Das Problem der Grippeätiologie im Lichte Neuerer Forschungen

4
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT I2. JAHRGANG Nr. 8 2 5 .FEBRUAR 193 3 0BERSICHTEN. DAS PROBLEM DER GRIPPEATIOLOGIE IM LICHTE NEUERER FORSCHUNGEN. V0n Dr. KURT MEYER. Aus der Bakteriologischen Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses. In jedem Jahre, wenn sich die Zahl der Grippefglle zu hgufen beginnt und die Erkrankung epidemischen Charakter annimmt, tritt an den 13akteriologen stets yon neuem die Frage heran, ob fiber die Atiologie einer so ungemein hgufigen Infektionskrankheit immer noch nichts Sicheres bekannt sei. Wenn ich zu dieser so oft er6rterten und doch bisher un- beantwortet gebliebenen Frage das Wort nehme, so geschieht es, well, wie ich glaube, neuere amerikanische Untersuchungen die Aussicht er6ffnen, dab wirvon der L6sung des Problems nicht mehr allzu welt eiltfernt sind. Wodurch erklgrt es sich fiberhaupt, dab die 13eantwortung tier Frage Ilach dem Erreger einer so weitverbreiteten Er- krankung wie der Grippe auf solche Schwierigkeiten st613t? Da ist zuilgchst daran zu erinnern, dab schoil die Erkennung des einzelnen KrankheRsfalles, seine Abgrenzung gegen andere sog. Erkgltungskrankheiten nicht immer leicht ist Gilt dies weniger ffir Epidemiezeiten, so um so mehr ffir die spora- dischen lCglle. Sind doch daher sogar Stinlmen lant geworden, die diese Einzelfglle in den 'Zeiten zwischen den Epidemien als besondere Erkrankungen auffassen, die mit der epidemi- schen Grippe.nichts zu tun haben. Aber andererseits stimmt das Krankheitsbild der typischen Fi~lle bier wie dort so weit- gehend iiberein, dab wohl mit Recht die Mehrzahl der Arzte beide Krankheitsformen als identisch ansieht. Eiile Weitere Verwicklung erfghrt unser Problem durch die Tatsache, dab kaum bei eiiler .anderen Erkrankung die Misch- und Sekund~rinfektionen eine so bedeutsame Rolle spielen wie bei der Grippe. Es ist daher schwierig abzugrenzen, welche Symptome durch den primgren Erreger selbst hervor- gerufen sind und wo sich die Wirkung der 13egleitbakterien merkbar zu machen begiilnt. Bestehen aber Zweifel darfiber, welches Symptomenbi!d denn eigentlich der prim~tren Grippe entspricht, so fehlt die sichere Grundlage, um die Erreger- rolle eines verdgchtigen Mikroorganismus auf Grund einer experimentellen Infektion an Mensch oder Tier zu beweisen. Dazu kommt noch, dab alle solche Infektionsversnehe am Menschen infolge der ubiquitgren Verbreitung der Grippe nut schwer einwandfreie Ergebnisse zu liefern verm6gen. Denn ein- mal kann eine Spontaninfektion oder die Aktivierung eines yore Organismus latent beherbergten Lebewesens einen Erfolg des Infektionsversuches vortguschen, uild andererseits kann ein Ilegatives Ergebnis dutch das Vorhandensein einer Im- munitiit bedingt seln, so dab es gegen die Erregernatur eines als verdgchtig angesehenen Agens nichts beweist. Diese Schwierigkeiten sind es auch in erster Linie, die noch immer kein endgiiltiges Urteil dartiber erm6glicht haben, ob dem yon PFEIFFER 1892 als Erreger der Influenza be- schriebenen und seitdem allgemein als Influenzabacillns be- zeichneten Bacterium tats~ichlich diese 13edeutung zu- kommt. Anf die Tatsachen, die ffir seine gtiologische Nolle sprechen, soll hier im einzelnen nicht eingegangen werden. Sein fast regelmgBiges V0rkommen , sowohl bei den epidemi- schen wie bei den sporadischen F~illen, die yon einer Reihe yon Autoren beobachtdten Serumreaktionen bei Grippe- rekonvaleszenten, endlich ancti einige als positiv gedeutete Infektionsverstmhe an Affen ~hd IVlenschen, sowie gelegent- liche Laboratoriumsiilfektionen werden daffir geltend ge- Klinische Wochenschrift, z2. Jahrg. macht. Namhafte Forscher sehen daher auch heute noch in dem Pfeifferschen 13acillus (B. Pf.) den Erreger der Grippe. Andererseits kann