Das Follo-Line-Projekt - Bau des längsten Eisenbahntunnels in Norwegen

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau Spezial 2013 69 DOI: 10.1002/best.201300009 Anne Kathrine Kalager, Erik Smith FACHTHEMA Das Follo-Line-Projekt – Bau des längsten Eisenbahntunnels in Norwegen 1 Einführung Die neue zweigleisige Strecke zwischen Oslo und Ski ist das derzeit größte Infrastrukturprojekt in Norwegen und umfasst einen 19,5 km langen Tunnel mit zwei eingleisi- gen Röhren, der als bislang längster Eisenbahntunnel Norwegens gelten wird (Bild 1). Der Hochgeschwindig- keitseisenbahntunnel wurde für maximale Tunnelkapazi- tät und -sicherheit sowie ideales Instandhaltungsmanage- ment entwickelt. Die nationale Eisenbahnverwaltung Norwegens (Jernbaneverket) hat entschieden, den Haupt- teil des Tunnels einerseits mit vier großen Tunnelbohrma- schinen (TBM) zu errichten und gleichzeitig auch tradi- tionelle Methoden der Bohr- und Sprengtechnik zum Ein- satz zu bringen. Es ist das erste Mal, dass in Norwegen Tunnelbohrmaschinen zum Bau eines Eisenbahntunnels verwendet werden. Vier Schild-Tunnelbohrmaschinen werden für den Vor- trieb des Hauptteils des Follo-Line-Tunnels, eines insge- samt 19,5 km langen Felstunnels, eingesetzt. Von einer Baustelle in Åsland, südlich von Oslo, werden zwei TBM Richtung Süden bis zu den Tunnelportalen von Langhus vortreiben, während mit zwei weiteren TBM Richtung Norden bis zur Vorstadt von Bekkelaget vorgetrieben werden soll (Bild 2). Vorläufig ist geplant, für den Zentral- teil des Tunnels, einen rund 1 km langen Abschnitt in Richtung des Osloer Hauptbahnhofs (Bild 3), den kon- ventionellen Bohr- und Sprengvortrieb (Drill & Blast) einzusetzen. Insgesamt wird der konventionelle Bohr- und Sprengvor- trieb im Rahmen des Follo-Line-Projekts bei weniger als einem Drittel der gesamten Tunnelarbeiten zum Einsatz kommen. Verwendet werden wird die Bohr- und Spreng- technik auch für den Bau aller Querschläge zwischen den zwei Tunnelröhren sowie für den Bau der Zugangsstollen zum Haupttunnel, einer großen Montagekaverne zur Montage der TBM unter Tage, eines Servicebereichs für die Bauarbeiten und einer Rettungsstation. Das Projekt umfasst auch einen neuen eingleisigen Tunnel auf der alten Østfold-Strecke für den Verkehr in Richtung des Os- loer Hauptbahnhofs. Das norwegische Follo-Line-Projekt gilt als das derzeit größte Verkehrsprojekt Norwegens und umfasst auch den längsten Eisenbahntunnel des Landes. Das Projekt wird im Auftrag des Ministeriums für Transport und Kommunikation von der natio- nalen Eisenbahnverwaltung Norwegens entwickelt. Die neue zweigleisige Strecke zwischen der norwegischen Hauptstadt Oslo und dem öffentlichen Verkehrszentrum in Ski umfasst einen 19,5 km langen Tunnel mit zwei eingleisigen Röh- ren, der in erster Linie mithilfe vier großer Tunnelbohrmaschi- nen errichtet werden soll. In Norwegen wird traditionell die Bohr- und Sprengtechnik für den Bau von Straßen- und Eisen- bahntunneln verwendet. Im Zuge der Entscheidung, den Vor- trieb zum Follo-Line-Tunnel mit TBM vorzunehmen, wird ein Fachwissen wieder zum Einsatz kommen, das in den 1970er- und 1980er-Jahren in Norwegen vorherrschend war. Beim Bau der zwei Röhren des Follo-Line-Tunnels handelt es sich um ein umfassendes Projekt, das jedes vorherige Eisenbahnprojekt in Norwegen größenmäßig deutlich übertrifft. The Follo Line Project – Constructing Norway’s longest railway tunnel The Norwegian Follo Line Project is currently the largest trans- port project in Norway and will include the country’s longest railway tunnel. The project is being developed by the Norwe- gian National Rail Administration under commission from the Ministry of Transport and Communications. The new double track line between the Norwegian capital, Oslo and the public transport centre at Ski, includes a 19, 5 km twin-tube single track tunnel to be constructed mainly using four large tunnel boring machines. In Norway, drill and blast is the traditional method for constructions of road- and railway tunnels. The selection of TBM excavation for the Follo Line tun- nels will reignites an expertise that Norway dominated in the 1970s and in the 1980s. The construction of the Follo Line’s two tunnel bores is an extensive project, significantly larger than previous railway project in Norway. Bild 1 Geplanter Verlauf der Strecke Oslo-Ski (Illustration Norwegian Railway Administration) Map Oslo-Ski (Illustration Norwegian Railway Administration)

