Das ilo-konzept der unterbeschäftigung - boeckler.de · Force-Konzept und somit auch die Statistik...

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Statistisches Bundesamt Das ilo-konzept der unterbeschäftigung Definitionen, Anwendungsmöglichkeiten und Ergebnisse DGB/HBS-Veranstaltung „Einfach nicht genug zum Leben unfreiwillige Teilzeitarbeit und MiniJobs!“ Berlin, 27. Mai 2009 Dr. Martina Rengers, Statistisches Bundesamt, Arbeitsmarkt

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Statistisches Bundesamt

Das ilo-konzept der unterbeschäftigungDefinitionen, Anwendungsmöglichkeiten und Ergebnisse

DGB/HBS-Veranstaltung „Einfach nicht genug zum Leben −unfreiwillige Teilzeitarbeit und MiniJobs!“

Berlin, 27. Mai 2009Dr. Martina Rengers, Statistisches Bundesamt,

Arbeitsmarkt

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Das ILO-Konzept der zeitbezogenen unterbeschäftigung

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Unterbeschäftigung – Definitionen

IAB, DIW und Sachverständigenrat

Unterbeschäftigung

= registrierte Arbeitslosigkeit (BA)

+ „Stille Reserve“Definitionen der Unterbeschäftigung beim IAB, DIW und Sachverständigenrat unterscheiden sich lediglich in der genauen Abgrenzung der „Stillen Reserve“

=> Erwerbstätigkeit schließt Unterbeschäftigung aus (Ausnahme: wenn gleichzeitig registrierte AL und ET vorliegt)

Labour-Force-Konzept der ILO

Unterbeschäftigung= Erwerbstätige mit Wunsch

nach zusätzlichen Arbeitsstunden + mit „weiteren Kriterien“einige der „weiteren Kriterien“ sind optional andere obligatorisch

=> Unterbeschäftigung ist immer ein Teil der Erwerbstätigkeit

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Unterbeschäftigung – ILO-Konzept/Resolutionen (1)

Erwerbstätigemit Arbeit(arbeiten mind. 1 Stunde pro Woche oder haben Arbeitsplatz)

Erwerbsloseohne Arbeitaktiv suchendverfügbar

Erwerbspersonen(labour force)

Nichterwerbspersonen(out of labour force)

ohne Arbeit

aktiv suchend

nicht verfügbar

ohne Arbeit

nicht aktiv suchend

verfügbar

ohne Arbeit

nicht aktiv suchend

nicht verfügbar

Unterbeschäftigte:Wunsch nach zusätz-lichen Arbeitsstunden

verfügbar

weniger als Schwellen-wert gearbeitet

aktiv suchend

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Unterbeschäftigung – ILO-Konzept/Resolutionen (2)

Die umfassende Definition der Erwerbstätigkeit (1 Stunde Arbeit pro Woche reicht aus) führt dazu, dass Erwerbslosigkeit als extreme Situation des totalen Fehlens von Arbeit betrachtet wird.

Mit dem Unterbeschäftigungskonzept können weniger extreme Situationen mit partiellem Fehlen von Arbeit ausgewiesen werden.

Das Konzept der zeitbezogenen Unterbeschäftigung vervollständigt das Labour-Force-Konzept und somit auch die Statistik der Erwerbslosigkeit.

Die internationale Vergleichbarkeit von Erwerbstätigenzahlen wird durch die zusätzliche Angabe der Zahl von Unterbeschäftigten erhöht.

ABER: International findet man bislang noch wenige Statistiken über Unterbeschäftigung; Erwerbstätige werden i.d.R. lediglich nach Voll- und Teilzeitbeschäftigung unterteilt.

Relevanz:

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operationalisierung:Mikrozensus (MZ/LFS)

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Unterbeschäftigung – Operationalisierung (1)

1. Ja, durch Aufnahme einer zusätzlichen Tätigkeit

2. Ja, durch neue Tätigkeit mit längerer Arbeitszeit

3. Ja, durch Aufstockung der Stunden der derzeit ausgeübten Tätigkeit

4. Ja, ohne Festlegung auf eine bestimmte Variante

Haben Sie den Wunsch, gegen entsprechend höheren Verdienst (roter Einschub seit 2008)normalerweise mehr Stunden pro Woche als derzeit zu arbeiten?

5. Nein

Mikrozensus − 1. Kriterium der Unterbeschäftigung

1. Ja

Wenn es nach Ihnen ginge: Könnten Sie sofort (d.h. innerhalb von 2 Wochen) beginnen, mehr Stunden als bisher zu arbeiten? (seit 2008)

2. Nein

Mikrozensus − 2. Kriterium der Unterbeschäftigung

Das optionale Kriteriums der aktiven Suche wird im Mikrozensus nicht erfasst.