nicht verschwiegen werden, dab eine nicht geringe Zahl yon 13akteriologen, und zwar im Auslande vielleicht noeh mehr als in Deutschland, die ~tiologische Be- deutung des t3. Pf. als nicht geniigend gesichert ansieht oder sie auch v611ig ablehnt. Vor allem ist framer wieder hervorgehoben worden, dab auch bei genauester Untersuchung nicht in allen Grippe'- f~llen der 13. Pf. nachweisbar ist. Auf dieses auch Ilach unserer Meinung wichtigste Argument werden wir noch welter nnteu zu ~prechen kommen. Sodann wird angeffihrt, dab der t3. Pf. nicht selten auch bet Gesunden oder zum mindesten nicht an Grippe Erkrankten gefunden wird, uild zwar auch in epidemiefreien Zeiten. Man hat dem entgegengehalten, dab auch sonst das Workommen yon Krankheitserregern bei Gesunden, den sog. 13acillen- tr~tgern, bekannt ist. Von solchen Bacillentr~tgernpflegen dann aber doch mehr oder minder h~ufig typische Infektionen ihren Ausgang zu nehmen. Ffir die Tr~ger des 13. Pf. trifft dies in epidemiefreien Zeiten jedenfalls nicht zn. Auf eine Reihe mehr spezialistischer Einwgnde, wie die serologische Heterogenitgt tier bei der gleichen Epidemie oder selbst beim gleichen Fall gezfichteten St~mme, die Un- regelmgBigkeit der Serumreaktionen bei den Grippepatienteil und -rekonvaleszenten, soll bier nicht welter eingegangen werden. Aber gerade manche der zuletztgenannten Punkte linden vielleicht ihre Erklgruilg durch neue 13eobachtnilgen fiber den B. Pf., die yon PITTMANN am Rockefeller-Institut in New York gemacht worden sind. Wir wissen seholi seit lgngerer Zeit, dab zahlreiche t~akterien2 arten bei der Fortziiehtling alif IInseren kiinstlichen N~hrb6deli Vergnderungen erfahren, die im Sinne einer Degeneration gedeutet werden. Sie wachseli dann vielfach in I~olonien mit rauher Ober- fl~che, so dab sie klirz als R-Formen bezeichnet werden. Diese R-Formeli uliterscheiden sich yon der Ausgaiigs-, der sog. Glair- form, auBer dureh das Aussehen der Kolonien auch noch durch Verlust der Virulenz und durch Ver~inderung ihres serologischen Charakters, die sowohl durch EilibuI3e an Spezifitgt wie dutch Neigulig zur Spontanagglutinatioll gekennzeichiiet ist. So wandeln sich z. B. die zahlreiehen serologisch scharf voneinander getrennten Typen des Piieumococeus mehr oder minder leicht in eine gemein- same R-Form urn. Diese Umwalidlung der Glair- in Rauhformen fiiidet aber keines- wegs IIur bei l~ngerer Fortziichtling auBerhalb des lebenden OrgaiiiS- mus start. IVianche Bakterien, z. B. der weft verbreitete E-]Ruhr- Bacillus, wachsen fast regelm~iI3ig sehoii in der ersten Geiieratioli auf kiinstlichen N~ihrb6den als IZ-Forlll, und auch beim Colibacillus ist dies gelegelitlieh der Fall. Mall muI3 daher mit der M6glichkeit reehnen, daI3 aueh im }{6rper selbst bereits eiiie Umwandluiig der Glair- in die ~Rauhform erfolgeil kaiiii. _&hnlich scheiilt sieh nun nach den Untersuchungen veil PITTHAN auch der 13. Pf. zu verhalten. Diese F6rscherin fand unter 97 St~immen verschiedeiister .IKer- kunft 15, daruiiter allein 7 aus Meiiingitisfiillen, die sich dutch die. Gr6Be, die feuchte glatte Oberfl~che und ein eigeiitflmliches Irisiereri tier Kolonie sowie auch durch die Form der Einzeliiidividueri v0n den iibrigen Stgmmen unterschiedeli. Bemerkeliswerterweise spatteten auch diese St~mme sehr bald Kolonieli ab, die mit deiieli der anderen 82 St~mme flbereinstimmten. PITTMAN glaubte diese so gekennzeichneten St~mme als Glatt- formen, alle iibrigen als Rauhformeli ansprecheli zu sollen. Diese Auffassulig wird gestfitzt dutch ihre weitere lBeobachtuiig, dab diese 15 Stgmme sich serologisch in zwei Typen einreihen lieBen, yon denen der eiiie 3, der andere 12, darunter alle Meningi• umfagte, wi~hrelld die yon ihnen abgespalteiieli, sowie die groBe IVlehrzahl der frisch geziichteten Stgmme im Pri~cipitationsversuch :22,

