienten den wohlhabenden Schichten neben
repräsentativen Zwecken auch als visualisierter Stammbaum bzw. als Ahnengalerie.4
Das neue, im Verhältnis zur Malerei wesentlich preiswertere Medium Fotografie
ermöglichte es weiteren Kreisen der Gesellschaft, sich porträtieren zu lassen. Vor allem
das erstarkende Bürgertum entdeckte die Fotografie für seine Zwecke.5 Einige
Zeitgenossen prophezeiten der Bildnismalerei durch den Erfolg der Fotografie auf dem
Porträtsektor ihr Ende. Kritiker warfen der Fotografie im Gegenzug vor, sie sei keine
Kunst und bilde nur ab.6
Ziel dieser Diplomarbeit ist es, die Darstellungsformen des Familienbildes in der
Fotografie des 19. Jahrhunderts in Berlin7 unter Berücksichtigung des Einflusses der
Malerei zu untersuchen. Folgende Fragen gilt es zu erörtern: Sollte man die in den
fotografischen Ateliers entstandenen Familienbilder als reines Zitat der gemalten
Porträts betrachten? Haben sich eigenständige Topoi in der fotografischen Darstellung
herausgebildet? Was ist das Besondere an den fotografierten Familienbildern?
Eine Einführung in das Thema soll zunächst einen kurzen Überblick über das
Familienbild aus kunsthistorischer Sicht geben.8 Der Begriff Familienbild wird
1 Der Maler Louis Jacques Mandé Daguerre verkaufte sein Verfahren an die französische Regierung, die es 1839 der Öffentlichkeit vorstellte. 2 Daguerreotypien waren vor allem in den 1840er und 1850er Jahren für Porträtfotografien sehr beliebt, bis sie durch das preiswertere und verbesserte Kollodiumverfahren für Negative und Albuminpapier-abzüge verdrängt wurden. 3 Vgl. Kap. 2.1. 4 Vgl. Kap. 1.1.1. 5 Vgl. Kap. 2.1. 6 Vgl. Kap. 2.3. 7 Die Fotografien der betrachteten Konvolute sind ca. zwischen 1850 und 1900 entstanden. Die als Beispiele verwendeten Fotografien wurden ca. von 1865 bis 1900 aufgenommen. 8 Aus Zeitgründen erfolgt die Betrachtung lediglich unter Berücksichtigung der Gattung Malerei. Andere Kunstgattungen werden nicht beachtet. Eine ausführliche Betrachtung der Porträtmalerei kann hier leider nicht erfolgen.
5
definitorisch geklärt. Begrifflichkeiten wie Gruppenbild und Ahnengalerie, die in
diesem Zusammenhang auch relevant sind, werden mit abgehandelt aber nicht
gesondert betrachtet. Zu dem Begriff des Genres im Allgemeinen und dem Begriff des
Familiengenres im Besonderen erfolgt jeweils ein kleiner Ausblick.9 An das Genre
angrenzende Begriffe wie Sittenbild und Konversations- bzw. Gesellschaftsstück
werden ebenfalls kurz erläutert. Als Sekundärquellen werden in diesem ersten Teil für
die Definitionen neben einigen kunsthistorischen und allgemeinen Lexika10 auch die
Publikationen von Angelika Lorenz11 zu dem Familienbild in der Malerei und von Doris
Edler12, Barbara Gaehtgens13 sowie von Norbert Schneider14 zu der Malereigattung des
Genres verwendet. Bei der genannten Literatur handelt es sich um kunsthistorische
Abhandlungen.
Im zweiten Teil des ersten Kapitels wird, ergänzend zu den kunsthistorischen
Erläuterungen, der gesellschaftliche Rahmen des Familienbildes beleuchtet. Im
Anschluss an eine Begriffsklärung wird die Familie in einem kleinen Exkurs aus
soziologischer Sicht betrachtet15, um eine Basis für die im zweiten Kapitel folgenden
Erörterungen zu schaffen.16 Hierfür wurden neben Lexikonartikeln zu dem Begriff der
9 Auch die Genremalerei kann hier nur ansatzweise berücksichtigt werden. Neben der in den Kapiteln 1.1.2 und 1.1.3 verwendeten Literatur wären hier folgende Aufsätze und Publikationen zu beachten: Böhm, Franz Josef: Begriff und Wesen des Genre. In: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 22. 1928. S. 166-191; Brieger, Lothar: Das Genrebild. Die Entwicklung der bürgerlichen Malerei. München 1922; Friedländer, Max J.: Essays über die Landschaftsmalerei und andere Bildgattungen. Köln 1947; Immel, Ute: Die deutsche Genremalerei im 19. Jahrhundert. Univ. Diss. Heidelberg 1967. 10 Der Große Brockhaus. Handbuch des Wissens. 15., neubearb. Aufl. von Brockhaus` Konversations-Lexikon. Bd. 7: Gas – Gz. Leipzig 1930; Der Kunst Brockhaus. Aktualisierte Taschenbuchausg. in 10 Bänden. Bd. 3: Dev – Gil. Mannheim u.a. 1987; Lexikon der Kunst. Architektur, Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie. Bd. 1: A – Cim. Neubearb. Leipzig 1987, sowie Bd. 2: Cin – Gree. Neubearb. Leipzig 1989; Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 5: Gal - Herr. Freiburg u.a. 1988; Lucie-Smith, Edward: DuMont`s Lexikon der Bildenden Kunst. 2. Aufl. Köln 1997; Meyers Enzyklopädisches Lexikon. Bd. 10: Gem – Gror. Mannheim u.a. 1974. 11 Lorenz, Angelika: Das deutsche Familienbild in der Malerei des 19. Jahrhunderts. Darmstadt 1985. ; Sie widmet sich in einem Kapitel auch gezielt dem Familiengenre. 12 Edler, Doris: Vergessene Bilder. Die deutsche Genremalerei in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts und ihre Rezeption durch Kunstkritik und Publikum. Münster, Hamburg 1992. 13 Genremalerei. Hrsg. von Barbara Gaehtgens. Geschichte der klassischen Bildgattungen in Quellentexten und Kommentaren, Bd. 4. Eine Buchreihe herausgegeben vom Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin. Berlin 2002. 14 Schneider, Norbert: Geschichte der Genremalerei. Die Entdeckung des Alltags in der Kunst der frühen Neuzeit. Berlin 2004. 15 Aus Zeitgründen und in Ermangelung von Fachkenntnissen ist eine ausführliche Betrachtung aus soziologischer Sicht hier nicht möglich. 16 Ein Ausblick in die Berliner Sittengeschichte konnte aus Zeitgründen nicht realisiert werden.
6
Familie im 19. Jahrhundert17 die soziologischen Publikationen von Wilhelm Heinrich
Riehl18 und Ingeborg Weber-Kellermann19 benutzt.
Das zweite Kapitel behandelt das Familienbild in der Fotografie. Aufbauend auf den
Erörterungen der Einführung fließen zunächst Faktoren ein, die die Gesellschaft bzw.
das Bürgertum betreffen.
In dem ersten Teil werden die Funktionen des fotografischen bürgerlichen Porträts
beleuchtet. Hier wird vor allem auf das Repräsentationsbedürfnis des Bürgers
eingegangen. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Fotografie und Malerei im
Bereich des Porträts werden bereits angesprochen, jedoch erst im dritten Teil dieses
Kapitels vertieft.
In dem zweiten Teil werden die soziokulturellen Aspekte des Familienbildes betrachtet.
Hier finden die Ausführungen des Kapitels zur Familie im 19. Jahrhundert Beachtung
und werden auf das Familienbild bezogen. Das fotografische Familienbild findet
besondere Berücksichtigung.
Abschließend sollen als dritter Punkt die Vor- und Nachteile des neuen Mediums im
Vergleich zur Malerei sowie deren Vorbildfunktion beleuchtet werden.
Als Sekundärquellen dienen im zweiten Kapitel fotohistorische Abhandlungen zum
Thema Gesellschaft von Gisèle Freund20 und Jens Jäger21, zum Thema Erinnerung von
Susanne Breuss22, Ursula Breymayer23 und Ellen Maas24, zum Thema Bildnis von Enno
17 Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände. Conversations-Lexikon. 10., verbesserte u. vermehrte Aufl. in 15 Bänden. Bd. 5: Deutsch-Altenburg - Femern. Leipzig 1852; Meyers Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. 5., gänzlich neubearb. Aufl. Bd. 6: Ethik – Gaimersheim. Neuer Abdruck. Leipzig, Wien 1895. 18 Riehl, Wilhelm Heinrich: Die Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Sozialpolitik. Bd. 3. Die Familie. Stuttgart u.a. 1855. 19 Weber-Kellermann, Ingeborg: Die deutsche Familie. Versuch einer Sozialgeschichte. Frankfurt a.M. 1989; Dies.: Weber-Kellermann, Ingeborg: Die Familie. Geschichte, Geschichten und Bilder. Frankfurt a.M. 1989; Dies.: Frauenleben im 19. Jahrhundert. Empire und Romantik, Biedermeier, Gründerzeit. 4. Aufl. München 1998. 20 Freund, Gisèle: Photographie und Gesellschaft. Reinbek bei Hamburg 1979. 21 Jäger, Jens: Gesellschaft und Photographie. Formen und Funktionen der Photographie in Deutschland und England 1839-1860. Opladen 1996. (= Sozialwissenschaftliche Studien H. 35). 22 Breuss, Susanne: Erinnerung und schöner Schein. Familiäre Fotokultur im 19. und 20. Jahrhundert. In: familienFOTOfamilie. Begleitbuch zur Jahresausstellung im Ethnographischen Museum Schloß Kittsee. Hrsg. von Matthias Beitl u. Veronika Plöckinger. Kittsee 2000. S. 27-63. 23
Breymayer, Ursula: Geordnete Verhältnisse. Private Erinnerungen im kaiserlichen Reich. In: Deutsche Fotografie. Macht eines Mediums 1870-1970. Hrsg. von der Kunst- u. Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland. In Zusammenarbeit mit Klaus Honnef u.a. mit Beitr. von Volker Albus u.a. Köln 1997. S. 41-52. 24 Maas, Ellen: Die goldenen Jahre der Photoalben. Fundgrube und Spiegel von gestern. Köln 1977.
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Kaufhold25, und Timm Starl26, zur Kultur- und Sittengeschichte von Hermann
Schreiber27 sowie zum Thema Fotografie und Malerei von Ursula Peters28, Erika
Billeter29 und J.A. Schmoll genannt Eisenwerth30. Die Publikation des Soziologen
Pierre Bourdieu31 zu den sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie wird in den ersten
beiden Unterkapiteln hinzugezogen. Neben der bereits erwähnten kunsthistorischen
Publikation von A. Lorenz wird Hanna Kronberger-Frentzens hinzugezogen.32 Die
soziologischen Abhandlungen zur Familie von I. Weber-Kellermann werden erneut
hinzugezogen.
Im ersten, theoretischen Teil des dritten Kapitels werden ausgewählte Familienbilder
der Berliner Malerei des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts sowie ausgewählte
Berliner Fotografien des 19. Jahrhunderts vorgestellt und beschrieben, um einen
repräsentativen Überblick des Sujets zu geben. Als Kriterium für die Auswahl der
Beispiele gilt, dass im Gruppenporträt mehrere Generationen dargestellt sind.33
Desweiteren sollten im Überblick typische Aspekte der Darstellungen des
Familienbildes vertreten sein.
Der zweite Teil dieses Kapitels setzt sich aus einem Vergleich der zuvor gegebenen
Beispiele und einer Analyse derselben zusammen. Hier werden vor allem die
Besonderheiten und Unterschiede herausgearbeitet.
Als Primärquellen für die Untersuchung dienen die für das Projekt „Berliner
Fotografenateliers im 19. Jahrhundert“ im Studiengang Museumskunde bereitgestellten
25 Kaufhold, Enno: Bilder des Übergangs. Zur Mediengeschichte von Fotografie und Malerei in Deutschland um 1900. Marburg 1986. 26 Starl, Timm: Im Prisma des Fortschritts. Zur Fotografie des 19. Jahrhunderts. Marburg 1991; Ders.: Fortschritt und Phantasma. Zur Entstehung der photographischen Bildwelt. In: Silber und Salz. Zur Frühzeit der Photographie im deutschen Sprachraum 1839-60. Hrsg. von Bodo von Dewitz. Köln, Heidelberg 1989. S. 80-87; Ders.: Hinter den Bildern. Identifizierung und Datierung von Fotografien von 1839 bis 1945. Marburg 2006. 27 Schreiber, Hermann: Die Welt in einem Augenblick. Kultur- und Sittengeschichte der Fotografie. Tübingen 1969. 28 Peters, Ursula: Stilgeschichte der Fotografie in Deutschland 1839-1900. Köln 1979; Dies.: Die beginnende Fotografie und ihr Verhältnis zur Malerei. In: „In unnachahmlicher Treue“. Photographie im 19. Jahrhundert, Ihre Geschichte in den deutschsprachigen Ländern. Köln 1979. S. 59-83. 29 Billeter, Erika: Malerei und Photographie im Dialog von 1840 bis heute. Bern 1977. 30 Schmoll gen. Eisenwerth, J.A.: Zur Vor- und Frühgeschichte der Photographie in ihrem Verhältnis zur Malerei. In: Billeter, E.: Malerei und Photographie im Dialog von 1840 bis heute. S. 8-13. 31 Bourdieu, Pierre: Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie. Frankfurt a.M. 1983. 32 Kronberger-Frentzen, Hanna: Das deutsche Familienbildnis. Leipzig 1940. 33 Es sollte mindestens ein Eltern- oder Großelternteil mit mindestens einem Kind abgebildet sein.
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Fotografien der Privatsammlungen Einholz34 und D. Peters sowie einer Berliner
Privatsammlung. Als Untersuchungsmaterial wurden aus der Sammlung Einholz 34
Fotografien ausgewählt. Aus der Sammlung D. Peters wurde ein Konvolut von 14
Fotografien als relevant erachtet und aus der Berliner Privatsammlung konnte eine
Fotografie hinzugezogen werden.
In der Untersuchung werden ausschließlich professionelle Fotografien berücksichtigt -
Amateurfotografien werden nicht einbezogen.35 Bei den Fotografien handelt es sich um
Atelierfotografien.
Sekundärquellen sind hier die kunsthistorischen Publikationen zum Familienbild in der
Malerei von A. Lorenz, Annerose Balzibok36 und Inka Bertz37, zu der Berliner Malerei
des 19. Jahrhunderts von Irmgard Wirth38 und zu der deutschen Malerei von H. Börsch-
Supan39. Von fotohistorischer Seite wurden erneut die Publikation und Aufsätze von S.
Breuss, U. Breymayer, J. Jäger, U. Peters und T. Starl hinzugezogen.
In dem abschließenden Kapitel wird ein Fazit gezogen.
34 Die Sammlung besteht aus Fotografien, die im Zeitraum von 1850-1900 entstanden sind. 35 Die Amateurfotografie entwickelte sich erst gegen Ende des 19. Jahrhundert und distanzierte sich bewusst von der Atelierfotografie. In den zur Beobachtung herangezogenen Konvoluten befinden sich keine Amateurfotografien. 36 Balzibok, Annerose: Das Familienbildnis in der deutschen Malerei von 1770 bis um 1830. Haupttypen und Entwicklungsstufen. Diss. Greifswald 1992. 37 Familienbilder. Selbstdarstellung im jüdischen Bürgertum. Ein Essay von Inka Bertz. Leipzig 2004. (= Zeitzeugnisse aus dem Jüdischen Museum Berlin. Hrsg. von der Stiftung Jüdisches Museum Berlin.). 38 Wirth, Irmgard: Berliner Malerei im 19. Jahrhundert. Von der Zeit Friedrichs des Großen bis zum Ersten Weltkrieg. München 1998. 39 Börsch-Supan, Helmut: Die Deutsche Malerei von Anton Graff bis Hans von Marées 1760-1870. München 1988.
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1 Einführung in das Thema
Das Familienbild lässt sich sowohl aus kunsthistorischer Sicht als auch aus
soziologischer Sicht betrachten. Kunsthistorisch ist es zunächst der Gattung Porträt
zuzuordnen, in einigen Fällen auch der Gattung Genre. Sozialwissenschaftlich zählt es
zu der Familienforschung. Beide Aspekte sollen im Folgenden, wie bereits in der
Einleitung erwähnt, eingeschränkt berücksichtigt werden. Der Fokus wird hier auf die
Ausführungen zur Familie, bzw. zum Familienbild im 19. Jahrhundert gelegt.
1.1 Das Familienbild in der Kunstgeschichte
Nähert man sich dem Familienbild in der Kunstgeschichte definitorisch, so stößt man
auch auf die Begriffe Gruppenbild und Ahnengalerie. Da sie in engem Zusammenhang
mit dem Begriff Familienbild stehen, werden sie zusammen mit dessen Definition
behandelt. Um in den später folgenden Betrachtungen eine Abgrenzung zu genrehaften
Familienbildern zu erleichtern, werden hier Ausblicke auf das Genre im Allgemeinen
und das Familiengenre im Besonderen gegeben.
1.1.1 Definition des Begriffs Familienbild
Das Familienbild40 wird in der Kunstwissenschaft als eine „Untergattung des
Gruppenporträts“41 angesehen. Als Vorläufer für das Gruppenbild sind laut Kunst
Brockhaus die mittelalterlichen Stifterbildnisse festzumachen.42 Das Gruppenbild wird
auch als Gruppenbildnis oder Gruppenporträt bezeichnet und ist eine „vor allem in den
Niederlanden des 16. und 17. Jh. entwickelte Gemäldeform, bei der die abgebildeten
Personen in innerem oder äußerem Bezug zueinander stehen“43. Als ein Typus des
40 In der Kunstgeschichte wird das Familienbild häufig als Familienbildnis bezeichnet. In der Diplomarbeit wird die kürzere Bezeichnung Familienbild verwendet. 41 Schneider, N.: Geschichte der Genremalerei. S. 116f. 42 Vgl. Der Kunst Brockhaus. Bd. 3: Dev - Gil. S. 172. u. Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 5: Gal - Herr. S. 270. 43 Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 5: Gal - Herr. S. 270.
10
Gruppenporträts habe sich das Familienbild herausgebildet. Im 19. Jahrhundert seien als
weitere Varianten das Freundschaftsbild und die Hommage zu nennen.44
Das profane Familienbild entwickelte sich seit dem 15. Jahrhundert aus dem
„beliebte[n] Bildmotiv der H[ei]l[igen] Familie“45. Als Vorstufe des Familienbildes
kann man in diesem Zusammenhang auch auf „das sog. »Allianzbildnis« als Verlöbnis-
oder Hochzeitsbild […], teils auf einem Bild, teils in Form getrennter Gegenstücke“46
hinweisen. Das repräsentative, „aus dynastisch-politischen Interessen motivierte“47
Familienbild etablierte sich im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit an den
oberitalienischen Stadtherrscherhöfen und später auch in Venedig. Es habe sich durch
die unpersönliche, formelle Beziehung der Porträtierten untereinander ausgezeichnet.48
Im 16. Jahrhundert entstanden bürgerliche Familienbilder. Im Lexikon der Kunst von
1989 wird darauf hingewiesen, dass es „von Anfang an […] die Möglichkeit neutraler,
landschaftl. oder interieurmäßiger Hintergrundgestaltung [gab], während das
Handlungsporträt (Familienspaziergang, -konzert) von der holländ. Malerei des späten
16. und 17. Jh. entwickelt wurde […]“.49 In den Niederlanden „entfaltete sich das
F[amilienbild] […] im 17. Jahrhundert als Teil der Fülle der Bildnisrepräsentanz des
Großbürgertums“50. Das bürgerliche Familienbild zeigte seit der Mitte des 18.
Jahrhunderts die Familie in ihrer häuslichen Umgebung als moralische Einheit. Im
Biedermeier wurde diese als „gefühlsmäßige Bindung der Familienmitglieder
zueinander dargestellt“51. Hierzu ein Auszug aus dem Lexikon der Kunst von 1989:
Das bürgerl. F[amilienbildnis] des 19. Jh. kehrt demonstrativ eine heile und harmon. Welt hervor, Wunschbilder einer Idylle, die das Geborgensein in der Familie betonen […]. Die sozialen und familiären Konflikte, die bes. die gesellschaftskrit. realist. Literatur behandelt hat […], sind weiter ausgeblendet. Künstler. reicht das dt. F[amilienbildnis] von Kupferstichen D. Chodowieckis, der Bildniskunst A. Graffs über die klassizist.-romant. Malerei […] über das reich entfaltete Biedermeier-F[amilienbildnis] […] bis zu den repräsentativen Zeremonienbildern A. v. Werners […]. […] Im 19. Jh. ist das F[amilienbilnis]
44 Vgl. Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 5: Gal - Herr. S. 270f. 45 Der Kunst Brockhaus. Bd. 3: Dev - Gil. S. 172. 46 Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 2: Cin - Gree. S. 421. 47 Ebd. 48 Vgl. Der Kunst Brockhaus. Bd. 3: Dev - Gil. S. 172. 49 Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 2: Cin - Gree. S. 421. 50 Ebd. 51 Der Kunst Brockhaus. Bd. 3: Dev - Gil. S. 172.
11
nicht immer leicht abzugrenzen von Genrebildern mit Themen wie »Bauernfamilie beim Mahl« (Liebermann; später Sterl) u.ä.52.
Doris Edler weist darauf hin, dass im frühen 19. Jahrhundert vermehrt Familien-
darstellungen auftraten.53 Die Familie sei seit dem 18. Jahrhundert „zu einem der
Öffentlichkeit entgegengesetzen privaten Innenraum [geworden], in dem fern der Welt
des rationalen und geschäftsmäßigen Kalküls die Pflege der zwischenmenschlichen
Beziehungen und der gefühlsmäßigen Bindungen ihren Platz hatte“54.
Neben Darstellungen der Eltern mit ihren Kindern umfasst das Familienbild auch
Darstellungen der „genealog[ischen] Reihe“55. Diese ist laut dem Lexikon der Kunst
von 1989 im Sinne einer Ahnengalerie bzw. eines Stammbaumes zu verstehen. Im
bürgerlichen Bild bedeute dies z.B. die Kombination eines Gemäldes mit
Figurendarstellung und Bildnissen der Ahnen an der Wand des Raumes.56 Im Lexikon
der Kunst von 1987 wird darauf hingewiesen, dass bürgerliche Familien-Ahnengalerien
selten blieben und „von dem Gedanken an den Familienzusammenhang bestimmt“57
worden seien. Dort wird ebenfalls ausgeführt, dass man die gewachsene von der
künstlichen Ahnengalerie folgendermaßen unterschieden sollte.
Die gewachsene A[hnengalerie] ist durch die allmähl. Ansammlung einzelner Originalporträts im Laufe von Generationen auf natürl. Weise entstanden. Hierher gehören u.a. die Bildnisse in vorchristl. Familiengrüften und fürstl. Erbbegräbnissen […]. […] Wo eine gewachsene A[hnengalerie] nicht vorhanden war, das Repräsentationsbedürfnis jedoch etwas Derartiges verlangte, wurde eine künstliche angelegt, d.h. Bildnisse der Ahnen des Auftraggebers nachträglich angefertigt, oft von ein- und demselben Künstler. diese Porträts folgten meist vorgegebenen Idealvorstellungen und ersetzten innere Charakteristika durch äußere Typenhaftigkeit.58
Das Familienbild drücke „die jeweilige sozial bedingte Auffassung von der Familie aus“
und halte sich „an die gültigen Normen der Familien- und Geschlechterbeziehung bzw.
beton[e] ihre Relativierung aus einer bestimmten Einstellung heraus.“59 Daher sei die
historisch-soziologische Familienforschung bei der genauen Untersuchung zu
52 Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 2: Cin - Gree. S. 422. 53 Vgl. Edler, D: Vergessene Bilder. S. 76. 54 Ebd. 55 Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 2: Cin - Gree. S. 421. 56 Vgl. Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 2: Cin - Gree. S. 421. 57 Lexikon der Kunst. Architektur, Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie. Bd. 1: A - Cim. S. 67. 58 Ebd. 59 Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 2: Cin - Gree. S. 421.
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beachten.60 Sowohl das Lexikon der Kunst von 1989 als auch Norbert Schneider in
seiner Publikation zur Geschichte der Genremalerei weisen in diesem Kontext auf das
Kompositionsschema hin, „das eine Trennung der Geschlechter zugrunde legt, wie sie
in der kirchlichen Sitzordnung üblich war“61. Dazu ein Zitat Norbert Schneiders:
Der gegenständigen Anordnung von Männern und Frauen, die sich auch auf Epitaphien dieser Zeit62 findet, ist darüber hinaus die semantische Opposition von rechts und links unterlegt: Rechts ist – so schon im Alten und Neuen Testament (Psalm 110, 1; Matth. 25,3) – die gute, links die schlechte (oder zumindest: weniger gute) Seite. Im Zuge der Etablierung einer streng patrilinearen Erbfolge, bei welcher der »Stammhalter« vorrangiger Nachwuchswunsch ist, mußte ein solches Polaritätsmuster als einzig sinnvoll erscheinen, das zugleich aber auch noch einmal die kontraktlich geregelte Gütergemeinschaft der Ehepartner demonstriert.63
Ausnahmen dieser Art der Anordnung würden eine Unabhängigkeit von der Norm
bedeuten, die „die Rolle des Mannes als Haus- und Familienherr im patriarchal.
Sinn“64 und die nachgeordnete Rolle der Frau mit ihrer „Verantwortung für Haus und
Familie“65 begreife.
1.1.2 Zu dem Begriff des Genres
Das Genre wird in der Kunstgeschichte als eine Malereigattung neben der
Historienmalerei, dem Porträt, der Landschaft und dem Stillleben behandelt.66 Der
Begriff des Genres wird allerdings auch synonym für den Begriff „Gattung“ benutzt67.
Dazu Norbert Schneider:
Im Klassifikationssystem der Akademien bedeutete »Genre« lediglich »Fach« bzw. »Sparte«; so gab es ein »genre historique« oder ein »genre du paysage«. Ohne diese nähere Angabe einer sachverhaltsklärenden »differentia specifica« blieb »Genre« reserviert für alles übrige: besonders für Gemälde mit auf irgendeine Weise miteinander kommunizierenden menschlichen Figuren überhaupt, teilweise aber auch für Tier- und Architekturstücke sowie Stillleben.68
60 Vgl. Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 2: Cin - Gree. S. 421. 61 Schneider, N.: Geschichte der Genremalerei. S. 117. 62 Gemeint ist hier das späte 16. Jahrhundert. 63 Schneider, N.: Geschichte der Genremalerei. S. 117. 64 Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 2: Cin - Gree. S. 421. 65 Ebd. 66 Vgl. Genremalerei. Hrsg. von Barbara Gaehtgens. S. 11. 67 Vgl. Der Große Brockhaus. Bd. 7: Gas - Gz. S. 167. 68 Schneider, N.: Geschichte der Genremalerei. S. 8.
13
Auch Barbara Gaehtgens weist auf dieses Problem hin. Die anderen Malereidisziplinen
seien seit der Renaissance klar definiert und theoretisch abgehandelt worden, während
das Genre nur „vage“ bestimmt war. Das Genre habe „erst im späten 18. Jahrhundert
[…] seinen noch heute gültigen französischen Namen [erhalten], der sich als Begriff
durchsetzte und im Verlauf des 19. Jahrhunderts eine lebhafte theoretische
Auseinandersetzung um Ziele und Grenzen der Gattung entfachte.“69
Gaehtgens zufolge wird das Genre „in den Lexika des 20. Jahrhunderts
übereinstimmend als eine Gattung beschrieben, die Szenen aus dem alltäglichen Leben
wiedergibt.“70 In Abgrenzung zur Historienmalerei stelle das Genre „keine bekannten
und bedeutenden Persönlichkeiten, sondern anonyme, »unhistorische« Figuren in ihrem
individuellen Lebensbereich, ihrem zuständlichen Dasein oder bei unspektakulären
Ereignissen [dar]. Dies können Menschen aller Stände sein.“71 Kennzeichnend sei
zudem der Realismus der Genremalerei. Sie erfinde keine Themen, sondern bilde ein
„authentisches Stück der Wirklichkeitswelt“72 ab. Im Gegensatz dazu geht Schneider
darauf ein, dass die Genremalerei dem „im Mittelstand und beim Bildungsbürgertum
verbreiteten philiströsen Bedürfnis nach ungetrübter, konfliktfreier Behaglichkeit“ 73
entgegenkam und „ein verklärendes Bild vom Bauern in einer heiter-friedvollen Welt,
das einen Einklang aller Stände und eine von Sekurität geprägte gesellschaftliche
Ordnung zu offenbaren schien.“74 Auch im Lexikon der Kunst von 1988 werden in
Zusammenhang mit dem Genre die Begriffe Anekdote und Idylle verwandt, wobei hier
darauf hingewiesen wird, das eine Idealisierung im Genre vermieden wurde.75
Alternativ zu dem Begriff des Genres wurde auch der Begriff „Sittenbild“ benutzt. Laut
Schneider sollte sich die Sittenmalerei am Aufbau einer neuen Moral beteiligen.76 Er
führt dies folgendermaßen aus:
[…] veranschaulichen die überaus zahlreichen Familienbilder den entfalteten Zustand dieser gesellschaftlichen Primärgruppe und vermitteln modellhaft die von den Rezipienten zu befolgenden Normen. Sie haben, zumindest anfänglich, im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert, die Funktion, in der
69 Genremalerei. Hrsg. von Barbara Gaehtgens. S. 11. 70 Ebd. S. 13. 71 Ebd. 72 Ebd. 73 Schneider, N.: Geschichte der Genremalerei. S. 8. 74 Ebd. 75 Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 5: Gal - Herr. S. 40f. 76 Schneider, N.: Geschichte der Genremalerei. S. 11.
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Öffentlichkeit ein Bewußtsein von den obrigkeitlich im Rahmen einer Familienpolitik geforderten Strukturen zu formieren, sie üben eine Assimilierung an die neuen Lebensformen, sozialen Rollen und arbeitsteiligen Prozesse ein. Später – also seit der zweiten Hälfte des 16. und besonders im 17. Jahrhundert, als die kollektive Verinnerlichung dieser Normen bereits abgeschlossen ist – reproduzieren die Familienbilder, die zumeist Gruppenporträts sind, topisch dieses Modell. Indem sie dies freiwillig tun, tragen sie nachhaltig zu seiner Bestätigung und Verfestigung bei.77
Gaehtgens weist in einem anderen Zusammenhang ebenfalls darauf hin, dass die
Genremalerei moralische Aussagen vermitteln könne.78
In der Hierarchie der Gattungen wurde die Genremalerei laut Gaehtgens lange Zeit
untergeordnet zur ranghöchsten Historienmalerei betrachtet.79 Edler wird hier präziser,
indem sie äußert, die Genremalerei habe noch vor dem Stillleben und der
Landschaftsmalerei einen niederen Rang eingenommen. Erste Reformbestrebungen an
den Akademien80 habe es erst Anfang des 19. Jahrhunderts gegeben81 und eigene
Lehrstühle für das Genre seien erst in den 1870er Jahren eingerichtet worden.82 Diese
Abwertung der Genremalerei resultierte laut Edler aus der geringeren Wertigkeit der
dem Alltagsleben entnommenen Stoffe. Im Gegensatz zur Historienmalerei war sie
jedoch allgemeinverständlich und durch die Darstellung unhistorischer Personen
„erreichte sie eine Nähe zum Erfahrungshorizont des Publikums“83, was sicherlich zu
ihrer Popularität beitrug.
Das Genre weist Sujets aus dem bäuerlichen, bürgerlichen und höfischen Umfeld auf.84
Man kann dem Großen Brockhaus zufolge u.a. diese Untergruppen unterscheiden:
„Bauerngenre, Familiengenre, histor. Genre (histor. Persönlichkeiten im alltäglichen
Leben), Konversationsstück, Kostümgenre, religiöses Genre, Soldatengenre“85.
