Das große Geheimnis der Geigenkonstruktion! · Amati nach Cremona gebracht wurde. Die Arbeiten von...

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Das große Geheimnis der Geigenkonstruktion! Seit nunmehr fünfzehn Jahren wird an der HTBLA Hallstatt die Analyse und Konstruktion historischer Musikinstrumente unterrichtet und angewandt. Allein die Analyse der Violine, im Vergleich zu anderen historischen Instrumenten, blieb unbefriedigend und kompliziert. In einem Projekt mit einer speziell begabten Klasse konnten sieben hochmotivierte junge Instrumentenbauer mit dieser Aufgabe beschäftigt werden und gemeinsam wurden vermutlich bahnbrechende Entdeckungen gemacht. Die Ausgangsidee war, das Konstruktionssystem zu finden, welches den Violinen Stradivaris eigen ist. Wir waren der Annahme, dass bisherige Erklärungen zu kompliziert und historisch nicht korrekt waren. Es sollten die damaligen Werkzeuge (Lineal und Zirkel) zur Anwendung kommen und das Ergebnis sollte in sich stimmig sein. Abb.1+2 Skizzen Sacconis und Stradivaris zur Position der F-Löcher Wir begannen mit den Aufzeichnungen zur F-Loch Konstruktion und fanden eine Lösung, erkannten aber bald, dass wir das komplette Bild benötigten, um zu einer wirklichen Erkenntnis zu kommen. Ein wesentliches Problem bei der Analyse der Cremoneser Violinen stellte dar, dass die Maßeinheit nicht klar erkenntlich war. Mehrere Autoren haben sich schon damit beschäftigt und keine befriedigende Lösung gefunden. Auf einem Lineal aus Stradivaris Nachlass konnte F. Najmon 1980 eine Maßeinheit identifizieren, welche 18,66mm beträgt. Ebenso ist auf einem Pergament aus dem Nachlass Cozio di Salabue (siehe Bild3) die Anwendung dieses Maßes sichtbar.

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  • Das große Geheimnis der Geigenkonstruktion! Seit nunmehr fünfzehn Jahren wird an der HTBLA Hallstatt die Analyse und Konstruktion historischer Musikinstrumente unterrichtet und angewandt. Allein die Analyse der Violine, im Vergleich zu anderen historischen Instrumenten, blieb unbefriedigend und kompliziert. In einem Projekt mit einer speziell begabten Klasse konnten sieben hochmotivierte junge Instrumentenbauer mit dieser Aufgabe beschäftigt werden und gemeinsam wurden vermutlich bahnbrechende Entdeckungen gemacht. Die Ausgangsidee war, das Konstruktionssystem zu finden, welches den Violinen Stradivaris eigen ist. Wir waren der Annahme, dass bisherige Erklärungen zu kompliziert und historisch nicht korrekt waren. Es sollten die damaligen Werkzeuge (Lineal und Zirkel) zur Anwendung kommen und das Ergebnis sollte in sich stimmig sein. Abb.1+2 Skizzen Sacconis und Stradivaris zur Position der F-Löcher

    Wir begannen mit den Aufzeichnungen zur F-Loch Konstruktion und fanden eine Lösung, erkannten aber bald, dass wir das komplette Bild benötigten, um zu einer wirklichen Erkenntnis zu

    kommen. Ein wesentliches Problem bei der Analyse der Cremoneser Violinen stellte dar, dass die Maßeinheit nicht klar erkenntlich war. Mehrere Autoren haben sich schon damit beschäftigt und keine befriedigende Lösung gefunden. Auf einem Lineal aus Stradivaris Nachlass konnte F.

    Najmon 1980 eine Maßeinheit identifizieren, welche

    18,66mm beträgt. Ebenso ist auf einem Pergament aus

    dem Nachlass Cozio di Salabue (siehe Bild3) die

    Anwendung dieses Maßes sichtbar.

  • Vorerst konnten wir unter Verwendung der 18,66mm nur folgende Zusammenhänge erkennen: Die

    maximale Breite beträgt 11 x 18,66mm, die Länge ca.19 x 18,66mm und die daraus entstehende

    Diagonale 22 x 18,66mm. Erst die Entdeckung eines konzentrischen Kreisrasters, ausgehend vom geometrischen

    Mittelpunkt der Geige, ließ die tatsächliche Verwendung dieses Maßes sichtbar werden.

    Im anschließenden Text wird diese Zahl als Amati-Zoll (“)abgekürzt.

