Das Konzern-Dilemma oder warum IT Projekte wirklich scheitern

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Mittwoch, 20. Mai 2015

Das Konzern-Dilemma oder warum IT-Projekte wirklich scheitern

Geschrieben von Matthias Hanitsch, Leader’s Mind

"Now what do I do?" - Image by Scott W. Vincent | Flickr.com

Fast kein Monat vergeht, in dem nicht irgendeine neue Studie das Scheitern von IT-Projekten

beleuchtet. Kein Wunder: Analysten gehen davon aus, dass 60-80% aller IT-Projekte das Ziel

verfehlen. Die Ursachen sind gut bekannt, dennoch hat sich diese Misserfolgsquote in den letzten

20 Jahren nicht verbessert. Und das, obwohl jeder einzelne Projekttag schon bei mittelgroßen

Vorhaben hohe fünfstellige Beträge kostet. Woran liegt das?

Katzenjammer Vor mehreren Jahren, in einem großen deutschen Konzern: Man feiert den Kick-off für die

europaweite Einführung eines neuen CRM-Systems. Vor dem Projektstart lagen sechs Monate

intensiver Vorbereitung: Der Business Case wurde berechnet, Investitionsanträge bearbeitet, das

Team zusammengestellt, Meilensteine geplant, externe Dienstleister beauftragt und viele, viele Mails

geschrieben. Gute Planung ist die halbe Miete.

Ein paar Monate und mindestens 500 Meetings später: Irgendwie läuft’s nicht rund. Termine werden

verschoben, Landesgesellschaften misstrauen der versprochenen Funktionalität, die Motivation der

Projektmitarbeiter ist auf dem Tiefpunkt und auch die Technologie hat ihre Tücken. Die Kosten laufen

aus dem Ruder. Nach dem initialen Business Case fragt schon lange niemand mehr. Es geht nur noch

darum, endlich den ersten Go-Live zu verkünden. Auf Biegen und Brechen.

Projekte scheitern an Inkonsequenz So oder ähnlich verlaufen viele IT-Projekte. Und dank der eingangs erwähnten Studien wissen wir

auch ganz genau, woran das liegt. Hier eine Hitliste der 10 beliebtesten Ursachen für gescheiterte

Projekte:

1. Ungenügende Kommunikation

2. Fehlerhafte, unrealistische Projektplanung

3. Mangelnde Ressourcen

4. Zu optimistische Annahmen

5. Unklare Rollenverteilung

6. Zu hoher Termindruck

7. Zu starre Organisation

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8. Ungeeignetes Vorgehensmodell

9. Unerfahrene Projektleitung

10. Mangelndes Projektcontrolling

Gut, dass wir das jetzt wissen. Nur – eigentlich nichts Neues. Schon lange vor Projektbeginn ist klar,

welche Fehler es zu vermeiden gilt. An Literatur dazu herrscht kein Mangel. Auch erfahrene

Projektmitarbeiter haben einen sechsten Sinn für aufkommende Probleme. Wie also ist es möglich,

dass trotzdem jedes Mal die gleichen Fehler gemacht werden? Die Antwort lautet: Mangelnde

Konsequenz.

Ursachen zu erkennen, reicht eben nicht aus. Erst der konsequente Umgang mit diesem Wissen

macht den Unterschied. Aber dafür braucht man Selbstbewusstsein und Mut.

Das Konzern-Dilemma Zurück zu meinem Beispiel: Bereits zum Zeitpunkt des Kick-offs waren die schriftlich mit den Märkten

getroffenen Vereinbarungen Makulatur – der Starttermin hatte sich um zwei Monate verschoben,

die Roll-out Termine wurden jedoch nicht angepasst. Jeder Projektleiter weiß, dass diese Planung,

wenn überhaupt, nur mit abgespecktem Projektumfang oder größerer Mannschaft zu schaffen ist.

Spätestens jetzt hätte eine konsequente Rejustierung des Projektes stattfinden müssen.