77 Schneider, N.: Geschichte der Genremalerei. S. 115. 78 Vgl. Genremalerei. Hrsg. von Barbara Gaehtgens. S. 18. 79 Genremalerei. Hrsg. von Barbara Gaehtgens. S. 17. 80 In Deutschland waren die Akademien seit dem 18. Jahrhundert für die Ausbildung der Künstler zuständig. Die Akademien veranstalteten Ausstellungen und Wettbewerbe und wandten sich gegen freikünstlerisches Schaffen. Vgl. Edler, D.: Vergessene Bilder. S. 29-31. 81 Vgl. Edler, D.: Vergessene Bilder. S. 32. 82 Vgl. ebd. S. 39. 83 Edler, D.: Vergessene Bilder. S. 36. 84 Vgl. Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 5: Gal - Herr. S. 40. 85 Der große Brockhaus. Bd. 7: Gas-Gz. S. 167.
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Das Konversations- oder Gesellschaftsstück entstand im 17. Jahrhundert in den
Niederlanden86 und beschränkt sich laut dem Lexikon der Kunst von 1989
„ausschließlich auf Darstellungen aus dem Bereich des Hofs, des Adels und des
gehobenen Bürgertums“87. Hierbei werden „Angehörige dieser Schichten bei der
Konversation gezeigt, aber auch bei der geselligen Unterhaltung in einem
umfassenderen Sinn; dazu gehören Musikszenen, Spiele, Festgelage usw.“88. Als
Vorstufen seien neben Genre- und Gruppenbildern auch Sinnesdarstellungen und
Vanitasallegorien anzusehen. In Deutschland sei das Gesellschaftsstück im ausgehenden
18. Jahrhundert bürgerlich geworden und habe sich im 19. Jahrhundert zu einem
unübersehbaren Thema entwickelt.89
1.1.3 Familiengenre
Das Familiengenre wird, wie bereits erwähnt, als Untergruppe der Gattung Genre
angesehen. Familiendarstellungen waren sowohl in der Porträtmalerei als auch in der
Genremalerei vertreten. Lorenz grenzt im Folgenden die Darstellungen des Genres von
denen des Porträts ab:
Ihre im Familienporträt vermittelten Inhalte eines gemütvollen Miteinander im Naturverband der Generationen lassen sich jedoch im Genrebild gleichsam reiner, weil unbelastet vom Porträtauftrag, im Idealbild transponieren. Das Familiengenre kultiviert so viele Züge des „Erbauungsbildes“ klassischer und romantischer Tradition, ein gefühlvoll gefärbter Familienbegriff erhält affirmativen Charakter und didaktische Aufbereitung im Bild durch die allgemein für das Genre kennzeichnende Vorliebe der Verwendung von Kontrasten im Bild.90
Auch Edler hebt in ihren Ausführungen zur ländlichen Familie91 hervor, dass im Genre
im Gegensatz zum Porträt das Ideal des Familienlebens dargestellt werde.92 Laut Lorenz
werde in der Darstellung des Familienideals im Genrebild jedoch die Forderung nach
Allgemeinheit und Wahrheit laut.93
86 Vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon. Bd. 10: Gem – Gror. Mannheim u.a. 1974. S. 238. 87 Lexikon der Kunst. Malerei, Architektur, Bildhauerkunst. Bd. 7: Klas – Mal. S. 85. 88 Ebd. 89 Vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon. Bd. 10: Gem – Gror. Mannheim u.a. 1974. S. 238. 90 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 203. 91 Sie unterscheidet zwischen der ländlichen und der „feinen“ Familie. 92 Vgl. Edler, D.: Vergessene Bilder. S. 77. 93 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 205.
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Die bürgerlichen Familienvorstellungen wurden Edler zufolge auf die ländliche Familie
projiziert, so dass sich die recht seltenen Familienmotive der ʹfeinenʹ Familie kaum von
den vergleichbaren Motiven des bäuerlichen Genres unterscheiden würden.94
Unterschiede seien „lediglich im eleganteren Benehmen, dem Interieur der Räume und
der modernen Kleidung“95 zu erkennen. Die ländliche Bevölkerung und ihre
Lebensweisen boten sich laut Lorenz an, da sie abseits des bürgerlichen, städtischen
Lebens „ein ungebrochenes, naturverbundenes, von strengen sittlichen Grundsätzen
geprägtes Leben zu garantieren scheinen“96. Sie weist darauf hin, dass „das
Familienbild im Genre […] immer Sehnsuchtsbild [ist], kostümiertes Paradies einer
bürgerlichen Welt, die im Bemühen um Authentizität und Darstellung von Realität,
diese eigentlich auch nicht in voller Wahrheit ertragen könnend, sowohl formal wie
inhaltlich auf hinlänglich Bekanntem fußt“.97
Beliebte Motive des Familiengenres seien neben diesen anekdotischen Szenen auch die
sog. Lebensalterdarstellungen und als Schattenseite des Familienbilds Darstellungen der
Not und des Leids, wie z.B. das Motiv der Pfändung.98
Abschließend weist Lorenz darauf hin, dass der Vielzahl der Motive eine „erschreckend
kleine Palette an Ausdrucksformen“99 gegenüber stand.
1.2 Familie im 19. Jahrhundert
Um zu verstehen, was „Familie“ im 19. Jahrhundert bedeutete und meinte, erfolgt
zunächst eine Begriffsklärung. Für die heutige sozialwissenschaftliche Sichtweise
wurde Ingeborg Weber-Kellermanns „Versuch einer Sozialgeschichte“ der deutschen
Familie100 von 1989 hinzugezogen, für die zeitgenössische Sicht wurde neben zwei
Lexikonartikeln101 aus der Mitte und dem Ende des 19. Jahrhunderts der dritte Band der
„Naturgeschichte des Volkes“ von Wilhelm Heinrich Riehl, „Die Familie“102, von 1855
gewählt.
94 Vgl. Edler, D.: Vergessene Bilder. S. 150. 95 Edler, D.: Vergessene Bilder. S. 150. 96 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 205. 97 Ebd. S. 210. 98 Vgl. Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 217 u. 221. 99 Ebd. S. 224. 100 S. Anm. 19. 101 S. Anm. 17. 102 S. Anm. 18.
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In dem folgenden Zitat definiert Weber-Kellermann die für das 19. Jahrhundert
relevanten Grundformen der Familie103:
Für die große Haushaltsfamilie galt das Kriterium des Zusammenlebens und –wirtschaftens, doch muß es sich bei dieser Gruppe nicht ausschließlich um Blutsverwandte und auch nicht um eine Organisation mehrerer Generationsschichten handeln. Hier war vielmehr der ganze Hausverband als Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gemeint, dem auch nicht blutsverwandte Mägde, Knechte, Bediente und Gesellen angehören konnten. Er wurde wirtschaftlich und rechtlich vertreten von dem »Hausvater« im verantwortlichen Geiste autoritärer Patriarchalität. Diese Familienform war im Mittelalter und in der Neuzeit in Deutschland dominierend bis zur Herausbildung der bürgerlichen Kleinfamilie. Die Kleinfamilie (Gattenfamilie) des 19. Jahrhunderts entstand im Zusammenhang mit der Industrialisierung und der Trennung von Wohnplatz und Arbeitsplatz.104
Diese Begriffe sind heute in der Ethnologie gebräuchlich, im 19. Jahrhundert war der
Begriff des „ganzen Hauses“ üblich, auf den im Weiteren noch eingegangen wird.
Im Eintrag der Allgemeinen deutschen Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände von
1852 wird Familie folgendermaßen definiert:
Familie heißt überhaupt diejenige Form der Verbindung und des Zusammenlebens mehrerer Individuen, welche auf die Geschlechtsvereinigung des Mannes und des Weibes und auf den dadurch bedingten Hinzutritt mehrerer Individuen begründet ist und sich nicht nur in der Gemeinschaft der äußeren Geschäfte und Interessen, sondern auch in den durch das Gefühl der Zusammengehörigkeit auf dem Grunde der gemeinschaftlichen Abstammung hervorgerufenen Gefühlen und Gesinnungen befestigt und ausbreitet.105
Die Grundlage der Familie sei die „monogamische und beharrliche Ehe“106. Durch Sitte
und Erziehung würden Einwirkungen auf nachfolgende Generationen übertragen. Somit
gebe die Familie der Gesellschaft und dem Staat „innere Haltbarkeit, Kraft und
Nahrung“107, könne diese im Umkehrschluss aber auch entziehen.108 Ein Verderben der
Gesellschaft könne die Auflösung und das Verderben des Familienlebens bewirken, wie
103 Die Familienformen „Sippe“ und „große Haushaltsfamilie“ wurden an dieser Stelle ignoriert, da sie für die folgenden Ausführungen nicht relevant sind. 104 Weber-Kellermann, I.: Die deutsche Familie. S. 15f. 105 Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie… Bd. 5: Deutsch-Altenburg - Femern. S. 741. 106 Ebd. 107 Ebd. 108 Vgl. ebd.
18
es „in B[erlin] in gewissen communistischen und socialistischen Richtungen und Sekten
geschah.“109
Etwa 40 Jahre später, 1895, wurde in Meyers Konversations-Lexikon ebenfalls die
Bedeutung der Ehe für die Familie herausgearbeitet. Der Artikel ist ausführlicher als
letzterer und weist im Gegensatz zu diesem darauf hin, dass die Zugehörigkeit zu einer
Familie „nicht auf die zur Zeit lebenden Glieder beschränkt wird, [sondern] vielmehr
auch beim Menschen von jahrhundertelang zurück verfolgbaren Familien gesprochen
wird, die den Namen eines Ahnherrn weiterführen.“110 Zur Familie zähle man
angeheiratete Personen und „die durch Abstammung in näherm Grade blutsverwandten
Individuen“.111 Man könne „fremde Kinder durch sogen. Adoption“112 in die Familie
aufnehmen. Zu der Institution Ehe heißt es in diesem Artikel:
Erst nachdem das Matriarchat in der Ehe durch das Patriarchat ersetzt und das Institut der monogamischen oder polygamischen Ehe rechtlich begründet worden war, nahmen diese Verhältnisse festere Formen an, […].113
Die Verpflichtungen innerhalb der Familie seien privatrechtlich in dem Familienrecht
und die Familienansprüche nach dem Tode von Familienangehörigen im Erbrecht
geregelt. Ersteres stelle den
Inbegriff der Rechtsgrundsätze [dar], welche sich auf die F[amilie] und auf die Stellung der Familienmitglieder als solcher beziehen, welches demgemäß unter anderen die Rechtsgrundsätze über die Ehe […], über das Verhältnis zwischen Aszendenten und Deszendenten, die Verpflichtungen zum Unterhalt erwerbsloser Glieder und namentlich die Lehre von der »väterlichen Gewalt« […] feststellt.114
Das Eherecht hatte sich laut Weber-Kellermann im 19. Jahrhundert durch die
Einführung der Zivilehe dahingehend geändert, dass die Eheschließung nun als
Rechtsvertrag zwischen zwei Individuen angesehen wurde und nicht länger als ein
Kaufvertrag zweier Sippen, bei dem die Übergabe der Frau an den Mann geregelt
109 Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie… Bd. 5: Deutsch-Altenburg - Femern. S. 741. 110 Meyers Konversations-Lexikon. Bd. 6: Ethik - Gaimersheim. S. 172. 111 Ebd. 112 Ebd. 113 Ebd. 114 Ebd.
19
wurde. Das Eherecht fiel außerdem nicht mehr länger unter kirchliches, sondern unter
weltliches bürgerliches Recht.115 Sie führt dies folgendermaßen weiter aus:
Dieser entscheidend neue Inhalt, der auf einer veränderten Anschauung vom Menschen basierte, wandelte im folgenden Jahrhundert theoretisch vollkommen den Charakter dessen, was man unter »Familie« verstand: weder Ebenbürtigkeit, noch Standesgleichheit, noch Glaubensidentität, noch Sippeneinverständnis waren nun die offiziellen Voraussetzungen für das Eingehen einer Ehe, sondern lediglich das Einverständnis zwischen zwei Individuen, Mann und Frau – mit einigen Klauseln, was Mindestalter, Nationalität usw. betraf. Solchen abstrakten Normen hinkte allerdings die tatsächliche Handhabung und Denkweise lange nach und wurde schließlich sogar von den restaurativen, nach Erhaltung der Patriarchalität strebenden Kräften im Bürgertum wieder eingeholt. Das Gleichheitsideal schwand vor dem Ideal der »deutschen Hausfrau und Mutter« wieder dahin.116
Im Jahre 1855 hatte Riehl diese neue Denkweise nicht angenommen. Konträr zu den
Erläuterungen Weber-Kellermanns führt er aus, dass die zwei Individuen Mann und
Frau in der Ehe zu einer „menschlichen Gesammtpersönlichkeit“117 würden.
Durch die leibliche und sittliche Verbindung von Persönlichkeiten der beiden Geschlechter zur Wiederherstellung des ganzen Menschen – die Ehe – entsteht die Familie. […] … der einzelne Mensch kann nicht einmal für das verkleinerte Bild der Menschheit gelten, geschweige daß er selbst die Menschheit wäre; die Menschheit ist erst im Bilde repräsentirt durch zwei Menschen, durch Mann und Weib, und wiederum nicht durch Mann und Weib in ihrer Vereinzelung, sondern in ihrer Verbindung durch die Ehe zur Familie.118
Zur Familie im 19. Jahrhundert wird in Meyers Konversations-Lexikon weiter
ausgeführt, dass man „heutzutage“119 unter Familie „nur die Deszendenz eines
Familienvaters“120 verstehe, während man im Mittelalter „nicht selten die Gesamtheit
der einem Gutsherrn unterstellten Hörigen oder die Gesamtheit der Dienstmannen“ zur
Familie zählte. Auch Riehl geht darauf ein, dass man unter Familie nicht mehr das
„ganze Haus“ verstehe, sondern nur noch die natürlichen Familienmitglieder.121 Das
115 Weber-Kellermann, I.: Die deutsche Familie. S. 98f. 116 Ebd. S. 99. 117 Riehl, Wilhelm Heinrich: Die Familie. S. 113. 118 Ebd. S. 113f. 119 Das Lexikon erschien 1895. 120 Meyers Konversations-Lexikon. Bd. 6: Ethik - Gaimersheim. S. 173. 121 Vgl. Riehl, W. H.: Die Familie. S. 147.
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„ganze Haus“ umfasste ihm zufolge auch das sog. Gesinde, „alle jene freiwilligen
Genossen und Mitarbeiter der Familie“122.
Weber-Kellermann begründet diese Entwicklung zur Kleinfamilie durch die Trennung
von Arbeitsplatz und Wohnsitz im Verlaufe der Industrialisierung. Sie habe den „Typus
der Familie in ökonomischer und sozialer Hinsicht von demjenigen der gemeinsam
wirtschaftenden und hausenden großen Haushaltsfamilie zur Kleinfamilie“123
gewandelt.
[…] das Bürgertum entwickelte nun einen neuen Familientyp mit eigener Familienkultur. Aber das Prinzip des Patriarchalismus blieb bestehen, ja, der pater familias dieser Epoche erhielt noch dadurch neue Machtbefugnisse, daß er für die Seinen die einzige Vermittlung zur Außenwelt, zu Arbeit und Gesellschaft bildete, während sich die abgeschirmte familiäre Innenwelt um die zentrale Gestalt der Mutter und Hausfrau zusammenschloß.124
Sie führt weiterhin aus, dass der bürgerliche Patriarchalismus im 19. Jahrhundert trotz
der wegfallenden Notwendigkeit einer ökonomischen Unternehmensführung zu einer
Ideologie wurde.125 Es sei kein Zufall, dass „die zunehmende Bildungslosigkeit der
bürgerlichen Hausfrau mit dieser Entwicklung einherging und sich ein Frauentyp
hervorkehrte, der nur durch den Mann eine ausgewählte Vermittlung von Wissen und
Kenntnissen erfuhr.“126 Dazu führt sie an anderer Stelle näher aus:
Als Folge der häuslichen Zurückgezogenheit der bürgerlichen Frau und ihrer wachsenden Entmündigung im öffentlichen Leben ergab sich aber nun im Ausgleich eine unerwartete sentimentale Auffüllung des innerfamiliären Bereiches, wie sie das Biedermeier entschieden auszeichnet und charakterisiert. Die Gedanken der Ehe als einer geistigen und gefühlsmäßigen Gemeinschaft, der Familie als Ort für die Erziehung des Menschen zu einem soziokulturellen Wesen waren Produkte jener Epoche. Auf ihrem Grunde wuchs das 19.-Jahrhundert-Leitbild der Bürgerfamilie als gutsituierte Kleinfamilie, in welcher der Vater die gesellschaftliche Stellung bestimmte, die Mutter die Häuslichkeit gestaltete, beide verbunden in ehelicher Liebe (was immer das auch sein mochte), verbunden im Interesse an der Aufzucht wohlgeratener und wohlerzogener Kinder, die sich bei Berufs- und Gattenwahl nach den Wünschen der Eltern zu richten hatten. – Dieses Leitbild wurde immer mächtiger immer fixierter und statischer, je stärker sich die tragende Schicht des Bürgertums
122 Riehl, W. H.: Die Familie. S. 147. 123 Weber-Kellermann, I.: Die deutsche Familie. S. 10. 124 Ebd. 125 Ebd. S. 10f. 126 Ebd. S. 11.
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entfaltete und je mehr sich nun wiederum die Kirche an seiner Prägung beteiligte.127
Am Ende des 19. Jahrhunderts sei diese „strenge[…] Rollenverteilung im Sinne
patriarchalen Autoritäts- und Abhängigkeitsdenkens“128 durch das monarchische
Leitbild gestärkt worden. Die Frau habe „als Familienmutter nie zuvor eine so
untergeordnete und unselbständige Stellung innerhalb der Familie inngehabt […], wie
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“129 Angesichts dieses Leitbilds verwundert
es nicht, dass Scheidungen als „unehrenhaft“ 130 galten.
In der folgenden Ausführung Riehls wird die idealisierend überhöhte Bedeutung der
Familie deutlich:
Die Familie ist uns aber nicht bloß religiös, sondern auch social und politisch ein Heiligthum. Denn die Möglichkeit aller organischen Gliederungen der bürgerlichen Gesellschaft ist in der Familie im Keim gegeben, wie der Eichbaum in der Eichel steckt. In der Familie ist gegründet die social-politische Potenz der Sitte, aus welcher das Gesetz hervorgewachsen ist. Die Familie ist überhaupt die nothwendige Voraussetzung aller öffentlichen Entwickelung der Völker. Die Familie antasten, heißt aller menschlichen Gesittung den Boden wegziehen.131
Das Abbild der Berliner Familie im 19. Jahrhundert als Sujet der Malerei und
Fotografie ist der Untersuchungsgegenstand des dritten Kapitels.
127 Weber-Kellermann, I.: Die deutsche Familie. S. 107. 128 Ebd. S. 117. 129 Ebd. S. 118. 130 Dies.: Die Familie. Geschichte… S. 102. 131 Riehl, Wilhelm Heinrich: Die Familie. S. 115.
22
2 Das Familienbild in der Fotografie
Im zweiten Kapitel soll das Medium Fotografie in Zusammenhang mit der Darstellung
von Familie gebracht werden. Dafür werden zunächst die Bedeutung des neuen
Mediums für das Bürgertum sowie die Funktionen des fotografischen Porträts
beleuchtet. Der zweite Teil des Kapitels ist den soziokulturellen Aspekten des
Familienbildes gewidmet. Hier wird es eine Verknüpfung von den in Kap. 1.2
dargestellten Vorstellungen und Idealen der Familie und deren Fixierung in der Malerei
und Fotografie geben. Im dritten Teil dieses Kapitels wird der Einfluss der Malerei auf
die Fotografie untersucht. Übergänge und Abgrenzungen sollen herausgearbeitet
werden.
2.1 Funktionen des fotografischen bürgerlichen Porträts
Der Wunsch nach einem fotografischen Porträt hatte mehrere Gründe. Die Übergänge
sind oftmals fließend, bzw. sie begründen einander.
Zunächst einmal hat die Fotografie eine dokumentarische Funktion. In seiner „Kultur-
und Sittengeschichte der Fotografie“132 benutzt Schreiber den Begriff des
Inventarisierens133, Starl in seinem Aufsatz „Fortschritt und Phantasma“ den ähnlichen
Begriff der Archivierung134 in Zusammenhang mit dem fotografischen Abbild.
Diese visuelle Dokumentation einer oder mehrerer Personen kann im Sinne des
Sammelns von Fotografien für ein Fotoalbum oder eine Ahnengalerie aus
repräsentativen Gründen oder, im Sinne des Sammelns für die Familie, aus emotionalen
Gründen bzw. zur Erinnerung erfolgen.
Jäger merkt hierzu an, dass Fotografien „mehr und besser als gezeichnete oder gemalte
Porträts […] die Erinnerungen an eine Person wecken“135 konnten. In diesem
Zusammenhang ist es interessant, dass Emotionalität laut Breymayer auf Fotografien
132 S. Anm. 28. 133 Schreiber, H.: Die Welt in einem Augenblick. S. 117. 134 Vgl. Starl, T.: Fortschritt und Phantasma. S. 84. 135 Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 149.
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und sogar bei Familienbildern vermieden wurde.136 Sie führt weiterhin aus: „Allenfalls
die formale Konstellation, etwa das enge Zusammenrücken der Personen, stellt
manchmal eine sichtbare familiäre Verbundenheit her.“137
Mit der Verwendung der Fotografie konnte man zudem seine Teilhabe am technischem
Fortschritt und Modernität ausdrücken, denn das neue Medium war ein Kind des 19.
Jahrhunderts. Zu dieser Bedeutung der Fotografie schreibt Jäger: „Dazu kam noch der
Reiz des Neuen, die Modernität der Technik.“138 Breuss führt dazu aus:
Sie war eine technische Sensation, die ein neues Zeitalter der Bildmedien einleitete und die Wahrnehmung der Menschen grundlegend verändern sollte […].139
Als einer der Hauptgründe ist aber wohl der der Verfügbarkeit zu nennen. Fotografien
waren relativ preiswert. Sie stellten für das Bürgertum eine Alternative zu gemalten
Bildnissen und Daguerreotypien dar, die aus Kostengründen den besser situierten
Schichten vorbehalten blieben. Dazu bemerkt Breymayer folgendes: „Das fotografisch
erzeugte Bild ist nicht mehr Unikat und damit Privileg der Wohlhabenden, sondern zu
einem erschwinglichen Preis kopierbar.“140 Starl weist ebenfalls darauf hin, dass die
Abzüge billiger wurden und führt dies auf die Vereinfachung der Herstellungsverfahren
und die Einführung des Visitformats141 zurück.142
Durch die Verwendung von fotografischen Porträts grenzten sich die Bürger also nach
oben, zum Adel hin, ab. Angehörige des Adels reihten sich traditionell durch
Einzelporträts in ihre Ahnengalerien143 ein und bezeugten somit ihre
Standeszugehörigkeit. Gemalte bürgerliche Ahnengalerien waren aus oben angeführten
Gründen eher selten. Aus den fotografischen Porträts der Angehörigen sollte nun, laut
Breymayer, ein Stammbaum erwachsen:
136 Vgl. Breymayer, U.: Geordnete Verhältnisse. S. 42. 137 Ebd. 138 Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 149. 139 Breuss, S.: Erinnerung und schöner Schein. S. 29. 140 Breymayer, U.: Geordnete Verhältnisse. S. 41. 141 Das Visitformat wurde von 1857 bis 1925 verwendet und hatte meist das Format 92 x 54 mm (Bildgröße), bzw. 105 x 65 mm (Kartongröße). Vgl. Starl, Timm: Hinter den Bildern. Identifizierung und Datierung von Fotografien von 1839 bis 1945. (= Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie. Jg. 26. H. 99. 2006.) S. 12. 142 Vgl. Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 26. 143 Zum Begriff Ahnengalerie s. Kap. 1.1.1.
24
Im Fotoalbum begründete das Bürgertum des 19. Jahrhunderts seine geneologischen Ansprüche. Nicht mehr allein Wohlhabenheit und beruflicher Erfolg sollten den Bürger – vor allem gegenüber der Aristokratie – auszeichnen, sondern auch die Gewissheit der Herkunft.144
Gleichzeitig grenzten sich die Bürger aber auch nach unten, zu den weniger
wohlhabenden Schichten hin ab, denn die Anfertigung eines fotografischen Porträts
konnten sich trotz gefallener Preise die wenigsten Menschen leisten. Laut Starl war ein
Atelierbesuch „in den 60er bis 80er Jahren [für den] weitaus überwiegende[n] Teil der
Bevölkerung“145 nicht möglich. Das Bürgertum, im Kern bestehend aus Besitz- und
Bildungsbürgertum, stellte laut Breymayer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
etwa 13 bis 15 Prozent der europäischen Gesamtbevölkerung.146
Der Wunsch nach Abgrenzung dürfte auch eine Rolle bei dem bürgerlichen Bedürfnis
nach Selbstdarstellung spielen. In mehreren fotohistorischen Aufsätzen und
Publikationen147 wird darauf hingewiesen, dass die Fotografie als Mittel zur
bürgerlichen Selbstdarstellung fungierte. Als grundlegend ist in diesem Zusammenhang
Gisèle Freunds Buch „Photographie und bürgerliche Gesellschaft. Eine
kunstsoziologische Studie“148 zu nennen. Die Entwicklung des fotografischen Porträts
wird von ihr in Zusammenhang mit dem Erstarken des Bürgertums und den sich daraus
entwickelnden Repräsentations- und Legitimationsbedürfnissen gebracht.
Durch den Aufstieg der unteren Schichten entstand das Bedürfnis nach Massenproduktion von Gütern, auch nach Massenproduktion von Porträts, denn sich porträtieren zu lassen war gewissermaßen ein symbolischer Akt, durch den sich das Einrücken in die Reihe derer, die sozialen Respekt für sich forderten, auch nach außen sichtbar machen ließ. Damit begann eine Entwicklung von der handwerklichen Kunst des Porträtmalers über immer umfassendere Mechanisierungen des Abbildungsprozesses bis zur letzten Stufe, dem fotografischen Porträt. Mit dem um 1750 beginnenden Aufstieg bürgerlicher Mittelschichten und der Zunahme ihres Wohlstandes vergrößerte sich das Bedürfnis nach Repräsentation erheblich. Eine Form der Repräsentation ist zweifellos das Selbstporträt, dessen funktionalen Beziehungen eng mit dem eigenen Selbstverständnis und der
144 Breymayer, U.: Geordnete Verhältnisse. S. 46. 145 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 29. 146 Vgl. Breymayer, U.: Geordnete Verhältnisse. S. 41. 147 U.a.: Breuss, S.: Erinnerung u. schöner Schein. S. 31; Breymayer, U.: Geordnete Verhältnisse. S. 41; Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 26. 148 Das deutsche Original erschien 1968 in München; die Dissertation 1936 in Paris.
25
Entwicklung des Persönlichkeitsbewußtseins verbunden sind. Die Porträtdarstellung, die in Frankreich jahrhundertelang immer nur das Privileg einer kleineren Schicht gewesen war, unterlag zugleich mit der gesellschaftlichen Verschiebung einer Demokratisierung. Schon vor der Französischen Revolution begann sich in bürgerlichen Kreisen die Porträtmode allgemein durchzusetzen, die nun ihrerseits, je größer das Bedürfnis nach der selbstbildnerischen Darstellung wurde, neue Formen und Techniken zu ihrer Befriedigung schuf. Die Photographie, die 1839 in Frankreich zum erstenmal der Öffentlichkeit übergeben wurde, verdankte daher ihre schnelle technische Entwicklung und Ausbreitung weitgehend der Mode des Porträts. 149
Breymayer geht in ihren Ausführungen darauf ein, dass sich der Bürger ein Abbild für
die Nachwelt anfertigen lassen möchte. „Der Bürger möchte eine Spur hinterlassen,
sein Dasein im Bilde bezeugt und verewigt wissen.“150 Sie verweist in diesem
Zusammenhang sowohl auf die private als auch auf die öffentliche Komponente des
Sich-Verewigens.
Mit einer gehörigen Portion Selbst- und Standesbewußtsein wird hier das Bedürfnis artikuliert, die eigene Existenz sichtbar innerhalb der Geschichte zu verorten, im Privatbereich als Teil der Familienchronik und im Gesellschaftlichen als Vertretung einer Standestradition. Denn – und damit sind wir beim moralisch-pädagogischen Nutzwert des Bildes – es gilt ein Erbe weiterzugeben: Nicht allein zum privaten Gedenken an die abgebildete Person soll das Bildnis dienen, sondern auch zur Beförderung standesspezifischer Fähigkeiten und Werte.151
Scheinbar wurde diese Standestradition am ehesten durch selbstbewusstes Auftreten
und eine überlegene Pose symbolisiert. Starl schreibt über den „starr aufgerichtete[n]
Gestus“152 des Porträtierten:
Es war diese Gloriole der Souveränität, mit der man sich umgab – gegen die Gewohnheiten des Alltags, dessen Fährnisse oft nur schwer zu meistern waren. In der strengen Haltung verkündete der Bürger eine Disziplin, die den Gedanken an Erfolglosigkeit gar nicht erst aufkommen ließ. Die überlegene Pose wurde zum vorherrschenden Topos der Porträtfotografie.153
Mit der Darstellung seines Selbstbewusstseins tritt der Bürger in die Nachfolge der
repräsentativen Herrscherporträts bzw. der gemalten Bildnisse des Adels. Die
149 Freund, G.: Photographie und Gesellschaft. S. 13. 150 Breymayer, U.: Geordnete Verhältnisse. S. 41. 151 Ebd. 152 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 37. 153 Ebd.
26
Inszenierungen und Posen der Fotografie orientierten sich in erster Linie an der bislang
für Porträts verwendeten Gattung Malerei.154
Zu der Übernahme dieser Darstellungsweise schreibt Jäger:
Die meist eher steife Haltung und Pose bei möglichst exakter Abbildung hatten sich schon in der Malerei des 18. Jahrhunderts als Porträtstandard durchgesetzt. Diese statische Darstellungsweise kam den technischen Möglichkeiten der Photographie sehr entgegen.155
Der Adel ließ sich ebenfalls von dem modernen Medium Fotografie begeistern und
wünschte sich seine Darstellung in bürgerlicher Pose. Dazu bemerkt Jäger folgendes:
Der Austausch von Photographien wurde zu einem verbreiteten Symbol gegenseitiger Achtung, Wertschätzung und Freundschaft. Einerseits kann dies als Tendenz zur Aristokratisierung bürgerlichen Lebens interpretiert werden, indem adelige Ahnengalerien nachgeahmt wurden, auf der anderen Seite „verbürgerlichte“ der Adel, indem er begann, Photographien zu sammeln. Beide jedoch setzten sich damit weiter von den klein- und unterbürgerlichen Schichten ab.156
Man könnte hier von der bürgerlich inszenierten Fotografie eines Adligen als einem
Zitat des Zitats Bürgerporträt vom Original fürstliches Porträt sprechen. Starl bezeichnet
diesen Effekt als „Kreislauf der immergleichen Vorbilder, [der] eine imaginäre
Gesellschaft von Gleichen, die Nivellierung jeglicher sozialer Hierarchie, worauf sie
auch immer gründete“157, entwarf und auch die ästhetischen Ansprüche begradigte.
Auch Lorenz geht im Folgenden auf den Wunsch des Adels nach bürgerlichen
Darstellungsformen ein:
[…] so ließen sich auch adelige Familien vermehrt im Sinne einer bürgerlichen Moral und Tugend und einem allgemeineren Humanitätsideal verschriebenen Bildform malen. […] Diese Tendenz einer Ablösung des Standesporträts durch die Darstellung des Individuums läßt sich verstärkt auch nach der Jahrhundertwende feststellen. Was sich gewissermaßen gleitend beim niederen Adel und Bürgertum vollzieht, die sich in der Wahl der gleichen Bildform näherkommen, ist von gesellschaftlicher und sozialhistorischer Relevanz. 158
154 Eine ausführliche Betrachtung der Einflüsse der Malerei auf die Darstellungsweisen der Fotografie erfolgt in Kap. 2.3. 155 Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 151. 156 Ebd. S. 163. 157 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 31. 158 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 182f.