    Folgende Zahlen in mm sind im Amati-Zoll interessant: 1/2 1 3/2 2 9/4 5/2 3 7/2 4 5 11/2 6 9,33 18,66 28 37,33 42 46,66 56 65,33 74,66 93,33 103 11

    Ein Rechteck wird gezeichnet, die Länge davon lässt sich als zwei aufeinander gestellte

    gleichseitige Dreiecke darstellen (11x11x11). Die Diagonale ergibt 22“. Interessanterweise beträgt

    die Anzahl der Tasten früher Klavichorde 22. Weiteres umfasst das Guidonische System 22 Töne,

    und 22/7 sind näherungsweise Pi. Man kreuzt die Diagonalen, ein Grundvorgang jeder üblichen Konstruktion, und hat somit die geometrische Mitte dieses Rechtecks. Nun beginnt man im ganzzahligen Zoll Abstand (1,2,3“..) Kreise zu ziehen und siehe da, ALLE nötigen Konstruktionspunkte für Unterbügel, Oberbügel, etc. sind vorhanden! Das könnte immer noch Zufall oder mathematische Folge eines anderen Systems sein. Ein ganz wesentlicher Punkt der Konstruktion ist aber nun zum ersten Mal sofort sichtbar, die Position des Steges! Erhielt man diese bisher erst am Ende einer längeren Kette von Konstruktionsschritten, befindet sich die Mensur einen Zoll aus der Mitte gemessen (bei ca.197-198mm), was sich an allen beobachteten Cremoneser Violinen nachweisen ließ.

  • Ebenso sind die Kreise, bzw. die Radien aus denen sich der Umriss zusammensetzt, immer ganze

    Abb. Violine Andrea Amati mit konzentrischem Raster, Rechtecklänge 19“, Breite 11“ Alle anderen Konstruktionsschritte sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht

    eingetragen

  • oder halbe Zollzahlen, selbst ihre Zentren sind ganze oder halbe Zoll von der Mittelachse entfernt! Wir wollten noch immer keine übereilten Schlüsse ziehen und erweiterten die Analyse auf alle Instrumente aus Cremona, beginnend bei Andrea Amati. Es zeigte sich, dass dort die Konstruktionsprinzipen noch klarer hervortraten, nur die Wahl einzelner Radien unterschied sich. Natürlich muss die Interpretation der Messdaten mit Sachverstand erfolgen: Die maximale Breite

    ist jener Wert, der durch Schrumpfung (Holzhysterese) am meisten leidet. Unter Berücksichtigung

    der Holzhysterese ist somit auch die aktuelle Breite einer Andrea Amati mit 202mm erklärbar. Die

    Länge der Böden und Decke schrumpft kaum, oder ist aufgrund der möglichen Vorspannung sogar ein wenig länger (356mm). Mittels Computer wurden Bilder von Violinen maßstabsgetreu ausgedruckt und ein Raster darüber gelegt, um so die feinen Unterschiede der einzelnen Geigenbauer festzustellen. Interessanterweise konnten nun auch kleinere Instrumente, die Französischen Violinen Amatis, mit 344mm (= 18 Zolllänge statt 19) und die nur wenig kürzeren

    Violinen der Gebrüder und Nicolo Amati von 350mm Länge (= 18 3/4 Zoll), gut eingeordnet

    werden.

  • Bei der Analyse der Violen konnten wir den nächsten Beweis für unsere These finden. Auch hier

    Abb : Amati Konstruktion über die Violinen von Stradivari , Andrea Amati Del Gesu und Gebrüder Amati gelegt. Maximale Breiten und Stegposition sowie die

    Länge bleiben konstant

  • ist die Mensur 1 Zoll aus der Mitte gemessen! Das Instrument ist somit keine simple Vergrößerung der Violine, sondern folgt einer eigenen Variante des konzentrischen Zollkreis-Systems.

    (Abb.: Bratsche verschnitten Text Nr. 1)

  • Das System ist selbst für die Celli anwendbar. Die Rekonstruktion des Andrea Amati Cellos, basierend auf der Ergänzung der Bemalung von Roland Houel entspricht exakt dem System! (Abb.: cello Text Nr.2) Bei der Überarbeitung der Daten wurde uns dann bewusst, dass die Violinen aus Brescia ebenso

    das Maß 18,66 beinhalten. Allerdings nicht in dieser unglaublich eleganten Verknüpfung über

    Kreisbögen, sondern in einer geraden und einfacheren Form, sowie wir es bisher von Analysen kennen. (Abb.: Geige Maggini Text Nr.3)

  • Im folgendem konnte die Anwendung dieses Maßes auch bei anderen Instrumenten gefunden werden, sodass der Schluss nahe liegt, dass diese 18,66mm ein allgemeines Maß für den Instrumentenbau in Brescia gewesen sein könnte und möglicherweise von Andrea Amati nach Cremona gebracht wurde. Die Arbeiten von F. Denis und S. Pollen deuten an, dass die Violinen Stradivaris möglicherweise nicht mehr konstruiert, sondern bestehende Amati-Modelle modifiziert wurden. Die Konstruktion der F-Löcher

    Stradivaris erfolgt jedoch unserem Wissen nach anhand dieser Amati-Methode. Überdies kann

    man aufgrund des Lineals aus seinem Nachlass annehmen, dass jenes Maß ihm selbst noch bekannt war.