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau Spezial 2013 69

DOI: 10.1002/best.201300009

Anne Kathrine Kalager, Erik Smith FACHTHEMA

Das Follo-Line-Projekt –Bau des längsten Eisenbahntunnels in Norwegen

1 Einführung

Die neue zweigleisige Strecke zwischen Oslo und Ski istdas derzeit größte Infrastrukturprojekt in Norwegen undumfasst einen 19,5 km langen Tunnel mit zwei eingleisi-gen Röhren, der als bislang längster EisenbahntunnelNorwegens gelten wird (Bild 1). Der Hochgeschwindig-keitseisenbahntunnel wurde für maximale Tunnelkapazi-tät und -sicherheit sowie ideales Instandhaltungsmanage-ment entwickelt. Die nationale EisenbahnverwaltungNorwegens (Jernbaneverket) hat entschieden, den Haupt-teil des Tunnels einerseits mit vier großen Tunnelbohrma-schinen (TBM) zu errichten und gleichzeitig auch tradi-tionelle Methoden der Bohr- und Sprengtechnik zum Ein-

satz zu bringen. Es ist das erste Mal, dass in NorwegenTunnelbohrmaschinen zum Bau eines Eisenbahntunnelsverwendet werden.

Vier Schild-Tunnelbohrmaschinen werden für den Vor-trieb des Hauptteils des Follo-Line-Tunnels, eines insge-samt 19,5 km langen Felstunnels, eingesetzt. Von einerBaustelle in Åsland, südlich von Oslo, werden zwei TBMRichtung Süden bis zu den Tunnelportalen von Langhusvortreiben, während mit zwei weiteren TBM RichtungNorden bis zur Vorstadt von Bekkelaget vorgetriebenwerden soll (Bild 2). Vorläufig ist geplant, für den Zentral-teil des Tunnels, einen rund 1 km langen Abschnitt inRichtung des Osloer Hauptbahnhofs (Bild 3), den kon-ventionellen Bohr- und Sprengvortrieb (Drill & Blast)einzusetzen.

Insgesamt wird der konventionelle Bohr- und Sprengvor-trieb im Rahmen des Follo-Line-Projekts bei weniger alseinem Drittel der gesamten Tunnelarbeiten zum Einsatzkommen. Verwendet werden wird die Bohr- und Spreng-technik auch für den Bau aller Querschläge zwischen denzwei Tunnelröhren sowie für den Bau der Zugangsstollenzum Haupttunnel, einer großen Montagekaverne zurMontage der TBM unter Tage, eines Servicebereichs fürdie Bauarbeiten und einer Rettungsstation. Das Projektumfasst auch einen neuen eingleisigen Tunnel auf der alten Østfold-Strecke für den Verkehr in Richtung des Os-loer Hauptbahnhofs.