27
Womit eine weitere Funktion der Fotografie angesprochen wäre: sie ist sozusagen
demokratisch159, denn sie kennt keine Klassenunterschiede in der Darstellungsweise.
Diese Tatsache ist sowohl positiv als auch negativ zu sehen. Für die Bürger galt diese
„symbolische Gleichheit“160 als Errungenschaft.
Aus ästhetischer Sicht läuft die Demokratisierung in der Darstellungsweise jedoch auf
eine Konformität hinaus, die der Fotografie häufig zur Last gelegt wurde. Starl schreibt
in diesem Zusammenhang:
In der Maskenhaftigkeit der Mienen und der Stereotypie der Erscheinungen und Umgebung gleichen sich die Bildnisse, sind die Personen austauschbar, ist jeder nicht er selbst, sondern wollte »jemand Anderer« sein, wie es Robinson161 ausdrückte […].162
Auch Breymayer weist darauf hin, dass die „Typisierung […] demnach weiterhin vor
der individuellen Charakterisierung“163 rangiere. Sie führt an anderer Stelle aus, dass
das Selbstbewusstsein des Bürgers nicht über die Repräsentation hinausging. Der
Bürger habe sich nicht als Individuum gezeigt, sondern wollte den Schönheitsidealen
der Zeit und somit der Norm entsprechen, um seine Gruppenzugehörigkeit zu
demonstrieren.164 Dazu Breuss: „Die Fotoateliers entwickelten sich zunehmend zu
Produktionsstätten idealisierter Menschenbilder.“165 Sie führt weiterhin aus:
„Angestrebt wurde eine »schöne Ähnlichkeit« mit sich selbst und mit den
zeitgenössischen Idealbildern.“166 Starl beschreibt ebenfalls, dass nicht „die konkrete
Befindlichkeit des Einzelnen“ Thema der Porträts war, „sondern die Artikulation
bürgerlicher Wertvorstellungen.“167 Die Fotografie habe ideelle Werte transportiert, um
ein allgemeines Bild des Bürgers zu zeichnen.168 Dieses sei der „Beweis seiner
159 Vgl. das Zitat von Freund auf S. 25 (Anm. 153). 160 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 29. 161 Starl bezieht sich hier auf H.P. Robinsons Publikation „Der malerische Effect in der Photographie als Anleitung zur Composition und Behandlung des Lichtes in Photographien. Halle a/S. 1886. S. 101. 162 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 27. 163 Breymayer, U.: Geordnete Verhältnisse. S. 45. 164 Vgl. ebd. S. 51. 165 Breuss, S.: Erinnerung und schöner Schein. S. 31. 166 Ebd. S. 32. 167 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 43. 168 Vgl. ebd.
28
gesellschaftlichen Relevanz“169. Das Schema der Repräsentation habe eine Fassade des
Bürgertums aufgebaut, die die Wirklichkeit abgeschirmt habe.170
Bourdieu bemerkt in diesem Zusammenhang:
Der Konventionalismus der Pose vor der Kamera verweist auf den Stil der Kommunikation, den eine ebenso hierarchische wie statische Gesellschaft bevorzugt, in welcher der »Abstammung« und dem »Haus« (der Familie) mehr Realität zukommt als den Individuen, die fundamental durch Zugehörigkeitsverhältnisse definiert werden, und in der die sozialen Regeln des Verhaltens und der Moralkodex stärker betont werden als die Gefühle, Wünsche oder Gedanken der Subjekte, in der die gesellschaftlichen Austauschhandlungen, durch Bräuche streng kodifiziert, in der Angst vor dem Urteil der anderen vollzogen werden, unter den Augen der Öffentlichkeit, die stets bereit ist, im Namen undiskutierbarer und undiskutierter Normen ihren Schuldspruch zu fällen, ein Austausch, der von dem Ehrgeiz beherrscht wird, von sich selbst das beste und dem Ideal von Würde und Ehre möglichst entsprechende Bild zu geben. Wie könnte unter solchen Bedingungen die Darstellung der Gesellschaft etwas anderes sein als die Darstellung einer Gesellschaft, die sich selbst darstellt?171
Durch die Darstellungsweise, die eingenommene Pose, seine Kleidung, die Attribute
sowie Ateliereinrichtung und den Hintergrund entsprach der Porträtierte den
gesellschaftlichen Normen. Er legitimierte seine Standeszugehörigkeit und fügte sich in
die Reihe zahlreicher Zeitgenossen, die auf eine ähnliche Weise porträtiert wurden. Er
wurde einer von vielen, die sich genau so darstellen ließen, wie sie sich gerne sehen
wollten: als ideale Bürger.
Das Porträt entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu einem der wichtigsten fotografischen
Sujets. Scheinbar spielte die Familienfotografie innerhalb dieser Gattung bereits kurze
Zeit nach Verbreitung der Fotografie eine entscheidende Rolle. Dafür spricht, dass als
Motiv für das Relief „Der Photograph“ am Denkmal für Peter Christian Wilhelm Beuth
(1781-1853) eine Familienfotografie gewählt wurde (Abb. 1).172
169 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 43. 170 Vgl. ebd. 171 Bourdieu, P.: Die gesellschaftliche Definition der Photographie. S. 95. 172 Das Denkmal wurde am 13.5. 1861 vor der Berliner Bauakademie eingeweiht. Die Reliefs wurden von Friedrich Drake gefertigt.
29
2.2 Soziokulturelle Aspekte des Familienbildes
Im zweiten Teil des ersten Kapitels wurde bereits ausgeführt, welch wichtige Rolle die
Familie im 19. Jahrhundert spielte. Man kann, um Lorenz zu folgen, die Familie zu
jener Zeit als „Kernstück der Gesellschaft“173 bezeichnen. Auch Jäger weist darauf hin,
dass die Familie „die Basis des sozialen wie emotionalen Lebens“174 war.
Vater, Mutter und Kind galten als „Urzelle Familie“175 oder als „kleinste[…]
gesellschaftliche[…] Einheit“176, um Formulierungen von Lorenz und Starl
aufzugreifen. Diese Familienform der Kleinfamilie dominierte laut Jäger im 19.
Jahrhundert in den Städten. Er führt weiterhin aus, dass einem intakten Familienleben
zentrale Bedeutung beigemessen wurde und schreibt in diesem Zusammenhang sogar
von einem Familienkult des 19. Jahrhunderts.177 Breuss bemerkt ebenfalls, dass die
Pflege des Familienlebens „geradezu kultische Bedeutung“ 178 erlangte und weist darauf
hin, dass sie „in erster Linie eine Angelegenheit der Frau“ 179 war. Diesen Kult
thematisiert auch Starl und bemerkt, dass „selbst innerhalb des Bürgertums […] die
intakte Kernfamilie ein Traum [war], der von der Wirklichkeit laufend in Frage gestellt
wurde“180. Zu den realen Verhältnissen führt er folgendes aus:
Abgesehen vom Lebenswandel vieler wohlhabender Bürger, die meinten, die feudalen Laster ihrer adeligen Vorbilder noch übertreffen zu müssen, und die durch Epidemien nach wie vor hohe Sterblichkeit, die zahlreiche Familien dezimierte, waren die Hausstandsgründungen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts rückläufig gewesen oder hatten stagniert und nahmen erst aber den 60er Jahren wieder allmählich zu. Diese allgemeine – allerdings nicht in erster Linie die bürgerlichen Kreise betreffende – Abnahme der Ehehäufigkeit begründete ebenso die Idealisierung der Kleinfamilie wie der Verlust an Sicherheit gegenüber den früheren Großfamilien, die auf der Grundlage von Produktionsgemeinschaften funktioniert hatten. Die neue Ordnung gründete dagegen auf einer Hierarchie mit dem männlichen Vorstand an der Spitze, der
173 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 234. 174 Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 161. 175 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 236. 176 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 38. 177 Vgl. Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 161. 178 Breuss, S.: Erinnerung und schöner Schein. S. 29. 179 Ebd. 180 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 39.
30
die Existenz der Familie sichern mußte. Und eben diese Struktur sollte bildlich vermittelt werden.181
Familienbilder dienten zur Visualisierung der bürgerlichen Idealvorstellungen von
Familie. Diese entsprachen nicht der Realität, sondern transportierten vielmehr
Moralvorstellungen der Zeit182, wie das gängige Rollenverständnis vom Vater als „pater
familias“, also Familienoberhaupt, und der Mutter als Hausfrau. Wie bereits
beschrieben, waren patriarchale Strukturen die Norm. Familienbilder hatten eine
Vorbildfunktion.
Lorenz merkt an, dass gemalte und fotografierte Familienbilder ein gewisses
Familienideal umgesetzt hätten.183 Starl weist ebenfalls darauf hin, dass in den
Familienfotografien ideelle Werte transportiert wurden. Atelierporträts hätten „nie die
Funktion einer angemessenen Wiedergabe der Wirklichkeit“184 gehabt. Sie haben
vielmehr bürgerliche Wertvorstellungen ausgedrückt und ein allgemeines Bild des
Bürgers vermittelt. Dieses sei der „Beweis seiner gesellschaftlichen Relevanz“185.
Auch Lorenz schreibt Familienbildern als Funktion die „Visualisierung eines
repräsentativen Anspruchs“186 zu. Diesem Anspruch gemäß wurden sie präsentiert.
Jäger weist darauf hin, dass „Familienbilder[…], Silhouetten, Daguerreotypien und
schließlich Photographien“187 in Wohn- bzw. Repräsentationsräumen aufbewahrt
wurden. Dieser Raum, die „gute Stube“, sei dem alltäglichen Gebrauch entzogen
worden - er habe der Repräsentation gedient.188 Auch Starl geht auf die Bedeutung des
Wohnraums ein: „Die großräumige und reichhaltig ausgestattete Wohnung wurde zum
Signum bürgerlichen Besitzes und individueller Selbstbehauptung.“189
Neben der Bedeutung als Repräsentationsbereich gewann die Wohnung für den Bürger
auch an Bedeutung als Rückzugsbereich. Durch die bereits erwähnte Trennung von
181 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 39. 182 Moralisierende Aspekte finden sich vor allem in den damals sehr beliebten Genredarstellungen. 183 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 248. 184 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 43. 185 Ebd. 186 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 248. 187 Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 162. 188 Ebd. S. 162f. 189 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 35.
31
Arbeits- und Wohnraum kam es zu einer besonderen Wertschätzung der Privatsphäre.
Kronberger-Frentzen schreibt 1940 nicht von dem Wunsch nach Privatsphäre, sondern
von der „Flucht in die Häuslichkeit“190 und dem „in unbewußter Abwehr besonders
innig[en]“191 Zusammenschließen der Familie. Dieses Zurückziehen ins Private
resultiere aus den „grundlegenden sozialen Umschichtungen, die durch das Eindringen
der Maschine in den Wirtschaftsbereich erzwungen“192 wurden und den „inneren
Spannungen, die eine glanzvoll sich entwickelnde Wissenschaft heraufbeschwört und
von den Glaubenszweifeln, die aus dem Widerstreit zwischen Erkenntnis und Glauben
entstehen“193.
Lorenz führt dies folgendermaßen aus:
Mit der Trennung von Betrieb und Haushalt tritt der „Rationalität“ des Arbeitsbereichs die „Sentimentalität“ der Familie gegenüber – ein Dualismus, der grundlegend wird für die Ausbildung des Begriffs der „bürgerlichen Familie“. In ihr wird, bei durchaus unterschiedlicher Lebensführung der einzelnen Familien, vor allem ein bestimmter Bewußtseinszustand repräsentiert. Gemeint ist ein spezifisches Zusammengehörigkeitsgefühl, die Gewißheit, in der häuslichen Einheit und Geborgenheit der Kleinfamilie den Freiraum für die Entfaltung menschlicher Subjektivität zu besitzen.194
Breymayer betont ebenfalls, dass die Privatsphäre dem Bürger als „Gegenentwurf zur
Öffentlichkeit, zu Wirtschaft und Politik“195 diente. In ihr habe sich „das spezifische
Ideal der Familie als Refugium der Innerlichkeit, als emotional begründete und nicht
rationalen Zwängen unterliegende Gemeinschaft“196 entfaltet. Ansätze zu der
Intimisierung der bürgerlichen Familie in Deutschland lassen sich laut Lorenz bereits im
späten 18. Jahrhundert finden. 197 Starl weist ebenfalls auf die Bedeutung des Privaten
als Ausgleich zur Öffentlichkeit hin und betont hierbei die Rolle der Bilder:
In der Zeit, als durch die Auflösung der Großfamilie, die Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte, die Organisation der Arbeit, die Spezialisierung in Industrie, Handel und Wissenschaft, die Zerstückelung des Landes durch die Verkehrsmittel eine Parzellierung aller Lebensbereiche erfolgte und der
190 Kronberger-Frentzen, H.: Das deutsche Familienbildnis. S. 31. 191 Ebd. 192 Ebd. 193 Ebd. 194 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 6. 195 Ebd. S. 7. 196 Breymayer, U.: Geordnete Verhältnisse. S. 41. 197 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 7.
32
›geteilte‹ Blick eine immer geringere Übersicht ermöglichte, in dieser Zeit wurden die Lebewesen und Dinge inventarisiert und in der Vertrautheit der Wohnräume, in denen man sie als Bilder betrachtete, gleichsam wieder zusammengefügt. Gegen die zunehmende Entäußerung des Privaten als Öffentliches stand der Versuch der (Re-) Privatisierung der bildlichen Wiedergaben.198
Eine Inventur der Dinge des Lebens vollzieht sich laut Lorenz in Familienbildern. Der
Mensch erfahre durch die ihn umgebenden Gegenstände Sicherheit. Diese Gegenstände
würden neben der menschlichen Grundeinheit Familie eine „qua ratio“ geschaffene
Welt bilden.199 Eine andere Form der Inventarisierung mahnt Riehl in seinem Appell an
die Familie zur Dokumentation von Familiencharakteristika an:
Jede Familie muß den aristokratischen Stolz haben, eine eigenartige Familie zu seyn. Sie sollte darum alles sorgfältig sammeln und bewahren, was ihren besonderen Charakter dokumentirt.
Diesem Anspruch kommen Familienbilder par excellence nach. Breuss bezeichnet
Familienfotografien als „visuelles Familiengedächtnis“ und betont, dass für die
moderne Familie die „Pflege des familiären Innenlebens und der familiären
Verbundenheit eine spezifische Bedeutung“200 erlangt habe. In diesem Zusammenhang
verweist sie wiederum auf Riehl, der die Führung einer Familienchronik empfiehlt.201
Starl stellt einige Jahre zuvor die gleiche Verbindung her und verwendet folgendes Zitat
Riehls:
Das bürgerliche Haus […] hat keinen Stammbaum und braucht keinen zu haben. Aber eine Familienchronik sollte in jedem Bürgerhause, in welchem man lesen und schreiben kann, angelegt werden.202
Breuss geht in ihren Ausführungen näher auf die Funktion der Dokumentation von
Familiengeschichte ein:
Die Erinnerung an die Vergangenheit wurde zum Programm für die Zukunft, die Familiengeschichte und Pflege der gemeinsamen Traditionen sollte Zusammengehörigkeit und Familienbewußtsein schaffen. Zeichen und Belege der Erinnerung wurden daher deponiert wie in einem Sparbuch, Augenblicke des Familienglücks gesammelt und für die Zukunft und die Nachkommen aufbewahrt. Die Erfindung der Fotografie bedeutete in diesem Kontext ein
198 Starl, T.: Fortschritt und Phantasma. S. 84. 199 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 148. 200 Breuss, S.: Erinnerung und schöner Schein. S. 28. 201 Ebd. 202 Riehl, W.H.: Die Familie. S. 263.
33
willkommenes Dokumentationsmittel, eine völlig neue Möglichkeit, Erinnerungen zu bewahren. Bereits in den Anfängen der Fotografie besaßen die Bilder eine wichtige Funktion als „Wertpapiere des Familienglücks“.203
Die fotografische Industrie griff die Idee der Familienchronik auf. Maas zufolge brachte
Julius Moser 1886 im Verlag des Berliner Lithographischen Instituts ein Fotoalbum mit
dem Titel „Lebenschronik“ heraus (Abb. 2).204 Sie beschreibt dessen Funktion wie
folgt: „Das gesetzlich geschützte Album ist für Photographien und schriftliche
Berichterstattung aus den verschiedenen Lebensaltern eingerichtet. Das Vorwort an
›die Gnädige Frau‹ erklärt die Handhabung.“205
Auch Breuss äußert sich zu dem Typus der fotografischen Familienchronik:
Die Fotografie in Form familiärer Bilderchroniken war dabei zugleich Ausdruck und Instrument familiären Zusammenhalts. Die Familienfotos erlangten nicht selten den Status von Reliquien, die einen Ehrenplatz im Salon oder Wohnzimmer erhielten.206
Sie führt weiterhin aus, dass sich die für private Zwecke hergestellten Bilder an
gesellschaftlichen Vorbildern orientierten.207
Familienfotos zeigen eine Familie (bzw. einzelne Familienmitglieder) nicht nur so, wie sie sein möchte, sondern auch so, wie sie den gesellschaftlichen Normen und Vorstellungen entsprechend sein soll. Die identitätsstiftende Funktion von Familienfotos enthält also ebenso nach innen wie nach außen gerichtete Momente.208
Jäger zufolge wurden Familienfotografien zunächst nicht in Alben, sondern gerahmt an
der Wand von Repräsentationsräumen oder in Etuis aufbewahrt.209 Er merkt an, dass in
dem von ihm bearbeiteten Konvolut von Fotografien Sammlungen von Einzelporträts
typischer waren als Bilder mit allen Familienmitgliedern. Durch die Kombination der
Einzelporträts manifestiere sich die Familie.210 Durch die Mischung mit Fotografien von
203 Breuss, S.: Erinnerung und schöner Schein. S. 28. 204 Maas, E.: Die goldenen Jahre der Photoalben. S. 115. 205 Ebd. 206 Breuss, S.: Erinnerung und schöner Schein. S. 29f. 207 Vgl. ebd. S. 30. 208 Breuss, S.: Erinnerung und schöner Schein. S. 30. 209 Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 162. 210 Vgl. ebd. S. 161.
34
Freunden und geachteten oder berühmten Personen konnte die Familie in einen
größeren sozialen Kontext gebracht werden.211
Selbst in den eigenen Räumen bzw. der „guten Stube“ war es wichtig, dass die
Familienbilder repräsentativ wirkten und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Gesellschaftsschicht legitimierten. Dieser Wunsch nach Repräsentation schien sich
jedoch negativ auf Gefühlsdarstellungen auszuwirken, bzw. schien er diese zu
behindern. Zumindest sind „Elemente der Zuneigung“212 laut Starl auf den wenigsten
Familienfotos zu finden.
Die gefühlsmäßigen Beziehungen scheinen sich im gemeinsamen Auftreten zu erschöpfen, sie wurden in der Anordnung der Körper zueinander und zu den geborgten Belegen von Besitz und Status quasi verdinglicht, Familienbildnisse verströmen […] eine Atmosphäre abgerückter Erhabenheit und Kälte.213
Er führt weiter aus, dass familiäre Bindungen „zugunsten eines Miteinander, das als
rationale Qualität und nur in seiner sozialen Funktion dargestellt wurde“214
verschwiegen wurden. Jäger weist in einem anderen Zusammenhang darauf hin, dass
„Selbstvergewisserung und Selbstkontrolle in Verbindung mit der häufig emotional
besetzten Erinnerung an gemeinsam verbrachte Zeiten“215 ausschlaggebend für die
Beliebtheit von Familienfotografien waren. Der erwähnte Aspekt der Selbstkontrolle
wird den Bürger sicherlich dazu bewegt haben, auf korrekte Haltung und
Darstellungsweisen zu achten und sich standesgemäß ins Bild zu setzen. Starke
Gefühlsäußerungen wären hier aus seiner Sicht wohl fehl am Platz gewesen.
Man darf nicht vergessen, dass sich der Bürger zwar als Individuum darstellen wollte,
doch immer als ein Individuum angesehen werden wollte, das eindeutig einer
bestimmten Gesellschaftsschicht angehörte. In diesem Zusammenhang soll auf Lorenz
Bemerkungen zur Aussagekraft von Familienbildern verwiesen werden:
Eine Geschichte des Familienbildes gleich welchen Zeitabschnittes zu schreiben, heißt auch die Geschichte des sozialen Phänomens präsent zu haben. Stärker noch als im Einzelporträt, welches über das Abbild des Individuums hinaus auch immer das Menschenbild seiner jeweiligen Entstehungszeit spiegelt, gilt dies für
211 Vgl. Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 161f. 212 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 39. 213 Ebd. 214 Ebd. 215 Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 161.
35
das Bildnis der Familie. Der Zusammenschluß der Personen im Bild unter der Prämisse der primären menschlichen Sozialgruppe impliziert immer auch Aussagen u Funktion und Bedeutung dieser Gruppe.216
Sie führt an anderer Stelle aus, dass „die mit der Familie verknüpften Gefühlswerte in
das in jenen Jahren vom Publikum begeistert angenommene Genrebild abgedrängt“ 217
wurden. Die Fotografie habe der Malerei die „Aufgabe des reinen Abbildes“218
abgenommen. Auf diese Tendenz weist auch ihre Aussage hin, dass „während des
gesamten 19. Jh. niemals so viele Familienbilder entstanden sind wie während der
Jahre 1815-1848“ 219 - wenn man bedenkt, dass die Fotografie nach der Erfindung der
Daguerreotypie im Jahr 1839 besonders in den 40er und 50er Jahren Verbreitung fand.
Mit dieser Zeit der Übergänge von der Malerei zur Fotografie und der Vorbildfunktion
der Malerei für die Fotografie beschäftigt sich das nun folgende Kapitel.
2.3 Übergänge von der Malerei zur Fotografie
Der frühen Fotografie wurde häufig vorgeworfen, die Malerei zu imitieren. Bourdieu
wählt als einen Untertitel seines Aufsatzes „Die gesellschaftliche Definition der
Photographie“ den Ausdruck „Eine Kunst, die die Kunst nachahmt“ 220. Doch kann man
die Fotografie darauf reduzieren, ein Nachahmer der Malerei zu sein?
In der Literatur zu diesem Thema wird meistens darauf hingewiesen, dass sich die
Fotografie zumindest an der Malerei orientierte. Breuss formuliert dies folgendermaßen:
Die Fotografie, die ursprünglich enthusiastisch als ehrliche und naturalistische Abbildungsmöglichkeit gefeiert wurde, begann sich im Bereich der Atelierfotografie vielfach wieder der traditionellen Portraitmalerei anzunähern. Nicht nur wurden Techniken der Malerei mit der Fotografie kombiniert, sondern auch die Darstellungsweise der zu Portraitierenden entsprach vielfach eher den Traditionen der Malerei.221
216 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. VIII. 217 Ebd. S. IX. 218 Ebd. S. IX. 219 Ebd. S. 138. 220 Bourdieu, P.: Die gesellschaftliche Definition der Photographie. S. 85. 221 Breuss, S.: Erinnerung und schöner Schein. S. 32.
36
Billeter wird da direkter indem sie schreibt: „die Porträtphotographie [sucht] in ihren
Anfängen die Porträtmalerei zu imitieren“222. Einige Fotografen hätten die
Salonmalerei regelrecht kopiert.223
In diesem Zusammenhang ist es sehr interessant, dass Kaufhold erwähnt, dass
Fotoatelierbesitzer224 dazu aufgefordert wurden, die örtlichen Kunstausstellungen zu
besuchen225. Außerdem habe es in den Zeitschriften Besprechungen der wichtigsten
Ausstellungen gegeben.226 Die Fotografen wurden also regelrecht animiert, sich
Anregungen aus der Malerei zu holen. Peters greift diesen Aspekt ebenfalls auf, wenn
sie bemerkt, dass sich aus der Fotografie der zeitgenössische Bildnisstandard ablesen
lasse.227 Hier gilt es ebenfalls zu berücksichtigen, dass gerade in der Frühzeit der
Fotografie Maler den Beruf des Fotografen ausübten. Peters weist darauf hin, dass bei
ihnen deutlich wird, „wie Kompositionsweisen der Malerei für Fotobildnisse
übernommen werden“228.
Jäger geht im Folgenden darauf ein, warum mit der Fotografie „zunächst nichts
grundlegend Neues“ 229 an Bildgattungen entstand und die Bildthemen dem
traditionellen Kanon der Bildproduktion entsprochen haben:
Wer mit Photographie arbeitete, versuchte sein Schaffen in den bestehenden Kanon traditioneller Bildproduktion einzuordnen. Insofern gab es mehr Kontinuität als Wandel, da sich die Photographie als Abbildungstechnik erst etablieren mußte. Die Anlehnung an das Bestehende war daher naheliegender als eine radikale Abkehr von bisherigen Traditionen. Obgleich Wandel dadurch bewußt vermieden wurde, erzeugte die verwendete Technik doch ein anderes Verhältnis zum Objekt; Authentizität wurde ein wichtiges Kriterium. Darin lag ein Bruch mit den bisherigen Traditionen, dessen Konsequenzen aber nur langsam in das Bewußtsein traten.230
222 Billeter, E.: Das photographische Porträt ersetzt das gemalte Bildnis. In: Dies.: Malerei und Photographie im Dialog von 1840 bis heute. S. 170. 223 Vgl. Dies.: Aspekte bildhafter Photographie. In: Dies.: Malerei und Photographie im Dialog von 1840 bis heute. S. 200. 224 Hier finden nur Atelierfotografien Beachtung. Amateurfotografien werden nicht berücksichtigt. 225 Vgl. Kaufhold, E.: Bilder des Übergangs. S. 81. 226 Vgl. ebd. 227 Vgl. Peters, U.: Stilgeschichte der Fotografie. S. 28. 228 Ebd. S. 59. 229 Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 139. 230 Ebd. S. 142.
37
Die Fotografie habe zwar selten neue Bildthemen, aber neue Formen alter Bildtypen
hervorgebracht.231
Peters geht ebenfalls auf die traditionellen Bildmuster ein und führt ihre Beliebtheit
darauf zurück, dass „der allgemeine Geschmack den traditionellen Bildnisformen
verhaftet [sei], die wiederum durch ihr langes Fortleben zu gewohnheits- und
standardmäßigen Bildnismustern geworden sind“232. Die Bildnismalerei könne dem
Fotografen ein direktes Vorbild sein.233 An anderer Stelle geht sie nochmals darauf ein,
dass an bestehenden Bildnisformen festgehalten wurde:
Die Tatsache, daß sich die Fotografen fertiger Bildformen in dem Maße bedienen, in dem diese allgemein verstanden und rezipiert sind – denn neue Kunstformen lassen sich stets schlecht verkaufen -, verweist auf den volkstümlichen Charakter der Bildnisfotografie.234
In einem ähnlichen Zusammenhang bemerkt Kaufhold, dass „starre, stereotype
Darstellungsformen […] selbst in den gehobenen sozialen Schichten an der
Tagesordnung [waren]; und zwar gleichgültig ob ihre Vertreter zum Fotografen oder
zum Maler gingen.“235
Neben der Kritik an der Orientierung der Darstellungsweisen der Malerei wird
allerdings auch vielfach erwähnt, dass die Fotografie dem Bedürfnis nach realistischer,
naturgetreuer Darstellungsweise entgegenkam und dass es sozusagen nur eine Frage der
Zeit war, bis sie sich der Bildnisaufgaben annahm.
So weist z.B. J.A. Schmoll gen. Eisenwerth236 in seinem Aufsatz darauf hin, „dass es im
Zeitalter von Klassizismus und Romantik auch eine Strömung gab, die man als
rationalistische, präpositivistische und – künstlerisch gesehen – als sachlich-
naturalistische bezeichnen kann“237. Diese Tendenz laufe „absolut parallel zu den
Bemühungen, das Projektionsbild in der Camera obscura zu fixieren, das heisst die
Photographie zu erfinden“238.
231 Vgl. Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 145. 232 Peters, U.: Stilgeschichte der Fotografie. S. 66f. 233 Vgl. ebd. S. 67. 234 Ebd. S. 89. 235 Kaufhold, E.: Bilder des Übergangs. S. 65. 236 Er wird im Folgenden der Kürze halber als Schmoll bezeichnet. 237 Schmoll, J.A.: Zur Vor- und Frühgeschichte der Photographie… S. 11. 238 Ebd.
38
Auch Peters betont die Parallelität von der Entwicklung der Fotografie und der
Beliebtheit frührealistischer Malerei:
Die frührealistische Malerei und der Gedanke an ein Bildmittel, durch das sich die Wirklichkeit von selbst widerspiegelt, haben ein und denselben geistigen Hintergrund. Während die Erfinder an der Perfektionierung der neuen Bildtechnik arbeiten, schreitet die frührealistische Malerei ihrem Höhepunkt entgegen, der ungefähr mit der Bekanntgabe der Erfindung der Fotografie zusammenfällt. 239
Sie weist darauf hin, dass die Fotografie „das Bedürfnis, sich der Wirklichkeit in exakt
reproduzierten Ausschnitten zu vergegenwärtigen und zu vergewissern“240 beantwortete
und dass die Malerei diesem Bedürfnis bereits vorgearbeitet habe.
Laut Peters wird in der Fotografie eine bestehende Bildtradition fortgesetzt.241 Dies
zeige sich daran, dass „bestimmte Themen und Formen der Malerei des frühen 19.
Jahrhunderts den heutigen Betrachter oft an Fotografie erinnern“242.
Bereits die Malerei zur Zeit des Biedermeiers sei dem Bedürfnis entgegenkommen,
„sich der Wirklichkeit in einzelnen, klar abgegrenzten und überschaubaren
Ausschnitten zu vergegenwärtigen, sich der Besonderheiten der umgebenden Welt
durch präzises, detailliertes Aufzeigen und Beobachten ihrer äußeren Beschaffenheit
bewußt zu werden“243
Auch Lorenz greift diesen Wunsch des Bürgers auf und bringt ihn mit der schnellen
Verbreitung der Fotografie in Zusammenhang:
Eine dingorientierte Wirklichkeitssicht, in deren Porträtverständnis die korrekte, detailgenaue Wiedergabe einer Person, auch als die Wiedergabe deren eigentlichen Wesens angesehen wurde, begünstigte das rasche Vordringen der Fotografie.244
Die Fotografie vermochte laut Breuss im Gegensatz zur Porträtmalerei „mit
ʹmathematischer Genauigkeitʹ ein zuvor nicht gekanntes präzises Abbild der
Dargestellten herzustellen“245.
239 Peters, U.: Stilgeschichte der Fotografie… S. 26. 240 Ebd. 241 Vgl. ebd. S. 26. 242 Ebd. S. 26. 243 Peters, U.: Die beginnende Fotografie und ihr Verhältnis zur Malerei. S. 59. 244 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 246. 245 Breuss, S.: Erinnerung und schöner Schein. S. 28.
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Doch Fotografien garantierten im Gegensatz zur Malerei nicht nur eine detailgetreue,
objektive Wiedergabe, sondern ermöglichten einigen Bevölkerungsschichten auch zum
ersten Mal den Besitz eines eigenen Porträts. Dazu schreibt Billeter:
Das photographische Porträt war von Beginn an auch am erfolgreichsten in der Verbreitung der Photographie und lange Zeit das, was das grosse Publikum von der neuen Erfindung überhaupt kannte. Ein sehr natürliches Phänomen: denn nun konnte sich jeder auf einem Bild sehen, was vor Erfindung der Photographie nur jenen möglich war, die das Geld hatten, sich malen zu lassen.246
Kaufhold betont ebenfalls, dass es weniger Aufwand machte, sich fotografieren als
malen zu lassen, „da die Preise selbst der angesehensten Fotografen immer noch
entschieden niedriger lagen als die mittelmäßiger Maler, und der Zeitaufwand für das
Fotografieren geringer war als für das Malen“247. Die Kunden seien „mit der gleichen
Selbstverständlichkeit zu den namhaften Malern wie Fotografen“248 gegangen. Man
habe sich allenfalls häufiger fotografieren lassen.249 Jäger hebt in Bezug auf die Kosten
hervor, dass vor allem fotografische Gruppenbildnisse wesentlich günstiger waren als
ihre gemalten Pendants. Da der Aufwand des Fotografen der gleiche wie beim
Einzelporträt gewesen sei, sei auch der Preis ein ähnlicher gewesen. Damit habe kein
Maler konkurrieren können.250
Jäger erwähnt als Bildnisalternativen zur Malerei die Miniaturmalerei und den
Scherenschnitt, hebt aber hervor, dass diese „die Bedürfnisse nach Individualität und
Identifizierbarkeit nicht hinreichend [befriedigten]“251. Er führt weiter aus, dass kaum
jemand mehr als ein Porträt von sich besaß.252
Peters geht dementsprechend darauf ein, dass man in der Fotografie „eine geeignete
Bildtechnik [sah], um der seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert anwachsenden
Nachfrage nach Bildern nachkommen zu können“ 253.
