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Das Gefüge der Stähle

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VerzeichnisSchriftenreihe

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Das Gefüge der Stähle

Inhaltsverzeichnis

Atome und Körner 2

Zusatzelemente im Eisen 6

Einschlüsse im Stahl 7

Die Gefügearten der Stähle 8

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Atome und Körner

Alle Stähle sind, wie auch die anderenMetalle (z.B. Kupfer, Aluminium),kristallin aufgebaut; d.h. ob man Stahl-bleche, Drähte, Rohre oder andereProfile betrachtet, ob diese aus denGrundqualitäten bestehen (z.B. St 37)oder aus den hoch legierten Sorten(z.B. X40 Cr Mo V51), die Atome inihnen sind regelmässig nach bestimm-ten Gesetzmässigkeiten angeordnet.Das steht im Gegensatz zu Glas, vielenKunststoffen und anderen Werkstoffen,in denen die Atome unregelmässig(= amorph) enthalten sind.

Das Bild 1 zeigt ein Beispiel, wobeivereinfacht die Atome als Kugeln ange-geben sind. Je nach der Temperaturschwingen die Atome mehr oder weni-ger stark um ihre mittlere Lage hin undher. Man nennt eine solche kristallineOrdnung auch ein Raumgitter, und mansieht, dass es sich aus gleichen Einhei-ten (= Elementarzellen) aufbaut, die sichnebeneinander lagern, hier z.B. ausvielen kleinen Würfeln (s. Teil in Bild 1).Die Atome sind bekanntlich so klein,dass man sie auch mit den neuestenMikroskopen nicht einzeln sehen kann,denn ihr Durchmesser liegt bei 10-8 cm= 0,00000001 cm. Ihre Anordnung aberkann man mit Röntgenstrahlen deutlicherkennen.

Nun ist jedoch ein Stück Stahlblechoder Profil nicht etwa insgesamt sogleichmässig aus Eisenatomen aufge-baut, sondern es besteht aus vieleneinzelnen Körnern oder Kirstalliten, diedurch Zusatzelemente unterschiedlichzusammengesetzt sein können, die sichan den Korngrenzen unterscheiden undin die kaum vermeidbare Fehler einge-lagert sind. Da dieses Gefüge die Stahl-eigenschaften entscheidend beeinflusst,müssen wir uns seine Entstehung näheransehen.

Durch Erwärmen steigen die Schwin-gungen der Atome so stark, dass beimErreichen der Schmelztemperatur dieKristallordnung zusammenbricht und dieAtome frei beweglich werden. In umge-kehrter Richtung betrachtet: Wenn manStahl aus dem flüssigen Zustand ab-kühlt, so bilden sich bei der Erstarrungs-temperatur die Kristallite. An dieserStelle hat der Metallurge erstmals dieMöglichkeit, das Gefüge und damit dieStahlqualität zu beeinflussen. DieseKristallisation muss man sich so vor-stellen: An einzelnen Stellen legen sichdie ungeordneten Atome aus derSchmelze zu kleinen Kristallen, z.B.Würfeln, zusammen, die als Keimesozusagen wachsende Inseln in derFlüssigkeit bilden, bis sich alle Atomeeingeordnet haben. Dabei stossen dieeinzelnen Körner aneinander und be-

Das Gefüge der Stähle

Bild 1: Atomanordnung in Kristallen, hier in Form von Würfeln.

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grenzen sich deshalb unregelmässig,so dass die Würfelform verloren geht:Man spricht von Kristalliten, nicht Kri-stallen (s. Bild 2 und 3). Hier entschei-det sich, ob die Körner gross oder kleinwerden. Je schneller die Abkühlung er-folgt, um so mehr Keime entstehen, undum so kleiner sind die Körner. DurchZusatz von hoch schmelzenden Verbin-dungen, die also schon bei Beginn derErstarrung im festen Zustand in derSchmelze schwimmen, lagern sich dieAtome an dies an, und die Korngrösseverringert sich. Dieses ist besondersdurch Aluminium Al zu erreichen, dasim flüssigen Stahl mit Sauerstoff O undStickstoff N Verbindungen blildet, aberauch durch Vanadin V, Niob Nb u.a.