Das norwegische Follo-Line-Projekt gilt als das derzeit größteVerkehrsprojekt Norwegens und umfasst auch den längsten Eisenbahntunnel des Landes. Das Projekt wird im Auftrag desMinisteriums für Transport und Kommunikation von der natio-nalen Eisenbahnverwaltung Norwegens entwickelt. Die neue zweigleisige Strecke zwischen der norwegischenHauptstadt Oslo und dem öffentlichen Verkehrszentrum in Skiumfasst einen 19,5 km langen Tunnel mit zwei eingleisigen Röh-ren, der in erster Linie mithilfe vier großer Tunnelbohrmaschi-nen errichtet werden soll. In Norwegen wird traditionell dieBohr- und Sprengtechnik für den Bau von Straßen- und Eisen-bahntunneln verwendet. Im Zuge der Entscheidung, den Vor-trieb zum Follo-Line-Tunnel mit TBM vorzunehmen, wird einFachwissen wieder zum Einsatz kommen, das in den 1970er-und 1980er-Jahren in Norwegen vorherrschend war. Beim Bauder zwei Röhren des Follo-Line-Tunnels handelt es sich um einumfassendes Projekt, das jedes vorherige Eisenbahnprojekt inNorwegen größenmäßig deutlich übertrifft.

The Follo Line Project – Constructing Norway’s longestrailway tunnelThe Norwegian Follo Line Project is currently the largest trans-port project in Norway and will include the country’s longestrailway tunnel. The project is being developed by the Norwe-gian National Rail Administration under commission from theMinistry of Transport and Communications. The new double track line between the Norwegian capital,Oslo and the public transport centre at Ski, includes a 19, 5 kmtwin-tube single track tunnel to be constructed mainly usingfour large tunnel boring machines. In Norway, drill and blast isthe traditional method for constructions of road- and railwaytunnels. The selection of TBM excavation for the Follo Line tun-nels will reignites an expertise that Norway dominated in the1970s and in the 1980s. The construction of the Follo Line’s twotunnel bores is an extensive project, significantly larger thanprevious railway project in Norway.

Bild 1 Geplanter Verlauf der Strecke Oslo-Ski (Illustration Norwegian Railway Administration)Map Oslo-Ski (Illustration Norwegian Railway Administration)

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Beim Bau der zwei Tunnelröhren des Follo-Line-Projektshandelt es sich um ein umfangreiches Projekt, das jedesvorherige Eisenbahnprojekt in Norwegen größenmäßigdeutlich übertrifft. Der Einsatz von TBM als wichtigsteVortriebsmethode ebnet den Weg für eine größere natio-nale und internationale Beteiligung an diesem Baupro-jekt, im Rahmen dessen der bisher längste Eisenbahntun-nel Norwegens errichtet werden wird. Aufgrund der Größe des Tunnelbauprojekts wurde eine entsprechendangepasste Vergabestrategie ausgearbeitet, die eine Zu-sammenarbeit zwischen norwegischen und ausländi-schen Auftragnehmern und Lieferanten möglich machensoll. Die nationale Eisenbahnverwaltung Norwegens(Jernbaneverket) will Innovation und Kompetenzaufbaufördern, um so die Entwicklung des Städtedreiecks (Oslo-Halden/Oslo-Lillehammer/Oslo-Skien) zu unterstützenund die Wettbewerbsfähigkeit der norwegischen Auftrag-nehmer sowohl im inländischen als auch ausländischenTunnelbau weiter zu stärken.

2 Umfassend und innovativ

Für den Follo-Line-Tunnel wurde eine Nutzungsdauervon mindestens 100 Jahren festgelegt, weshalb hinsicht-lich dieses Aspekts strenge Anforderungen gestellt wer-den. In einem dicht befahrenen Tunnel kann der Zugangfür Instandhaltungsarbeiten ein Problem darstellen, wasbei der Wahl der technischen Lösungsansätze berücksich-tigt wurde.