246 Billeter, E.: Das photographische Porträt ersetzt das gemalte Bildnis. In: Dies.: Malerei und Photographie im Dialog von 1840 bis heute. S. 170. 247 Kaufhold, E.: Bilder des Übergangs. S. 102. 248 Ebd. 249 Vgl. Kaufhold, E.: Bilder des Übergangs. S. 102. 250 Vgl. Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 146. 251 Ebd. 252 Vgl. ebd. 253 Peters, U.: Stilgeschichte der Fotografie… S. 26.
40
Ihre technischen Voraussetzungen und Möglichkeiten – wie z.B. ihre billige und schnelle Vervielfältigungsmöglichkeit – setzen sie schon bald instand, von der Kunst vielfältige, in der Hauptsache aber populäre Bildaufgaben zu übernehmen.254
Fotografien wurden Peters zufolge ein „Ersatz für das gemalte oder gezeichnete
Bild“255. Sie weist darauf hin, dass seit Beginn der 50er Jahre auch für weniger
Begüterte Porträtfotografien erschwinglich wurden, da fotografische Verfahren
entwickelt wurden, die billigere Materialien als Silberplatten als Bildträger
verwendeten.256 Auch Breuss arbeitet dies heraus:
Manche Themen und Motive der Familienfotografie sind aus der Geschichte der
Kunst wohlbekannt (z.B. Mutter und Kind, handarbeitende Frauen) so wie
überhaupt vor der Erfindung der Fotografie die Portraitmalerei einige wichtige
Aufgaben und Funktionen erfüllt hat, die später von der Fotografie übernommen
wurden.257
Peters weist darauf hin, dass es nur allzu verständlich sei, dass „die Personen später vor
der Kamera ebenso posieren wie zuvor vor dem Bildnismaler“258. Sie führt dies darauf
zurück, dass z.B. im repräsentativen Bildnis die Person „in einer seinem
Selbstverständnis entsprechenden Haltung vor dem Betrachter innezuhalten scheint“259.
Lorenz führt in Bezug auf Familienbilder aus, dass sich die Form und die Komposition
dieser Darstellungen in Malerei und Fotografie von Beginn an glichen.260 Malerei
sowohl als auch Fotografie haben sich „in ihrer künstlerischen Sprache der Umsetzung
eines gewissen Familienideals“261 bedient.
Einige Zeitgenossen gingen in ihrer Begeisterung für das neue Medium Fotografie so
weit, der Malerei ihr Ende zu prophezeien. Schmoll weist darauf hin, dass es bereits
direkt nach der Bekanntgabe des Verfahrens Daguerres solche Stimmen gab.
254 Peters, U.: Stilgeschichte der Fotografie… S. 27. 255 Ebd. S. 26. 256 Ebd. S. 54f. 257 Breuss, S.: Erinnerung und schöner Schein. S. 40. 258 Peters, U.: Stilgeschichte der Fotografie… S. 43. 259 Ebd. S. 43. 260 Vgl. Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S.247. 261 Ebd. S. 248.
41
Der Historienmaler Delaroche rief nach Verkündung des Patents von Niépce/Daguerre vor den vereinigten Pariser Akademien der Wissenschaften und der Künste am 19. August 1839 aus: »La peinture est morte!«.262
Andererseits wurde der Kunstwert der Fotografie vielfach bestritten. Sie wurde nicht als
Kunstgattung anerkannt, sondern laut Jäger als Reproduktionsmittel verstanden. Sie
konnte ihm zufolge „in der Hierarchie der Techniken nur einen niederen Stand
einnehmen“263. Peters weist darauf hin, dass sich Fotografen dagegen wehren, „daß man
ihr Bildmittel als ausschließlich für dokumentarische Zwecke geeignet ansehen will“264.
Sie führt zugunsten des Kunstwerts der Fotografie ein Gutachten der Münchener
Kunstakademie aus dem Jahr 1864 an, dass „den Fotografen »künstlerische
Wirksamkeit« zubilligen kann“265. Dieses Gutachten steht in Zusammenhang mit einer
Anklage wegen unerlaubten Gebrauchs des geistigen Eigentums eines Fotografen.
Resultat desselben ist laut Peters, dass die Fotografie „unter gewissen Bedingungen als
Kunst zu betrachten [sei] und daß deren Erzeugnisse gleich denen der bildenden Kunst
Schutz zu gewähren sei.“266
Die Malerei verschwand nicht von der Bildfläche, doch lässt sich festhalten, dass die
Fotografie den populären Bildnisbereich für sich erobert hatte. Lorenz weist z.B. darauf
hin, dass es eine auffällige Abnahme gemalter Familienbilder nach 1850 gab.267 Auch
Kaufhold schreibt, dass um 1900 „insgeheim […] die Malerei bereits von der
Nachahmung der Wirklichkeit suspendiert worden“268 sei. Einige Künstler hätten daraus
ihre Konsequenzen gezogen und hätten bewusst die zeitbedingten mimetischen
Anforderungen missachtet. Die Mehrzahl dieser Künstler zähle man heute zu den
Wegbereitern der Moderne.269
262 Schmoll, J.A.: Zur Vor- und Frühgeschichte der Photographie… S. 12. 263 Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 141. 264 Peters, U.: Stilgeschichte der Fotografie… S. 217. 265 Ebd. 266 Ebd. 267 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 245. 268 Kaufhold, E.: Bilder des Übergangs. S. 173. 269 Vgl. ebd.
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Im folgenden Kapitel wird an konkreten Beispielen der Berliner Malerei und Fotografie
untersucht, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellungsweise
auftraten.
3 Beispiele Berliner Familienbilder
In diesem Kapitel werden zunächst einige Beispiele von Familienbildern in der Berliner
Malerei vorgestellt. Sie sollen zeigen, welche Typen von gemalten Familienbildern im
Berlin des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts auftraten. Anschließend werden
Vertreter des fotografierten Familienbildes herangezogen, um zu verdeutlichen, welche
Formen das jüngere Medium Fotografie hervorbrachte. Abschließend werden ausgewählte
gemalte und fotografierte Familienbilder miteinander verglichen. Hier sollen vor allem die
Besonderheiten der Familienfotografien herausgearbeitet werden.
3.1 Familienbilder in der Berliner Malerei
In der kunsthistorischen Literatur wird zwischen einigen Typen von Familienbildern
unterschieden. Anhand einiger Beispiele der Berliner Malerei werden im Folgenden einige
Formen des Familienbildes berücksichtigt und anhand von Bildbeispielen belegt. Es
handelt sich hierbei um eine exemplarische Darstellung, die nicht alle Typen des
Familienbildes abdeckt. Einige weitere Beispiele folgen in Kapitel 3.3, wo diese dann
direkt mit einigen Familienfotografien verglichen werden.
Als Kriterium für die Auswahl sollten in den Familienbildern zwei Generationen
dargestellt sein. Es ist jedoch nicht nötig, dass beide Elternteile abgebildet sind. Mutter-
Kind-Darstellungen waren relativ häufig, so dass auch diese hinzugezogen werden. Die
Reihenfolge der Beispiele erfolgt chronologisch, um eine Entwicklung des Familienbildes
nachvollziehen zu können.
3.1.1 Daniel Chodowiecki „Die Familie des Künstlers im Tiergarten“, 1772
Als erstes Beispiel eines Berliner Familienbildes wird das Gemälde „Die Familie des
Künstlers im Tiergarten“ (Abb. 3) des 1726 in Danzig geborenen Daniel Chodowiecki
vorgestellt. Er lebte von 1743 an in Berlin270, wo er 1801 verstarb.
Das Gemälde entstand bereits 1772, wird allerdings dennoch berücksichtigt, da
Chodowieckis Werke auch noch im 19. Jahrhundert rezipiert wurden. Lorenz weist darauf
hin, dass er in „seiner Darstellung und Verherrlichung von Familienleben […] Topoi
270 Vgl. Börsch-Supan, H.: Die deutsche Malerei… S. 144.
44
[schafft], wie sie bis weit ins 19. Jh. hinein im Familienbild mit Porträtcharakter benutzt
werden sollten.“ Das Familienbild wurde in Öl auf Holz ausgeführt und hat die Maße 55 x
42,7 cm. Es befindet sich heute in der Stiftung Stadtmuseum Berlin.
Auf dem Hochformat sind sieben Personen dargestellt, die das Bild in seiner gesamten
Breite ausfüllen. Im relativ flächig gehaltenen dunklen Hintergrund sind Bäume, bzw. ist
ein Wald oder Park zu erkennen.
Bei den Personen handelt es sich um zwei Erwachsene, eine Frau und einen Mann, die
links von der Bildmitte stehen, und fünf Kinder, zwei Jungen und drei Mädchen, die vor
diesen gruppiert sind. Der Frauenfigur sind die beiden Jungen zugeordnet, da sie direkt vor
ihr stehen. Im Gegensatz dazu sind der männlichen Figur die drei Mädchen zugewiesen –
diese stehen vom Betrachter aus gesehen leicht nach rechts versetzt. Diese räumliche
Trennung der Geschlechter wird noch durch die Farbgebung unterstützt, denn alle
weiblichen Personen tragen weiße Hauben und ihre unbekleideten hellen Hälse leuchten
förmlich, während die männlichen Personen dunkle Kopfbedeckungen tragen.
Die mittlere Bildachse verläuft durch die Männergestalt, welche somit das Zentrum der
Darstellung bildet. Der Vater ist frontal ausgerichtet, schaut vom Betrachter aus gesehen
aber nach links aus dem Bild heraus. Er stützt den Kopf mit seiner linken Wange auf beide
Hände, die auf einem Stock aufliegen. Am linken Bildrand steht die Frau und blickt nach
rechts ins Bild hinein. Es könnte sein, dass sie den Mann anschaut, wobei auch ihr Blick
nicht zielgerichtet erscheint. Ihr Gesicht ist im Dreiviertelprofil zu sehen. Unter ihrer
Haube ist gepudertes Haar zu erkennen. Als Pendant zu der Haltung des Mannes hat sie
ihren rechten Ellenbogen aufgestellt und stützt mit der rechten Hand ihren Kopf. Es ist
nicht zu erkennen, worauf sie sich stützt. Der linke Arm ist ausgestreckt, die Hand verbirgt
sich hinter dem kleineren Jungen. Ihre Kleidung wird durch einen weißen Umhang
dominiert, der faltenreich um ihren Oberkörper drapiert ist. Darunter scheint sie ein
dunkles Kleid zu tragen. Dieser Bereich des Gemäldes wurde nicht weiter ausgeführt.
Die beiden Jungen sind unterschiedlich groß. Der Ältere befindet sich direkt vor der
Mutter. Er ragt ihr bis zur Brust und ist im Profil dargestellt. Wie sie schaut auch er vom
Betrachter aus gesehen nach rechts. Seine Hände sind vor seinem Oberkörper auf einen
Stock gestützt und gefaltet. Der dreiteilige Anzug ist dunkelgrün. Seine Haare sind wie bei
45
dem anderen Jungen auch über den Ohren zu einer Rolle gelegt. Es könnte sich um eine
Perücke handeln.
Der kleinere Junge ist die einzige Person, die den Betrachter direkt ansieht. Er ist frontal
ausgerichtet, seine Arme liegen dicht am Körper an. Mitsamt dem Hut reicht er der Frau
gerade bis unter die Brust. Sein Mantel ist sehr lang und einreihig geknöpft. Auch bei ihm
ragen weiße lange Manschetten unter dem Mantel hervor und verdecken die Hände völlig.
Durch seine Haltung mutet er ein wenig wie Napoleon en miniature an.
Die beiden Mädchen, die direkt bei dem Mann stehen, sind nahezu gleich groß und bis auf
die unterschiedliche Farbigkeit sehr ähnlich gekleidet. Wie die Mutter haben auch sie ihr
Haar gepudert. Um ihre Hälse tragen sie in Anlehnung an ihre Mutter passend zu den
farbigen Bändern ihrer Hauben ein Band mit Schleife. Ihre Kleider sind schmal tailliert.
Beide tragen darüber ein Tuch und eine Schürze. Die Ärmel sind dreiviertel lang und
schließen mit weißen Rüschen ab. Unter dem Kleid des einen Mädchens schauen spitze
weiße Schuhe hervor. Die beiden Mädchen haben die Köpfe leicht einander zugeneigt,
blicken aber aneinander vorbei. Das Mädchen am Bildrand hat über ihre rechte Schulter
einen aufgespannten Schirm gelegt, der hinter ihr die Fläche neben dem Mann einnimmt.
Das kleinste Kind befindet sich rechts unten am Bildrand. Es reicht den anderen Mädchen
nur bis zum Bauch und ist als einzige Figur ganz hell gekleidet. Das rosa Kleid hat
Dreiviertelärmel und liegt am Oberkörper eng an. Darüber trägt sie eine weiße Latzschürze
und ein hellblaues Tuch. Rechts unter dem Kinn scheint sie eine große Schleife oder Blüte
zu tragen. Eines der älteren Mädchen hält sie an der rechten Hand. Ihr Körper ist leicht ins
Bild hinein gedreht, der Blick ebenfalls in diese Richtung ausgerichtet. Der kleinere Junge
und sie sind im Verhältnis zu ihren Geschwistern eindeutig als Kinder zu erkennen. Sie
haben rundere Gesichter und unterscheiden sich durch ihre Körpergröße deutlicher von den
Erwachsenen.
Der Aufbau des Bildes lässt durch die bereits erwähnte Position des Mannes im Zentrum
deutlich erkennen, dass es sich bei ihm um das Familienoberhaupt handelt. Obwohl er
seinen Kopf aufstützt und nicht zu voller Größe aufgerichtet ist, überragt er die anderen
Figuren. Während die Eltern in einer für die damalige Zeit eher unüblichen lässigen
Haltung innehaltend präsentiert werden, sind die Kinder beinahe statuarisch aufgereiht und
46
blicken gelassen umher. Durch dieses Nebeneinanderstellen wird die Bildhorizontale stark
betont. Es ist auffällig, dass bis auf den jüngsten Sohn keiner der Dargestellten den
Betrachter anblickt. Beinahe wirkt es so, als würden sie dies gezielt vermeiden.
Die Kinder sind nicht durch ihre Kleidung, sondern nur durch ihre Größe und die
Gruppierung im Vordergrund von ihren Eltern zu unterscheiden. Sie sind gekleidet wie die
Erwachsenen und haben eine repräsentative Haltung angenommen. Die beiden älteren
Mädchen ähneln in der Kopfpartie ihrer Mutter in beinahe erschreckender Weise. Der
ältere Sohn imitiert durch das Aufstützen auf den Stock die Haltung seines Vaters. Eines
der Mädchen übernimmt die Aufgabe der Mutter, indem es sich um die jüngere Schwester
kümmert. Hier werden die später einzunehmenden geschlechtsspezifischen Rollen bereits
durch kleine Gesten vorweggenommen.
Balzibok ordnet dieses Familienbild von Chodowiecki den „Darstellungen mit
moralisierendem Gehalt“271 zu. Diese verkörpern ihren Ausführungen zufolge einen von
sechs Haupttypen des Familienbildes von etwa 1770 bis um 1830, worauf im Folgenden
noch eingegangen wird. Sie begründet diese Zuordnung zum Einen durch das Verhalten
der Eltern den Kindern gegenüber, in dem deren Verantwortlichkeit und zugleich ihre
Überlegenheit deutlich werde. Zum Anderen sei das Verhalten der Kinder, ihre
Diszipliniertheit und Wohlerzogenheit charakterisierend für diese Darstellungsweise. Die
Unterordnung der Kinder unter die Autorität der Eltern sei absolut.272 Sie betont, dass es
„hier weniger gefühlsmäßige Bindungen [sind], die die Basis des Zusammenlebens
ausmachen“, sondern dass es vielmehr „durch geistig-moralische Prinzipien, wie
Diszipliniertheit, Unterordnung und Wohlerzogenheit bestimmt [werde].“273 Balzibok führt
weiter aus, dass in diesem Familienbild nicht die Charakterisierung des Individuums
angestrebt sei, sondern vielmehr ein „geistig-moralischer Anspruch“274 erhoben würde,
„der mit den Begriffen treusorgende Ehrbarkeit und biedere Rechtschaffenheit beschrieben
werden könnte.“ 275 Sie folgert daraus:
271 Balzibok, A.: Das Familienbildnis in der deutschen Malerei von 1770 bis um 1830. S. 22. 272 Vgl. ebd. 273 Ebd. S. 23. 274 Ebd. 275 Ebd.
47
Wenn die Familie aber einen solchen festgefügten, unverrückbaren Zustand demonstrieren soll, dann erklärt sich sowohl das unverrückbare Verharren an einer Stelle als Betonung eben dieses als Ideal angesehenen Seins und es erklärt sich die Vereinheitlichung in der Personendarstellung […].276
Bei diesem Beispiel eines für unseren Betrachtungszeitraum frühen Familienbildes stehen
also die vermittelten Werte und die Darstellung eines Familienideals im Vordergrund. Die
Ähnlichkeit der realen Personen mit den Dargestellten tritt hinter diesen Ansprüchen
zurück.
3.1.2 Carl Begas „Die Familie Begas“, 1821
Bei diesem Beispiel handelt es sich erneut um ein Künstlerselbstporträt mit Familie. Carl
Begas (*1794 in Hainsberg, †1854 in Berlin) malte „Die Familie Begas“ (Abb. 4), die aus
seinen Eltern, den Geschwistern und ihm besteht, im Jahr 1821 in Köln. Es wurde trotz der
Verortung in Köln ausgewählt, weil Begas zu jenem Zeitpunkt bereits als Künstler in
Berlin tätig gewesen war und später dorthin zurückkehrte. Das Querformat wurde in Öl auf
Leinwand ausgeführt, misst 75 x 86 cm und befindet sich heute im Besitz der Wallraf-
Richartz-Museum-Fondation Corboud.277
Das Gemälde zeigt eine Interieurszene mit neun Personen. Bei dem Innenraum handelt es
sich um ein Wohnzimmer, das auf der linken Seite von einem Paravent begrenzt wird und
auf der rechten Seite mit der angeschnittenen Figur eines jungen Mannes endet. Im
Bildhintergrund sind links vor einer hellen Wand der farbig gemusterte Paravent und an
der dunklen Rückwand ein zierlicher Schrank mit darüber hängendem Gemälde sowie
rechts davon ein Fenster mit Ausblick auf eine Stadtarchitektur bzw. eine Kirche zu sehen.
Das Fenster wird durch einen roten Vorhang gerahmt.
Die Figurengruppe setzt sich aus fünf weiblichen und vier männlichen Personen
zusammen. Die Mutter befindet sich in der linken Bildhälfte und wird sitzend bei einer
textilen Handarbeit dargestellt. Ihr Blick ist in den Raum gerichtet. Links von ihr stützt
sich eine der Töchter auf die Stuhllehne und schaut ihrer Mutter über die Schulter. Im
276 Balzibok, A.: Das Familienbildnis in der deutschen Malerei von 1770 bis um 1830. S. 23. 277 Vgl. Blisniewski, Th.: Ein Rollenspiel. http://www.museenkoeln.de/homepage /default.asp?s =168&bdw=2004_19 (16.09.2008).
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Bildgrund etwas zurückgesetzt steht vom Betrachter aus gesehen rechts von der Mutter
aufrecht, beinahe starr, eine Tochter mit einer Handarbeit. Sie schaut den Betrachter direkt
an. Rechts von ihr ist ein jüngerer Bruder über einen kleinen Tisch mit blauem Tischtuch
gebeugt und hält scheinbar im Schreiben inne. Vor ihm sitzt ein etwas älterer Junge auf
dem Boden und spielt mit einem kleinen Hund, der auf seinem Schoß sitzt. Der Junge
blickt von unten her den Betrachter direkt an. Rechts von der Bildmitte aus gesehen steht
aufrecht und die übrigen Figuren erheblich an Größe überragend der Vater. Er ist im Profil
dargestellt und vom Betrachter aus nach links ausgerichtet, so dass er und seine Frau
einander zugewandt sind. In der rechten Hand hält er eine lange Pfeife, ein Finger der
linken Hand ist in die Hosentasche geschoben. Eine seiner Töchter steht direkt seitlich
hinter ihm und hat ihren rechten Arm unter seinen gehakt. Ihre linke Hand ruht ebenfalls
auf seinem Arm. Sie blickt zu Boden. Rechts von ihr sitzt, genau gegenüber der Mutter, die
scheinbar älteste Tochter mit einer Gitarre und Notenblatt. Hinter ihr befindet sich der
bereits erwähnte älteste Sohn. Er schaut in die Runde und scheint sich Notizen in ein
kleines Büchlein machen zu wollen.
Obwohl der Vater nicht genau in der Mitte des Bildes positioniert wurde, bildet er die
zentrale Figur des Geschehens und ist deutlich als Familienoberhaupt auszumachen. Im
Gegensatz zu den übrigen Familienmitgliedern wirkt er durch seine Haltung abweisend
und unbeteiligt.
Beinahe alle Personen sind mit einem Attribut ausgestattet, das jeweils auf eine scheinbar
gewohnte Tätigkeit verweist. Es gilt zu erwähnen, dass diese rollenspezifisch konnotiert
sind. Den weiblichen Familienmitgliedern sind textile Handarbeiten und ein
Musikinstrument beigegeben. Die beiden Töchter, die ohne Gegenstand dargestellt sind,
konzentrieren sich auf ihre Eltern, was durch ein Anlehnen an diese betont wird. Dadurch,
dass sich dieses Anlehnen einmal in der linken und einmal in der rechten Bildhälfte
vollzieht, bildet es einen Rahmen um die Eltern und trennt die beiden ältesten Kinder, die
sich am rechten Bildrand befinden von der Gruppe ab. Die älteste Tochter sitzt jedoch so
nah an der jüngsten, dass dies nicht besonders auffällt. Durch den Anschnitt der Figur des
ältesten Sohnes und die Ausrichtung der übrigen Familienmitglieder auf die Bildmitte, die
ein Abwenden von ihm bewirkt, wird er deutlich von der Familie separiert.
49
Die männlichen Familienmitglieder beschäftigten sich entweder mit einer Schreibarbeit
oder geben sich einer angenehmen Tätigkeit hin, was durch die Pfeife des Vaters und den
kleinen Hund verbildlicht wird.
Alle Familienmitglieder sind deutlich und detailreich als Individuen herausgearbeitet
worden. Im Gegensatz zu Chodowieckis Familienbild steht nicht die Familie als Gruppe
im Vordergrund, sondern die Familie in ihrer Wohnumgebung. Dies misst ihrem
gesellschaftlichen Status eine größere Rolle bei und verdeutlicht das bürgerliche
Selbstbewusstsein der Dargestellten. Die üppigen Spitzen- oder Rüschenkragen der
weiblichen Familienangehörigen betonen dies als Zeichen des Wohlstands der Familie.
Durch die Architektur im Fensterausschnitt kann die Familie als städtische Familie
identifiziert werden. Lorenz weist darauf hin, dass es sich bei den Architekturdarstellungen
um den Kölner Dom und St. Andreas handelt. Die Bauwerke würden auf Begas` Vorliebe
für gotische Kunst hinweisen.278
Blisniewski führt in seinem Text „Ein Rollenspiel“ auf der Homepage der Museen der
Stadt Köln aus, dass auf diesem Gemälde „genau die Rollenbilder und Rollenerwartungen
[dargestellt werden], die innerhalb einer bürgerlichen Familie zu Beginn des 19.
Jahrhunderts galten und zu befolgen waren.“279 Er beschreibt die Sonderrolle Begas, der
sich am äußersten Bildrand selbst dargestellt hat, als die eines Familienmitglieds, das die
Seinigen bald verlassen wird. Sein Vater sei hoher Richter in Köln gewesen, worauf die
Figur der Justitia auf dem kleinen Schrank in der Bildmitte hinweise. Genau darüber hänge
als Gemälde eine Version des Pfingstwunders, eines Altargemäldes, das Begas im Auftrag
des Königs Friedrich Wilhelm III. 1820 für den Berliner Dom gemalt hatte.280 Dem Vater
seien als Oberhaupt der Familie alle anderen Mitglieder deutlich untergeordnet worden.
Vor allem gelte dies für die weiblichen Figuren. Diese würden sich entweder nützlichen
Tätigkeiten wie den Handarbeiten oder unterhaltenden Tätigkeiten wie dem Gitarrenspiel
zuwenden.281 Demgegenüber sei es den Söhnen gestattet, sich der äußeren Welt
278 Vgl. Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 171. 279 Blisniewski, Th.: Ein Rollenspiel. http://www.museenkoeln.de/homepage/default.asp?s =168&bdw=2004_19 (16.09.2008). 280 Vgl. ebd. 281 Vgl. ebd.
50
zuzuwenden, zu „entdecken, erkunden, studieren und gestalten, sei es im Spiel mit dem
Hund, sei es im Schreiben und Rechnen oder aber im Erobern der Welt als Künstler.“282
Balzibok ordnet das Familienbild von Begas in ihrer Ordnung den versachlichenden
Darstellungen zu. Bei diesem Haupttyp handele es sich um „Darstellungen, in denen
emotionale und moralisierende Aspekte zugunsten einer zunehmend sachlichen
Schilderung des alltäglichen Daseins zurückgenommen sind“283. Sie bezeichnet es als eines
der Hauptwerke der zwanziger Jahre.284 Ihr zufolge werde der Eindruck des Alltäglichen
durch die zufällige „Haltung der einzelnen Personen wie auch die räumliche Beziehung
der Familienangehörigen zueinander“285 verstärkt. Sie bezeichnet die Tätigkeiten der
Familienmitglieder als „genrehafte[…] Elemente“286. Über die geschlechtsspezifische
Rolle der Frau schreibt sie folgendes:
Die Mutter ist, von Töchtern umgeben, ganz dem häuslichen Bereich zugeordnet, was durch die Handarbeit betont wird. Die Frau wird nicht im Sinne einer geistigen Partnerin des Mannes verstanden, sondern sie ist ausschließlich als Hausfrau und Mutter gesehen.287
Als Novum in der Darstellung von Begas hebt Balzibok hervor, dass „die bürgerliche
Familie sich nun nicht mehr aus idealen Normen heraus, sondern aus einer
Alltagssituation begreift.“288 Der Anspruch der Selbstdarstellung der bürgerlichen Familie
habe sich durchgesetzt – die bürgerliche Familie an sich sei bildwürdig geworden.289 Sie
führt weiterhin aus:
Das Bürgertum versteht sich aus seinem Stand heraus, und es hat in der alltäglichen, auf das innerfamiliäre Zusammenleben konzentrierten Darstellungsweise einen eigenen Bildnistyp, eine eigene Art des sich Darbietens formuliert, wobei das Begasche Bildnis bereits einen Höhepunkt der Entwicklung anzeigt. […] Der Appellationscharakter früherer Werke ist verschwunden, ein Ausdruck der – in übertragenem Sine – „Selbstverständlichkeit“ der bürgerlichen
282 Blisniewski, Th.: Ein Rollenspiel. http://www.museenkoeln.de/homepage /default.asp?s =168&bdw=2004_19 (16.09.2008). 283 Balzibok, A.: Das Familienbildnis in der deutschen Malerei von 1770 bis um 1830. S. 55. 284 Vgl. Ebd. S. 63. 285 Ebd. 286 Ebd. 287 Ebd. S. 63f. 288 Ebd. S. 64. 289 Vgl. Ebd.
51
Familie. Nicht mehr das Ideal der Harmonie, Schönheit und Moral ist vorrangig wichtig, sondern das reale Dasein einer gebildeten, wohlhabenden Familie.290
Dieses Familienbild ist als charakteristischer Vertreter des bürgerlichen Familienbildes
anzusehen, in dem das Ideal von Familie und eine gewisse Idylle zwar dargestellt, aber
nicht vordergründig behandelt werden. Wichtiger scheint hierbei die Schilderung der
einzelnen Familienmitglieder inmitten ihrer realen Wohnumgebung und in Ausübung ihrer
gewohnten Tätigkeiten zu sein.
Fünf Jahre nach diesem Familienbild malte Begas „Die Familie von Bethmann-Hollweg“
(Abb. 5). Das Gemälde ist heute im Besitz der Familie von Bethmann und befindet sich als
Dauerleihgabe in dem Bankhaus der ABN AMRO Bank N. V. in Frankfurt am Main.291
Es handelt sich um eines der wenigen Gemälde aus dem betrachteten Zeitraum, auf dem
drei Generationen zusammen dargestellt werden. Hier wird jedoch nicht gesondert darauf
eingegangen.
3.1.3 August Rémy „Unbekannte Dame mit ihrem Sohn“, 1843
Die „Unbekannte Dame mit ihrem Sohn“ (Abb. 6) wurde 1843 von August Rèmy gemalt.
Dieser wurde 1800 in Pasewalk geboren und starb 1872 in Berlin.292 Das Gemälde befindet
sich heute in Privatbesitz. Die Maße sind leider nicht bekannt. Wirth beschreibt es jedoch
als lebensgroß.293
Bei dem Rundbild handelt es sich um eine Darstellung einer Frau mit einem Jungen. Sie
sitzt auf einem breiten Lehnstuhl und hat ihren Arm um den kleinen Sohn gelegt, der rechts
neben ihr steht. Am linken Bildrand befindet sich eine Balustrade, die den Blick auf eine
Landschaft jedoch mehr verstellt als freigibt. Auf einem Sockel der Außenwand steht eine
Schale mit Topfpflanzen. Im Hintergrund ist ein schwerer Vorhang drapiert, der sich
faltenreich bauscht.
Die junge Frau hat den Kopf leicht geneigt und schaut den Betrachter direkt an. Der runde
Bildausschnitt endet etwa bei ihren Fußknöcheln, die durch das Kleid verdeckt werden. Es
290 Balzibok, A.: Das Familienbildnis in der deutschen Malerei von 1770 bis um 1830. S. 64f. 291 Lt. Auskunft des Archivator der ABN AMRO Bank N. V., Herrn Pfeuffer, per Email vom 10.09. 2008. 292 Vgl. Wirth, I.: Berliner Malerei im 19. Jahrhundert. S. 523. 293 Vgl. ebd. S. 158.
52
lässt sich jedoch erkennen, dass ihr linkes Bein ausgestreckt ist, während das rechte
beinahe rechtwinklig aufgestellt zu sein scheint. Den rechten Arm hat sie um ihren Sohn
gelegt, den linken Ellenbogen auf die Rückenlehne des Stuhls gestützt, so dass sich ihre
linke Hand genau vor ihrer linken Brust befindet. Der Zeigefinger ist leicht abgespreizt.
Das Kleid ist dekolletiert, was darauf schließen lässt, dass es sich um Abendgarderobe
handelt. Es gibt den Blick auf Hals und Schultern frei. Ihre helle Haut scheint dem Farbton
des Kleides zu ähneln.294 Dieses ist aus Seidentaft oder einem anderen kostbaren,
changierenden Stoff genäht. Die Taille ist spitz angesetzt und der Rock seitlich über der
Hüfte in Falten angesetzt. Am Ausschnitt des Kleides und den Puffärmeln ist zarte Spitze
verarbeitet. Oberhalb der Brust ist eine kleine Schleife mit einer Brosche appliziert.