Trotz dieser Massnahmen ist die Primär-korngrösse nach der Erstarrung ungün-stig gross. Erst durch die Verformungund eventuelle Wärmebehandlung er-hält man das für die Verwendung erfor-derliche feine Sekundärgefüge. Darinliegen die Korndurchmesser zwischen0,001 und 0,3 mm, von wenigen Son-dergüten mit Grobkorn abgesehen, z.B.Elektrobleche, ferritische Stähle.

Zur Ermittlung der Korngrösse gibt eseine Vielzahl von Verfahren. Alle gehenso vor, dass man zuerst von dem zuuntersuchenden Material einen metallo-grafischen Schliff anfertigt, um dieKörner überhaupt sehen zu können.Dazu schneidet man eine kleine Probeaus dem Stahlstück heraus, schleift undpoliert eine Oberfläche vollkommen glattund ätzt diese dann durch kurzes Ein-tauchen in eine chemische Lösung. Eingebräuchliches Ätzmittel für Stahl istz.B. Äthylalkohol mit 2% Salpetersäure.

Bild 2: Beginnende Erstarrung der Schmelze mit den erstenwürfelförmigen Kristallen.

Bild 3: Abgeschlossene Erstarrung (vgl. Bild 2).

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Zur Kennzeichnung der Korngrössewird im allgemeinen nicht der Korn-durchmesser angegeben sondern dieNummer eines Vergleichsschliffes nachder von McQuaid-Ehn entwickelten undnach ASTM genormten Gefügerichtreihe(ASTM = American Society for TestingMaterials). Von dem zu untersuchendenSchliff stellt man dazu ein Foto in derVergrösserung 100:1 her und vergleichtdas Gefüge mit den Standardbildern(s. Bild 4).

Diese enthalten 19 Klassen von -3 bis+15, wobei die Nr. -3 ein einziges Kornje mm2 der Probe bedeutet, also einsehr grobes Korn, die Nr. -2 zwei Kör-ner, Nr. -1 vier, Nr. 0 acht usw. Von Nr. 1bis 5 spricht man von Grobkornstählen,von Nr. 6 bis 9 von Feinkornstählen undab Nr. 10 von Feinstkornstählen.

Neben der Bestimmung der Korngrössenach ASTM gibt es eine Reihe von Ver-fahren, die Korngrösse direkt auszumes-sen. Nach dem Kreisverfahren wirddie Anzahl der Körner innerhalb einesbestimmten Kreises auf einem Foto desSchliffes gezählt und daraus die mittlereKornfläche in µm2 (1 Mikrometer = 1/1000mm) oder der mittlere Korndurchmesserin µm berechnet. Nach dem Linienschnitt-verfahren wird eine Anzahl gerader Linienüber das Schliffbild gezogen, die Anzahlder geschnittenen Körner gezählt unddaraus die Korngrösse berechnet.

In der Tabelle 1 (auf Seite 5) sind dieZahlenwerte für die Korngrösse nachden drei Verfahren gegenübergestellt.

Korngrösse Nr. 4 Korngrösse Nr. 8Bild 4: Zwei Beispiele aus der ASTM-Gefügerichtreihe zur Bestimmung der Korngrösse.

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In der Praxis wird im allgemeinen einmöglichst feines Korn angestrebt, denndadurch steigen die Festigkeit, Härte,das Formänderungsvermögen und insbe-sondere die Kerbschlagarbeit. Anderer-seits begünstigt ein grobes Korn dieZerspanbarkeit und Magnetisierbarkeit,hat jedoch bei der Blechumformung eineAufrauhung der Oberfläche zur Folge.