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Unterbeschäftigung – Operationalisierung (2)

Mikrozensus - Anteile in Prozent an allen Erwerbstätigen

8,5 8,8 8,5

13,7

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

16,0

2005 2006 2007 2008

in %

%ET mit Wunsch an allen ET - MZ%ET mit Wunsch + Verfügbarkeit (Unterbeschäftigtenquote) - MZ

11,9

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Unterbeschäftigung – Operationalisierung (3)

1. Kriterium: Wunsch nach zusätzlichen Arbeitsstunden

Die empirischen Ergebnisse lassen vermuten, dass die ab 2008 veränderte Frageformulierung − also der Einschub „gegen entsprechend höheren Verdienst“ − einen Effekt auf die Höhe der ausgewiesenen Erwerbstätigen mit Wunsch nach zusätzlichen Arbeitsstunden hat.

Dies könnte auch die internationale Vergleichbarkeit einschränken, da die Frageformulierungen nicht in allen Ländern den Einschub „gegen entsprechend höheren Verdienst“ enthalten (trotz EUROSTAT-Empfehlung).

Das optionale „Unterkriterium“ der aktiven Suche wird im Mikrozensus nicht erfasst.

2. Kriterium: Verfügbarkeit

Das Verfügbarkeitskriterium wird im Mirkozensus erst seit 2008 erfasst.

Probleme:

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Empirische Ergebnisse:MZ/LFS 2008

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Unterbeschäftigung vs. Teilzeitbeschäftigung

Unterbeschäftigte

„unfreiwillig“ Teilzeitbeschäftigte, d.h. Hauptgrund für TZ:

„Vollzeittätigkeit nicht zu finden“

Schnittmenge

4,6 Mio.

2,1 Mio.

1,5 Mio.

4,6 Mio.

2,1 Mio.

1,5 Mio.

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Unterbeschäftigung vs. Teilzeitbeschäftigung

2,1 Mio.

1,5 Mio.

4,6 Mio. Unterbeschäftigte insgesamtdarunter:

1,5 Mio. „unfreiwillig“ TZ, die keine VZ finden

0,9 Mio. TZ aus sonstigen Gründen

9,9 Mio.

9,9 Mio. Teilzeitbeschäftigte insgesamtdarunter:

4,6 Mio.

0,9 Mio.

2,1 Mio. „unfreiwillig“ TZ, die keine VZ finden

7,8 Mio. TZ aus sonstigen Gründen

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Unterbeschäftigung vs. Teilzeitbeschäftigung

Zeitbezogene Unterbeschäftigung „Unfreiwillige“ Teilzeitbeschäftigung i.e.S.

WESTDEUTSCHLAND

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Unterbeschäftigung vs. Teilzeitbeschäftigung

Zeitbezogene Unterbeschäftigung „Unfreiwillige“ Teilzeitbeschäftigung i.e.S.

OSTDEUTSCHLAND

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„Unterbeschäftigung: empirische Ergebnisse

Ost-West: Die OST-Unterbeschäftigtenquote ist mit 15,5% ca. 1,3-fach höher als die WEST-Quote mit 11,9%.

Frauen-Männer: Die Unterbeschäftigtenquote ist bei den ostdeutschen Frauen insgesamt gut 1,6-fach höher als bei den ostdeutschen Männern. In Westdeutschland ist das Verhältnis etwas günstiger: hier knapp 1,2-fache Erhöhung bei den Frauen gegenüber den Männern.

Unterbeschäftigung und „unfreiwillige“ TZ: Größenordnungen

Die Zahl der Unterbeschäftigen (4,6 Mio.) ist mehr als doppelt so hoch wie die der „unfreiwillig“ Teilzeitbeschäftigten (2,1 Mio.).

Für Deutschland insgesamt gilt somit: Unterbeschäftigten-Quote 11,9% und „unfreiwillige“-TZ-Quote 5,5%.

Unterbeschäftigung vs. Teilzeitbeschäftigung

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Unterbeschäftigten-Quoten vs. „unfreiwillige“-TZ-Quoten

Ost-West / Männer-Frauen: Am stärksten sind die Quotenunterschiede bei den westdeutschen Männern am wenigsten bei den ostdeutschen Frauen.

Hier stellen sich folgende Fragen

1) Arbeiten unterbeschäftigte Männer in Westdeutschland überwiegend Vollzeit?