Zusätzlich zu diesem Schmuckstück trägt die Frau hängende Ohrringe, eine Halskette
sowie am linken Handgelenk einen Armreif. An der Kette sind Schmucksteine bzw.
Juwelen gefasst. Ihr dunkles glänzendes Haar ist in der Mitte gescheitelt und seitlich in
herabhängende Locken gelegt.
Der kleine Junge lehnt mit der linken Hüfte an dem Stuhl bzw. am Bein seiner Mutter. Er
schaut direkt den Betrachter an. Sein linkes Bein ist vor dem rechten überkreuzt, der rechte
Arm in die Hüfte gestemmt. Seine linke Hand liegt auf dem Bein der Mutter auf. Das Haar
des Jungen ist im Gegensatz zu dem der Mutter sehr hell. Er trägt sein Haar kurz, hat
allerdings einen breiten Seitenscheitel. Das Hängerkleidchen hat kurze Ärmel, einen
weiten runden Ausschnitt und reicht dem Jungen bis an die Knie. Es scheint aus dunklem
Samt zu sein, ist vorne geknöpft und wird in der Taille durch eine große Kordel mit
üppigen Quasten gebunden. Die Füße stecken in kurzen hellen Strümpfen und kleinen
dunklen Stiefeln. Der Samt des Kleides ist am Ausschnitt und den Ärmel mit einer Borte
verziert.
Alle Stoffe muten sehr kostbar an. Rémy arbeitete die Stofflichkeit sehr detailliert aus. Bei
dem Vorhang im Hintergrund könnte es sich um einen gemusterten glänzenden Brokat-
oder Jaquardstoff handeln. Zur Maueröffnung hin ist er mit einer riesigen Quaste versehen.
Über der sichtbaren Armlehne des Stuhls hängt eine Decke aus Samt mit dunkler Ober-
und heller Unterseite, an deren Ende Fransen zu erkennen sind. Die Rückenlehne des
294 Da keine Farbabbildung vorliegt, ist die Beschreibung von Farben und Materialien erschwert.
53
Stuhls scheint mit Leder gepolstert und gepunzt zu sein. Das Holz glänzt, als sei es kurz
zuvor poliert worden. Der Junge steht auf einem Teppich mit buntem floralen Muster.
Die Raumsituation ist ungeklärt. Balustrade, Topfpflanze und Maueröffnung verweisen auf
den Außenbereich, evtl. auf eine Veranda oder Loggia. Vorhang, Stuhl und Teppich lassen
jedoch eher auf einen Innenraum wie ein Wohnzimmer schließen. Unter dem Vorhang
wird ein Stück Wand sichtbar, das mit Holz verkleidet zu sein scheint.
Bei der Darstellung handelt es sich um eine inszenierte Komposition. Die Frau und ihr
Sohn haben für den Künstler posiert und sich standesgemäß in Szene gesetzt. Ihre Haltung
und ihre Kleidung verweisen auf eine aristokratische Herkunft. Wirth erwähnt das
Gemälde nur kurz und schreibt, dass „hier kein die hohe Abkunft unterstreichendes
»Versatzstück« der Porträtkunst fehlt. Anmut und Grazie zeichnen dieses geschickt
komponierte Bildnis aus“295. Im Gegensatz zu den bisher erwähnten Beispielen handelt es
sich bei diesem Familienbild nicht um ein bürgerliches Porträt. Der Dame oder vielmehr
ihrem Ehemann, der der Auftraggeber gewesen sein dürfte, scheint viel daran gelegen zu
haben, eine standesgemäße Darstellung der noch jungen Familie zu erhalten. Obwohl der
Sohn kindliche Züge trägt, wird er wie ein junger Erwachsener präsentiert. Seine Haltung
ist nicht die natürliche Haltung eines kleinen Kindes. Einzig die Kleidung verweist auf
Kindheit. Übrigens lässt die Kleidung keine Rückschlüsse auf das Geschlecht des Kindes
zu. Kindermode wurde bei Kleinkindern nicht geschlechtsspezifisch unterschieden.
Wirth führt in Zusammenhang mit einem anderen Porträt aus, dass das Rundbild damals
wieder beliebt gewesen sei und den Stil des Tondo der Renaissance aufgreife.296
3.1.4 Julius Moser „Familienporträt Moritz Manheimer“, 1850
Das vierte Beispiel, Julius Mosers (*1805-†1879) „Familienporträt Manheimer“ (Abb. 7),
stammt aus dem Jahr 1850. Das Querformat wurde in Öl auf Leinwand gemalt und hat die
Maße 96 x 126 cm. Auf dem Klavier ist es mit „Julius Moser/Berlin/1850“ bezeichnet.
Heute befindet es sich als Vermächtnis von Hermann Blaschko in der Sammlung des
Jüdischen Museums Berlin.297
295 Wirth, I.: Berliner Malerei des 19. Jahrhunderts. S. 158. 296 Vgl. ebd. 297 Vgl. Familienbilder. Selbstdarstellung im jüdischen Bürgertum. S. 112.
54
Bei diesem Familienbild handelt es sich erneut um eine Interieurszene, die sich in einem
Wohnzimmer abspielt. Der Betrachter blickt von der Fensterpartie her in den relativ dunkel
gehaltenen, beinahe quadratischen Raum hinein. Es sind neun Personen dargestellt, die
sich über das ganze Zimmer verteilen. An der linken Wand steht ein voluminöses Sofa, auf
dem eine Frau sitzt. Neben ihr steht auf dem Polster ein kleines Mädchen und stützt sich
mit seiner linken Hand auf der Schulter der Mutter ab. Diese hat ihrer kleinsten Tochter
den Kopf zugewandt und deutet mit ihrem linken Zeigefinger auf die Geschwistergruppe,
die sich rechts von der Bildmitte befindet. Dort tanzen ein Junge und ein Mädchen als Paar
sowie ein kleineres Mädchen zu dem Klavierspiel der älteren Schwester, die am rechten
vorderen Bildrand an einem Flügel sitzt. Hinter der jüngeren tanzenden Schwester sitzt ein
älterer Junge bzw. ein junger Mann am Tisch und beobachtet die Szene. Er hält ein
Skizzenbuch und einen Stift in der Hand. Auf dem Tisch, der ihn von der Frau am linken
Bildrand trennt, befinden sich ein großer Glaskrug und zwei unterschiedliche Gläser. Im
Bildhintergrund stehen zwei Männer vor einem Durchgang, der von zwei langen roten
Vorhangschals verdeckt wird.
In dem Zimmer befinden sich außer den beschriebenen Gegenständen ein hoher weißer
Kamin in der linken Ecke und einige Gemälde an den übrigen sichtbaren Wänden. Bei dem
Gemälde rechts neben dem Durchgang handelt es sich um das Porträt einer älteren Frau.
Das Sujet des Bildes an der linken Wand ist nicht zu erkennen, da sich dessen Oberfläche
spiegelt. Links daneben ist eine kleine Skulptur auf einem Sockel angebracht. Es handelt
sich um eine Frauengestalt, die einen Korb oder eine Schale auf ihrem Kopf trägt. An der
rechten Wand hängen ein größeres und fünf kleinere Gemälde. Hier sind scheinbar
Landschaften und Bildnisse, bzw. Historien- oder Genrebilder vertreten. Dies ist nicht
genau auszumachen. Das Wohnzimmer wird durch den die ganze Raumhöhe
einnehmenden Vorhang dominiert. Es sind nur wenige Möbel dargestellt, diese nehmen
aber viel Platz in Anspruch. Zusammen mit dem Flügel an der rechen Seite füllen Sofa und
Tisch die gesamte Länge der Innenwand des Zimmers aus, was dieses im hinteren Bereich
sehr eng erscheinen lässt.
Bis auf die älteste Tochter tragen alle Mädchen weiße Kleider mit kurzen Ärmeln und
weiten runden Halsausschnitten sowie farbigen Bändern in der Taille. Die Älteste trägt ein
graues hochgeschlossenes Kleid mit weißen Rüschen an Kragen und Ärmelabschlüssen,
55
die Mutter ein schwarzes Kleid mit einer großen grauen Schleife am Kragen. Alle
weiblichen Personen haben dunkles glänzendes Haar und einen Mittelscheitel. Die jüngste
Tochter trägt es noch kurz, die beiden tanzenden Mädchen haben es seitlich geflochten und
zu einem Knoten gesteckt, die Mutter und die ältere Tochter tragen am Hinterkopf einen
Knoten. Kleidung und Frisur der ältesten Tochter ähneln sehr der ihrer Mutter, was sie
entgegen ihrer jüngeren Schwestern als (junge) Erwachsene kennzeichnet. Der jüngste,
tanzende Sohn trägt eine helle Hose und ein ebensolches Hemd unter einer dunklen Jacke.
Von seinem älteren Bruder sind nur ein helles Hemd und eine dunkle Jacke zu sehen.
Beide tragen kurze Haare. Der rechts stehende Mann ist größer als der andere und trägt
einen Backenbart. Der kleinere Mann hat einen dichten Vollbart, trägt eine Krawatte und
hat seine Jacke geöffnet. Unter den Arm hat er eine große Zeichenmappe geklemmt.
Die Eltern sind nicht nebeneinander dargestellt, sondern durch den Tisch voneinander
getrennt. Während sich die Mutter ganz den Kindern, vor allem dem Jüngsten, zuwendet,
beobachtet der Vater das Geschehen gelassen aus dem Hintergrund. Auf den ersten Blick
erschließt sich nicht, welcher der beiden Männer der Vater ist. Sieht man genauer hin, lässt
sich jedoch erkennen, dass der linke der beiden Männer etwas hinter dem anderen steht
und somit größeren Abstand zu der Szene im Vordergrund hat. Zudem ist er genau in den
Durchgangsbereich gerückt, womit auf den Außenraum verwiesen wird. Mit der
Zeichenmappe unter dem Arm wird er als Künstler ausgewiesen. Es sieht so aus, als könne
er sich jeden Moment von der Familie verabschieden und gehen. Der rechts Dargestellte ist
durch das Rauchen und die Blickrichtung eher dem Inneren des Raumes zugeordnet. Seine
stolze, aufrechte Haltung zeichnet ihn als Familienoberhaupt aus. Er ist größer als die
anderen Figuren dargestellt.
Durch die Tanzszene im Vordergrund wird das Gemälde stark aufgelockert. Die Familie
wird als gesellig und durch den Besuch als aufgeschlossen charakterisiert. Jeder der
Dargestellten übt eine Tätigkeit aus und deutet diese nicht nur an – wie im Falle des
Begaschen Familienporträts. Die Anwesenheit des Künstlers, das Zeichnen des ältesten
Sohnes und das Musizieren und Tanzen der Kinder sowie die Kunstwerke an der Wand
deuten auf eine Umgebung hin, in der Bildung und die Ausübung von künstlerischen
Fertigkeiten eine große Rolle spielen. Die Art und Weise wie sich die Mutter der jüngsten
Tochter zuwendet deutet zudem auf eine zärtliche Beziehung zu den Kindern hin. Im
56
Gegensatz zu dem abwesenden, fast verkniffenen Gesichtsausdruck des Künstlers, sehen
die Familienmitglieder entspannt aus.
Bertz weist in ihrem Essay darauf hin, dass es sich bei dem Familienbild um eine
Inszenierung handelt, „für die zum einen Teil künstlerische, kompositorische Aspekte eine
Rolle spielten, zum anderen das Bild, das die Dargestellten den Betrachtern von sich zu
vermitteln suchten.“298 So seien z.B. die Proportionen des Klaviers zugunsten der
Komposition verzerrt worden.299 Sie führt weiter aus:
Weniger inszeniert hingegen erscheint uns die Erscheinung der Familienmitglieder. Vor allem die Kleidung der Erwachsenen, zumal der Frauen, scheint auf den ersten Blick wenig spektakulär. […] Was wir hier vorfinden, ist die Mode des Bürgertums, wie sie mit leichten Abwandlungen überall in Europa getragen wurde.300
Es gehe vielmehr darum, „die heitere Atmosphäre des Familienlebens zu vermitteln.“301
Bertz hebt hervor, dass sich das Familienbild dadurch von anderen unterscheide, dass sich
die Familienmitglieder nicht repräsentativ für den Betrachter aufgestellt haben, sondern
wie zufällig durch das Fenster beobachtet werden könnten. Die einzige Person, die sich
direkt dem Betrachter zuwende, sei die Großmutter auf dem Gemälde an der Wand.302
Hierbei handelt es sich um ein Bild im Bild, das die Kernfamilie um eine Verwandte
ergänzt.
Als bemerkenswert dürfe auch gelten, dass Julius Moser als Künstler mit auf dem Bild
erscheine. Bertz erwähnt, dass er das Ehepaar Manheimer mindestens seit 1832 kannte, da
er die beiden in diesem Jahr porträtierte. Ihrer Meinung nach könnten auch einige der
Gemälde an der Wohnzimmerwand von ihm stammen.303 In Bezug auf die dargestellten
Gemälde weist Bertz darauf hin, dass es sich um Werke handelt,
wie sie in den bürgerlichen Wohnzimmern dieser Zeit weit verbreitet waren. Einzig die christlichen Motive, die wir auf anderen Familienbildern häufig sehen, fehlen hier. Auch der Umstand, dass es sich hier schon um eine kleine Gemäldesammlung handelt, ist eher ungewöhnlich […].304
298 Familienbilder. Selbstdarstellung im jüdischen Bürgertum. S. 12f. 299 Vgl. ebd. S. 12. 300 Ebd. S. 14f. 301 Ebd. S. 17. 302 Vgl. ebd. S. 19. 303 Vgl. ebd. S. 20f. 304 Ebd. S. 21f.
57
Dies spreche dafür, dass die Manheimers „zu den ersten beiden Generationen eines
bürgerlichen Kunstpublikums [gehörten], das sich als solches überhaupt erst in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts herausgebildet hatte.“305
Die Musik, hier durch das Klavierspiel vertreten, habe auf Familienbildern „seit alters eine
wichtige Rolle als Zeichen für die Harmonie unter den Familienmitgliedern“306 gespielt.
Auf diesem Familienbild würden die älteren Kinder das Bildungsstreben der Familie
zeigen. Sie hätten Kunst und Musik zu zentralen Elementen ihrer Selbstdarstellung
gemacht.307 An anderer Stelle führt sie bereits aus, dass die Kinder die zentralen
Bedeutungsträger des Bildes seien.308 Abschließend sei hier auf die Bemerkungen von
Bertz zur Aussagekraft des Porträts und zu der Familie Manheimer hingewiesen:
Ihre eigentlichen Statussymbole sind die bürgerlichen Werte, die sie pflegt: Bildung und Kultur, sorgfältige Erziehung der Kinder und ein inniges Verhältnis untereinander. Nicht als erfolgreicher Kaufmann – der er vermutlich war –, sondern als Bildungsbürger präsentiert Moritz Manheimer sich mit seiner Familie.309
Bei diesem Familienbild handelt es sich um eine Fortführung und Weiterentwicklung der
bereits in Begas Gemälde angedeuteten Betonung des Bildungsbürgerlichen. Hier lässt sich
die Familie jedoch weniger statisch als bei Begas in ihrem Wohnraum porträtieren. Die
Szene mutet intimer und gefühlsbetonter an als die Darstellung der Begaschen
Familienmitglieder. Werte wie Bildung und Harmonie innerhalb der Familie werden von
Moser gleichbedeutend präsentiert. Es scheint beinahe so, als könnten die Bildung und die
Beschäftigung mit der Kunst als Basis für das Familienleben der Manheimers verstanden
werden.
Bertz weist darauf hin, dass in Berlin im Gegensatz zu anderen deutschen Städten
verhältnismäßig viele Porträts von jüdischen Familien entstanden sind. Sie führt dies
darauf zurück, dass in Berlin folgende nötige Bedingungen gegeben waren:
Künstler, die im Stande waren, diese nicht ganz einfache Aufgabe zu bewältigen, und zum anderen ein jüdisches Bürgertum, das die materiellen wie die kulturellen Voraussetzungen besaß, um ein solches Gemälde in Auftrag zu geben.310
305 Familienbilder. Selbstdarstellung im jüdischen Bürgertum. S. 22. 306 Ebd. S. 24. 307 Vgl. ebd. S. 25. 308 Ebd. S. 17. 309 Ebd. S. 25. 310 Ebd. S. 67f.
58
3.1.5 Ludwig Knaus „Familie Moritz Reichenheim“, 1866
Als letztes Beispiel eines Berliner Gemäldes wurde das Gemälde „Familie Moritz
Reichenheim“ (Abb. 8) von Ludwig Knaus aus dem Jahr 1866 ausgewählt. Es wurde in Öl
auf Leinwand ausgeführt und ist u. r. folgendermaßen bezeichnet: L. Knaus 1866. Die
Maße und der Verbleib des Gemäldes sind leider unbekannt.311 Es gilt als verschollen. Als
Abbildung wurde eine Fotografie des Gemäldes aus dem Archiv Brigitte Rechberg in
Wiesbaden verwendet.312 Diese ist nicht datiert.
Bei dem Gemälde handelt es sich erneut um eine Interieurszene. Diesmal ist der Raum
jedoch an den Seiten nicht begrenzt und durch den gedeckten Tee- oder Kaffeetisch in der
Raummitte deutlich als Wohnraum gekennzeichnet. Um den kleinen Tisch herum sind drei
Personen gruppiert. Die Frau sitzt vom Betrachter aus gesehen links am Tisch, der Mann
rechts. Hinter dem Tisch und der Frau steht ein junger Mann. Auf dem Schoß des älteren
Mannes sitzt ein Haustier, vermutlich ein kleiner Hund.
An der Rückwand des Zimmers befindet sich mittig ein Kamin, auf dessen Sims eine große
Uhr steht, die von zwei Vasen oder Amphoren gerahmt wird. Links und rechts vom Kamin
hängt jeweils ein großes Gemälde mit reich verziertem Rahmen. Bei dem linken Gemälde
könnte es sich um ein Historienbild oder eine Genreszene handeln, bei dem rechten
vermutlich um eine Landschaft. Links vom Kamin stehen zwei Stühle, auf der rechten
Seite ein Konsol- oder Schreibtisch mit einigen Gegenständen darauf. Der Boden des
Raumes ist über die gesamte Fläche mit Teppich ausgelegt. Es könnte sich um einen
orientalischen Teppich mit floralen Elementen handeln.
Die Frau sitzt auf einem gepolsterten Sessel mit Muster. Sie blickt ihren
gegenübersitzenden Mann an und hat ihren rechten Arm eng am Körper über den linken
gelegt. Ihr dunkles Samtkleid ist hoch geschlossen und am Ausschnitt und den Ärmeln mit
weißen Rüschen bzw. Manschetten verziert. Sie trägt eine Krinoline. Ihr glänzendes
dunkles Haar ist im Nacken vermutlich zu einem Knoten gebunden.
Ihr Mann sitzt auf einem Lehnstuhl und blickt sie an. Er trägt einen Anzug mit heller Hose,
hellem Hemd und dunkler Jacke sowie eine dunkle Krawatte. Seine dunklen Lederschuhe
glänzen. Das Haar ist hell, er trägt es mit Seitenscheitel und bis zum Ohr. Er hat seinen
311 Familienbilder. Selbstdarstellung im jüdischen Bürgertum. S. 115. 312 Die Qualität der Abbildung ist leider nicht besonders gut, so dass einige Details schwer zu erkennen sind.
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rechten Arm auf den Kaffeetisch gelegt. Mit der linken Hand scheint er das Tier an der
Brust zu halten oder zu kraulen.
Der junge Mann steht aufrecht hinter der Frau und hat seine rechte Hand auf deren
Sessellehne gelegt. Mit der linken Hand greift er an das Revers seiner Jacke oder seines
Gehrocks. Dies ist nicht genau zu erkennen. Er blickt den Betrachter direkt an und ist
frontal auf diesen ausgerichtet. Sein dunkles gewelltes Haar trägt er relativ kurz. Der
Anzug ist dunkel gehalten, es ist lediglich der Kragen seines weißen Hemds zu sehen.
Vermutlich trägt er darüber eine Weste.
Auf dem Kaffeetisch liegt eine gemusterte Tischdecke. Bei dem Geschirr handelt es sich
um Porzellangeschirr und Silberkannen, soweit dies zu erkennen ist.
Die kleine Familie wird bei einer alltäglichen Szene wiedergegeben. Ihr Wohnraum ist
detailliert geschildert. Durch die Gegenstände wird der Wohlstand der Familie verbildlicht.
Die sie umgebenden Gegenstände scheinen einen großen Stellenwert für sie zu besitzen.
Durch die Gemälde im Hintergrund wird auf einen gewissen Bildungsanspruch verwiesen.
Interessanterweise wird bei diesem Familienbild auch das Haustier abgebildet. Es scheint
eine wichtige Rolle innerhalb der Familie zu spielen und ist dem Vater zugeordnet. Der
Sohn wiederum steht nahe bei der Mutter. Keiner der Eltern nimmt Blickkontakt zu ihm
auf. Er schaut selbstbewusst aus dem Bild heraus. Bertz weist darauf hin, dass es sich bei
ihm um den Adoptivsohn der Familie, bzw. um den Neffen von Moritz Reichenheim
handelt.313 Wir haben es auch bei diesem Beispiel mit einer bürgerlichen Familie zu tun.
Reichenheim war laut Bertz Fabrikant und Stifter des Waisenhauses.314 Entgegengesetzt zu
dem Familienbild von Moser scheint hier dem Besitzanspruch ein größerer Wert als dem
Bildungsanspruch beigemessen zu werden. Zumindest werden viele repräsentative Möbel
und Dekorationsgegenstände dargestellt. Die Familienmitglieder sind zwar einander
zugewandt und nicht allzu deutlich voneinander getrennt, doch findet sich keine Geste der
Zärtlichkeit. Der Vater ist durch seine Haltung als Familienoberhaupt gekennzeichnet,
wohingegen die Mutter sich eher zurückzunehmen scheint und sich ganz ihrem Gatten
zuwendet.
313 Vgl. Familienbilder. Selbstdarstellung im jüdischen Bürgertum. S. 115. 314 Vgl. ebd.
60
Die Gruppierung von Familien um einen gedeckten Kaffeetisch war sowohl in der Malerei
als auch in der Fotografie beliebt. Peters beschreibt das Motiv der „Kaffeetafelszene“ als
genrehaften Rahmen315 für eine Familienfotografie.
Im anschließenden Kapitel finden sich Beispiele für Berliner fotografische Familienbilder.
3.2 Familienbilder in der Berliner Fotografie
In der fotohistorischen Literatur gibt es, soweit bekannt, bislang keine konkrete
Differenzierung der Formen von Familienporträts. Unterschieden wird in der Fotografie
zunächst zwischen Atelier-, Amateur-, Genre- und künstlerischer Fotografie. Innerhalb
dieser Formen gibt es, wie in der Malerei auch, Gattungen wie das Porträt, die Landschaft
und das Genre. Anstelle des Historienbildes treten in der Fotografie das historische Genre
und die sog. „Lebenden Bilder“. Für diese werden z.B. historische Gemälde mithilfe von
Statisten und Kulissen nachgestellt und dann fotografiert.
In diesem Kapitel gibt es eine Unterscheidung zwischen bürgerlichen und aristokratischen
Familienfotografien. Innerhalb dieser Gruppen wird teilweise weiter differenziert.
Ebenso wie in Kapitel 3.1 handelt es sich um eine exemplarische Darstellung. Als
Kriterium der Auswahl gilt erneut, dass in den Familienbildern zwei Generationen
dargestellt sein sollten. Es ist jedoch nicht nötig, dass beide Elternteile abgebildet sind. In
diesem Kapitel sind neben Mutter-Kind-Darstellungen auch Vater-Kind-Darstellungen
vertreten, da diese im Gegensatz zur Malerei mehrfach zu finden waren. Die Reihenfolge
der Beispiele erfolgt innerhalb der Klassifikationen der Unterkapitel chronologisch, um
eine Entwicklung des Familienbildes nachvollziehen zu können.
3.2.1 Bürgerliche Familienfotografien
In diesem Unterkapitel wird zwischen Darstellungen mit patriarchalischer Komposition,
Darstellungen ohne patriarchalische Komposition und zwischen Mutter-Kind-
Darstellungen unterschieden. In ersteren beiden Gruppen sind auch Vater-Kind-
315 Vgl. Peters, U.: Stilgeschichte der Fotografie. S. 73.
61
Darstellungen vertreten. Mutter-Kind-Darstellungen werden einzeln betrachtet, weil hier
der „pater familias“ keine Rolle spielt.
3.2.1.1 Darstellungen mit patriarchalischer Komposition
Innerhalb der bürgerlichen Familienfotografien sind häufig Darstellungen mit einem durch
die Komposition eindeutig zu identifizierenden Familienhaupt zu finden. Dieses kann
sowohl stehend als auch sitzend abgebildet sein.
Als erstes Beispiel wurde eine Fotografie aus dem Atelier C. Koch gewählt (Abb. 9). Das
Familienbild entstand nach 1865. Die Fotografie befindet sich in der Privatsammlung D.
Peters.
Dargestellt ist hier eine Kleinfamilie bestehend aus dem Vater, der Mutter und einer
Tochter. Im Zentrum des Bildes sitzt die Mutter auf einem Holzstuhl, dessen gedrechselte
Rückenlehne zu erkennen ist. Vom Betrachter aus gesehen rechts hinter ihr steht seitlich
ihr Mann. Das Mädchen befindet sich zwischen den am linken Bildrand angeschnittenen
kleinen runden Tisch und der Mutter. Alle Drei schauen den Betrachter direkt an. Sie
lächeln nicht, sondern wirken eher konzentriert und ernst.
Der Vater steht aufrecht da. Der einzige Bezugspunkt zwischen ihm und seiner Familie ist
die Hand an der Stuhllehne der Mutter, mit der er leicht ihre Schulter berührt. Sein Haar ist
sauber zur Seite gescheitelt und dort fest fixiert. Er trägt einen Backenbart. Sein Anzug
besteht aus einem dunklen Gehrock mit Hose in passendem Stoff und einer hellen Weste.
Darunter trägt er ein weißes Hemd mit dunkler Krawatte, deren Enden seitlich abstehen.
Die Passform des Anzugs wirkt unstimmig. Die weiten Ärmel des Gehrocks und die Weite
der Hose lassen ihn zu groß für den Mann erscheinen.
Die Mutter sitzt auf einem leicht zur linken Bildseite hin ausgerichteten Stuhl. Ihr
Oberkörper ist gerade, die Beine sind jedoch nach rechts zur Tochter hin gerückt, so dass
sie sich dieser zuwendet. Ihr Gesichtsausdruck wirkt beinahe etwas mürrisch. Die Augen
sind leicht verschattet und zeigen Anzeichen von Augenringen, was sie im Gegensatz zu
ihrem Mann ein wenig älter erscheinen lässt. Ihr glänzendes glattes Haar ist sauber
gescheitelt und das Kleid ist hochgeschlossen, so dass sie sehr sittsam erscheint. Mit ihrer
linken Hand hält sie die Hand des Mädchens, die auf ihrem Bein liegt. Die rechte Hand
ruht auf ihrem linken Handgelenk. Beide Hände werden somit körpernah auf ihrem Schoß
62
gebettet, was eine gewisse Ruhe ausstrahlt und ihre durch die sitzende Haltung angedeutete
Passivität betont. Sie trägt ein Kleid mit Krinoline.
Die Tochter reicht ihrem Vater bis an die Brust und steht wie er auch aufrecht da. Ihr Haar
ist wie das der Mutter in der Mitte gescheitelt, es scheint jedoch heller zu sein. Sie trägt ein
kariertes dreiviertellanges Kleid mit kurzen Ärmeln und einer hoch angesetzten Taille. Zur
Verzierung sind an einigen Stellen Falten und Schleifen aus dem Kleiderstoff angebracht.
Um den Hals scheint sie ein dunkles Band mit einem Anhänger zu tragen. Dieser ist jedoch
nicht zu erkennen. Sie wirkt durch ihre Haltung selbstbewusst, vor allem im Gegensatz zu
der eher zurückhaltenden Pose der Mutter.
Die Kleidung der Familie ist dem Anlass entsprechend ausgewählt, ist ordentlich und
mutet adrett an. Es scheint sich um einfache Stoffe und Schnitte zu handeln. Die Frau trägt
keinen Schmuck.
Der Atelierhintergrund besteht aus einer hellen Wand, an der am linken Bildteil ein
bodenlanger Vorhang mit Quasten drapiert ist. Der Dielenboden ist nur im hinteren
Bereich zu erkennen. Er ist mit einem gemusterten Teppich verdeckt.
Bei dieser Familienfotografie handelt es sich um ein typisches bürgerliches Porträt. Die
Familie scheint aufgrund der Kleidung zum Kleinbürgertum zu zählen. Starl weist
daraufhin, dass diese Art der Darstellungsform nach dem Aufkommen der Visitkartenmode
üblich war. Er beschreibt diesen gängigen Typus wie folgt:
Vorgeherrscht hatte das ›Ganzporträt‹ im Halbprofil vor einem meist einfarbigen Hintergrund, stehend neben einem Tisch, Stuhl, einer Säulen- oder Geländerattrappe, bestenfalls noch um einen gerafften Vorhang ergänzt.316
In dem erwähnten Beispiel werden die Personen zwar nicht im Halbprofil dargestellt, doch
die Beschreibung des Atelierraums ist sehr zutreffend. Entscheidend ist, dass es sich um
keine besondere Ausstaffierung, sondern um eine eher schlichte, auf die nötigsten Attribute
einer repräsentativen Fotografie reduzierte Darstellung handelt. Diese kann als
stellvertretend für Familienfotografien aus einem weniger exklusiven Atelier gelten, die
dort jeden Tag in vermutlich großer Zahl hergestellt wurden.
Das zweite Beispiel ist eine Fotografie aus dem Atelier Leopold Minzloff (Abb. 10). Sie ist
nach 1889 entstanden, was der Aufdruck der Silbernen Medaille der Berliner
316 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 31.
63
Jubiläumsausstellung von 1889 zeigt. Minzloff weist sich auf der Rückseite als
akademischer Maler und Fotograf aus. Die Fotografie befindet sich in der Sammlung des
Vereins für die Geschichte Berlins.
Bei der Darstellung handelt es sich um eine Porträtvignette. Das Familienbild zeigt eine
Familie mit Vater, Mutter und einem Kleinkind.
Im Bildmittelpunkt steht der Vater. Vor ihm sitzt seine Frau auf einem schräg ins Bild
gerückten Stuhl. Neben ihr sitzt das kleine Kind auf einem Tisch und hat seine rechte Hand
auf ein Holzpferdchen gelegt, was darauf hinweisen könnte, dass es sich um einen Jungen
handelt. Hinter der Familie deutet sich in der rechten unteren Bildhälfte schemenhaft ein
gemalter Hintergrund mit Balustrade und Efeuranken oder einer anderen Pflanze an.
Ansonsten ist der Hintergrund einfarbig hell gehalten. Die Vignette wird dadurch nur im
unteren Bereich der Fotografie deutlich wahrgenommen. Die beiden Möbelstücke, Tisch
und Stuhl, sind aufwendig verziert und filigran gearbeitet.
Der Vater steht aufrecht hinter seiner Familie und blickt an dem Betrachter vorbei. Sein
Haar trägt er sehr kurz. Markant ist der Schnurrbart, dessen Enden noch oben gebogen
sind. Der dunkle Gehrock ist geöffnet, so dass die Weste sichtbar wird. Der Dreiteiler
scheint aus einem Stoff gefertigt zu sein. Über dem weißen Hemd und Vatermörder sind
die Enden der dunklen Krawatte sauber untergeschlagen.