Wie die Abb. 3 zeigt, sind die Raumgit-ter der einzelnen Körner gegeneinanderverkantet.Das erklärt sich aus der zu-fälligen Anordung der Atome in denKeimen. Wenn ein Stahlteil nur auseinem einzigen Korn bestehen würde(= Einkristall), so wären viele Eigen-schaften stark von der Richtung abhän-

gig; z.B. die Zugfestigkeit, Dehnbarkeit,magnetische Eigenschaften oder derElastizitätsmodul E wären längs in einemBlech anders als quer dazu (s. Bild 5).Ein solches richtungsabhängiges Ver-halten wird Anisotropie genannt; es istnormalerweise unerwünscht. die weitausmeisten Stähle verhalten sich auchwegen der vielen kleinen Körner isotrop(Bild 6a), d.h. ihre Eigenschaften sindunabhängig von der Richtung. In Son-derfällen aber kann man durch speziel-les Glühen und Verformen die Körnerparallel ausrichten (s. Bild 6b), dannverhält sich der Stahl wie ein grosserEinkristall mit verbesserten Eigenschaf-ten nach abestimmten Richtungen.Man spricht dann von Textur oderKornorientierung und nutzt das z.B. beiElektroblechen vorteilhaft aus. Uner-wünscht dagegen ist eine beim Walzenentstehende teilweise Textur in Tiefzieh-blechen. Durch die unterschiedlicheVerformbarkeit kann es, z.B. bei derHerstellung von zylindrischen Teilen ausRonden, zur Zipfelbildung und damit zuMaterialverlusten kommen.

ASTM Korndurchmesser Kornflächein µm in µm2

– 3 1000 1.000.000– 2 800 640.000– 1 550 302.500

0 350 122.5001 250 62.5002 180 32.4003 120 14.4004 90 8.1005 60 3.6006 45 2.0257 35 1.2258 22 4849 16 256

10 12 14411 8 6412 6 3613 4 1614 3,5 1215 3 9

Grobkornstahl

Feinkornstahl

Feinstkornstahl

}}}

Tabelle 1: Zahlenwerte der Korngrösse

Bild 5: Stahlblech als Einkristall (oder mit Kornorientierung) mitrichtungsabhängigem Elastizitätmodul.

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Werden höhere Gehalte zugegebenoder andere Elemente, die gar keineMischkristalle bilden können, so entstehteine zweite Kornart, in der die über-schüssigen Mengen enthalten sind.Diese kann man im Schliffbild gut vonder ersten unterscheiden, wenn ein ver-schieden wirkendes Ätzmittel verwendetwird, während man die im Grundgitter«versteckten» Mischkristallatome unterdem Mikroskop nicht sehen kann.

Die Wirkung von Zusatzelementen imStahl ist sehr differenziert. die Verfor-mung wird durch alle erschwert, d.h.gegenüber dem weichen Reineisensteigt die Festigkeit an. Sonst aber leitensich die vielfältigen Eigenschaften derStähle in erster Linie aus den Zusätzenab.

Zusatzelmente im Eisen

Stahl besteht neben den Eisenatomennoch aus einer Vielzahl von Begleit- undeventuell Legierungselementen, und eserhebt sich die Frage, wo diese im Git-ter enthalten sind. Dazu gibt es mehrereMöglichkeiten. Sind die Atomdurchmes-ser der Fremdelemente ungefähr sogross wie die Eisenatome, so können siediese im Gitter ersetzen. Kleine Atomehaben noch zwischen den EisenatomenPlatz. In beiden Fällen spricht man vonMischkristallen oder festen Lösungen,denn die Verteilung ist so gleichmässigwie in flüssigen Lösungen, z.B. Koch-salz in Wasser. Es leuchtet ein, dass dieMenge der Fremdatome, die in dasEisengitter eingebaut werden kann, imallgemeinen begrenzt ist. Diese maxi-male Löslichkeit ist jedoch stark von derTemperatur abhängig, denn die Atomeschwingen hin und her und veränderndamit die Platzangebote. So kann Eisenbis zu 2,06% Kohlenstoff C in sich lösen,das aber nur bei 1147°C. Sowohl beiErhöhung als auch bei Erniedrigung derTemperatur sinkt die Löslichkeit. Geradesolche unterschiedlichen Löslichkeitenwerden neuerdings in manchen Stählenzur Steigerung der Festigkeit ausgenutzt(Ausscheidungshärtung).