Doch trotz des offensichtlichen Konfliktes kommt es nicht dazu: Der Projektleiter, als kleines Rädchen

in der Konzernhierarchie, kann nur begrenzt Einfluss geltend machen. Der IT-Leiter hat keinen

Zugang zu den Entscheidern in der Landesgesellschaft. Der zentrale Fachbereichsleiter scheut die

erneute Konfrontation mit den Märkten. Bleibt noch der Bereichsleiter, der sich seinerseits nicht vor

dem Vorstand rechtfertigen möchte. Also ändert sich nichts. Aussitzen braucht weniger Mut als eine

konsequente Kurskorrektur - das Dilemma großer Konzerne.

5 Prinzipien für erfolgreiche Projekte Wie aber kann man dieses Dilemma überwinden? Hier meine persönliche Top 5:

1. Sponsorship auf der obersten Führungsebene

Der Fisch stinkt vom Kopf. Ein guter Sponsor hat Zugang zu allen Stakeholdern eines Projektes, macht sich die Projektziele zu eigen und kennt keine Angst vor schmutzigen Fingern. Ich erinnere mich an eine große SAP-Einführung, in der ich die Go-Live Migration zusammen mit dem Finanzvorstand verantwortet habe. Seite an Seite, Tag und Nacht. Das lief wie am Schnürchen.

2. Echte Projektkultur Alle wollen etwas gemeinsam erreichen: Fachbereich, IT und Landesgesellschaften. Also sollte man auch als Team agieren. Niemand ist Dienstleister des anderen, sondern alle sitzen in einem Boot. Alle wirken gleichermaßen und über alle Projektphasen hinweg in cross-funktionalen Teams mit. Ein klares Bekenntnis zu gemeinsamen Zielen - statt gegenseitiger Schuldzuweisung.

3. Anpassung individueller Ziele Wer für den Projekterfolg verantwortlich ist, sollte ausschließlich an Projektzielen gemessen werden. Und zwar am Gesamterfolg, nicht an Teilleistungen. Haben konträre Abteilungsziele Einfluss auf Performancebewertung und Bonus, werden diese im Zweifelsfalle priorisiert. Also weg damit.

4. Eindeutige Zielprioritäten Es reicht nicht, einen Business Case und funktionale Anforderungen zu formulieren. Man muss wissen, was im Zweifelsfalle oberste Priorität hat: Zeitgerechte Lieferung, Lösungsqualität oder Einhaltung des Kostenrahmens. In guten Zeiten gleichberechtigte Ziele,

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in kritischen Projektsituationen jedoch eine Frage der Überlebensstrategie.

5. Objektives Performance- und Krisenmanagement Es geht um mehr als „Quality Management“: Ein externer, unabhängiger Projektbegleiter achtet auf die Einhaltung von Spielregeln, erkennt Gefahren und Symptome rechtzeitig und bringt unbequeme Fakten auf den Tisch. Ein kalkuliertes Investment zur Vermeidung ungeplanter Investments.

Wer diese fünf Grundprinzipien befolgt, hat bereits eine ganze Menge für den Projekterfolg getan. Es

wäre doch gelacht, wenn wir die Statistik nicht wenigstens ein kleines bisschen verbessern könnten.

Und falls Sie wider Erwarten scheitern, dann sollten Sie wenigstens etwas Sinnvolles damit machen –

zum Beispiel wie hier beschrieben.

Matthias Hanitsch, Leader’s Mind

Als Coach und Sparringspartner begleite ich Führungskräfte und bringe kritische IT-Projekte wieder

auf Kurs. In über 20 Jahren habe ich als Partner und Vice President in renommierten

Beratungshäusern Projekte mit hohen Millionenbudgets geleitet, Manager in Linienpositionen der

Top-Führungsebene unterstützt und erfolgreich große Abteilungen geführt. Zu meinen Klienten

gehörten Unternehmen wie BMW, Daimler, Siemens, Gillette, SAP, BASF und die Deutsche Telekom.

Kontakt

Leader’s Mind

Matthias Hanitsch

Antonienstraße 3

80802 München

[email protected]

+49 (0) 157 5297 2227

www.leadersmind.de

Das Original dieses Artikels finden sie unter

http://www.leadersmind.de/blog/item/65-warum-it-projekte-wirklich-scheitern.