Transcript of Das Problem der Grippeätiologie im Lichte Neuerer Forschungen

KLINISCHE WOCHENSCHRIFT I2. J A H R G A N G Nr. 8 2 5 . F E B R U A R 193 3

0BERSICHTEN. DAS PROBLEM DER GRIPPEATIOLOGIE IM

LICHTE NEUERER FORSCHUNGEN. V0n

Dr. KURT MEYER. Aus der Bakteriologischen Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses.

In jedem Jahre, wenn sich die Zahl der Grippefglle zu hgufen beginnt und die Erkrankung epidemischen Charakter annimmt, t r i t t an den 13akteriologen stets yon neuem die Frage heran, ob fiber die Atiologie einer so ungemein hgufigen Infektionskrankheit immer noch nichts Sicheres bekannt sei. Wenn ich zu dieser so oft er6rterten und doch bisher un- beantwortet gebliebenen Frage das Wort nehme, so geschieht es, well, wie ich glaube, neuere amerikanische Untersuchungen die Aussicht er6ffnen, dab w i r v o n der L6sung des Problems nicht mehr allzu welt eiltfernt sind.

Wodurch erklgrt es sich fiberhaupt, dab die 13eantwortung tier Frage Ilach dem Erreger einer so weitverbreiteten Er- krankung wie der Grippe auf solche Schwierigkeiten st613t? Da ist zuilgchst daran zu erinnern, dab schoil die Erkennung des einzelnen KrankheRsfalles, seine Abgrenzung gegen andere sog. Erkgltungskrankheiten nicht immer leicht ist Gilt dies weniger ffir Epidemiezeiten, so um so mehr ffir die spora- dischen lCglle. Sind doch daher sogar Stinlmen lant geworden, die diese Einzelfglle in den 'Zeiten zwischen den Epidemien als besondere Erkrankungen auffassen, die mit der epidemi- schen Grippe.nichts zu tun haben. Aber andererseits s t immt das Krankheitsbild der typischen Fi~lle bier wie dort so weit- gehend iiberein, dab wohl mit Recht die Mehrzahl der Arzte beide Krankheitsformen als identisch ansieht.

Eiile Weitere Verwicklung erfghrt unser Problem durch die Tatsache, dab kaum bei eiiler .anderen Erkrankung die Misch- und Sekund~rinfektionen eine so bedeutsame Rolle spielen wie bei der Grippe. Es ist daher schwierig abzugrenzen, welche Symptome durch den primgren Erreger selbst hervor- gerufen sind und wo sich die Wirkung der 13egleitbakterien merkbar zu machen begiilnt. Bestehen aber Zweifel darfiber, welches Symptomenbi!d d e n n eigentlich der prim~tren Grippe entspricht, so fehlt die sichere Grundlage, um die Erreger- rolle eines verdgchtigen Mikroorganismus auf Grund einer experimentellen Infektion an Mensch oder Tier zu beweisen.