Bild 6a: Unterschiedliche Atomanordnung in den Körnern(isotropes Verhalten).

Bild 6b: Gleichgerichtete Atomanordnung in den Körnern(Kornorientierung).

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Einschlüsse im Stahl

Für die Qualität eines Stahles sindweitere Gefügebestandteile von grosserBedeutung: die Einschlüsse oderSchlacken. Diese können von aussen inden flüssigen Stahl gelangen, z.B. durchAbrieb des feuerfesten Materials derÖfen und Pfannen oder durch Einspülenvon Schlacke; sie können auch im Inne-ren des Stahles entstehen, z.B. beimDesoxidieren oder Legieren. Chemischgesehen handelt es sich meistens umOxide, besonders des Siliziums Si(= Silikate), das Aluminiums Al (= Ton-erde) und des Mangans Mn, oder umSchwefelverbindungen (= Sulfide), be-sonders solche mit Mn. Im Stahlwerkmuss dafür gesorgt werden, dass dierelativ leichten Einschlüsse möglichstim Stahl aufsteigen und sich in derSchlackenschicht sammeln. Das ge-schieht z.B. durch eine nach bestimmtenVorschriften durchgeführte Desoxidation,durch Spülbehandlungen des Stahles inder Pfanne, in Vakuumanlagen oderdurch Sonderbehandlungen. Trotzdembleiben immer Reste zurück, und zwarbevorzugt auf den Korngrenzen. Das istein weiterer Grund dafür, dass im allge-meinen ein feines Korn angestrebt wird:die Verunreinigungen sind dann gleich-mässig verteilt.

Bei der Verformung verhalten sich be-sonders die weichen Mn-Sulfide ziem-lich problemlos; sie gleiten mit demGrundmaterial und werden dabei langgestreckt. Die spröde Tonerde dagegen,aber auch manche Silikate, zerbröckelnund bilden in VerformungsrichtungZeilen. In beiden Fällen zeigt der Stahl

eine ausgeprägte Querempfindlichkeit(= Anisotropie), d.h. die Festigkeit undbesonders die Kerbschlagzähigkeitlängs und quer zur Walzrichtung sindunterschiedlich, quer mit erhöhterSprödigkeit und Härte. Grössere harteEinschlüsse können bei der Verformungzu Rissen im Stahl führen. Diese Gefahrist natürlich bei einer Kaltverformungnoch höher.

Bei der Verwendung des Stahls stelltjeder Einschluss eine mögliche Fehler-quelle dar, denn er unterbricht den metal-lischen Zusammenhalt und bildet einen«inneren Kerb». Als Folge steigen dieSprödigkeit und Bruchempfindlichkeit,besonders gegenüber einer Wechselbe-anspruchung. Dabei verhalten sichgleichmässig verteilte kleine Einschlüsseweniger schädlich als einzelne grobe.

Deshalb ist die rein chemische Beurtei-lung eines Stahles nach Art und Ge-samtmenge der Einschlüsse wenigeraussagekräftig als eine metallografi-sche. Ähnlich wie bei der Korngrössegibt es auch hier Schlackenrichtreihen,nach denen man durch Vergleichen desSchliffes mit Standardbildern vorgeht.Das Bild 7 zeigt in 100-facher Vergrös-serung zwei Beispiele für plastische (p)und spröde (s) Einschlüsse aus denStahleisen-Richtreihen, die jeweilsNr. 1 bis 10 enthalten, wobei die Nr. 1die wenigsten und Nr. 10 die meistenVerunreinigungen aufweisen. In wenigenSonderfällen können Einschlüsse aucherwünscht sein, z.B. Mn-Sulfidein Automatenstahl wegen der verbesser-ten Zerspanbarkeit.

Bild 7: Zwei Beispiele aus der Schlackenrichtreihe zur Bestimmung der Einschlüsse.