Wichtige Kriterien für den Tunnel:– Sicherheit– Lange Nutzungsdauer – Minimale Instandhaltungsanforderungen – Maximale Betriebszeit (weniger Schließungen bedeu-

ten vorhersehbaren Verkehr) – Minimale Umwelteinwirkung während der Bauphase

und des regulären Betriebs– Bereitschaft zur Übernahme von technologischen

Lösungen, Kompetenzaufbau und -entwicklung

3 Geologie

Im Allgemeinen sind die Gesteinsbedingungen für denTunnel gut, mit allgemein wenigen Klüften und guter Sta-bilität. In lokalen Störzonen wird die Tunneltrasse je-doch auch schlechte Gesteinsbedingungen queren. DasGestein des Projektgebiets besteht hauptsächlich ausGneisen aus dem Präkambrium. Außerdem sind einebeacht liche Anzahl an Intrusionen aus dem Perm sowieAmphibolitdeiche/-schwellen zu verzeichnen. Die Am-phibolitdeiche/-schwellen sind im Projektgebiet häufigerals die Intrusionen aus dem Perm. Die meistenDeiche/Schwellen sind einige Meter stark, einige wenigesind stärker als 10 m. Auf sedimentäres Schiefergesteintrifft man in einem sehr kleinen Teil im Norden in Rich-tung des Osloer Hauptbahnhofs. Bisher angestellte Un-tersuchungen zeigen mäßig bis wenig geklüftetes Gestein(mit Ausnahme von begrenzten Bereichen mit Klüften,Verwerfungen und Störzonen), das frisch und nicht ver-wittert ist.

Das Gebiet ist bekannt für seine große anisotrope Span-nung mit hoher Horizontalspannung (sH wurde bei9,4 MPa gemessen). Probleme durch Kantenausbrüche,Gebirgsschlag oder Pressung werden nicht erwartet undauch nicht, dass geringe Spannungen zu Stabilitätspro-blemen außerhalb von Gebieten mit sehr geringer Gesteinsabdeckung führen werden. Wichtig ist die Fest-stellung, dass die Tunnelachse parallel oder sub-parallelzur Schieferung und einer wichtigen Kluftrichtung ver-läuft.

Einige Gebiete weisen starke Schichten Meeressedimentund lehmig-tonigen Mischsubstrats auf. Wenn der Grund-wasserspiegel in diesen Gebieten abgesenkt wird, kanndies zu Ablagerungen in Bauwerken auf den Tunnelab-schnitten führen. Demnach ist es wichtig, Wassereinbrü-che in den Tunnel während der Bau- und Betriebsphaseeinzudämmen.

Bild 2 Überblick über das Follo-Line-Projekt Oslo S (3D-Illustration ViaNovaund Norwegian Railway Administration)The Follo Line overview from Oslo S. (3D-Illustration ViaNova and Norwegian Railway Administration)

Bild 3 Eine modern Bahnstrecke. Oslo Hauptbahnhof (Foto: Norwegian Railway Administration – HILDE LILLEJORD

A modern railway. Oslo Central Station. (Photo Norwegian Railway Administration – HILDE LILLEJORD)

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4 Vergabestrategie

Der Auftrag zum Bau des Follo-Line-Tunnels wird in vor-bereitende Baumaßnahmen (Vortrieb der Zugangsstollenmit Bohr- und Sprengtechnik) und Hauptbauarbeiten un-terteilt werden. Die vorbereitenden Baumaßnahmen wer-den traditionell im Zuge von Aufträgen mit Einheitsprei-sen ausgeführt. Die Hauptbauarbeiten werden in zweiAufträge aufgeteilt, einen Auftrag für den mit TBM auszu-führenden Tunnelteil und einen zweiten Auftrag für denZentralteil Richtung Oslo. Dieser letztgenannte Abschnittwird mittels Bohr- und Sprengtechnik vorgetrieben wer-den. Bei den beiden Hauptaufträgen handelt es sich umEPC-Verträge.

