Das kardiovaskuläre System in der Osteopathie

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33 14. Jahrg., Heft 2/2013, S. 33–37, Elsevier GmbH, www.elsevier.de/ostmed Korrespondenzadresse: Kerstin Schmidt Staudach 20 88145 Hergatz [email protected] Osteopathische Medizin LITERATUR Über den Tellerrand sehen ... Die Redewendung „über den Tellerrand sehen“ ist jedem von uns geläufig. Im übertragenen Sinne bedeutet dies, etwas über den eigenen (manchmal eingeschränkten) Gesichtskreis hinaus zu betrachten oder etwas von einer höheren Warte aus zu beobachten. Somit ist jemand, der nicht über den Tellerrand blickt, ein Mensch, der die Dinge nur in seiner engen Umgebung oder in seinem eingeschränkten (herkömmlichen) Denken betrachtet. Wir erapeuten sollten uns dadurch auszeichnen, dass wir offener sind, vor allem für neue oder auch sogenannte alternative Methoden, Denkweisen und Wahrnehmungen. Bücher können uns dabei helfen. Und was will ich Ihnen damit sagen? Mir begegnen immer wieder Bücher, auf die dies zutri. Neugierig? In der Liste der Neuerscheinungen am Ende der Literaturrubrik finden Sie „interessante Fundstücke“. Dort nenne ich Bücher, die uns über unseren eigenen Tellerrand hinausblicken lassen. Der Titel „Heilung beginnt im Unsichtbaren“ spricht doch schon für sich. Die Autorin, eine französische Kardiologin und Anästhesistin, schreibt über ihren Weg von der Schulmedizin zu alternativen Verfahren bis hin zur Lehre bei einem philippinischen Heiler. Ich habe viele Aspekte der Osteopathie darin gefunden. Mein Prädikat dafür: äußerst lesenswert! Natürlich finden Sie im Anschluss ebenfalls die Fachrezensionen, die sie erwarten. Neben fachlichen Büchern wie den Neuauflagen der beschreibenden Anatomie von Tittel und GOT-Techniken von Hermanns werden Sie auch Rezensionen entdecken, die wieder etwas mit dem oben genannten Tellerrand zu tun haben: Das Buch von Patrick van den Heede gehört mit seiner Innovation für das kardiovaskuläre System unbedingt dazu. Hilfestellung für das schwierige Thema traumatisierte Menschen soll der Hinweis auf das Buch „Die dunklen Schatten unserer Vergangenheit“ geben. Vielleicht sind Anregungen für Sie dabei, im Laufe der anstehenden Sommermonate einmal „über den eigenen Tellerrand“ zu schauen. Viel Spaß beim Stöbern! Kerstin Schmidt, Rubrikleitung Patrick van den Heede, Jean-Luc Danjon Das kardiovaskuläre System in der Osteopathie Entwicklungsdynamik, Funktionsdynamik, Behandlung 188 Seiten (Hardcover) Urban & Fischer in Elsevier, 2012 ISBN: 978-3-437-55004-1, € 79,99 Die tägliche Arbeit in der Praxis wird durch ein Verständnis der Flüssigkeits- bewegungen im System Körper sowie der morphodynamischen und embryo- logischen Entwicklung des Menschen interessanter und effektiver. Hierzu leis- tet dieses Buch einen hervorragenden und in dieser Form bislang ungekann- ten Beitrag. Die Autoren nähern sich damit einem außerordentlichen Kon- zept der Osteopathie an, dem Konzept einer „aus Soma, Psyche und Pneuma bestehenden Medizin, die über die Ein- bindung in ihr Umfeld eine grundle- gende Einheit bedingt“. Immer wieder Bezug nehmend auf Stills osteopathi- sche Grundprinzipien beschreiben sie – auauend auf Embryologie, Genetik und Epigenetik – die Organogenese des Herzens und geben einen tiefen Einblick in die Entwicklungs- und Funktionsdynamik des menschlichen Organismus. Der untrennbare Zusam- menhang von Struktur und Funktion wird dabei in erstaunlicher Weise ver- deutlicht. Das Buch wird somit zu einem Werk über die Entwicklung des menschli- chen Lebens, das Leben selbst sowie das Menschsein an sich. Es ist mitunter ergreifend zu lesen, wie sich die Schöp- fung im Menschen ausdrückt. Die Erklärungen und Grafiken sind schlüssig und genau und so reichhaltig und tiefgehend, dass man sogar nach der 20. Lektüre des Werkes noch Neues ent- decken wird. Hervorzuheben ist insbe- sondere der Abschnitt über die biodyna- mische Embryologie und Biokinetik, in dem auch die philosophische Aspekten von Begriffe wie „potency“ und „mid- line“ näher erklärt werden. Die im letzten Kapitel vorgestellten Techniken beziehen sich im Wesent-