3 p 2 s

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Die Gefügeartender Stähle (Eisen-Kohlenstoff-Schaubild)Eisen kristalliert kubisch (würfelig), aberin zwei verschiedenen Arten:kubisch-raumzentriertes α-Fe mit einemFe-Atom im «Zentrum des Raumes»und kubisch-flächenzentriertes γ-Fe(s. Bild 8). In Wirklichkeit liegen dieAtome so dicht aneinander, dass siesich berühren; die hier gewählte Dar-stellungsart ist jedoch deutlicher. Beim Erhitzen liegt bis 911°C das α-Fe =Ferrit vor, dann ändert sich das Gitter imfesten Zustand in γ-Fe = Austenit, das(etwas vereinfacht) bis zum Schmelz-punkt bei 1536°C Bestand hat.

Bei 911°C, «klappt das Gitter um», d.h.die Atome springen blitzschnell in dieneue Anordnung. Wie die Abb. 8 zeigt,werden dabei die Austenitwürfel grös-ser, enthalten aber auch entsprechendmehr Atome. Die Würfelmitte wird nunfrei, hier können sich Zusatzatome ein-lagern, z.B. das für die Stähle wichtigsteElement, der Kohlenstoff. Bei 1147°Chaben maximal 2,06% C Platz. BeimBild 8 sieht man, dass Ferrit bei weitemnicht so viel C lösen kann, weil das Zen-trum nicht frei ist. Solche Temperatur-Konzentrations-Gefüge-Verhältnissekann man in grafischen Darstellungenam deutlichsten machen, in sogenann-ten Zweistoffdiagrammen. Bild 9 zeigtetwas vereinfacht das für die Stählewichtigste Eisen-Kohlenstoff-Schaubild.

Auf der senkrechten Achse sind dieTemperaturen bis in den flüssigen Zu-stand aufgetragen. Bei 1536°C liegt derSchmelzpunkt des reinen Eisens, bei911°C die Umwandlung von Austenit inFerrit. Auf der horizontalen Achse findenwir die im Eisen enthaltenen Kohlenstoff-gehalte, und zwar bis 6,7%. HöhereGehalte sind technisch uninteressant.Bei diesem C-Anteil legen sich jeweilsdrei Atome des Eisens und ein AtomKohlenstoff zu der Verbindung Fe3Czusammen, die Eisenkarbid oder Ze-mentit genannt wird. Genau genommenist also das Fe-C-Diagramm ein Fe-Zementit-Diagramm. Fe3C ist ausser-ordentlich hart und spröde, so dass sichzwar die Festigkeit von Eisen mit stei-gendem C-Gehalt stark erhöht, anderer-seits aber die Verformbarbeit erniedrigt

wird. Von 2,06% C ab ist die Ausbil-dungsform des Zementits so ungünstigfür die Formgebung, dass das Materialnur noch gegossen, jedoch nicht mehrgewalzt oder geschmiedet werdenkann. Unterhalb von 2,06% C liegt Stahlvor, darüber Guss- oder Roheisen.

Jeder Stahl- und Eisensorte entsprichteine senkrechte Gerade in dem Schau-bild. Von grosser praktischer Bedeutungist es, solche Sorten von der Schmelzebis zur Raumtemperatur zu beobachten,weil das typische Gefüge durch Erstar-rung der Schmelze entsteht und eventu-ell durch Wärmebehandlungen verän-dert wird. Dabei schneiden diese Senk-rechten die Linien des Schaubildes; ansolchen Schnittpunkten erfährt der

Werkstoff Umwandlungen, z.B. vomflüssigen in den festen Zustand aberauch Änderungen der Atomanordnungim festen Zustand, etwa den Übergangvon Austenit in Ferrit. Die Umwand-lungslinien bilden im Diagramm Gebieteoder Felder, innerhalb derer gleicheZustandsformen vorliegen. Diese sindfür den Stahlbereich in das Schaubildeingetragen. Man erkennt, dass teilwei-se nur eine Zustandsform enthalten ist(Schmelze, Austenit oder Ferrit), teilwei-se auch zwei (z.B. Schmelze + Austenit,Austenit + Zementit). Um sich besserverständigen zu können, ist es üblich,die Schnittpunkte der Umwandlungslini-en mit bestimmten grossen Buchstabenzu kennzeichnen (s. Bild 9).