Der größere EPC-Vertrag (TBM) wird die Eisenbahntech-nik für die gesamte Tunnelstrecke im Rahmen der Arbei-ten umfassen, ausgenommen der Signaltechnik, für dieein eigener Auftrag ausgeschrieben werden wird.

5 Vorbereitende Baumaßnahmen

Die wichtigsten vorbereitenden Baumaßnahmen des Fol-lo-Line-Projekts werden im Jahr 2013 beginnen, währendder Spatenstich zu den Hauptbauarbeiten für das Jahr2014 festgelegt ist. Im Laufe des Jahres 2013 wird derAuftrag zum Bau des langen Tunnels sowohl auf nationa-ler als auch internationaler Ebene ausgeschrieben wer-den. Lieferanten und Kooperationspartner können nunbeginnen, sich auf die Vorqualifikation und die Ausschrei-bung vorzubereiten.

6 Tunnelbohrmaschinen – die richtige Wahl

In Norwegen wird traditionell der Bohr- und Sprengvor-trieb (Drill & Blast) für den Bau von Straßen- und Eisen-bahntunneln eingesetzt. Auf internationaler Ebene hinge-gen entscheidet man sich beim Vortrieb von langen Tun-neln meist für Tunnelbohrmaschinen. Der Tunnel für dieneue zweigleisige Eisenbahnstrecke zwischen dem OsloerHauptbahnhof und dem öffentlichen Verkehrszentrum inSki wird in zwei parallel verlaufenden, eingleisigen Röh-ren (zweiröhriges System, Bild 4) ausgeführt. Sowohl dietraditionelle Bohr- und Sprengtechnik als auch der Vor-trieb mit Tunnelbohrmaschinen wurden dabei in Betrachtgezogen. Die nationale Eisenbahnverwaltung Norwegens

(Jernbaneverket) hat entschieden, dass es sich beim Vor-trieb mit Tunnelbohrmaschinen um die am besten geeig-nete Möglichkeit zum Bau des fast 20 km langen zweiröh-rigen Systems handelt. Bei der Entscheidung, die TBM alshauptsächliche Vortriebsmethode einzusetzen, waren vorallem die folgenden Faktoren ausschlaggebend:

– Die Tunnellänge– Die Gesteinseigenschaften– Eine geringere Auswirkung auf die Umgebung auf-

grund einer geringeren Anzahl an Zugangsstollen (Fürdie konventionelle Bohr- und Sprengtechnik wurdeangenommen, dass beim Bau der zwei Röhren achtZugangsstollen errichtet werden müssten. Wenn mandie Zahl der Zugangsstollen verringert, reduziert manauch die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Be-wohner.)

– Erwartete Nutzungsdauer– Allgemein geeignete Überlagerung – Verfügbarkeit eines großen Prüfbereichs im mittleren

Zugangsstollen, Baustelle Åsland– Der industrialisierte Prozess der Vortriebsmethode

mit TBM gilt als zuverlässiger Garant für qualitativhochwertige Arbeit

– Dank der Wahl von TBM für den Vortrieb zum Follo-Line-Tunnel wird ein Fachwissen wieder zum Einsatzkommen, das in den 1980er- und 1990er-Jahren inNorwegen vorherrschend war

Die Entscheidung, TBM für den Vortrieb zu verwenden,wurde nach umfangreichen Studien, geologischen Beob-achtungen und technischen, logistischen sowie umwelt-technischen Expertengutachten getroffen. Eine frühereEntscheidung der Eisenbahnverwaltung verwarf den Ent-wurf eines zweigleisigen Tunnelquerschnitts in einer ein-zigen Röhre mit 118 m2, da diese Lösung entweder in regelmäßigen Abständen angeordnete Fluchtstollen zurOberfläche oder einen parallel verlaufenden und 25 m2

großen Servicestollen mit Fluchtverbindungen alle1 000 m notwendig gemacht hätte. Parallel verlaufende,eingleisige Tunnelröhren von 75 m2 mit Querschlägen inAbständen von 500 m erfüllen hingegen die geltenden Si-cherheitsanforderungen. Sowohl die Bohr- und Spreng-technik als auch der Vortrieb mit TBM eignen sich füreingleisige Röhren, weshalb die letzte Entscheidung auchdem Auftragnehmer des EPC-Vertrags überlassen hättewerden können. Nachdem die Jernbaneverket jedoch diePros und Contras abgewogen hatte, entschied man sichdafür, den TBM-Vortrieb vorzugeben.