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3314. Jahrg., Heft 2/2013, S. 33–37, Elsevier GmbH, www.elsevier.de/ostmed

Korrespondenzadresse:

Kerstin SchmidtStaudach 2088145 Hergatz

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L I T E R AT U R

Über den Tellerrand sehen ...Die Redewendung „über den Tellerrand sehen“ ist jedem von uns geläufi g. Im übertragenen Sinne bedeutet dies, etwas über den eigenen (manchmal eingeschränkten) Gesichtskreis hinaus zu betrachten oder etwas von einer höheren Warte aus zu beobachten. Somit ist jemand, der nicht über den Tellerrand blickt, ein Mensch, der die Dinge nur in seiner engen Umgebung oder in seinem eingeschränkten (herkömmlichen) Denken betrachtet. Wir Th erapeuten sollten uns dadurch auszeichnen, dass wir off ener sind, vor allem für neue oder auch sogenannte alternative Methoden, Denkweisen und Wahrnehmungen. Bücher können uns dabei helfen. Und was will ich Ihnen damit sagen? Mir begegnen immer wieder Bücher, auf die dies zutrifft . Neugierig? In der Liste der Neuerscheinungen am Ende der Literaturrubrik fi nden Sie „interessante Fundstücke“. Dort nenne ich Bücher, die uns über unseren

eigenen Tellerrand hinausblicken lassen. Der Titel „Heilung beginnt im Unsichtbaren“ spricht doch schon für sich. Die Autorin, eine französische Kardiologin und Anästhesistin, schreibt über ihren Weg von der Schulmedizin zu alternativen Verfahren bis hin zur Lehre bei einem philippinischen Heiler. Ich habe viele Aspekte der Osteopathie darin gefunden. Mein Prädikat dafür: äußerst lesenswert! Natürlich fi nden Sie im Anschluss ebenfalls die Fachrezensionen, die sie erwarten. Neben fachlichen Büchern wie den Neuaufl agen der beschreibenden Anatomie von Tittel und GOT-Techniken von Hermanns werden Sie auch Rezensionen entdecken, die wieder etwas mit dem oben genannten Tellerrand zu tun haben: Das Buch von Patrick van den Heede gehört mit seiner Innovation für das kardiovaskuläre System unbedingt dazu. Hilfestellung für das

schwierige Thema traumatisierte Menschen soll der Hinweis auf das Buch „Die dunklen Schatten unserer Vergangenheit“ geben. Vielleicht sind Anregungen für Sie dabei, im Laufe der anstehenden Sommermonate einmal „über den eigenen Tellerrand“ zu schauen.Viel Spaß beim Stöbern!