Die Mutter sitzt schräg im Bild, ihre Beine sind dem Tisch und somit ihrem Kind
zugewandt. Ihr linkes Bein ist über das rechte geschlagen. In Ergänzung dazu ist ihre linke
Hand auf das rechte Bein gelegt. Ihre rechte Hand stützt das vor ihr auf dem Tisch sitzende
Kind. Sie blickt direkt in Richtung des Betrachters und ihre Augen sind weit geöffnet,
beinahe aufgerissen. Ihr dunkles, leicht gelocktes Haar scheint am Hinterkopf zu einem
Knoten gesteckt zu sein. Sie trägt eine weiße Bluse mit schwarzen Längsstreifen und einen
langen dunklen Rock. Die Bluse ist hoch geschlossen und hat unterhalb des Kragens eine
Schleife oder Blüte aus dem Blusenstoff.
Das Kind ist noch so klein, dass es gestützt werden muss. Es schaut den Betrachter
dennoch direkt an. Unter dem langen weißen Kleid schaut der rechte Fuß hervor. Das
Kleid hat einen großen aufgeschlagenen Kragen, der über die Schultern reicht. Vor der
Brust und am Saum ist es mit einer Musterbordüre verziert. Das Haar des Kindes ist noch
recht dünn und kurz. Am Hinterkopf steht es leicht ab.
64
Bei der Familie scheint es sich, der Kleidung nach zu urteilen, um eine wohlhabende
bürgerliche Familie zu handeln. Die Komposition ist in Form der sog. patriarchalen
Pyramide aufgebaut. An deren Spitze steht als Familienoberhaupt der Vater. Die Geste
seines linken Armes könnte als schützend, aber auch als besitzergreifend ausgelegt werden.
Er präsentiert sich selbstbewusst und standesgemäß. Starl schreibt zu dieser Betonung von
Souveränität:
Besonders in den Familienbildnissen agierte der Mann als dominante Figur, der den Zusammenhalt der kleinsten gesellschaftlichen Einheit garantierte und somit die Basis für eine allgemeine soziale Stabilität schuf.317
An diesem Beispiel wird die Dominanz des Mannes sehr deutlich. Er ist als
Familienoberhaupt gekennzeichnet, Gesten der Zuneigung oder Zärtlichkeit werden jedoch
nicht dargestellt. Starl weist im Zusammenhang mit Kinderdarstellungen darauf hin, dass
es in seltenen Fällen zu einem Kontakt mit der Mutter komme.318 Darauf wird im
Folgenden noch einzugehen sein.
Die dritte Familienfotografie stammt von Otto Becker & Maass (Abb. 11) und entstand um
1893. Sie befindet sich in der Privatsammlung Einholz.
Es handelt sich um eine Darstellung eines Vaters mit seinen fünf Kindern. Der Vater steht
vor einem gemalten Hintergrund, der einen Wald darstellt. Vor ihm ist mit Baumstümpfen
und Pflanzen bzw. Blattwerk eine kleine Waldlandschaft nachempfunden. Unter einem
Überwurf sind unterschiedlich hohe Podeste arrangiert, auf denen vier der Kinder sitzen.
Das fünfte Kind, ein Junge, steht mit dem Rücken zum Betrachter am linken Bildrand.
Sein Profil ist durch eine leichte Drehung nach rechts zu erkennen. Er sieht seinen Vater an
während die anderen Kinder alle aufmerksam zum Betrachter blicken. Die Kinderschar
besteht der Kleidung nach zu urteilen aus zwei Mädchen und drei Jungen. Erstere tragen
Kleider, letztere Matrosenanzüge.
Neben der geschilderten Waldkulisse befinden sich einige Spielzeuge als Attribute in der
Szene. Im vorderen Bereich liegt eine Miniaturgießkanne auf dem imitierten Waldboden.
Den beiden Jungen auf der rechten Bildseite sind ein Holzpferd und ein Leiterwagen
beigegeben. Das Mädchen in der Mitte des Bildes trägt einen kleinen Korb über ihrem
317 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 37. 318 Ebd. S. 39.
65
linken Arm. Dieser erzeugt den Eindruck, dass es sich bei dieser Szene um einen Ausflug
handelt. Über ihr sitzt ein Mädchen mit einem Teddybär oder eine Puppe in den Händen.
Sie befindet sich direkt vor dem Vater. Dieser steht aufrecht und blickt selbstbewusst am
Betrachter vorbei. Sein rechter Arm ist hinter der Tochter angewinkelt, der linke dagegen
ausgestreckt und auf einen Ast bzw. eine Latte gestützt. Diese Armbewegungen
unterstützen die Form der Pyramide, die durch die hohe Gestalt des Vaters und die
Verteilung der Kinder auf einer breiten, sich in der Höhe verjüngenden Basis erzeugt wird.
Wie bei dem vorherigen Beispiel dient diese Komposition dazu, die patriarchale Rolle des
Vaters zu betonen. Am linken Bildrand gerät sie allerdings durch die Figur des Jungen
etwas aus dem Gleichgewicht. Vermutlich ist er der älteste Sohn. Im Gegensatz zu seinen
Geschwistern wurde ihm kein Spielzeug zugeordnet. Er hat seinen rechten Arm hinter den
Rücken gelegt.
Da kein Körperkontakt zwischen den einzelnen Personen besteht, wirken diese trotz der
verbindenden Komposition vereinzelt und isoliert. Dieser Effekt verstärkt sich noch durch
das grundlegend verschiedene Aussehen der Kinder. Man könnte daher beinahe vermuten,
dass es sich nicht um Geschwisterkinder, sondern um befreundete Kinder handelt. Der
Vater scheint keinen direkten Bezug zu seinen Kindern zu haben. Das Mädchen in der
Mitte des Bildes scheint ein wenig verschüchtert zu sein, während die anderen Kinder eher
irritiert oder erwartungsvoll in die Kamera schauen. Obwohl das Verhältnis zwischen dem
Vater und seinen Nachkommen nicht als innig oder gar zärtlich dargestellt wird, ist es
bemerkenswert, dass er sich mit seinen Kindern ohne die Mutter in ein Atelier begeben hat.
Die Gründe dafür sind leider unbekannt. In der Aufnahme wird keine Zuneigung kenntlich
gemacht, doch es spricht ein gewisser Stolz des Vaters aus der Darstellung. Wie bereits in
Kapitel 2.1 erwähnt, waren Repräsentation und standesgemäßes Auftreten gewünscht.
Jäger weist in seiner Publikation zur Gesellschaft und Fotografie darauf hin, dass
Fotografien von Vätern mit Kindern zu den seltensten Motiven der frühen Fotografie
zählten.319 Er bezieht sich hierbei wohl vor allem auf Daguerreotypien.
In den Privatsammlungen Einholz und D. Peters sowie der Sammlung des Vereins für die
Geschichte Berlins konnten sechs Vater-Kind-Darstellungen gezählt werden.
Demgegenüber stehen 28 Mutter-Kind-Darstellungen. Diese Beispiele sind jedoch nicht zu
319 Jäger, J.: Gesellschaft und Photographie. S. 166.
66
den frühen Fotografien zu zählen. Innerhalb des betrachteten Konvoluts treten Fotografien
von Vätern mit ihren Kindern zwar weniger häufig auf als Fotografien von Müttern mit
ihren Kindern, es sind aber nicht so wenige, wie man zunächst vielleicht vermutete. Es
wäre interessant, zu untersuchen, ob Vater-Kind-Darstellungen gegen Ende des 19.
Jahrhunderts tendenziell zunehmen. Sie scheinen jedenfalls salonfähig und nicht unüblich
zu sein, was die aufwendige Komposition des letzten Beispiels zeigt.
Weitere Beispiele für eindeutig patriarchale Kompositionen werden im Kapitel 3.3.1 im
Vergleich mit Gemälden gegeben.
3.2.1.2 Darstellungen ohne patriarchalische Komposition
Wie bereits erwähnt sollen hier Beispiele vorgestellt werden, in denen kompositorisch auf
eine extreme Betonung der Vaterfigur verzichtet wurde.
Bei der Fotografie von Theodor Prümm (Abb. 12) handelt es sich um die Darstellung eines
Vaters mit seinen zwei Kindern, einem Mädchen und einem Jungen. Laut
handschriftlichem Vermerk auf der Rückseite, entstand die Aufnahme im Februar 1882.
Sie befindet sich in der Privatsammlung D. Peters.
Die Fotografie ist vignettiert und der einfarbige Hintergrund sehr hell gehalten, so dass die
Figuren besonders hervorgehoben werden. Der Vater scheint auf einem schräg ins Bild
gerückten Stuhl zu sitzen, dessen Lehne schemenhaft zu erkennen ist. Links von ihm steht
der Sohn, der sich nach hinten an den Vater anlehnt. Rechts neben dem Vater sitzt auf
einem mit einer gemusterten Decke behangenen Podest die kleine Tochter. Alle drei
Figuren blicken am Betrachter vorbei.
Beide Kinder haben Spielzeuge in ihren Händen. Das Mädchen hat ein Holzpferd auf dem
Schoß, an dem ein Leiterwagen hängt, der auf dem Podest aufliegt. Der Junge scheint eine
Angel zu halten.
Die Kleidung der Kinder ist als solche gekennzeichnet. Der Anzug des Jungen erinnert mit
der kurzen Hose und dem großen Jackenkragen ein wenig an einen Matrosenanzug. Die
Kette an seiner Jacke mutet allerdings bereits wie eine Uhrenkette an, was eine Verbindung
zu dem Vater herstellt, dessen Uhrenkette unter dem geöffneten Gehrock zu erkennen ist.
Das Mädchen trägt ein dreiviertellanges Kleid, so dass ihre geknöpften Stiefel zu sehen
sind.
67
Das Besondere an dieser Fotografie ist der enge Kontakt zwischen dem Vater und seinen
Kindern. Er hält beide im Arm und es fällt auf, dass sich der Junge vertrauensvoll an ihn
schmiegt. Durch die gemeinsame Blickrichtung der Familienmitglieder wird der
harmonische Eindruck betont. Im Gegensatz zu dem vorigen Beispiel von Otto Becker &
Maass, wird hier mit wenigen Mitteln deutlich gemacht, dass es sich um eine Familie
handelt. Der Vater scheint keinen Wert auf gesteigerte Autoritätsbekundungen zu legen,
seine Rolle ist eher die eines gütigen Beschützers. An Autorität büßt er dennoch nichts ein.
Wie bereits erwähnt, befinden sich in den betrachteten fotografischen Privatsammlungen
einige Vater-Kind-Darstellungen. Erstaunlicherweise konnte in der Berliner Malerei des
19. Jahrhunderts nur ein einziges Gemälde ausgemacht werden, dass einen Mann mit
einem Kind zeigt. Bei diesem Gemälde handelt es sich um eine Genreszene von Julius
Ehrentraut mit dem Titel „Bauer mit Kind“ (Abb. 13). Es entstand um 1900 und befindet
sich in der Sammlung des Museum Folkwang Essen. Im Folgenden wird es nicht weiter
berücksichtigt, soll aber wenigstens genannt werden.
Das zweite Beispiel wurde in dem Atelier der „KÖNIGL. HOF-PHOTOGRAPHEN“
Reichard & Lindner aufgenommen (Abb. 14). Die Fotografie stammt aus dem Jahr
1890.320 Sie befindet sich in der Privatsammlung D. Peters.
Auf dem Familienbild sind der Vater, eine erwachsene Frau321 sowie ein Mädchen im
Jugendalter und ein Junge dargestellt. Der Hintergrund ist einfarbig hell gehalten. Am
rechten Bildrand ist ein kleiner runder Tisch zu sehen, über den eine gemusterte
Tischdecke gelegt ist. Vom Betrachter aus gesehen links davon, sitzt der Vater auf einem
Stuhl, von dem außer einem winzigen Stück Rückenlehne nichts zu erkennen ist. Hinter
dem Vater steht, zur Bildmitte hin versetzt, eine junge Frau. Beide blicken nach links aus
dem Bild am Betrachter vorbei. Neben ihr steht das etwas kleinere Mädchen. Direkt vor ihr
sitzt der jüngere Bruder auf dem rechten Knie bzw. Bein des Vaters. Die Kinder blicken im
Gegensatz zu den Erwachsenen direkt zum Betrachter. Alle vier Personen sind dicht
320 Alle Angaben wurden den Aufdrucken der Kartonvorder- u. Rückseite entnommen. 321 Bei der erwachsenen Frauenfigur könnte es sich um eine ältere Tochter oder die Mutter handeln. Da dies jedoch unsicher ist, wird sie im Folgenden als Erwachsene behandelt. In dieser Betrachtung liegt das Hauptaugenmerk auf der Vaterfigur, so dass es keinen wesentlichen Unterschied macht, ob es sich bei der Frau um seine Ehefrau oder Tochter handelt.
68
zusammengerückt. Der Junge fungiert als Bindeglied im Zentrum der Darstellung. Sowohl
die Schwester als auch der Vater berühren ihn.
Durch ihre Kleidung sind die Erwachsenen deutlich von den Kindern zu unterscheiden. Sie
tragen sehr dunkle Kleidung, während die Kinder überwiegend hell gekleidet sind. Da
beide weiblichen Personen stehen, Vater und Sohn hingegen beide sitzen, findet über diese
gemeinsame Haltung eine Zuordnung statt. Die Geschlechter werden so voneinander
getrennt. Die Familie wird dennoch durch das enge Beieinander und die Berührungen als
eine Einheit begriffen. Keine der Personen lächelt, sie machen aber keinen strengen,
sondern eher einen freundlichen Eindruck. Obwohl der Vater im Gegensatz zu den
weiblichen Familienmitgliedern sitzt, ist er nicht patriarchalisch inszeniert, sondern wird
durch den engen körperlichen Bezug zu seinem Sohn harmonisch in das Familienbild
integriert.
Die Aufnahme ist im unteren Bereich leicht vignettiert, so dass es sich bei den
Darstellungen des sitzenden Vaters und des Sohnes um Kniestücke handelt.
Durch die Kleidung lässt sich auf einen bürgerlichen Hintergrund schließen.
Bei dem dritten Beispiel handelt es sich um eine Fotografie aus dem Atelier Emil Lampe
(Abb. 15). Sie wurde um 1900 aufgenommen und befindet sich in der Privatsammlung
Einholz.
Auf der Fotografie ist lediglich die Kleinfamilie mit Vater, Mutter und Sohn abgebildet.
Auf schmückende Elemente wurde verzichtet. Der Hintergrund ist einfarbig und eher
dunkel gehalten.
Die drei Personen werden nebeneinander dargestellt. Sie sind beinahe gleich groß. Der
Vater ist ein wenig größer als sein Sohn, der wiederum ein bisschen größer als seine
Mutter ist. Während der Sohn frontal ausgerichtet ist, wenden sich seine Eltern ihm von
den Bildseiten her zu und wirken somit als Rahmen.
Die nüchtern sachliche Darstellung der Familie mutet durch die Aufreihung vor
einfarbigem Hintergrund ein wenig kurios an. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass über
ihren Köpfen sehr viel Raum frei gelassen wurde. Sie sind als Brustbilder fotografiert.
Ihre Kleidung weist sie als Angehörige des wohlhabenden Bürgertums aus. Die korpulente
Vaterfigur mutet als Paradebeispiel für einen wohlgenährten Bürger der Gründerzeit an.
69
Bei den beiden letzten Beispielen handelt es sich um Aufnahmen, die am Übergang vom
19. zum 20. Jahrhundert aufgenommen wurden. Diese Tatsache könnte eine Erklärung für
die Art der Komposition sein, die im Gegensatz zu anderen Fotografien Mann und Frau
eher gleichwertig nebeneinander darstellt.
3.2.1.3 Mutter-Kind-Darstellungen
In diesem Kapitel wird die Rolle der Mutter ins Zentrum gerückt und genauer beleuchtet.
Mutter-Kind-Darstellungen waren, wie bereits erwähnt, häufiger als Vater-Kind-
Darstellungen. Dies erklärt sich dadurch, dass die Rolle der Frau vorsah, sich um die
Pflege der Kinder zu kümmern. Im Gegensatz zu ihrem Mann war sie dem häuslichen
Bereich zugeordnet.322 Im Folgenden werden drei Fotografien von Müttern mit ihrem Kind
oder mehreren Kindern präsentiert. Sitzende und stehende Posen sind in dem betrachteten
Konvolut gleichermaßen vertreten.
Das erste Beispiel zeigt eine Fotografie Otto Lindners (Abb. 16) aus dem Jahr 1871. Sie
befindet sich in der Privatsammlung Einholz.
Es handelt sich um eine recht schlichte Darstellung einer Mutter mit ihrem Säugling. Sie
sitzt auf einem Polsterstuhl und hält ihr Kind im Arm. Der linke Fuß scheint auf einem
Hocker oder einer Fußbank zu stehen, da ihr linkes Bein deutlich höher positioniert ist als
das rechte, und das Kleid in diesem Bereich nicht den Fußboden berührt. Beide schauen
direkt in die Kamera.
Bei der Atelierausstattung handelt es sich um einen einfarbigen hellen Hintergrund und ein
Mosaikbodenimitat oder einen Teppich mit sternförmigem Muster. Am Übergang zu dem
Hintergrund ist der ursprüngliche Boden zu erkennen. In der Mitte des Sterns am
Fußboden befindet sich der schräg ins Bild gestellte Polsterstuhl. An seiner rechten Seite
ist eine Quaste als Schmuckelement angebracht. Am linken Bildrand befindet sich über die
gesamte Bildhöhe des Hintergrunds ein länglicher Schatten. Es ist nicht zu erkennen,
worum es sich hierbei handelt. Im oberen Bereich könnte sich eine große Quaste
322 Vgl. Kap. 1.2.
70
abzeichnen. Dieser Schatten und der unzureichend verdeckte Übergang des
Fußbodenbelags erscheinen ein wenig unprofessionell.
Eine Lichtquelle, die aus dem hinteren, vom Betrachter aus gesehen linken Bereich strahlt,
lässt im vorderen Bereich zur rechten Seite hin Schatten entstehen.
Die Mutter trägt ein Krinolinenkleid, das vor der Brust geknöpft ist. An den
dreiviertellangen Trompetenärmeln ist der Stoff zu Rüschen gelegt. Es hat einen relativ
hohen Ausschnitt, ist aber nicht hoch geschlossen. Ihr Haar ist am Hinterkopf
hochgesteckt. In ihrem Gesicht zeichnet sich ein sanfter Ausdruck ab.
Der Säugling trägt ein sehr langes Kleid, das ein wenig wie ein Taufkleid anmutet. Ihm
wurde ein weißer Latz umgebunden.
Diese Mutter-Kind-Darstellung ist als friedvoll zu bezeichnen. Die Mutter wird ihrer
fürsorgenden Rolle gerecht. Sie ist zwar der damaligen Mode entsprechend gekleidet, es
scheint sich jedoch nicht um besonders erlesene, sondern eher einfache Stoffe zu handeln.
Sie ist vermutlich dem Kleinbürgertum zuzurechnen.
Bei dem nächsten Beispiel handelt es sich um eine Fotografie der Gebrüder Beyer (Abb.
17). Sie ist nach 1886 entstanden und befindet sich in der Privatsammlung Einholz.
Es ist eine Mutter mit ihren beiden erwachsenen Töchtern abgebildet. Die ältere Frau sitzt
mittig auf einem schräg ins Bild gerückten Stuhl und wird von ihren stehenden Kindern
gerahmt. Die Aufnahme wird in ihrer gesamten Breite von den Figuren und zwei
Möbelstücken ausgefüllt. Am linken Bildrand ist ein Sekretär angeschnitten, am rechten
Bildrand ist ein Teil eines kleinen Tisches zu sehen. Darüber liegt eine gemusterte Decke.
Es wirkt beinahe so, als hätten sich die drei Frauen zwischen die Möbel drängen müssen,
um Platz zu finden.
Im Zentrum des Bildes befindet sich die Mutter. Sie unterscheidet sich nicht nur durch ihre
Pose, sondern auch durch ihre Kleidung von den Töchtern. Ihre Hände sind im Schoß
gebettet und halten ein kleines Buch. Sie scheint es gerade aufschlagen zu wollen, denn der
Deckel ist bereits angehoben. Ihre Haare sind am Hinterkopf unter einer dunklen Haube
verborgen. Das dunkle Kleid ist zweiteilig. Es besteht aus einer langen Jacke, die hoch
geschlossen und vorne geknöpft ist und einem Rock. Über oder an der Jacke ist ein
Spitzenkragen angebracht, der mit einer runden Brosche verziert ist. Es kann sein, dass sie
71
Trauerkleidung trägt. Damals war schwarze Kleidung jedoch üblich, was sich auch an der
Kleidung der Töchter zeigt, so dass ein Trauerfall lediglich vermutet werden kann. Keine
der Frauen trägt mehr eine Krinoline, sondern Turnüre. Dies ist vor allem bei dem Kleid
am rechten Bildrand zu erkennen.
Die Töchter stehen aufrecht hinter ihrer Mutter. Beide haben ihren äußeren Arm
angewinkelt und halten ihre Hand dicht vor ihrem Körper. Die anderen Arme sind hinter,
bzw. an der Stuhllehne aufgestützt. Beide tragen dunkle aufwendig gestaltete Kleider, die
hoch geschlossen sind. Die Tochter links im Bild trägt einen gemusterten schimmernden
Stoff mit kleinen Knöpfen, das Kleid der Tochter rechts im Bild hat Applikationen mit
Lochstickerei. Auch Schmuck ist gut zu erkennen. An den Handgelenken der sichtbaren
Hände tragen die Töchter beinahe identische Armketten. Die Tochter in der linken
Bildhälfte trägt an dem kleinen Stehkragen ihres Kleides eine Kette. Ihre Schwester scheint
an oder über ihrem Kleid ein Collier aus Perlen sowie eine runde Brosche zu tragen. An
dem Kleid ist eine Kette befestigt. Ihre Hand verdeckt diese jedoch zu Teilen, so dass nicht
zu erkennen ist, ob ein Anhänger dazu gehört.
Die Blicke der drei Frauen gehen am Betrachter vorbei. Sie wirken ernst und scheinen sehr
auf eine würdevolle Darstellung bedacht zu sein. Durch ihre Posen muten die jüngeren
Frauen im Gegensatz zu ihrer Mutter aktiver und lebendiger an als diese. Sie zollen ihrer
Mutter Respekt, erzeugen durch die Gesten ihrer Arme jedoch auch den Eindruck, als
würden sie diese schützen. Aufgrund der Kleidung und des Schmucks sind die
Dargestellten dem wohlhabenden Bürgertum zuzuordnen.
Auf dieser Fotografie ist die Mutter mit einem Buch abgebildet. Bücher galten laut Lorenz
als „biedermeierliche Insignien der Häuslichkeit“323, wurden jedoch auch als Verweis auf
den bürgerlichen Bildungsanspruch verstanden. 324 Die häufig kleinformatigen Bücher, die
Frauen auf Fotografien als Attribute zugeordnet werden, erinnern ein wenig an
Stundenbücher.
323 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 249. 324 Vgl. Breymayer, U.: Geordnete Verhältnisse. S. 43.
72
Das dritte Beispiel ist eine Fotografie des Hof-Fotografen325 Albert Meyer. Sie entstand
nach 1885 und zählt zu der Privatsammlung Einholz (Abb. 18). Auf der Rückseite wurde
handschriftlich vermerkt, welche Personen dargestellt sind: „Ama Massbach mit Tochter
Eva“.
Diese wurden, wie bei dem Beispiel des Vaters mit den fünf Kindern (Abb. 11), in einer
simulierten Waldumgebung aufgenommen. Diese Atmosphäre wird hier ebenfalls durch
einen gemalten Hintergrund sowie Astwerk erzeugt, fällt aber wesentlich reduzierter und
einfacher aus und ist deutlicher als Staffage zu erkennen. So wurde der einfarbig helle
Fußboden nicht dekoriert und hebt sich dadurch von der Rückwand hervor. Es könnte sich
bei diesem Beispiel auch um eine Parkszene handeln, da die Szenerie für eine
Waldlandschaft einen etwas zu aufgeräumten Eindruck macht.
Die Mutter ist stehend als Ganzfigur im Profil aufgenommen. Ihre kleine Tochter steht
rechts von ihr im Bild und ist frontal auf den Betrachter ausgerichtet. Beide tragen helle
Kleider und Hüte. Das Kleid der Frau ist bodenlang und hat eine kleine Schleppe
angedeutet. Es ist hochgeschlossen und in der Brustpartie mit Volants verziert. Die Taille
ist hoch angesetzt, der Rock zeigt weder Krinoline noch Turnüre, sondern fällt locker zu
Boden. Der runde Hut ist sehr flach und mit Blüten und Bändern verziert. Ihr Haar ist am
Hinterkopf hochgesteckt. Der kurze Pony fällt gelockt über die Stirn. In ihrer rechten Hand
hält sie einen weißen Sonnenschirm und ein weißes Spitzentaschentuch. Ihre gesamte
Erscheinung ist sehr elegant. An ihrer rechten Hand trägt sie einen Ehering. Die weiße
elegante Kleidung erzeugt einen Eindruck von Reinheit und Sittlichkeit, der durch ihre
aufrechte Haltung unterstützt wird.
Ihre kleine Tochter reicht ihr ohne Hut gerade bis an den Bauch. Sie trägt ein kurzes
weißes Matrosenkleid mit blauem Schultertuch, weiße Schuhe und einen großen Strohhut.
Das hellblonde Haar reicht ihr bis an die Schulter. Sie blickt aufmerksam in die Kamera
und hält sich mit ihrer linken Hand an der Astkonstruktion fest. Im Fall des kleinen
Mädchens verweist die Farbe Weiß auf ihre Unschuld. Diese wurde bei
Kinderdarstellungen häufig betont – z.B. durch die Präsentation von unbekleideten
325 Lt. Rückseite: „Hof-Photograph Sr. Majestät d. Königs Albert v. Sachsen, Sr. H. d. Herzogs v. Sachsen-Meiningen, Sr. H. d. v. Sachsen-Altenburg.“
73
Kleinkindern auf einem weißen Fell. In Kombination mit der durchgehend weißen
Kleidung der Mutter wirkt die Farbwahl im Ganzen jedoch etwas bemüht.
Der Sonnenschirm und die Hüte verweisen auf eine Ausflugssituation und verdeutlichen,
dass es sich hier um den sog. „Sonntagsstaat“ handelt. Kleidung und Accessoires sprechen
dafür, dass Mutter und Tochter dem wohlhabenden Bürgertum angehören. Sie präsentieren
sich standesgemäß und stolz.
Im Kapitel 3.3.2 werden weitere Beispiele für Mutter-Kind-Darstellungen vorgestellt und
mit Gemälden verglichen.
3.2.2 Aristokratische Familienfotografien
In diese Gruppe fallen Fotografien von Personen, die der Aristokratie angehörten. Sie sind
zwar zum Teil ebenfalls in bürgerlicher Pose aufgenommen worden, werden hier aber
dennoch gesondert betrachtet, da ihrer bürgerlichen Darstellung eine andere Bedeutung als
der von Bürgern beizumessen ist.
Die erste Fotografie stammt aus dem Atelier der Photographischen Gesellschaft und
entstand um 1866. Sie befindet sich in einer Berliner Privatsammlung (Abb. 19).
Bei den Dargestellten handelt es sich um die Familie des Kronprinzen Friedrich, des
späteren Deutschen Kaisers Friedrich III., und seiner Frau Victoria. Unter den vier Kindern
ist auch der spätere Deutsche Kaiser Wilhelm II.
Kronprinz Friedrich präsentiert sich hier deutlich als Familienoberhaupt. Als Komposition
wird hier die bereits in Kapitel 3.2.1.1 beschriebene, patriarchale Pyramide verwendet. Der
Vater hält auf seinem rechten Arm das jüngste Kind, ein Mädchen. Vor ihm sitzt seine
Frau schräg ihm Bild. Rechts hinter ihr steht der älteste Sohn, der spätere Thronfolger. Am
rechten Bildrand steht ein Tisch, auf dem der jüngere Sohn sitzt. Vor diesem sitzt die
älteste Tochter auf einem gepolsterten Fußschemel. Bis auf das älteste und das jüngste
Kind blicken alle Familienmitglieder direkt den Betrachter an.
Der Vater trägt einen dreiteiligen Anzug, die Jacke ist geöffnet. Sein Haar ist zur Seite hin
gescheitelt und der Vollbart mit ausrasiertem Kinn ordentlich frisiert. Die Mutter trägt ein
Krinolinenkleid mit weit ausladendem Rock und aufwendigen Verzierungen, unter
74
anderem einen samtenen Saum und Spitzen. Über dem Kleid trägt sie eine gemusterte
Mantille. Ihr dunkles Haar wird von einer hellen Haube verdeckt, die mit Bändern verziert
ist. Die Kleidung der Frau sticht im Gegensatz zu den eher einfacheren Formen der
Kleidung der übrigen Familienmitglieder hervor. Es handelt sich zwar um hochwertige
Stoffe und aufwendige Verarbeitung, doch um ein für ihre Verhältnisse vermutlich
alltägliches Kleid.
Das jüngere Mädchen hat noch relativ kurzes helles Haar. Sie trägt ein dunkles samtenes
Trägerkleidchen über einer kurzärmeligen weißen Bluse, ihre ältere Schwester ein weißes
kurzärmeliges Kleid unter dem der Unterrock hervorschaut. Sie trägt einen Mittelscheitel
und die Haare zum Zopf. Die Brüder tragen Anzüge mit kurzen Hosen und bereits
Krawatte. Ihre Frisuren ähneln stark der ihres Vaters. Hier fällt wieder einmal auf, dass die
Kinder bereits sehr früh wie kleine Erwachsene angezogen wurden.
Interessant an dieser Fotografie sind die Beziehungen der einzelnen Familienmitglieder
zueinander. Während der Vater sich um das kleinste der Kinder kümmert, ist die Mutter
den beiden etwas älteren zugewendet und berührt beide. Nur der älteste Sohn wird nicht
berührt. Er ist derjenige, der den Kontakt zu seiner Mutter aufnimmt, indem er sich an sie
anlehnt. Doch sie wendet ihm den Rücken zu. Dies betont seinen Sonderstatus als ältesten
Sohn und Erbfolger. Desweiteren gilt zu beachten, dass das Kronprinzenpaar zwar
würdevoll und repräsentativ abgelichtet wurde, doch auf Standesbezeugungen wie Orden
o.ä. gänzlich verzichtet wurde. Sie präsentieren sich in einer bürgerlichen Pose.
Starl weist darauf hin, dass sich führende Repräsentanten der regierenden Häuser gerne
fotografieren und sich wie Bürgerliche abbilden ließen. Damit würden sie den neuen
gesellschaftlichen Konstellationen Tribut zollen.326 Lorenz verwendet in Zusammenhang
mit der Verbürgerlichung von gemalten aristokratischen Familienbildern den Begriff der
kaschierten Dynastie. Sie schreibt dazu:
Indem man in der Darstellung eines Herrscherhauses auf einen Wert wie das Familienleben rekuriert, dies eben nicht im Sinne dynastischer Folge, sondern als humanen Grundwert, paßt man sich in Ethos und irrationalen Bindungen an die noch unangefochtenen Ideale des aufstrebenden Bürgertums an, ein Prozeß, der von Schoch als eine frühe Form der Propaganda bezeichnet wird.327
326 Vgl. Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 29. 327 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 188.
75
Fotografien der Kaiserfamilie wurden als Sammelfoto hergestellt und von Ateliers oder
Verlagen zum Verkauf angeboten. Sie fanden eine große Verbreitung. Die bürgerliche
Kundschaft konnte diese Fotografien in ihr Familienalbum einreihen und somit einen
Kontext zwischen sich und dem Herrscherhaus herstellen.
Das zweite Beispiel zeigt die Fotografie eines anonymen Fotografen (Abb. 20). Sie ist ca.
1882 entstanden und befindet sich in der Sammlung Einholz.
Auf ihr sind vier Generationen der deutschen Kaiserfamilie zu sehen. In der Mitte des
Bildes sitzt Kaiser Wilhelm I. und hält seinen Urenkel, den Kronprinzen Wilhelm auf dem
Schoß. Er wurde 1882 geboren, so dass die Fotografie vermutlich aus diesem Jahr stammt.