Bild 8: Die beiden Kristallformen des Eisens.

Bild 9: Das Eisen-Kohlenstoff-Schaubild.

α-Eisen = Ferrit(kubisch-raumzentriert)

γ-Eisen = Austenit(kubisch-flächenzentriert)

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Beobachten wir nun einen Stahl mit z.B.0,4% C von der Schmelze bis zur Raum-temperatur, indem wir uns im Stahlwerkeine Kokille vorstellen, die gerade mitdieser Sorte voll gegossen worden ist.Die Temperatur soll 1600°C betragen:siehe oberer Endpunkt der linken gestri-chelten Senkrechten in Bild 10.Während der Stahl abkühlt, erreicht mandie erste Umwandlungslinie bei a: dieErstarrung beginnt, indem sich die er-sten kubischen Kristalle in der Schmelzebilden. Diese Linie A-C-D wird Liquidus-linie genannt, weil oberhalb von ihr dasGebiet der Schmelze liegt (liquidus, lat.= flüssig). Man erkennt, dass die zumSchmelzen erforderliche Temperatur mitsteigendem C-Gehalt stark abnimmt.Ein Stahl mit 1,2% C ist bei ca. 1500°Cflüssig, Gusseisen mit 4,3% C sogarschon bei 1200°C.

Praktisch von grosser Bedeutung ist,dass der Kohlenstoffgehalt der erstenerstarrten Kristalle unseres Stahles nichtetwa auch 0,4% C beträgt, sondern nuretwa 0,1% (s. horizontale, gestrichelteLinie mit Punkt b. Die Zusammenset-zung kann man auf der unteren Achseablesen). Da natürlich die Gesamtzu-sammensetzung in der Kokille mit 0,4%C konstant bleibt, muss sich die restli-che Schmelze in dem Masse an Kohlen-

stoff anreichern, wie sich C-arme Körnerbilden. Auf diese Art entstehen Konzen-trationsunterschiede (= Seigerungen)im Stahl, und zwar sowohl innerhalbder einzelnen Körner (= Kristallseige-rung) als auch über den gesamtenBlockquerschnitt gesehen (= Blockstei-gerung). Noch stärker ausgeprägt alsbei Kohlenstoff sind solche Seigerungenbei Schwefel und Phosphor im Stahl.

Bei weiterer Abkühlung steigt der Anteilan erstarrtem Stahl in der Schmelze an,bis am Punkt c der gesamte Inhalt derKokille fest geworden ist: ein Stahlblockist entstanden. Die UmwandlungslinieA-E-C-F wird Soliduslinie genannt, weilunterhalb alles fest ist (solidus, lat. =fest). Zwischen der Liquidus- und derSoliduslinie liegt ein Gemisch ausSchmelze und festen Kristallen vor. Manspricht auch von einem Kristallbrei. ImFe-C-Schaubild erkennt man, dass einsolcher temperaturabhängiger breiigerZustand bei allen Eisensorten auftritt mitAusnahme von reinem Eisen mit 0% Cund Roh- bzw. Gusseisen mit 4,3% C.Diese beiden Sorten erstarren beikonstanter Temperatur, haben also einenSchmelzpunkt und nicht einen Schmelz-bereich. Bei 4,3% C liegt die niedrigsteErstarrungstemperatur im Fe-C-Schau-bild überhaupt vor. Ein solcher Punktwird eutektischer Punkt genannt, ent-sprechend spricht man von einer eutek-tischen Legierung oder einem Eutekti-kum (griechisch = gut schmelzend).

Bild 10: Zwei Abkühlungsverläufe im Eisen-Kohlenstoff-Schaubild.