Für den Bau des Tunnels, der für einen Hochgeschwin-digkeitsverkehr von 250 km/h geplant wurde, sind TBMmit einem Durchmesser von rund 9,8 m nötig. Ein in ver-schraubten und abgedichteten Betonfertigteilen ausge-führter Tübbingausbau wurde im Rahmen des TBM-Vor-triebs ebenso vorgeschrieben, um die strengen Anforde-rungen zur Kontrolle der Grundwassereinbrüche erfüllenzu können. Dass Einfachschild- oder Doppelschild-TBMverwendet werden und der Tübbingausbau im Zuge desVortriebs errichtet wird, bietet in der Programmplanung

Bild 4 Zweiröhriger Tunnelquerschnitt (Norwegian Railway Administration)Illustration of twin tube tunnel (Norwegian Railway Administration)

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einen weiteren Vorteil der TBM-Methode auf langen Strecken (Bild 5). Durch die einzige zentrale Baustelle inÅsland können bis zu sechs zusätzliche Zugangsstollengestrichen werden, die notwendig gewesen wären, wennder Bohr- und Sprengvortrieb in den Röhren in 2 × 12 Ab-schnitte von rund jeweils 2 km unterteilt worden wäre.

Die Bohr- und Sprengmethode wird im Zuge des Projektsfür rund ein Drittel der Vortriebsarbeiten verwendet wer-den, und zwar zum Vortrieb der zwei zentralen Arbeits-stollen, jeweils bis zu 1 000 m lang, und der Notfall-Quer-schläge zwischen den zwei TBM-Röhren. Wahrscheinlichwird der Bohr- und Sprengvortrieb auch für den Bau desinnersten Tunnelabschnitts verwendet werden, ein 1-km-Abschnitt des zweiröhrigen Systems in Richtung des Osloer Hauptbahnhofs. Die Strecke verläuft durch denEkeberg-Hügel, vorbei an bestehenden Straßentunnelnund anderen unterirdischen Infrastrukturen, weshalb dieWahl der besten Vortriebsmethode noch diskutiert wird.Dieser Umstand könnte zu einer Ausweitung des TBM-Abschnitts zwischen Åsland und Oslo führen.

In den 1970er- und 1980er-Jahren galt Norwegen als eineder führenden Nationen, was den Einsatz von TBM beimTunnelbau in hartem Gestein betrifft. TBM wurden in ers-ter Linie zum Vortrieb von Tunneln für Wasserkraftwerkeoder zum Vortrieb von Abwassertunneln (einschließlichdes 40 km langen VEAS-Tunnels durch Oslo und Bæ-rum), aber auch für einige Straßentunnel verwendet. Alsder Bau der größten Wasserkraftprojekte reduziert wur-de, verlor auch die TBM-Methode in Norwegen an Wich-tigkeit, und die Tunnelbaubranche musste nach und nachTeile ihres Fachwissens im Bereich TBM-Vortrieb ein -büßen. Einige norwegische Unternehmen haben aber bisheute an internationalen TBM-Projekten mitgewirkt.

Der Einsatz von TBM für den Vortrieb des Hauptteils desFollo-Line-Tunnels bietet eine sehr gute Gelegenheit, umdas norwegische Know-how im Bereich TBM erneut aus-zubauen.