In der linken Bildhälfte steht der spätere Kaiser Friedrich III., in der rechten sein Sohn, der
spätere Kaiser Wilhelm II. Die Personengruppe wird auf der rechten Bildseite von einer
Balustrade mit darauf stehenden Topfpflanzen gerahmt und auf der linken Bildseite von
einem Holzmöbel, das nur angeschnitten und nicht näher zu bestimmen ist. Eventuell
handelt es sich um einen Schreibtisch. Der Dielenboden des Ateliers wurde nicht bedeckt.
Am Übergang zur Wand ist deutlich zu erkennen, dass vor dieser ein Hintergrund
angebracht wurde. Dieser ist mit Holzpaneelen und einer Tapete, bzw. einer gemusterten
Wandbespannung bemalt.
Die beiden älteren Männer tragen Uniformen und Auszeichnungen sowie Degen. Ihr Sohn,
bzw. Enkel trägt eine Art Reiteruniform. Der Säugling trägt ein weißes Kleid und liegt
scheinbar auf einem weißen Kissen. Er blickt wie sein Vater in Richtung der Kamera,
während sein Großvater und der Urgroßvater in unterschiedliche Richtungen am Betrachter
vorbei schauen. Sie scheinen den Blickkontakt bewusst zu meiden. Im Gegensatz zu seinen
Verwandten macht Friedrich III. durch seine aufrechte Körperhaltung und strenge Mimik
einen sehr distanzierten und unnahbaren Eindruck. Diese Wirkung wird durch seine
Körpergröße noch betont. Er überragt seinen Sohn um einiges und blickt förmlich über ihn
hinweg. Sein Vater macht einen weniger autoritären Eindruck. Er ist durch die Sitzposition
als das älteste Familienmitglied und als Patriarch gekennzeichnet. Die Nachfolge seines
Sohnes ins Amt scheint sich jedoch in dieser Fotografie bereits anzukündigen.
In dieser Aufnahme werden der damalige Kaiser sowie die nachfolgenden Würdenträger
zusammen dargestellt. Man denkt unweigerlich an das Thema Anna selbdritt aus der
76
christlichen Kunst, das die Hl. Anna, Maria und den Jesusknaben zeigt. Bei diesem
Beispiel handelt es sich jedoch um das Aufzeigen der dynastischen Erbfolge. Anstelle
einer Ahnengalerie sind die einzelnen Personen auf einer einzigen Fotografie vertreten.
Eine ähnliche Darstellung des Kaisers und der drei Kronprinzen wurde übrigens ins Freie
verlegt und dann als Sammelbild vertrieben.
Dieses Kapitel wird mit einer Fotografie der Familie Wilhelms II. beendet. Es handelt sich
um eine Aufnahme von J.C. Schaarwächter aus dem Jahr 1896 (Abb. 21). Sie befindet sich
in der Privatsammlung Einholz.
Die Fotografie zeigt Wilhelm II., seine Gattin Augusta Viktoria und deren sieben Kinder.
Er sitzt im Zentrum und wird von seinen Familienmitgliedern umringt. Seine Tochter steht
auf dem Polstersessel, auf dem er sitzt und wird von ihm gestützt. Kaiserin Augusta
Viktoria steht direkt hinter ihm, die Söhne sind stehend oder sitzend um ihn gruppiert. Drei
von ihnen sitzen sogar auf dem Teppichboden. Die männlichen Familienmitglieder sehen
den Betrachter direkt an, suchen also den Blickkontakt. Mutter und Tochter blicken
hingegen am Betrachter vorbei. Die jüngsten Kinder sind durch ihre weiße Kleidung
deutlich von den älteren zu unterscheiden. Alle Jungen tragen Matrosenanzüge, das
Mädchen ein kurzes Kleid mit Volants. Die Mutter trägt ein schlichtes, aber dem Anlass
angemessenes, hochgeschlossenes Kleid und eine Brosche. Der Kaiser trägt zwar Uniform,
präsentiert sich aber ungezwungen. Wie im Falle des ersten Beispiels dieses Kapitels
haben wir es mit einer verbürgerlichenden Darstellung zu tun. Allerdings ist der Kaiser als
solcher gekennzeichnet. Es handelt sich also nicht um eine kaschierte Dynastie, um erneut
den Begriff von Lorenz328 aufzugreifen. Die kaiserliche Familie geriert sich bewusst
bürgerlich. Sei es, um mit dem Volk zu sympathisieren bzw. dessen Sympathien zu
erlangen oder um sich in einem modernen Medium mit dessen Mitteln zu präsentieren.
Ein weiteres aristokratisches Familienbild, eine Mutter-Kind-Darstellung, wird in Kapitel
3.3.2 mit dem Gemälde „Die Familie des Künstlers“ von Friedrich Wilhelm Herbig
verglichen.
328 Vgl. Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 188.
77
3.3 Vergleich ausgewählter Fotografien mit Beispielen der Berliner Malerei
In dem letzten Kapitel werden vier Beispiele von Familienbildern aus der Malerei direkt
mit Beispielen aus der Fotografie verglichen. Es handelt sich sowohl um Darstellungen der
gesamten Kernfamilie als auch um Mutter-Kind-Darstellungen. Die Reihenfolge erfolgt
anhand der Chronologie der gemalten Familienbilder. In Zusammenhang mit den
Vergleichen werden weitere Beispiele aus der Berliner Malerei genannt und einbezogen,
auf die nicht gesondert eingegangen wurde.
3.3.1 Friedrich Wilhelm Herbig „Die Familie des Künstlers“, 1824
Das Gemälde „Die Familie des Künstlers“ stammt von Friedrich Wilhelm Herbig und
wurde 1824 angefertigt (Abb. 22). Das Hochformat wurde in Öl auf Leinwand ausgeführt,
misst 127 x 88 cm und befindet sich in der Sammlung der Nationalgalerie der Staatlichen
Museen zu Berlin.
Im Vordergrund des Bildes ist eine Frau mit ihren sechs Kindern zu sehen. Diese Gruppe
nimmt beinahe das gesamte Format ein. Im linken Bildhintergrund ist eine bergige
Landschaft mit einer kleinen Stadt an einem Fluss oder See im Vordergrund zu erkennen.
Auf der linken Seite bleibt diese Ansicht von einem Gebäude verborgen. Links im
Bildmittelgrund ist eine männliche Figur zu erkennen.
Obwohl die Mutter nicht genau in der Bildmitte dargestellt ist, bildet sie die zentrale Figur
des Geschehens. Sie sitzt seitlich rechts im Bild und ist im Profil mit Blickrichtung zum
linken Bildrand dargestellt. Auf ihrem Schoß hält sie einen Säugling, die übrigen fünf
Kinder sind dicht um sie herum gruppiert. Alle Kinder haben direkten Körperkontakt mit
der Mutter. Sie hat ihre Arme schützend um die drei jüngsten Kinder gelegt. Bei den
älteren Kindern handelt es sich um drei Mädchen. Zwei von ihnen stehen vom Betrachter
aus gesehen links von der Mutter und blicken diese direkt an. Das Mädchen am linken
Bildrand deutet mit einem Zeigefinger auf die Figur im Hintergrund. Mit der anderen Hand
berührt sie ihre Schwester, die diese Geste mit der rechten Hand erwidert und mit ihrer
linken die Mutter an der Schulter berührt. Bei der männlichen Figur könnte es sich um
einen Jungen handeln. Er erwidert vermutlich die Geste des Mädchens, denn sein rechter
78
Arm ist zu einem Gruß erhoben. Es scheint, als laufe er auf die Gruppe zu. Leider ist er nur
schemenhaft zu erkennen, sodass keine genauere Aussage getroffen werden kann.
Direkt hinter der Mutter befindet sich die vermutlich älteste Tochter. Sie hält in jeder Hand
eine Blüte, eine Pfingstrose und eine Lilie. Diese begrenzen den oberen rechten Bildrand.
Der Säugling auf dem Schoß der Mutter ist im Gegensatz zu seinen älteren Geschwistern
unbekleidet. Lediglich der Genitalbereich und die Oberschenkel werden von einem weißen
Tuch verdeckt. In seinen Händen hält er einen kleinen Ball oder eine runde Frucht, evtl.
eine Orange. Bei ihm und den beiden Kindern im Bildvordergrund könnte es sich sowohl
um Jungen als auch um Mädchen handeln. Alle tragen ihre Haare relativ kurz und sind
durch ihre Kleidung nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen. Da der Säugling und
das Kind linkes vorne im Bild jedoch mit freiem Oberkörper dargestellt sind, wäre zu
vermuten, dass es sich um Jungen handelt. Das Kind, das die Mutter in ihrem linken Arm
hält, streckt ihr seine Arme entgegen, als ob es hochgehoben werden wollte. Es ist das
einzige Kind mit lockigem Haar und trägt ein kurzes rotes Kleid. Rechts von dem Säugling
steht das zweitjüngste Kind und schmiegt sich an die Beine der Mutter. Diese berührt es
mit ihrer rechten Hand im Nacken. Das Kind sieht den Betrachter direkt an und hat sein
rechtes Bein leicht angewinkelt, was den Eindruck erweckt, dass es posiert. Die Mutter
nimmt im Bild die größte Fläche ein. Sie und ihre älteren Töchter tragen weite Kleider mit
runden halsfernen Ausschnitten, die in der Taille gebunden sind. Das Kleid der Mutter ist
blau. Ihr Haar ist am Hinterkopf zu einem geflochtenen Knoten gelegt und mit einem
blauen Blütenkranz geschmückt. Die Tochter am linken Bildrand, die als einzige auch
einen Blütenkranz trägt, sieht ihr am ähnlichsten. Die beiden blicken sich direkt an und
sind somit aufeinander bezogen.
Wesentlich ist an diesem Beispiel die romantische gefühlsbetonte Darstellungsweise. Das
Gemälde erinnert in seinem Stil an die Kunstrichtung der Nazarener, der sog.
Deutschrömer, die sich am Anfang des 19. Jahrhunderts nach Rom begaben und von der
italienischen Kunst beeinflusst waren. Hier wäre an Friedrich Overbecks
Frauendarstellungen zu denken.329
329 So z.B. an die Gemälde „Vittoria Caldoni“, 1821 und „Italia und Germania“, 1828.
79
Doch nun zu der Fotografie. Sie wurde im Jahr 1893 von den Hof-Fotografen Selle &
Kuntze aufgenommen und befindet sich in der Sammlung Maas (Abb. 23).330
Die Fotografie zeigt Kaiserin Augusta Viktoria, die Gemahlin Wilhelms II., mit ihren
sieben Kindern. Sie sitzt in der Mitte des Bildes und hält einen Säugling auf ihrem Schoß.
Die übrigen Kinder umringen sie, sodass die Figurengruppe förmlich einen Kreis bildet.
Die Fotografie wurde vignettiert, was den Effekt der Kreiskomposition unterstreicht.
Hinter den Familienmitgliedern ist ein gemalter Atelierhintergrund oder eine mit
Blütenranken gemusterte Tapete angebracht. Der Fußboden besteht aus einem gemusterten
Teppich. Auf diesem liegt rechts im Bild ein Bodenkissen. Das Sitzmöbel wird von der
Kaiserin und ihrer Kleidung verdeckt. Lediglich ein Kissen oder ein Fell sind rechts im
Bild über ihrer Schulter zu erkennen. Wie in den vorherigen Darstellungen der kaiserlichen
Familie, sind die beiden jüngsten Kinder durch ihre weiße Kleidung deutlich von den
anderen zu unterscheiden. Die älteren Kinder tragen wiederum Matrosenanzüge. Der
älteste Sohn, der Kronprinz, fällt aufgrund seiner Größe etwas aus der Komposition heraus
und überragt die übrigen Familienmitglieder. Er schaut seiner Mutter über die Schulter und
scheinbar sein jüngstes Geschwisterchen an. Alle übrigen Kinder blicken direkt in die
Kamera. Ihre Mutter hat den Blick deutlich gesenkt. Es wirkt beinahe, als habe sie ihr Kinn
auf die Brust gestützt. Ihr Kleid ist durch den Säugling zum Teil verdeckt und nur am
Oberkörper sichtbar. Es ist aufwendig gearbeitet und lässt auf ihren Wohlstand schließen,
verrät jedoch nichts über ihre Kaiserwürde. So trägt sie keine Abendgarderobe und kein
Diadem, wie auf einer als Sammelfoto von J. Baruch vertriebenen Reproduktion.
Die kaiserliche Familie wurde der Mode ihrer Zeit entsprechend in bürgerlicher Pose
abgebildet.
Stilistisch betrachtet entspricht die Fotografie einer üblichen repräsentativen
Porträtfotografie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und hat nichts mit der romantisch
anmutenden Darstellung der Familie von Herbig gemein. Die beiden Familienbilder sollen
jedoch auch nicht stilistisch miteinander verglichen werden, sondern in Bezug auf die
Darstellung der Mutterfigur untersucht werden.
330 S. Anm. 26.
80
Bei beiden Familienbildern handelt es sich zunächst um eine Darstellung einer Mutter mit
ihrer großen Kinderschar. Wie bereits erwähnt, werden diese als zentrale Figuren
behandelt und haben einen Säugling auf ihrem Schoß. Beide Mütter werden durch ihre
Gesten und ihre Körperhaltung sowie ihre Blickrichtung als fürsorglich und bescheiden
charakterisiert. Ihre Kinder sind jeweils direkt um sie herum gruppiert. Bei Herbig besteht
zwischen allen Familienmitgliedern enger Körperkontakt und die Kinder sind nicht dem
Betrachter, sondern der Mutter zugewandt. Wichtig ist bei beiden Beispielen die
Aussagekraft der Familienbilder. Hier wird jeweils die Rolle der Mutter thematisiert. Die
Darstellungen könnten auch als Allegorie der mütterlichen Tugenden gelesen werden. Zu
diesen wären neben Fürsorge und Pflege der Kinder auch Bescheidenheit und Sittsamkeit
zu zählen.
Frömmigkeit könnte im Beispiel von Herbig eventuell auch dazu gezählt werden. Diese
wird im Bild nicht offensichtlich kenntlich gemacht, könnte aber in der Darstellung des
Mutters mit ihrem Säugling angedeutet sein, die ein wenig an christliche Darstellungen
von Maria mit dem Jesusknaben erinnert. Dafür spricht neben der Verwendung der
Marienfarbe Blau für das Kleid der Mutter das Attribut der runden Frucht des Kindes, die
auf den Apfel verweist, mit dem das Jesuskind teilweise abgebildet wurde.
In beiden Fällen handelt es sich um dem Rollenbild der Zeit entsprechende Darstellungen,
die das Ideal einer Mutter verkörpern. Im Falle der Fotografie tritt dies vielleicht nicht so
offensichtlich zu Tage, hier ist jedoch zu bedenken, dass sie allein durch ihre Verbreitung
als Sammelfoto Vorbildcharakter erlangt.
3.3.2 Eduard Gaertner „Im Gewächshaus“, 1836
Das zweite Gemälde wurde von Eduard Gaertner im Jahr 1836 gemalt (Abb. 24). Es hat
den Titel „Im Gewächshaus“ und befindet sich in Privatbesitz. Die Maße und die Technik
des Hochformats sind nicht bekannt.331
Bei dem Gemälde handelt es sich um eine Interieurszene. Sie zeigt den Innenraum eines
Gewächshauses, in dessen Mitte sich auf einem großen Teppich ein Esstisch befindet. Er
331 Gaertner hat 1843 ein weiteres Familienbild als Interieurszene gemalt. Es trägt den Titel „Wohnzimmer des Schlossermeisters C.F.A. Hauschild“ und befindet sich in der Sammlung der Stiftung Stadtmuseum Berlin.
81
ist als Kaffeetisch gedeckt. Um diesen herum ist eine Frau mit ihren drei Kindern
gruppiert.
An der Stirnseite des Raums befinden sich Türen mit Fenstern, durch die Pflanzen zu
sehen sind. Es ist nicht zu erkennen, ob es sich um einen weiteren Gewächshausanbau oder
um einen Außenbereich handelt. Über den Türen sind vor einer Fensterfläche unter dem
schräg zulaufenden Glasdach Regale mit Pflanzen angebracht. Auf der rechten Bildseite ist
eine Regalwand zu sehen, die die gesamte Höhe des Gewächshauses ausnutzt. Es würde
den Rahmen der Ausführungen sprengen diese zu beschrieben. Zum großen Teil sind die
Regalböden mit Pflanzen bestückt. Der obere Bildbereich wird von dem schräg
zulaufenden Glasdach des Gewächshauses dominiert. Rankende Pflanzen wachsen an den
Glasverstrebungen empor. Die der Regalkonstruktion gegenüber liegende Außenwand des
Gewächshauses ist im Bild nicht dargestellt. Auf der linken Bildseite ist das Glasdach
angeschnitten. Am rechten unteren Bildrand sind vor das Regal zwei Töpfe mit hohen
Pflanzen gestellt.
Die Frau sitzt parallel zum horizontalen Bildrand auf einem Stuhl an dem gedeckten Tisch.
Ihr Oberkörper ist leicht gedreht und sie hat ihren Kopf dem Betrachter zugewandt, so dass
sie diesem en face entgegenblickt. Das dunkle Kleid hat einen halsnahen Ausschnitt, der
mit einem kleinen weißen Spitzenkragen verziert ist. Es hat Keulenärmel und ist
bodenlang. Ihre Haare sind am oberen Hinterkopf zu einem Knoten gebunden. An den
Schläfen ist jedoch jeweils eine Locke herausgezogen. Diese rahmen ihr Gesicht. Sie wirkt
als einzige Erwachsene an dem großen Tisch etwas verloren. Ihr Blick wirkt ein wenig
skeptisch.
Eines ihrer Kinder steht rechts neben ihr. Sie hat es mit ihrem rechten Arm umfasst, was
dazu führt, dass sie ihre rechte Schulter etwas gen Boden neigen muss. Ihre rechte Hand
hält die linke des Kindes. Es ist nicht klar zu erkennen, ob es sich bei diesem um einen
Jungen oder ein Mädchen handelt. Es trägt seine Haare gescheitelt und bis kurz unter das
Ohr. Dem Kleid nach zu urteilen, das sehr dem der ältesten Schwester ähnelt, könnte es
sich um ein Mädchen handeln. Die älteste Tochter ist in der linken Bildhälfte zu sehen. Sie
hält in ihrer linken Hand eine Blüte und scheint diese in den kleinen Korb auf einem der
Stühle legen zu wollen. In diesem befinden sich bereits mehrere Blüten oder Pflanzen. In
ihrer rechten Hand hält sie ein weißes Taschentuch. Sie trägt ihr Haar am Hinterkopf zu
82
einem Knoten, in welchem eine Blüte steckt. Ihr Kleid hat kurze gepuffte Ärmel und einen
weiten runden Ausschnitt. Es ist in Rot-Lila-Tönen breit gestreift. Die Taille ist hoch
angesetzt und der Saum reicht bis kurz über den Knöchel. Darunter ist eine Hose zu
erkennen. Das dritte Kind, eine Tochter, sitzt vorne rechts im Bild, am Übergang vom
Teppich zum Boden. Sie trägt ein blaues kurzärmeliges Kleid mit weißem Spitzenkragen.
Darunter trägt auch sie eine Hose. Ihr Haar reicht ihr bis zur Schulter. Sie trägt einen
Mittelscheitel und hat die vordere Haarpartie nach links und rechts zur Seite weggesteckt.
Vom Betrachter aus gesehen links von ihr, steht eine Puppenpferdekutsche mit zwei
Pferden auf dem Boden. Das Mädchen scheint gerade damit gespielt zu haben. Sie blickt in
Richtung Betrachter und hält inne.
Diese Interieurszene mutet ein wenig merkwürdig an, da man einen Kaffeetisch und
spielende Kinder nicht unbedingt in einem solch großen Gewächshaus verorten würde.
Dieses scheint allerdings auch in Form eines Wintergartens als Wohnraum genutzt zu
werden.
Als Vergleichsbeispiel wurde eine Fotografie von François Cornand gewählt, die nach
1896 entstand (Abb. 25). Cornand weist sich auf der Vorderseite der Fotografie als
Porträtist aus. Die Fotografie befindet sich in der Privatsammlung Einholz.
Bei der Aufnahme handelt es sich um das Kniestück einer jungen Frau mit ihrem
Kleinkind. Sie sitzt auf der rechten Bildseite auf einem schräg ins Bild gerückten Stuhl. Ihr
Kind sitzt auf, bzw. lehnt an einem Tisch, über den eine kleine Decke gebreitet ist. Es
stützt sich mit den Füßen auf dem rechten Bein der Mutter ab.
Der Tisch ist entgegensetzt zu dem Stuhl angeordnet. Diese Komposition mit auf die Mitte
zulaufenden Linien unterstützt zusammen mit einer leichten Vignettierung die zentrale
Ausrichtung der Figuren. Hinter dem Schreibtisch steht eine hohe Pflanze auf dem Boden,
deren Blätter über ihn hinausragen.
Die Mutter sitzt aufrecht auf der vorderen Stuhlkante und stützt ihr Kind mit beiden
Händen. Sie blickt den Betrachter direkt an. Ihr dunkles Kleid ist hochgeschlosssen und
eng tailliert. Der glänzende Stoff des Kleides ist am Ausschnitt in cache-cœur-Optik über
einen bestickten Stoff genäht. Auf diesem bestickten Stoff ist am Hals eine runde Brosche
oder Verzierung angebracht. Dieser Stoff ist auch am Ärmelsaum zur Verzierung
83
aufgenäht. Die Frau trägt einige Schmuckstücke. Neben der bereits erwähnten Brosche
sind Ohrringe, ein Ring sowie ein Armkettchen zu erkennen. In ihrem, zu einem
komplizierten Knoten aufgedrehten Haar, steckt ein Kamm mit dunklen Perlen oder runden
Applikationen. An ihrem Kleid ist links unterhalb der Taille ein kleines Kettchen mit
einem länglichen Anhänger angebracht. Dieser ist nicht zu identifizieren. Die Kleidung
und die beschriebenen Schmuckstücke muten wertvoll an. Sie ist sicherlich dem
wohlhabenden Bürgertum zuzuordnen.
Ihr Kind trägt zwar kurze Haare, ist durch seine Kleidung und die Ohrringe sowie das
Attribut des Blumenstraußes aber deutlich als Mädchen zu identifizieren. Das dunkle Kleid
ist weiß gepunktet und am Oberkörper mit einer Rüschenborte verziert. Unter dem kurzen
Kleid ist ein Unterrock sichtbar. Das Mädchen trägt geknöpfte Stiefel und dunkle
Strümpfe. Es hält sich mit der linken Hand an der Mutter fest und trägt in der rechten einen
kleinen Rosenstrauß.
Die beiden Beispiele wurden aufgrund der ähnlichen Pose der Mütter ausgewählt. Beide
sitzen auf einem schräg ins Bild gerückten Stuhl und halten ein Kind im Arm bzw. an den
Händen. Auch ihre Frisur und die Kleidung ähneln einander, obwohl ca. 60 Jahre zwischen
der Entstehungszeit der Bilder liegen. Die Frauen blicken den Betrachter direkt an, wobei
in der Darstellung Gaertners die Mutter ein wenig zurückhaltender und unsicherer wirkt als
die sehr auf Repräsentanz bemühte fotografierte Frau.
Bei beiden Darstellungen handelt es sich um typische Inszenierungen einer Frau des 19.
Jahrhunderts. Sie werden ihrer Rolle gemäß durch die Komposition auf ihr Kind, bzw. die
Kinder bezogen, sind aber dennoch darauf bedacht, sich vorteilhaft, aber sittsam zu
präsentieren. Damit entsprechen sie ganz den gängigen Rollenvorstellungen ihrer Zeit.
3.3.3 Eduard Magnus „Die Familie des Bankiers Freiherr Martin von Magnus“, um 1837
Bei dem Gemälde „Die Familie des Bankiers Freiherr Martin von Magnus“ von Eduard
Magnus aus dem Jahr 1837 handelt es sich um ein Hochformat (Abb. 26). Es wurde um
1837 in Öl auf Leinwand ausgeführt und misst 62 x 49 cm. Es gilt als verschollen.332
Das Familienbild zeigt eine Kernfamilie mit dem Vater, der Mutter und ihren vier Kindern
in einer Interieurszene. Der Innenraum ist sehr dunkel und wenig ausgestaltet. Am linken
332 Vgl. Familienbilder. Selbstdarstellung im jüdischen Bürgertum. S. 114.
84
Bildrand ist ein Stück Vorhang zu erkennen. Rechts von diesem befindet sich ein
geöffneter Durchgang nach draußen. Eine Tür ist nicht zur erkennen. Über diesem
Durchgang ist ein halbrundes Fenster angebracht, so dass in Verbindung mit diesem der
Eindruck eines Rundbogens entsteht. Der Blick nach draußen zeigt Bäume, also liegt dort
vermutlich der Garten. Vom Betrachter aus gesehen rechts von dem Durchgang, ist an der
Innenwand ein Vorhang mit üppigem Faltenwurf angebracht. Es ist nicht genau zu
erkennen wo dieser endet. Der rechte Bildhintergrund erscheint einfarbig dunkel.
Im Bildvordergrund sitzt die Mutter mit ihrer Tochter auf einem Sofa oder vielmehr auf
einer Chaiselongue, da nur auf einer Seite eine Armlehne zu sehen ist. Hinter diesem
Möbel steht der Vater mit dem jüngsten Sohn, der sich über die Rückenlehne zu einem
kleinen Hund beugt, der neben der Mutter auf dem Polster liegt. Würde man die zwei
älteren Söhne links im Bild ignorieren, hätte man es bei dem Familienbild mit einer
pyramidialen Komposition zu tun. Die beiden jungen Männer stören diese allerdings, bzw.
erzeugen durch ihre hohen Körper ein Gegengewicht zu der Gestalt des Vaters, der alle
anderen Familienmitglieder überragt. Dieser befindet sich beinahe am rechten Bildrand, so
dass die Mutter als zentrale Figur erscheint. Ihre Dominanz im Bild wird noch durch die
äußerst ausladende Schulterpartie ihres Kleides betont, die zusätzlich mit Schleifen verziert
ist. Sie blickt mit leicht erhobenem Kopf ein wenig über den Betrachter hinweg. Dies lässt
sie sehr selbstbewusst und stolz wirken. Ihre Füße ruhen auf einem großen Bodenkissen,
das direkt vor ihr liegt. Die Tochter lehnt mehr neben ihr, als dass sie sitzt. Sie schmiegt
sich an ihre Mutter, die sie in ihrem rechten Arm hält. Die linken Hände der beiden
berühren sich. Auf ihrem Schoß hält das Mädchen eine Schale mit Blüten. Ihr Kleid hat
sehr weite aufgebauschte lange Ärmel, die am Handgelenk eng abschließen. Der
Ausschnitt des Kleides lässt die Schultern frei und ist über der Brust gerade. Ihr offenes
gewelltes Haar reicht ihr bis zur Schulter und ist in der Mitte gescheitelt. Rechts hinter ihr
stehen die beiden älteren Brüder. Ganz links im Bild steht als Ganzfigur der Älteste. Er
trägt eine kurze dunkle geschlossene Anzugjacke, unter die er seitlich seine rechte Hand
schiebt. Die linke Hand ist nach vorne ausgestreckt, so als halte er gerade in der Bewegung
inne. Wie sein Vater trägt er einen Vatermörder und darüber eine Krawatte mit ordentlich
eingeschlagenen Enden. Er schaut zwar nach vorne, aber am Betrachter vorbei. Der etwas
jüngere Bruder steht direkt neben ihm und sieht ihn an. Er trägt ebenfalls eine dunkle
85
Anzugjacke. Sie ist geöffnet, so dass die helle Weste darunter sichtbar wird. Sein Hemd
hat einen umgeschlagenen Kragen und die Krawatte ist locker gebunden. Durch seine
Kleidung wird er im Gegensatz zu seinem Bruder eher als Kind denn als Erwachsener
charakterisiert. Ihr Vater steht aufrecht hinter der Mutter und blickt den Betrachter direkt
an. Er trägt keinen Bart und wie bereits beschrieben einen Vatermörder und Krawatte. Die
Anzugjacke scheint länger als die der Söhne zu sein und ist geöffnet. Darunter ist eine
helle Weste zu erkennen. Ein weißes Einstecktuch und ein dunkle Kopfbedeckung
komplettieren die Kleidung, die ihn als wohlhabenden Bürger kennzeichnet. Er wird
standesgemäß präsentiert. Etwas irritierend ist in diesem Familienbild allerdings die
Darstellung der Mutter, die der des Vaters in Repräsentanz und Stolz in nichts nachsteht.
Er wird lediglich durch die stehende, überlegene Position als Familienoberhaupt
gekennzeichnet. Neben ihm ist der jüngste Sohn dargestellt. Der Vater hat seinen linken
Arm um ihn gelegt und auf die Lehne des Sitzmöbels gestützt. Der Junge ähnelt seiner
Schwester und blickt wie diese den Betrachter direkt an.
Die Geschlechter sind im Bild deutlich durch die Farbigkeit ihrer Kleidung voneinander zu
unterscheiden. Mutter und Tochter tragen helle Kleidung, der Vater und die Söhne
hingegen dunkle Anzugjacken.
Die Komposition der einzelnen Figuren und das Arrangement mit Vorhang im Hintergrund
und dem Bodenkissen vor dem Sofa, kann durchaus als direktes Vorbild für Fotografien
bezeichnet werden.
In dem Zusammenhang einer annähernd gleichberechtigten Darstellung von Mann und
Frau, soll auf das Gemälde „Alexander von Goldschmidt und seine Familie“ von August
Hopfgarten verwiesen werden (Abb. 27). Das Familienbild entstand in den Jahren 1843/44.
Das Rundgemälde hat einen Durchmesser von 68 cm und wurde in Öl auf Leinwand
ausgeführt. Es gehört zur Sammlung der Stiftung Jüdisches Museum Berlin.
Das Familienbild zeigt eine Außenszene am Abend. Vater und Mutter sitzen
nebeneinander. Die Mutter hält einen Säugling auf dem Schoß, der Vater ein Buch in der
Hand. Die anderen beiden Kinder rahmen ihre Eltern. Aufschlussreich ist hierbei das
Attribut des Buches, das wie bereits erwähnt, auf den bürgerlichen Bildungsanspruch
verwies. Aber dies nur als kleiner Exkurs.
86
Im Folgenden wird das Gemälde von Magnus mit zwei Fotografien verglichen. Zum Einen
handelt es sich um eine Aufnahme von Pflaum & Co. aus dem Jahr 1890 (Abb. 28), zum
Anderen um eine von Theodor Wenzel, die nach 1895 entstand (Abb. 29). Beide befinden
sich in der Privatsammlung Einholz.
Auf der Fotografie im Querformat von Pflaum & Co. sind sechs Personen abgebildet, drei
davon sind männlich, drei weiblich. Vermutlich handelt es sich um Vater und Mutter mit
ihren vier Kindern. Es wäre jedoch möglich, dass drei Generationen dargestellt sind. Hier
wird allerdings von der Annahme ausgegangen, dass es sich um die Darstellung einer
Kernfamilie handelt. Die drei weiblichen Familienmitglieder sitzen nebeneinander auf
Stühlen, hinter, bzw. neben ihnen stehen die männlichen Familienmitglieder. Alle blicken
den Betrachter direkt an. Hier steht der Vater eindeutig im Zentrum. Seine massige große
Erscheinung betont dies noch. Allerdings wird hier, wie im Fall des Familienbildes von
Magnus, durch den Sohn ein Gegengewicht zum Vater geschaffen. Eine Ähnlichkeit ist
auch in der sitzenden Position der weiblichen Familienmitglieder zu sehen. Die Mutter
wird allerdings weitaus weniger selbstbewusst dargestellt. Bei der Dominanz und
physischen Überlegenheit des Vaters verwundert dies jedoch wenig. Interessanterweise
wird hier erneut der Mutter ein Buch als Attribut zugewiesen. Ihre ältere Tochter hält ein
weiteres für Frauen übliches Accessoire, eine Blüte333, in den Händen.