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Unterhalb des Punktes c besteht derStahl – auch bei anderen Kohlenstoffgehalten – einheitlich aus Austenitkör-nern, ist also kubisch flächenzentriertmit den Kohlenstoffatomen in der Mitteder Würfel. Bei fortschreitender Abkühl-ung des Stahlblockes findet mit demErreichen der Linie G-S am Punkt d, alsobei etwa 850°C, eine weitere Umwand-lung statt, und zwar im festen Zustand.Solche Gefügeänderungen sind ins-besondere für die Glüh- und Härtever-fahren von grosser Bedeutung. DieseÄnderungen beginnen an den Korn-grenzen. Bei unserem Stahl entstehtFerrit. In der Abb. 11 ist dieser Über-gang als schematisches Schliffbild dar-gestellt. Er ist für das Verständnis vielerpraktischer Vorgänge ausserodentlichwichtig. Im einzelnen geschieht an denKorngrenzen zweierlei: Zunächst klapptdas Gitter um von kubisch flächenzen-triert in kubisch raumzentriert. Unddann müssen die Kohlenstoffatome indie Mitte der Austenitkörner wandern(diffundieren), weil in diesen Würfelnnicht so viel Platz ist (s. Pfeile in Bild11). Dadurch steigt hier der C-Gehaltan. Dieser Vorgang läuft mit sinkenderTemperatur weiter ab bis zur Linie P-Sbei 723°C. Im Austenit ist jetzt 0,8% Centhalten, entsprechend dem Punkt S.Unterhalb dieser Temperatur ist derAustenit nicht mehr beständig, er wan-delt sich um in das Gefüge Perlit, einfeinstreifiges Gemenge aus Ferrit undZementit. Der Name leitet sich von demperlmuttartigen Glanz ab, den man imMikroskop sieht. Unterhalb von 723°Cfinden keine weiteren Umwandlungenmehr statt.

Da die Diffusion des Kohlenstoffs einegewisse Zeit benötigt, entsteht das an-gegebene Gefüge nur bei langsamerAbkühlung. Diesen Umstand nützt manbeim Härten aus.

Alle Stähle bis zu 0,8% haben einenentsprechenden Abkühlungsverlauf undführen zu ähnlichem Gefüge. DieseSorten werden untereutektoide Stählegenannt. Im Fe-C-Schaubild ist S dereutektoide Punkt (= «ähnlich wie eutek-tisch»). Der Name leitet sich von demähnlichen Aussehen dieses Punktes imVergleich zum eutektischen Punkt C ab;beide stellen niedrigste Lagen dar, Sjedoch im festen Zustand und deshalb

nicht «gut schmelzend». Die Gefügedieser untereutektoiden Stähle enthaltenFerrit und Perlit in unterschiedlichenAnteilen. Bei Raumtemperatur und sehrgeringem C-Gehalt von unter 0,02%liegt praktisch nur Ferrit vor; bis 0,8%steigt der Perlitanteil gleichmässig an,und entsprechend fällt der Ferritgehalt.Bei genau 0,8% C ist nur noch Perlitvorhanden (= eutektoider Stahl). DieBild 12 und 13 (Seite 11) zeigen zweiSchliffbilder bei etwa 0,4% C, das erstedavon schematisch (wie Bild 11, aberjetzt bei Raumtemperatur). Man sprichtauch vom Schwarz-Weiss-Gefüge.

Aus solchen Bildern kann man mitetwas Übung den C-Gehalt des Stahlesziemlich genau bestimmen. Da Ferritsehr weich ist und Perlit eine mittlereFestigkeit sowie gute Zähigkeit besitzt,wird der Stahl mit steigendem C-Gehaltimmer härter.

Bild 11:Ferrit-Bildung

im Austenit ander oberen

Umwandlungs-linie, unter-

eutektoniderStahl. (Die Pfeile

geben dieRichtung derKohlenstoff-

Diffusion an).