7 Qualität für die Zukunft

Das TBM-System, das für den Tunnel zum Einsatzkommt, umfasst aus verschraubten und abgedichteten Betonfertigteilen ausgeführte Tübbingringe, um einenSchutz vor Steinschlag sowie vor Wasser und Frost zu ga-rantieren. Der Raum hinter den Betonsegmenten wirdmit Fugenmörtel ausgefüllt werden, um den Spalt gegendie Tunnelwand abzudichten. Produktion und Einbau derBetonsegmente werden im Zuge eines industrialisiertenProzesses stattfinden. So kann eine hohe Qualität derKomponenten sowie des konkreten Einbauprozesses ga-rantiert werden. Hinsichtlich der Lebensdauer bedürfenTübbingringe aus Betonfertigteilen weniger Instandhal-tungsmaßnahmen als traditionellere Stützsysteme, wieFelsbolzen und Spritzbeton.

Für den Bohr- und Sprengvortrieb sind systematische In-jektionen vor dem Vortrieb zur Kontrolle der Grundwas-sereinbrüche verpflichtend. Mit Fortschreiten des Tunnel-vortriebs wird durch Felsbolzen und Spritzbeton gestützt.Die Wasser- und Frostschutzschale, die entlang des ge-samten Tunnels Anwendung findet, besteht aus einemgänzlich wasserbeständigen Membransystem und einerabschließenden, vor Ort gegossenen Betonschale. Es istüberaus wichtig, dass für die Bodenbedingungen geeigne-te Maschinen und Arbeitsteams mit TBM-Erfahrung un-ter ähnlichen Gesteinsbedingungen ausgewählt werden.Eine genaue Vorkenntnis der Bodenbedingungen gilt indiesem Zusammenhang als Schlüssel zum Erfolg.

8 Eine wichtige Baustelle

In Åsland, in der Nähe der europäischen Autobahn E6südlich von Oslo, wird eine große Baustelle errichtet wer-den. Die Betonsegmente der Tunnelauskleidung sollenhier hergestellt werden. Für die Produktion sowie die vorübergehende Lagerung der Betonfertigteile sind weit-läufige Flächen nötig. Auch für andere Arbeiten und Lo-gistikaufgaben besteht Platzbedarf. Unter Verwendungder konventionellen Bohr- und Sprengtechnik werden inÅsland zwei geneigte Zugangsstollen und eine unterirdi-sche Montagekaverne für die TBM errichtet werden. Zu-sammen dienen diese zwei Stollen dem ein- und ausge-henden Verkehr sowie dem Abtransport des TBM-Aus-hubs mittels Förderbändern. Die Stollen sind auch für dieBelüftung der Hauptröhren während der Bauphase sowiedie Rettungsstation während des Tunnelbetriebs wichtig.

Die nationale Eisenbahnverwaltung Norwegens (Jernba-neverket) plant den Bau einer Rettungsstation im Service-bereich, der sich auf Höhe der Hauptröhre zwischen denzwei geneigten Zugangsstollen befindet. Die vier großenSchild-TBM und ihre Nachläufer werden unter Tage mon-tiert. Der Abtransport des TBM-Aushubs erfolgt über För-deranlagen durch die Hauptröhren sowie die Verbin-dungs- und Zugangsstollen. Dort wird der Aushub auf ge-neigte Förderanlagen geladen und zu einer vorübergehen-den Lagerstätte auf der Baustelle Åsland transportiert.

Bild 5 TBM Doppelschild Tunnelbohrmaschine – Pajares Spanien (Foto Herrenknecht AG)TBM Double shield machine – Pajares Spania (Photo Herrenknecht AG)

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9 Aushub – eine Ressource

Rund zehn Millionen Tonnen Gesteinsmaterial werdenim Zuge der Tunnelbauarbeiten ausgehoben werden.Nach einem Aufruf zur Unterbreitung von Vorschlägenhat sich die nationale Eisenbahnverwaltung Norwegensmit verschiedenen öffentlichen und privaten Vertreternder Branche in Verbindung gesetzt, die dieses Gesteins-material nutzen wollen. Es ist wichtig, dass der Aushubauf sozial vertretbare und umweltverträgliche Art undWeise recycelt wird. Es wird davon ausgegangen, dass imRahmen des Follo-Line-Projekts bis zu 20 % des ausgeho-benen Gesteinsmaterials in der Betonherstellung recyceltwerden können.