  • (Abb.:Bassgambe Text Nr.4) (Abb.:Zister Text Nr. 5)

  • Da anzunehmen ist, dass die Schnecken hinsichtlich ihrer Form bis auf das untere Wirbelkastenende kaum verändert sind, wurden auch diese analysiert. Es lässt sich feststellen, dass alle relevanten Breiten der Schnecken, sowie ihre seitliche Ansicht sich auf eine Konstruktion, basierend auf dem Amati-

    Zoll, zurückführen lassen(siehe Abb.XX). Hier fällt die besonders elegante

    Verknüpfung der Maße bei der Violine auf: Die Länge des Wirbelkastens inklusive der Schnecke beträgt 103 mm= 5,5“, was ebenso der halben Deckenbreite (11/2“), der Grundlage des Konstruktionsrechtecks, entspricht.

  • Abb.: Alle grün hinterlegten Zahlen sind mit dem Zollmaß ableitbar.

    Quelle: www.theluthierslibrary.com Zusammenfassung:

    Existenz einer Maßeinheit auf einem Stradivari Lineal von 18,66 mm Zusammenhang mit dem Venezianischen Zoll von ca.28 mm möglich, 18,66 = 2/3 von 28 (das Verhältnis der Quinte) Anwendung eines konzentrischen Konstruktionssystems für alle Cremoneser Violinen

    Stegposition bei Violinen und Violen 1“ aus der Mitte

    Violine: Breite 11“, Länge 19“, C-Bügel 6“

    Radien der Umrisse sind stets ganzzahlige oder halbe Zoll und ebenso

    Zollmaße von der Mittelachse entfernt

    Kleine Violinen bis zu Celli folgen Varianten dieser Amati-Methode

    Verwendung des Maßes bei den Brescianer Violinen, jedoch in einem

    anderen System

    Das Maß findet sich zeitgleich auch in anderen Instrumenten aus Brescia

  • Texte zu den Bildern:

    1. Viola Andrea Amati (Instrument gekürzt):

    Breiteste Stelle: 242,58mm= 13"

    Stegposition: 1" aus der Mitte

    Radius des Unterbügels: 6 1/2"

    Radius des Oberbügels: 4"

    Beerenlinie aus Zentrum: 48mm

    Augendistanz innerhalb des ff-Loches: 4"

    2. Cello Gebrüder Amati, Cremona:

    Korpuslänge: 739mm= 40"

    Oberbügel: 19"

    C-Bügel: 12 1/2"

    Unterbügel: 23"

    Stegposition: 1 1/2" aus der Mitte

    3. Geige Maggini, Brescia, before 1632:

    Korpuslänge: 350mm= 18 3/4"

    Oberbügel (breiteste Stelle): 8 3/4" Radius 3 1/4" Einstichpunkt liegt am 6" Kreis und befindet sich 1" aus der Mitte

    C-Bügel (schmalste Stelle): 5 3/4" Radius 3" Einstichpunkt liegt 6" aus der Mitte

    Unterbügel (breiteste Stelle): 10 3/4" Radius 4" Einstichpunkt liegt am 5 1/2" Kreis und befindet sich 1 1/2" aus der Mitte

    Stegposition: 1/2" aus der Mitte

    ff-Lochlänge 3 1/2"

    Beerenlinie = Wendepunkt unten: 2"

  • 4. Bassgambe Pelegrino di Zanetto, ca 1550 Brescia

    Gesamtmensur: 655mm= 35"

    Breite am Unterbügel: 327,5mm= 17,5"

    Breite am Oberbügel: 262mm= 14"

    Radius ff-Loch: 98mm= 5 1/4"

    Radien Umriss: 196,5mm= 10,5 131mm= 7"

    5. Zister Brescia, ca 1650

    Korpuslänge: 335,9mm= 18"

    Breite: 227mm= 12"

    Schalllochradius: 28mm= 1,5"

    Stegposition: 103mm= 5,5" (von unten nach oben gemessen)

    Radien Umriss: 189mm= 10" 113,6mm= 6"

    Breiteste Stelle bis Mitte Schallloch: 75,65mm= 4"