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Die obere Umwandlungslinie G-S imfesten Zustand wird auch die A3-Liniegenannt. Das sich die Temperaturwerteder Umwandlungen beim Abkühlenetwas nach unten und beim Aufheizennach oben verschieben, unterscheidetman manchmal noch zusätzlich zwi-schen Ac3 (chauffage = Aufheizen) undAr3 (refroidissement = Abkühlen). Dieuntere Umwandlungslinie P-S bei 723°Cwird entsprechend auch A1 genannt,bzw. ganz korrekt Ac1 und Ar1.

Als Beispiel eines übereutektoiden Stah-les (von 0,8 bis 2,06% C) sehen wir unsden Abkühlungsverlauf bei 1,2% C an.Die einheitlichen Austenitkörner, die jabei der Erstarrung entstanden sind,wandeln sich jetzt beim Erreichen derLinie S-E um, also bei ca. 900°C(s. rechte gestrichelte Linie in Bild 10).Unterhalb dieser Temperatur ist γ-Fenicht mehr in der Lage, so viel Kohlen-stoff im Gitter gelöst zu halten. Deshalbdiffundieren die C-Atome zu den Korn-

grenzen (s. Bild 14) und bilden dortZementit. Mit sinkender Temperatur gehtdieser Vorgang bis zur Linie P-S-K =723°C; auch hier enthält der Austenitnun 0,8%C und wandelt sich in Perlitum. Man erkennt das Gegensätzliche zuden untereutekoiden Stählen (vgl. Bild11): Die Umwandlungen gehen zwar im-mer an den Korngrenzen vor sich; ein-mal jedoch wandert der Kohlenstoff vondort weg, damit sich der weiche Ferritbilden kann, das andere Mal wandert Cdorthin, um den spröden Zementitzu bilden, bevor die restlichen Austenit-körner sich in beiden Fällen in Perlitumwandeln. Als typisches Gefüge über-eutektoider Stähle sind die Perlitkörnermit einer, bei höherem C-Gehalt etwasbreiteren, Schale von Korngrenzen-zementit umgeben (s. Bild 15 und 16).

Bild 12: Untereutektoider Stahl (schematisches Gefüge). Bild 13: Untereutektoider Stahl mit ca. 0,7% C, «Schwarz-Weiss-Gefüge». Vergrösserung 500-fach.

Bild 14: Bildung von Korngrenzenzementit im Austenit,übereutektoider Stahl. (Die Pfeile geben die Richtung derKohlenstoff-Diffusion an.)

Bild 15: Übereutektoider Stahl (schematisches Gefüge).

Ferrit Zementit

Perlit

}

Zementit

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Zu den untereutektoiden Stähle gehörenin erster Linie die Baustähle. Die hartenWerkzeugstähle ergeben einen solchenhier abgebildeten Schliff. Man kann sichleicht vorstellen, dass bei dieser Vertei-lung des spröden Zementits sowohl dieVerformung als auch die Verwendungschwierig sind: Das Material ist insge-samt spöde, d.h. empfindlich gegenStoss und Schlag, weil auch die zähenPerlitkörner nicht gleiten können.Deshalb muss die Zementitform durchWarmumformung und Glühen geändertwerden.

Es stellt sich die Frage, warum es zwarα- und γ-, aber keine β-Mischkristallegibt. Diese existierten früher demNamen nach wirklich. Man bezeichnetedamit das α-Fe. das oberhalb von768°C unmagnetisch wird. Eine Gitter-umwandlung ist jedoch damit nichtverbunden, deshalb hat man die Buch-staben geändert. γ-Mischkristalle sindimmer unmagnetisch.

Eine weitere Frage ist sicherlich, wiesoAustenit nach dem Fe-C-Diagramm nuroberhalb von 723°C beständig ist, daes doch austenitische Stähle gibt, z.B.die hauptsächlichen rostfreien Sorten.Diese sind jedoch hoch legiert. Dadurchdehnt sich das γ-Feld bis zur Raum-temperatur aus. Ebenso dehnt sichdas Ferritgebiet durch Zusatz andererLegierungselemente weit aus, so dassferritische Stähle mit höheren Kohlen-stoffgehalten möglich sind.

Bild 16: Übereutektoider Stahl mit ca. 1,0% C, Vergrösserung 500-fach.