Ebenso wichtig ist der sichere Transport des Aushub-materials, um die Auswirkungen auf die örtliche Um-welt so gering wie möglich zu halten. Sobald die ent-sprechenden Möglichkeiten für das Recycling desausgehobenen Gesteinsmaterials festgelegt wurden,können Pläne für den notwendigen Abtransport vonder Baustelle ausgearbeitet werden. Umwelttechnischgesehen wäre es am vorteilhaftesten, wenn ein Groß-teil des Aushubmaterials zur Baustelle in Åslandtransportiert werden könnte, da die Baustelle über ei-nen direkten Zugang zur europäischen Autobahn E6verfügt. Würde das Material hingegen über die achtZugangsstollen entfernt, müsste es über das regionaleStraßennetz durch dicht besiedeltes Gebiet transpor-tiert werden. Recycelt werden wird das Gesteinsma-terial über einen Zeitraum von rund 3–3,5 Jahren.

Das Follo-Line-Projekt in Zahlen und Fakten:

– Norwegens größtes Infrastruktur- und Verkehrspro-jekt

– Neubau einer 22 km langen, zweigleisigen Streckezwischen der Hauptstadt Oslo und dem öffentlichenVerkehrszentrum Ski

– Insgesamt rund 64 km neue Eisenbahnstrecke– 19,5 km Zweiröhrensystem mit Querschlägen alle

500 m– Der Beginn der Bauphase ist mit 2014 anberaumt– Der Beginn der vorbereitenden Baumaßnahmen ist

2013– Geplante Fertigstellung 2020– Der erste Eisenbahntunnel Norwegens mit zwei sepa-

rat verlaufenden Röhren

– Der Tunnel hat eine erwartete Nutzungsdauer von100 Jahren oder mehr

– Als erster Eisenbahntunnel dieser Art in Norwegenwird er hauptsächlich mit vier Schild-Tunnelbohrma-schinen gebaut

– Weniger als ein Drittel der gesamten Vortriebsarbeitenwird mithilfe der Bohr- und Sprengtechnik durchge-führt

– Das Projekt umfasst den Bau eines neuen Bahnhofs inSki, Ausbauarbeiten am Hauptbahnhof von Oslo so-wie die notwendig gewordene Neutrassierung derStrecke Østfold Line in Richtung des Osloer Haupt-bahnhofs und des Streckenverlaufs zwischen demTunnelportal in Langhus und dem neuen Bahnhof Ski

– Wird das Kernstück der InterCity-Verbindung südlichvon Oslo darstellen

– Entwickelt für Zuggeschwindigkeiten von bis zu250 km/h

– Ermöglicht eine 50-prozentige Verkürzung der Reise-zeit zwischen Oslo und Ski (von 22 auf elf Minuten)

– Stellt einen bedeutenden Kapazitätsausbau für denZugverkehr von/nach Oslo dar

– Erstes Transportprojekt mit eigener Umweltbewer-tungsmethode (Pilot-Projekt der nationalen Eisen-bahnverwaltung Norwegens in Umweltfragen)

– Sowohl für den Personentransport als auch den Güterzugverkehr entwickelt

– Für die 1,1 Millionen umfassende Bevölkerung derRegion Oslo wird bis 2025 ein 30-prozentiger Zu-wachs an Einwohnern und Arbeitsplätzen erwartet

– Es werden 150 000 Passagiere täglich erwartet

Autoren

The Follo Line ProjectNorwegian National Railway Administration JernbaneverketPostboks 43502308 Hamar, Norwegen

Dr. Engineer Erik [email protected]

Anne Kathrine Kalager, [email protected]