2) Arbeiten unterbeschäftigte Frauen in Ostdeutschland überwiegend „unfreiwillig“ TZ?

Unterbeschäftigung und „unfreiwillige“ TZ: Überlappungen der Personengruppen

OstenWestenInsgesamtAufteilung der Unterbeschäftigten nach FrauenMännerFrauenMänner

21,1 %54,7 %25,3 %76,5 %47,1 %− unterbeschäftigt + VZ

12,8 %6,4 %40,5 %6,7 %20,0 %− unterbeschäftigt + „freiwillig“ TZ

66,1 %38,9 %34,2 %16,8 %32,9 %− unterbeschäftigt + „unfreiwillig“ TZ

Unterbeschäftigung vs. Teilzeitbeschäftigung

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Unterbeschäftigung vs. Teilzeitbeschäftigung

Unterbeschäftigte insgesamt

− Überwiegender Lebensunterhalt −Männer

Westdeutschland Ostdeutschland

Unterbeschäftigt + gleichzeitig „unfreiwillig“ TZ

89,9

0,7

2,7

5,5

1,1

60,5

3,4

6,8

27,8

1,5

EigeneErwerbstätigkeit

ALG I

Angehörige

ALG II, Sozialgeld

Sonstiges

77,4

1,6

1,3

18,4

1,4

50,2

3,9

1,6

43,2

1,1

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Unterbeschäftigung vs. Teilzeitbeschäftigung

Unterbeschäftigte insgesamt

− Überwiegender Lebensunterhalt −Frauen

Westdeutschland Ostdeutschland

Unterbeschäftigt + gleichzeitig „unfreiwillig“ TZ

74,3

0,6

18,1

5,3

1,6

71,4

1,1

15,6

10,5

1,3

EigeneErwerbstätigkeit

ALG I

Angehörige

ALG II, Sozialgeld

Sonstiges

81,3

1,4

1,9

13,6

1,8

76,4

1,7

2,1

18,4

1,4

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Unterbeschäftigung und „unfreiwillige“ TZ: Überwiegender Lebensunterhalt

Eigene Erwerbstätigkeit auf Rang 1:

dies gibt der mit Abstand größte Teil der Unterbeschäftigten an

sowohl in West- als auch in Ostdeutschland sowie Männer und Frauen

ALGII/Sozialgeld auf Rang 2:

Männer: hier sind mit einem Anteil von 18,4% besonders die unterbeschäftigten Männern im Osten betroffen (unterbeschäftigte Männer im Westen: 5,5%); deutlicher Anstieg, wenn gleichzeitig „‘unfreiwillig‘ TZ“ vorliegt: Im Osten 43,2%, im Westen 27,8%

Frauen im Osten: 13,6% aller unterbeschäftigten Frauen in Ostdeutschland (im Westen nur 5,3% und damit dort auf Rang 3); auch hier Anstieg, wenn gleichzeitig „‘unfreiwillig‘ TZ“ vorliegt: Im Osten 18,4%, im Westen 10,5%

Angehörige auf Rang 2:

Frauen im Westen: nach eigenen Angaben 18,1% aller unterbeschäftigten Frauen im Westen (im Osten: 1,9%)

ABER: Unterschiedliches Antwortverhalten in Ost und West ist nicht auszuschließen !

Unterbeschäftigung vs. Teilzeitbeschäftigung

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Fazit zur zeitbezogenen unterbeschäftigung

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FazitDas ILO-Konzept der Unterbeschäftigung vervollständigt das Bild von der Erwerbstätigkeit und ergänzt somit gleichzeitig Statistiken der Erwerbslosigkeit.

Unterbeschäftigtenzahlen zeigen nicht genutztes Arbeitsvolumen-Potential.

„Unterbeschäftigung“ und „‘unfreiwillige‘ TZ“ sind 2 wichtige Indikatoren

Die Zahl der Unterbeschäftigen (4,6 Mio.) ist mehr als doppelt so hoch wie die der „unfreiwillig“ Teilzeitbeschäftigten (2,1 Mio.).

Die Analyse von Schnittmengen beider Indikatoren bringt zusätzliche Erkenntnisse.

Aber: Schwierigkeiten bei der Erfassung beider Indikatoren, z.B.

Äußert sich der Wunsch nach Mehrarbeit auch in konkreten Aktivitäten?

Was ist der Hauptgrund für eine TZ, wenn mehrere Gründe zusammenkommen?

=> Deshalb: Vorsicht bei der Interpretation!

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Vielen dank für ihre aufmerksamkeit!

Dr. Martina Rengers

Statistisches Bundesamt, Wiesbaden

[email protected]