Dazu kommt noch, dab alle solche Infektionsversnehe am Menschen infolge der ubiquitgren Verbreitung der Grippe nut schwer einwandfreie Ergebnisse zu liefern verm6gen. Denn ein- mal kann eine Spontaninfektion oder die Aktivierung eines yore Organismus l a t en t beherbergten Lebewesens einen Erfolg des Infektionsversuches vortguschen, uild andererseits kann ein Ilegatives Ergebnis dutch das Vorhandensein einer Im- munit i i t bedingt seln, so dab es gegen die Erregernatur eines als verdgchtig angesehenen Agens nichts beweist.

Diese Schwierigkeiten sind es auch in erster Linie, die noch immer kein endgiiltiges Urteil dartiber erm6glicht haben, ob dem yon PFEIFFER 1892 als Erreger der Influenza be- schriebenen und sei tdem allgemein als Influenzabacillns be- zeichneten Bacterium tats~ichlich diese 13edeutung zu- kommt.

Anf die Tatsachen, die ffir seine gtiologische Nolle sprechen, soll hier i m einzelnen nicht eingegangen werden. Sein fast regelmgBiges V0rkommen , sowohl bei den epidemi- schen wie bei den sporadischen F~illen, die yon einer Reihe yon Autoren beobachtdten Serumreaktionen bei Grippe- rekonvaleszenten, endlich ancti einige als positiv gedeutete Infektionsverstmhe an Affen ~hd IVlenschen, sowie gelegent- liche Laboratoriumsiilfektionen werden daffir geltend ge-

Klinische Wochenschrift, z2. Jahrg.

macht. Namhafte Forscher sehen daher auch heute noch in dem Pfeifferschen 13acillus (B. Pf.) den Erreger der Grippe.

Andererseits kann nicht verschwiegen werden, dab eine nicht geringe Zahl yon 13akteriologen, und zwar im Auslande vielleicht noeh mehr als in Deutschland, die ~tiologische Be- deutung des t3. Pf. als nicht geniigend gesichert ansieht oder sie auch v611ig ablehnt.

Vor allem ist framer wieder hervorgehoben worden, dab auch bei genauester Untersuchung nicht in allen Grippe'- f~llen der 13. Pf. nachweisbar ist. Auf dieses auch Ilach unserer Meinung wichtigste Argument werden wir noch welter nnteu zu ~prechen kommen.

Sodann wird angeffihrt, dab der t3. Pf. nicht selten auch bet Gesunden oder zum mindesten nicht an Grippe Erkrankten gefunden wird, uild zwar auch in epidemiefreien Zeiten. Man hat dem entgegengehalten, dab auch sonst das Workommen yon Krankheitserregern bei Gesunden, den sog. 13acillen- tr~tgern, bekannt ist. Von solchen Bacillentr~tgernpflegen dann aber doch mehr oder minder h~ufig typische Infektionen ihren Ausgang zu nehmen. Ffir die Tr~ger des 13. Pf. trifft dies in epidemiefreien Zeiten jedenfalls nicht zn.

Auf eine Reihe mehr spezialistischer Einwgnde, wie die serologische Heterogenitgt tier bei der gleichen Epidemie oder selbst beim gleichen Fall gezfichteten St~mme, die Un- regelmgBigkeit der Serumreaktionen bei den Grippepatienteil und -rekonvaleszenten, soll bier nicht welter eingegangen werden.

Aber gerade manche der zuletztgenannten Punkte l inden vielleicht ihre Erklgruilg durch neue 13eobachtnilgen fiber den B. Pf., die yon PITTMANN am Rockefeller-Institut in New York gemacht worden sind.

Wir wissen seholi seit lgngerer Zeit, dab zahlreiche t~akterien2 arten bei der Fortziiehtling alif IInseren kiinstlichen N~hrb6deli Vergnderungen erfahren, die im Sinne einer Degeneration gedeutet werden. Sie wachseli dann vielfach in I~olonien mit rauher Ober- fl~che, so dab sie klirz als R-Formen bezeichnet werden. Diese R-Formeli uliterscheiden sich yon der Ausgaiigs-, der sog. Glair- form, auBer dureh das Aussehen der Kolonien auch noch durch Verlust der Virulenz und durch Ver~inderung ihres serologischen Charakters, die sowohl durch EilibuI3e an Spezifitgt wie dutch Neigulig zur Spontanagglutinatioll gekennzeichiiet ist. So wandeln sich z. B. die zahlreiehen serologisch scharf voneinander getrennten Typen des Piieumococeus mehr oder minder leicht in eine gemein- same R-Form urn.