Die Fotografie von Theodor Wenzel zeigt eine Familie mit vier Kindern. Links im Bild
sitzt die Mutter und hält einen Säugling auf ihrem Schoß. Ihr gegenüber sitzt rechts im Bild
eine Tochter. Zwischen ihr und der Mutter steht eine Schwester, die beide berührt. Hinter
ihr steht aufrecht und alle überragend der Vater. Die vermutlich älteste Tochter steht neben
ihm und hat sich bei ihm untergehakt. Die drei älteren Kinder, allesamt Mädchen, tragen
sehr ähnliche Kleider. Das Besondere an der Aufnahme ist die Vignettierung, die im linken
Bildteil mit einer Blumenranke geschmückt ist.
Die Komposition in Form der patriarchalen Pyramide ist, wie bereits erwähnt, auch auf
Magnus Gemälde zu finden. Bei Magnus erinnert der Vorhang im Hintergrund an barocke
Herrscherbilder, bei Wenzel übernimmt die aufgemalte Säule im Hintergrund diese
333 Vgl. Breuss, S.: Erinnerung und schöner Schein. S. 56f.
87
Funktion. Beide Motive waren sehr beliebt und wurden sowohl in der Malerei als auch in
der Fotografie eingesetzt.334
Eine weitere Ähnlichkeit besteht in dem Einhaken eines der Kinder unter den Arm des
Vaters. Bei Magnus ist dies der jüngste Sohn, bei Wenzel eine der Töchter. Auf beiden
Familienbilder erwidert keiner der Väter die Kontaktaufnahme des Kindes. Die Rolle des
Zärtlichkeiten austeilenden Elternteils übernimmt in Magnus Gemälde die Mutter.
3.3.4 Ludwig Knaus „Familienbildnis Strousberg“, 1870
Als abschließendes Beispiel aus der Malerei wurde das „Familienbild Strousberg“ von
Ludwig Knaus aus dem Jahr 1870 ausgewählt (Abb. 30). Das Querformat misst 117 x 155
cm und wurde in Öl auf Leinwand ausgeführt. Unten links ist es mit „L. Knaus 1870“335
bezeichnet. Es befindet sich in der Sammlung der Stiftung Stadtmuseum Berlin.
Das Familienbild zeigt einen Vater und eine Mutter mit ihren sieben Kindern, zwei davon
sind männlich, fünf davon weiblich. Vier der Töchter scheinen relativ kurz hintereinander
geboren worden zu sein, denn sie sind ungefähr gleich groß. Es ist schwer festzustellen,
welche davon die jüngste ist. Zusätzlich zu den Personen sind zwei Hunde dargestellt.
Es handelt sich annähernd um eine Gartenszene. Die Familie wurde jedoch auf der
Terrasse des Hauses porträtiert, die durch eine Balustrade vom dahinterliegenden Garten
getrennt ist. Die Terrasse wurde mit einem Teppich ausgelegt. Rechts im Bild schließt sie
an das Landhaus an. Links im Bild wird die Balustrade von einem dicken Pfeiler
unterbrochen, auf dem eine steinerne bepflanzte Amphore steht. Vor dem Pfeiler endet der
Teppich, so dass ein Stück des vermutlich gefliesten Bodens sichtbar wird. Im
Bildhintergrund sind einige Bäume zu erkennen. Zwischen ihnen und der Terrasse im
Vordergrund befindet sich ein weiteres Gebäude oder ein Gebäudeteil. Im linken
Bildbereich, der hinter der Terrasse liegt, ist ein großer weißer Blumenkübel in Form einer
Amphore abgebildet. Er steht vermutlich auf einer Rasenfläche. Direkt hinter der
Balustrade befinden sich im rechten Bildteil zwei Bäume. Vor der Balustrade stehen in
diesem Bereich der Terrasse scheinbar größere Kübelpflanzen und in der Ecke zur
Hauswand hin eine Skulptur.
334 Vgl. Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 248f. 335 Vgl. Familienbilder. Selbstdarstellung im jüdischen Bürgertum. S. 112.
88
Die Familie wird aneinander gereiht präsentiert. Vom linken Bildrand her ist zunächst eine
der jüngeren Töchter abgebildet. An ihrem rechten Arm hängt ein kleiner Korb mit
Pflanzen oder Blüten darin. Sie trägt ein rosa Kleid mit weißen Rüschen. Eine ihrer
Schwestern trägt das gleiche Kleid. Eventuell könnte es sich um Zwillinge handeln, wobei
man bedenken sollte, dass es nicht unüblich war, Kinder unterschiedlichen Alters gleich zu
kleiden. Wie alle anderen Familienmitglieder auch, hat sie lockiges Haar. An der linken
Hand wird sie von der ältesten Schwester gehalten. Diese trägt als einziges
Familienmitglied ein weißes Kleid. Sie hat den Kopf leicht zum linken Bildrand geneigt
und schaut den Betrachter direkt an.
Neben ihr steht ihre Mutter. Sie trägt ein dunkelrotes, schwarz schimmerndes Kleid,
eventuell aus Seidentaft. Über ihrem rechten Arm hängt ein Samtschal oder ein Umhang
aus einem ähnlichen Stoff. In der rechten Hand hält sie einen zusammengefalteten Fächer.
Den linken Arm hat sie um eine der jüngeren Töchter gelegt, die direkt neben ihr steht. Sei
reicht ihr bis unter die Brust und trägt ein hellblaues Kleid. Leider ist das Kleid der
Schwester, die hinter dem Sessel steht von diesem verdeckt. Vermutlich ist es auch
hellblau. Zwischen der Mutter und der ältesten Tochter steht ein kleiner weißer Hund am
Boden. Um seinen Hals trägt er eine leuchtend rote Schleife. Links von der Mutter steht
hinter ihr der vermutlich älteste Sohn. Sie haben ihre Gesichter einander zugeneigt, wobei
sie sich nicht direkt ansehen. Der Sohn überragt seine Mutter an Größe. Er trägt einen
schwarzen Anzug mit weißem Hemd, das einen umgeschlagenen Kragen hat, und
schwarzer Krawatte, die lang gebunden ist, so wie wir es auch heute kennen. In seiner
linken Hand hält er einen schwarzen Hut.
Rechts von dieser Dreiergruppe sitzt weiter vorne im Bild auf einem mit rotem Samt
gepolsterten Sessel der Vater. Als Pendant zu diesem Sessel steht ein weiteres Exemplar
links hinter der Mutter im Bild. Durch die Sitzposition, die er als einziges Familienmitglied
ausführt, wird er deutlich als Familienoberhaupt gekennzeichnet. Er blickt den Betrachter
direkt an. Interessanterweise vermeiden die beiden Söhne den direkten Blickkontakt.
Vielleicht möchten sie ihrem Vater den Rang nicht streitig machen, vielleicht ist dies
lediglich ein Zufall. Der Vater hat sein Gewicht leicht auf die rechte Seite verlagert und
stützt beide Hände auf die Sessellehnen auf. Die Füße sind übereinandergeschlagen, die
Knie auseinander gespreizt. Sein Anzug ist, wie der des bereits beschriebenen Sohnes,
89
schwarz mit einem weißen Hemd. Er trägt jedoch keine Krawatte, sondern eine Fliege über
einem Vatermörder. Unter der geöffneten Anzugjacke trägt er eine schwarze Weste, an der
eine goldene Uhrenkette befestigt ist. Dieses Accessoire, die erlesene Kleidung und der
massige Körper deuten auf großen Wohlstand hin. Lorenz bezeichnet ihn als „Prototyp
eines Gründerzeitmagnaten“336. Er nimmt keinerlei Kontakt zu seinen Familienmitgliedern
auf, sondern scheint darauf bedacht zu sein, würdevoll zu posieren.
Zwei junge Töchter lehnen sich an die Rückenlehne seines Sessels. Am rechten Bildrand
beschließt ein erwachsener Sohn die Aufreihung der Familienmitglieder. Im Gegenteil zu
den anderen beiden Männern, die sich zwar zeitgemäß, aber seriös kleiden, mutet er durch
seine Kleider- und Farbwahl ein wenig geckenhaft an. Er trägt eine graue Jacke über einer
ockerfarbenen Hose, die in hohen Reiterstiefeln steckt. Seine leuchtend türkisblaue
Krawatte trägt er wie einen Schal über dem weißen Vatermörder. Er trägt ebenfalls eine
goldene Uhrenkette. Die linke Hand ist in die Hüfte gestemmt. In ihr hält er vermutlich
Handschuhe. In der rechten trägt er einen Hut, der farblich mit der Jacke korrespondiert. Er
präsentiert sich sehr selbstbewusst und ist im Profil dargestellt. Rechts von ihm ist im Bild
eine Stufe zu erkennen, die zum Haus führt. Auf dieser steht eine blau blühende Pflanze in
einem Terrakottatopf. Am vorderen rechten Bildrand liegt ein großer Hund mit langem
Fell und einem buschigen Schwanz. Es handelt sich vermutlich um einen Hütehund.
Breuss weist darauf hin, dass Rassehunde seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als
Statussymbole galten.337
Auf diesem Familienbild wird der Vater eindeutig als Patriarch dargestellt. Im Gegensatz
zu der pyramidialen Darstellung wurde hier die Betonung seines Status durch die
Sitzposition hervorgehoben. Es wirkt beinahe so, als würde er im Kreise seiner Familie
thronen.
Im Folgenden werden zwei Fotografien für einen Vergleich herangezogen.
Die erste Fotografie stammt aus dem Atelier Theodor Wenzel und wurde vor 1895
aufgenommen (Abb. 31). Sie befindet sich in der Privatsammlung Einholz.
Dargestellt ist eine Familie, die aus den Eltern und drei Kindern besteht. Sie präsentieren
sich aneinandergereiht vor einem gemalten Atelierhintergrund, der einen Wald darstellt.
336 Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 260. 337 Vgl. Breuss, S.: Erinnerung und schöner Schein. S. 58.
90
Der Boden ist mit einem Teppich ausgelegt. Am linken Bildrand sitzt die Tochter mit
einem kleinen Korb in der linken Hand auf einem Stuhl. Direkt neben ihr steht der ältere
der beiden Söhne. In der Bildmitte steht die Mutter mit einem Fächer in ihrer linken Hand,
neben ihr lehnt der Vater an einer Balustrade. Direkt neben ihm steht das jüngste Kind, ein
Sohn und hat sich mit seinem rechten Arm beim Vater untergehakt.
Im direkten Vergleich zu dem Gemälde von Knaus wird deutlich, dass sich einige
Elemente wiederholen. Bei diesen handelt es sich um den Hintergrund mit Bäumen, eine
Balustrade als Trennung zu der Landschaft, bzw. dem Garten, Teppichboden im
Außenbereich und Accessoires, wie den kleinen Korb und den Fächer. Letztere sind beide
jeweils einer Tochter bzw. der Mutter zugeordnet. Die Verwendung dieser Elemente kann
als Zitat der Malerei angesehen werden, bezieht sich jedoch sicherlich nicht nur auf dieses
Gemälde. So weist Peters darauf hin, dass in der Malerei und der Fotografie
„Bildnisvordergrund und Landschaftshintergrund oft durch Postamente, Balustrade oder
eine niedrige Mauer getrennt“338 wurden. Sie führt dies im Folgenden weiter aus:
Die höfische Bildniskunst wird seit dem 19. Jahrhundert zur Requisitenkammer für gehobene Ausstattungsansprüche. Als vornehmes und elegantes Hintergrundmotiv gilt neben dem fürstlichen Garten mit Schloß […] auch die idyllische Buschlandschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts.339
Man darf nicht vergessen, dass sich die Malerei des 19. Jahrhundert zunächst selbst an
vorherigen Darstellungen orientierte, wie z.B. für repräsentative Darstellungen an barocken
Herrscherporträts. Es gab zu jeder Zeit bestimmte Motive, die sich großer Beliebtheit
erfreuten, dann weiter adaptiert und schließlich durchexerziert wurden. Diese übertrugen
sich mit einiger Zeitverzögerung auf die fotografischen Darstellungen. So weist Lorenz
darauf hin, dass sich Familien vor allem im Biedermeier gerne im Garten darstellen ließen.
Dieser könne in seiner Abgeschlossenheit als Erweiterung des bürgerlichen Heims
verstanden werden.340 Auf gemalten Atelierhintergründen ist häufig ein Wald, Garten oder
Park dargestellt. Doch nun zum nächsten Beispiel.
Hierbei handelt es sich um eine Fotografie von Max Steffens (Abb. 32). Sie entstand um
1900 und befindet sich in der Sammlung Einholz.
338 Peters, U.: Stilgeschichte der Fotografie. S. 86. 339 Ebd. 340 Vgl. Lorenz, A.: Das deutsche Familienbild… S. 150-152.
91
Auf diesem Familienporträt sind die Eltern und ein Kind zu sehen. Der Vater sitzt im
Zentrum des Bildes auf einem gepolsterten Stuhl und stützt seine kleine Tochter, die am
linken Bildrand vor ihm auf einem Podest mit einem weißen Fell steht. Diese Felle wurden
häufig für Kinderdarstellungen benutzt. Das Mädchen hat über ihren rechten Arm einen
kleinen Korb mit Blumen darin hängen. Ihre Mutter steht hinter der Stuhllehne des Vaters
und ist im Profil dargestellt. Sie hat ihren linken Arm auf die rechte Schulter ihres Mannes
gelegt. Am linken Bildrand schließt die Szene mit einer Topfpflanze ab. Rechts im
Bildhintergrund steht ein kleiner Tisch mit einer gemusterten Tischdecke und einer
Skulptur. Der Boden scheint mit einem gemusterten Teppich ausgelegt zu sein. Auf dem
Atelierhintergrund ist schemenhaft eine Bemalung zu erkennen.
Hier wurde erneut einem kleinen Mädchen anstatt eines Spielzeugs ein Korb mit Blumen
als Attribut beigegeben. Neu hinzugekommen sind die Topfpflanze, wobei sich diese auf
der vorherigen Fotografie bereits am linken Bildrand angedeutet hatte, und eine Skulptur.
Wie auf dem Gemälde von Knaus sitzt der Vater hier als einziges Familienmitglied, was
ihn als deren Oberhaupt kennzeichnet. Die Pflanze und die Skulptur sollten nicht
unbedingt als Zitate der Malerei, sondern vielmehr als den damaligen Wohnräumen
entlehnte Gegenstände angesehen werden. Sie stehen symbolisch bzw. stellvertretend für
das eigene Heim.
Starl weist darauf hin, dass im 19. Jahrhundert die Fotografen ähnlich wie die Tapezierer
als Dekorateure ihrer Auftraggeber fungierten. Er führt dies weiter aus:
Beide operierten mit dem Argument der Menge und Opulenz gegen den ›horror vacui‹, die Scheu vor dem Leeren, in der sich die Isolation des Menschen in den Metropolen des Industriezeitalters ausdrückte. Mit der Anhäufung vielfach nutzloser Gegenstände und ihrem Arrangement zu einer ›kunstvollen‹ Unordnung wurden Bereiche der Intimität geschaffen, die eine private Atmosphäre signalisieren sollten, gleichzeitig aber auch den Rahmen für Repräsentation abgaben, mit dem gesellschaftliche Ansprüche formuliert werden konnten.341
Als solche Gegenstände können das Fell, die Tischdecke und die Skulptur angesehen
werden.
Zwei weitere Fotografien sollen lediglich in Bezug auf Knaus Gemälde erwähnt werden,
da sie ebenfalls um einen sitzenden Vater als „pater familias“ komponiert sind. Es handelt
341 Starl, T.: Im Prisma des Fortschritts. S. 37.
92
sich zum Einen erneut um eine Fotografie von Theodor Wenzel (Abb. 33). Sie stammt aus
dem Jahr 1895 und befindet sich in der Privatsammlung D. Peters. Zum anderen wird
erneut eine Fotografie Max Steffens herangezogen (Abb. 34). Diese entstand zwischen
1895 und 1900 und befindet sich in der Privatsammlung Einholz.
Interessanterweise ist auf beiden der Sohn mit einem Reifen dargestellt. Auf der Fotografie
von Wenzel ist die Tochter erneut mit einem Blumenkorb abgebildet.
Abschließend lässt sich feststellen, dass es sich bei den Beispielen aus der Malerei zum
größten Teil um Interieurszenen handelt. Lediglich zwei Beispiele, die Gemälde von
Chodowiecki und das „Familienbild Strousberg“ von Knaus zeigen die Familie im
Außenbereich.342 Auf die wichtige Bedeutung des Wohnraums als Rückzugsort und
Repräsentationsraum des Bürgers wurde bereits in Kapitel 2.2 eingegangen. Die häufigen
Darstellungen der „guten Stube“ veranschaulichen dies bildlich.
Für die Atelierfotografie erwies sich die Beliebtheit der Interieurszenen als äußerst günstig.
Sie kamen ihr sehr entgegen, da in einem Atelier mit relativ einfachen Mitteln ein
Wohnraum imitiert werden kann. In Form des Ateliers ist bereits ein Raum vorhanden, der
mithilfe von Möbeln, Hintergründen, Vorhängen, Dekorationsobjekten und Pflanzen zu
einer oftmals idealtypischen Wohnlandschaft arrangiert wurde. Diese entsprach dem
Repräsentationsbedürfnis des Bürgers und ermöglichte eine standesgemäße Darstellung.
342 Die Gemälde von Rémy und Ehrentraut werden hier eher als Interieur-, denn als Außenszene verstanden.
93
4 Fazit
Bei der Analyse des ausgewählten Konvoluts von Berliner Atelierfotografien aus dem
Zeitraum von ca. 1865 bis um 1900 wurde festgestellt, dass sich alle Familien, bzw. alle
Elternteile mit ihrem Kind oder ihren Kindern, in repräsentativer Haltung ablichten ließen.
Wie bereits in Kapitel 2.1 erwähnt, bezeichnet Starl die überlegene Pose als
vorherrschenden Topos der Porträtfotografie.
Dieser Topos ist jedoch nicht als ein der fotografischen Darstellung eigener anzusehen. Er
wurde der Herrscherpose barocker Bildnisse entlehnt und hat sich sowohl in der Malerei
als auch in der Fotografie des 19. Jahrhunderts etabliert.
Zu der überlegenen Pose zählte neben der aufrechten, beinahe starren Haltung ein
selbstbewusster Blick. Dieser konnte entweder direkt auf den Betrachter gerichtet sein oder
den Blickkontakt bewusst vermeiden. Profilaufnahmen waren nicht unüblich, Halbprofile
hingegen häufiger. Die meisten Personen waren frontal ausgerichtet. Die Kleidung der
Dargestellten und Accessoires sowie die Atelierszenerie sollten die repräsentative Wirkung
verstärken. Zu den Accessoires sind Kopfbedeckungen und Schmuck, im Falle der
männlichen Familienmitglieder Uhrenketten zu zählen. Attribute waren zumeist
geschlechterrollenspezifisch konnotiert. So wurden Frauen und Mädchen häufig Blumen
beigegeben, Jungen hingegen eher Holzpferde. In den Ateliers wurde durch gemalte
Hintergründe, Vorhänge, Säulen und Balustraden sowie ausgewählte Möbelstücke und
Dekorationsgegenstände eine standesgemäße, repräsentative Umgebung für das
bürgerliche Porträt erzeugt.
Auffällig ist, dass Männern in den ausgewählten Beispielen nie Attribute zugeordnet
wurden. Ihre Rolle als „pater familias“, als Familienoberhaupt, wird häufig durch
patriarchale Kompositionen deutlich gemacht. Diese kann in Form einer Pyramide erfolgen
– dann bildet der Vater deren Spitze. Er kann aber ebenso durch eine sitzende Position
hervorgehoben werden – dann stehen die übrigen Familienmitglieder zumeist und es
scheint, als würde der Vater als Patriarch thronen. Weniger verbreitet ist eine Darstellung
des Vaters ohne patriarchale Komposition, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass
eine gänzlich gleichberechtigte Darstellung der Geschlechter nicht beobachtet werden
konnte.
94
Interessant ist vor allem das Verhältnis zu den Kindern. Wie in der Literatur beschrieben,
kommt es nur selten zu Zärtlichkeiten zwischen den Familienmitgliedern. Das Bemühen
um eine repräsentative Darstellung scheint sich mit liebevoller Zuneigung nicht zu
vertragen. Entgegen der Ausführungen von Starl, die in Kapitel 2.2 zitiert wurden, konnte
festgestellt werden, dass nicht alle Familienbilder eine eisige Kälte verströmen. So ist z.B.
in der Fotografie von Theodor Prümm (Abb. 12) deutlich eine große Nähe und auch
Zuneigung zwischen dem Vater und seinen Kindern zu bemerken. Häufiger ist jedoch, dass
Familienmitglieder lediglich nah beieinander dargestellt werden, um den familiären
Zusammenhang zu betonen.
Im Gegensatz zu den betrachteten Fotografien konnte im Bereich der Malerei zumindest
zum Teil eine innigere Verbindung der einzelnen Familienmitglieder beobachtet werden.
So z.B. in dem Gemälde „Die Familie des Künstlers“ von Friedrich Wilhelm Herbig (Abb.
22). Hierbei handelt es sich um die Darstellung einer liebevollen, sich ganz ihren Kindern
widmenden Mutter. Im Falle der Fotografien wird, wie bereits erwähnt, zugunsten der
Repräsentativität auf Emotionalität verzichtet.
Entgegen der ursprünglichen Annahme, dass Vater-Kind-Darstellungen sehr selten waren,
konnte festgestellt werden, dass sie zwar weniger häufig als Mutter-Kind-Darstellungen,
aber keinesfalls unüblich waren. Dies wurde in Zusammenhang mit der Fotografie eines
Vaters von Otto Becker & Maass (Abb. 11) ausgeführt. Zumeist wird jedoch die gesamte
Kernfamilie dargestellt.
Bei der vergleichenden Betrachtung der Berliner Malerei des 19. Jahrhunderts konnte
festgestellt werden, dass Vater-Kind-Darstellungen äußerst selten und unüblich waren. Es
konnte lediglich ein einziges Gemälde ausgemacht werden, eine Genreszene (Abb. 13).
Mutter-Kind-Darstellungen waren zwar üblich, aber auffallend ist die Häufigkeit von
gemeinsamen Darstellungen aller Familienmitglieder. Eine Sonderform der Malerei stellt
das Künstlerselbstbildnis mit Familie dar. Eine Entsprechung in der Fotografie wurde nicht
gefunden.
Generell ist jedoch festzustellen, dass Darstellungsmodi und Ausstaffierungen von der
Malerei übernommen wurden. Im letzten Kapitel wurde darauf hingewiesen, dass die
Beliebtheit von Interieurszenen der Atelierfotografie sehr entgegen kam, da sich diese
95
leicht adaptieren ließen. So könnte z.B. das Porträt der „Familie Moritz Reichenheim“ von
Knaus sozusagen „Pate“ für die sehr beliebten Kaffeetischarrangements gestanden haben.
Es erscheint nahezu unmöglich, festzustellen, welches Gemälde zuerst gewisse
Arrangements darstellte und dann als Vorbild für weitere Gemälde und schließlich für
Fotografien diente. In einigen Fällen konnte eine erstaunlich große Übereinstimmung
ähnlicher Elemente beobachtet werden, so z.B. in den Vergleichen zweier Fotografien mit
dem „Familienbild Strousberg“ von Ludwig Knaus in Kapitel 3.3.
Entsprechend der fotohistorischen Literatur konnte anhand der Fotografien bestätigt
werden, dass sich aristokratische Familien ebenfalls in bürgerlicher Pose darstellen ließen.
Diese kann man als verbürgerlichte Darstellungen bezeichnen. Es gilt zu bedenken, dass
sich die bürgerliche Pose aus der aristokratischen Herrscherpose barocker Bildnisse
entwickelt hat. Es handelt sich bei der verbürgerlichten Darstellung also, wie bereits in
Kapitel 2.1 erwähnt, um ein Zitat der bürgerlichen Darstellung, die wiederum ein Zitat der
barocken aristokratischen Herrscherpose darstellt.
In den Familienfotografien wurde, wie auch in der Malerei, die Familie als Ideal
dargestellt. Die Familie präsentierte sich so, wie sie gesehen werden wollte.
Riehl hat in seiner „Familie“ Autorität und Pietät als die bewegenden sittlichen Motive in
der Familie bezeichnet.343 Autorität und Pietät im Sinne von Respekt und Demut, vor allem
gegenüber der Vaterfigur, können als durchgängige Motive in den ausgewählten
Fotografien und Gemälden bezeichnet werden.
Die Darstellungen von Frau und Mann entsprechen ebenfalls den sittlichen Vorstellungen
und dem Geschlechterrollenverständnis der Zeit.
Das Ideal der bürgerlichen Kernfamilie mit dem Vater als Familienoberhaupt wird sowohl
in der Malerei als auch in der Fotografie manifestiert. Da dieses aus den zeitgenössischen
Vorstellungen von Familie resultiert, ist die idealisierende Darstellung der Familie in der
Fotografie nicht als Zitat der Malerei zu sehen.
343 Riehl, W. H.: Die Familie. S. 118.
Abbildungsteil
1 Relief „Der Photograph“ am Denkmal für Peter Christian
Wilhelm Beuth, 1861
2 Album „Lebenschronik“, 1886
4 Carl Begas: „Die Familie Begas“, 1821
Wallraf-Richartz-Museum-Fondation Corboud
5 Carl Begas: „Die Familie von Bethmann-Hollweg“, 1826
Privatbesitz Familie von Bethmann
7 Julius Moser: „Familienporträt Moritz Manheimer“, 1850
Stiftung Jüdisches Museum Berlin, Vermächtnis Hermann Blaschko
11 Otto Becker & Maass, um 1893
Privatsammlung Einholz
12 Theodor Prümm, Februar 1882
Privatsammlung D. Peters
16 Otto Lindner, nach 1868
Privatsammlung Einholz
17 Gebrüder Beyer, nach 1886
Privatsammlung Einholz
18 Albert Meyer, nach 1855
Privatsammlung Einholz
19 Photographische Gesellschaft, um 1866
Privatsammlung Berlin
22 Friedrich Wilhelm Herbig:
„Die Familie des Künstlers“, 1824
Staatliche Museen zu Berlin,
Nationalgalerie
23 Selle & Kuntze, 1893
Sammlung Maas
24 Eduard Gaertner:
„Im Gewächshaus“, 1836
Privatbesitz
25 François Cornand, nach 1896
Privatsammlung Einholz
27 August Hopfgarten: „Alexander Goldschmidt und seine Familie“, 1843/44
Stiftung Jüdisches Museum Berlin
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Relief „Der Photograph“ am Denkmal für Peter Christian Wilhelm Beuth, 1861,
Berlin
In: Kempe, Fritz: Daguerreotypie in Deutschland. Vom Charme der frühen
Fotografie. Seebruck am Chiemsee 1979 (= Neue Fotothek). S. 47.
Abb. 2: Album „Lebenschronik“, 1886, hrsg. von Julius Moser im Verlag des Berliner
Lithographischen Instituts
In: Maas, Ellen: Die goldenen Jahre der Photoalben. Fundgrube und Spiegel von
gestern. Köln 1977. S. 115.
Abb. 3: Chodowiecki, Daniel: „Die Familie des Künstlers im Tiergarten“, 1772
Öl auf Holz, 55 x 42,7 cm, Stadtmuseum Berlin, Berlin
Fotografie: Christel Lehmann, Stadtmuseum Berlin
Abb. 4: Begas, Carl: „Die Familie Begas“, 1821
Öl auf Leinwand, 75 x 86 cm, Wallraf-Richartz-Museum-Fondation Corboud,
Inv.-Nr. WRM 1556
In: Hütt, W.: Deutsche Malerei und Graphik 1750-1945. S. 113.
Abb. 5: Begas, Carl: „Die Familie von Bethmann-Hollweg“, 1826
Technik und Maße unbekannt, Privatbesitz Familie von Bethmann
Fotografie: Hans-Joachim Bartsch
In: Wirth, I.: Berliner Malerei im 19. Jahrhundert. S. 100.
Abb. 6: Rémy, August: „Unbekannte Dame mit ihrem Sohn“, 1843
Technik und Maße unbekannt, Privatbesitz
Fotografie: Leo Spik KG
In: Wirth, I.: Berliner Malerei im 19. Jahrhundert. S. 160.
Abb. 7: Moser, Julius: „Familienporträt Moritz Manheimer“, 1850
Öl auf Leinwand, 96 x 126 cm, Bez. auf dem Klavier: Julius Moser/Berlin/1850,
Stiftung Jüdisches Museum Berlin, Vermächtnis Hermann Blaschko
Abb. 8: Knaus, Ludwig: „Familie Moritz Reichenheim“, 1866
Öl auf Leinwand, Maße und Verbleib unbekannt
Fotografie: Archiv Brigitte Rechberg Wiesbaden
In: Familienbilder. Selbstdarstellung im jüdischen Bürgertum. S. 80.
Abb. 9: C. Koch, nach 1865
Fotografie, Privatsammlung D. Peters
Abb. 10: Leopold Minzloff, nach 1889
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 11: Otto Becker & Maass, um 1893
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 12: Theodor Prümm, Februar 1882
Fotografie, Privatsammlung D. Peters
Abb. 13: Ehrentraut, Julius: „Bauer mit Kind“, um 1900
Technik und Maße unbekannt, Bez. u. r.: J. Ehrentraut, Museum Folkwang Essen
In: Wirth, I.: Berliner Malerei im 19. Jahrhundert. S. 437.
Abb. 14: Reichard & Lindner, 1890
Fotografie, Privatsammlung D. Peters
Abb. 15: Emil Lampe, um 1900
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 16: Otto Lindner, nach 1868
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 17: Gebrüder Beyer, nach 1886
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 18: Albert Meyer, nach 1885
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 19: Photographische Gesellschaft, um 1866
Fotografie, Privatsammlung Berlin
Abb. 20: Anonym, ca. 1882
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 21: J.C. Schaarwächter, 1896
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 22: Herbig, Friedrich Wilhelm: „Die Familie des Künstlers“, 1824
Öl auf Leinwand, 127 x 88 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie,
Inv.-Nr. A II 605
Fotografie: Jörg P. Andres
Abb. 23: Selle & Kuntze, 1893
Fotografie, Sammlung Maas
Abb. 24: Gaertner, Eduard: „Im Gewächshaus“, 1836
Technik und Maße unbekannt, Privatbesitz
In: Wirth, I.: Berliner Malerei im 19. Jahrhundert. S. 221.
Abb. 25: François Cornand, nach 1896
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 26: Magnus, Eduard: „Die Familie des Bankiers Freiherr Martin von Magnus“,
um 1837
Öl auf Leinwand, 62 x 49 cm, Verbleib unbekannt
Fotografie: Leo Baeck Institute New York
In: Familienbilder. Selbstdarstellung im jüdischen Bürgertum. S. 68.
Abb. 27: Hopfgarten, August: „Alexander Goldschmidt und seine Familie“, 1843/44
Öl auf Leinwand, 68 x 68 cm, Stiftung Jüdisches Museum Berlin
In: Familienbilder. Selbstdarstellung im jüdischen Bürgertum. S. 67.
Abb. 28: Pflaum & Co., 1890
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 29: Theodor Wenzel, nach 1895
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 30: Ludwig Knaus: „Familienbildnis Strousberg“, 1870
Öl auf Leinwand, 117 x 155 cm, bez. u.l.: L. Knaus 1870,
Stiftung Stadtmuseum Berlin
Abb. 31: Theodor Wenzel, vor 1895
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 32: Max Steffens, um 1900
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Abb. 33: Theodor Wenzel, 1895
Fotografie, Privatsammlung D. Peters
Abb. 34: Max Steffens, 1895-1900
Fotografie, Privatsammlung Einholz
Literaturverzeichnis
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Großen bis zum Ersten Weltkrieg. München 1998.
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit versichere ich an Eides Statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und
ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Alle Stellen, die
wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten und nicht veröffentlichten Quellen
entnommen sind, sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit hat in gleicher oder
ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen.
Berlin, 17. September 2008
Kathrin Wrona