Kerstin Schmidt, Rubrikleitung

Patrick van den Heede, Jean-Luc Danjon

Das kardiovaskuläre

System in der

Osteopathie

Entwicklungsdynamik,

Funktionsdynamik,

Behandlung

188 Seiten (Hardcover)Urban & Fischer in Elsevier, 2012ISBN: 978-3-437-55004-1, € 79,99

Die tägliche Arbeit in der Praxis wird durch ein Verständnis der Flüssigkeits-bewegungen im System Körper sowie der morphodynamischen und embryo-logischen Entwicklung des Menschen interessanter und eff ektiver. Hierzu leis-tet dieses Buch einen hervorragenden und in dieser Form bislang ungekann-ten Beitrag. Die Autoren nähern sich damit einem außerordentlichen Kon-zept der Osteopathie an, dem Konzept einer „aus Soma, Psyche und Pneuma bestehenden Medizin, die über die Ein-bindung in ihr Umfeld eine grundle-gende Einheit bedingt“. Immer wieder Bezug nehmend auf Stills osteopathi-sche Grundprinzipien beschreiben sie – aufb auend auf Embryologie, Genetik und Epigenetik – die Organogenese des Herzens und geben einen tiefen

Einblick in die Entwicklungs- und Funktionsdynamik des menschlichen Organismus. Der untrennbare Zusam-menhang von Struktur und Funktion wird dabei in erstaunlicher Weise ver-deutlicht. Das Buch wird somit zu einem Werk über die Entwicklung des menschli-chen Lebens, das Leben selbst sowie das Menschsein an sich. Es ist mitunter ergreifend zu lesen, wie sich die Schöp-fung im Menschen ausdrückt. Die Erklärungen und Grafi ken sind schlüssig und genau und so reichhaltig und tiefgehend, dass man sogar nach der 20. Lektüre des Werkes noch Neues ent-decken wird. Hervorzuheben ist insbe-sondere der Abschnitt über die biodyna-mische Embryologie und Biokinetik, in dem auch die philosophische Aspekten von Begriff e wie „potency“ und „mid-line“ näher erklärt werden.Die im letzten Kapitel vorgestellten Techniken beziehen sich im Wesent-

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Osteopathische Medizin

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Luise Wörle, Erik Pfeiff

Yoga als Therapie

Praktische Übungen

für Gesundheit und

Wohlbefi nden

208 Seiten (Paperback)Urban & Fischer in Elsevier, 2012ISBN: 978-3-437-45090-7, € 36,99

In der osteopathischen Behandlung liegt ein Hauptaugenmerk auf der Verbesse-rung des posturalen Gleichgewichts sowie einer ökonomischen und komfor-tablen Haltung. Im Laufe der Jahre in der Praxis macht man jedoch die Erfahrung, dass selbst eine noch so qualifi zierte Behandlung oft nicht ausreicht, um die Situation der Patienten nachhaltig zu verbessern. Zwischen den Behandlungs-terminen können Eigenübungen die therapeutischen Maßnahmen effi zient unterstützen. Hier schließt das nun vorliegende Buch eine Lücke. Im Au-gust 2010 erschien die englische Ausgabe des Buches „Yoga As Th erapeutic Exercise“ von Luise Wörle und Erik Pfeiff (Churchill Livingstone/Elsevier). Seit dem 17. September 2012 ist nun auch die deutsche Übersetzung erhältlich.Die herausragende Idee dieses Buches ist es, Yoga für therapeutische Ziele

einzusetzen. Besonders interessant ist dieses Buch für uns Osteopathen, da Luise Wörle ihre jahrzehntelange Erfahrung als Iyengar-Yoga-Lehrerin mit ihren therapeutischen Kenntnissen aus der Praxis für Osteopathie vereint. Besonders geprägt hat sie dabei die jah-relange Zusammenarbeit mit Laurie Hartman D.O., in dessen Behandlungs-konzept die Verbesserung von Körper-haltung und Bewegungsmustern eine wesentliche Rolle spielt. Das Buch bietet einen reichhaltigen Fundus an Übungselementen, die je nach therapeutischer Zielsetzung aus-gewählt werden können. Im Zentrum stehen detaillierte Übungsbeschreibun-gen, sogenannte Bausteinübungen, mit über 300 präzisen Fotos. Diese dienen der Mobilisierung und Kräft igung oder Entspannung defi nierter Körperberei-che sowie der Koordination. Daneben werden klassische Asanas vorgestellt. Besonderer Wert wird auf Koordina-tion, Gleichgewicht, gute Atmung und achtsames Üben gelegt.Nach einer kurzen Einführung in das Denkmodell des Yoga und die Prinzi-pien der yogischen Praxis folgt ein Kapitel über medizinische Diff erenzi-aldiagnose und muskuloskelettale aktive Funktionstests. Aus der Vielzahl von möglichen Tests wurden jene aus-gewählt, die in Bezug zu den jeweiligen Übungszielen stehen. Besonders kom-fortabel ist der direkte Verweis von möglichen Testergebnissen auf dafür relevante Übungen.Im Hauptteil werden Baustein-übungen bezüglich der einzelnen Körperregionen aufgeschlüsselt dar-gestellt. Dabei werden die Ziele der einzelnen Übungen klar formuliert. Die Übungsabläufe werden klar beschrieben, angefangen von der Aus-

gangsposition bis hin zu einer achtsa-men Aufl ösung der Übung. Häufi g folgen Varianten, die es ermöglichen, das Üben zu intensivieren. Die Beschreibungen werden durch Bilder unterstützt. Des Weiteren wird der individuelle Einsatz von Hilfsmitteln angeboten, um dem Körper speziell bei bestimmten Problemen die richtige Ausrichtung bzw. eine Unter-stützung zu geben. Somit können auch Patienten mit spezifi schen Pro-blemen sowie Patienten jeden Alters die Übungen anwenden.Die Bausteine werden schließlich in 34  präzise angeleiteten klassischen Asanas wieder zu ihrer Herkunft zu-rückgeführt. Im Kapitel „Yoga im Alltag“ wird eine Anleitung gegeben, um ein geändertes Verhalten und „Haltung“ im Alltag zu verwirklichen.Die Inhalte des Buches sind sorgfältig recherchiert und fachlich fundiert. Eine konsequente Angabe der Literatur liefert die Möglichkeit zur Vertiefung einzelner Sachverhalte. Die Sprache ist klar und verständlich. Alle praktischen Übungen sind reichlich mit Fotos bebildert und gut nachvollziehbar, auch ohne Vorkenntnisse in Yoga.Osteopathen mit Eigenerfahrung im Yoga wird dieses Buch besonders ansprechen. Aber auch solche ohne eigene Erfahrung fi nden klare Anwei-sungen, um therapeutische Ziele durch Anleitung zu Eigenübungen umzuset-zen. Dies kann unter Umständen das therapeutische Konzept gut ergänzen. Somit ist dies ein wichtiges Buch für alle Osteopathen, die ihr klinisches Repertoire von therapeutischen Übun-gen erweitern wollen.

Angela Bierent-Vass M.Sc. (USA), D.O. M.R.O., München

lichen auf die Behandlung der Hauptdiaphragmen, die mit allgemei-nen venösen und lymphatischen Drainagetechniken kombiniert werden. Die vorgestellten Techniken bilden sicherlich die Grundlage für die Behandlung des Gesamtorganis-mus und sind mit den beschriebenen

biodynamischen Denkansätzen kom-biniert sehr eff ektiv, ich hätte mir nach dieser grandiosen Einführung jedoch ein paar spezifi schere Techni-ken für Herz und Herzskelett sowie direkte Arterientechniken gewünscht. Vielleicht im zweiten Band?

Macht aber nichts, insgesamt ist das Buch ein hervorragendes osteopa-thisch-kardiologisches Embryologie-buch und ein spannendes Werk. Es bekommt von mir 4,9 von 5 Sternen.

Dr. med. Stanley Frank, Augsburg

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