Diese Umwalidlung der Glair- in Rauhformen fiiidet aber keines- wegs IIur bei l~ngerer Fortziichtling auBerhalb des lebenden OrgaiiiS- mus start. IVianche Bakterien, z. B. der weft verbreitete E-]Ruhr- Bacillus, wachsen fast regelm~iI3ig sehoii in der ersten Geiieratioli auf kiinstlichen N~ihrb6den als IZ-Forlll, und auch beim Colibacillus ist dies gelegelitlieh der Fall. Mall muI3 daher mit der M6glichkeit reehnen, daI3 aueh im }{6rper selbst bereits eiiie Umwandluiig der Glair- in die ~Rauhform erfolgeil kaiiii.

_&hnlich scheiilt sieh nun nach den Untersuchungen veil PITTHAN auch der 13. Pf. zu verhalten.

Diese F6rscherin fand unter 97 St~immen verschiedeiister .IKer- kunft 15, daruiiter allein 7 aus Meiiingitisfiillen, die sich dutch die. Gr6Be, die feuchte glatte Oberfl~che und ein eigeiitflmliches Irisiereri tier Kolonie sowie auch durch die Form der Einzeliiidividueri v0n den iibrigen Stgmmen unterschiedeli. Bemerkeliswerterweise spatteten auch diese St~mme sehr bald Kolonieli ab, die mit deiieli der anderen 82 St~mme flbereinstimmten.

PITTMAN glaubte diese so gekennzeichneten St~mme als Glatt- formen, alle iibrigen als Rauhformeli ansprecheli zu sollen. Diese Auffassulig wird gestfitzt dutch ihre weitere lBeobachtuiig, dab diese 15 Stgmme sich serologisch in zwei Typen einreihen lieBen, yon denen der eiiie 3, der andere 12, darunter alle Meningi• umfagte, wi~hrelld die yon ihnen abgespalteiieli, sowie die groBe IVlehrzahl der frisch geziichteten Stgmme im Pri~cipitationsversuch

:22,

29o K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . I2. J A H R G A N G . Nr. 8 25. FI~BRUAR 1933

fiberhaupt IIicht, agglutinatorisch nur bet bestimmter Versuchs- anordiiiing erfal3t wurden ulId eiiie grol3e Neigung ziir Spoiitan- agglutination zeigten.

Es scheint demnach -- allerdings geht aus der Pi t tman- schen Arbeit nicht deutlieh hervor, ob ihre StAInlne aus sporadischen oder Epidemie-F~illen gezfichtet waren -- dab der 13. Pf. in der 1Kehrzahl der F~ille auf unseren N~hr- b6den als R-Form wAchst und in dieser zur serologischen Prfifung ungeeigneten Form zur Untersuchung kommt. Da- dutch wfirden sieh manehe Widersprfiche der Li teratur fiber die Serologie der Influenza erklAren, einerseits die Angaben einzelner Autoren fiber positive Serumreaktionen, anderer- seits die negativen oder unspezifischen Agglutinationsergeb- nisse der Mehrzahl der Untersucher, schlieBlich auch die Angaben fiber die besondere Eignung gewisser StAmme ffir die Anstellung der Serumreaktionen.

Jedenfalls erscheint es notwendig, die Serologie des B. PI. unter Berficksichtigung der neugewonnenen Ergebnisse einer erneuten Bearbeitung zu unterziehen. Man wird darauf zu achten haben, ob die aus den Krankheitsprodukten gezfich- teten Bacillen Rauh- oder Glattformen sind. Man wird ferner die Glattformen genauer auf die Sonderung in einzelne Typen untersuchen miissen. Vielleicht wird sich dann ergeben, dab die Glatt- und Rauhformen bet den sporadischen und bet den Epidemiefiillen nicht in gleicher H~iufigkeit vorkommen oder dab bet den Epidemien andere Typen auftreten Ms bei den EinzelfAllen, oder dab schlieBlich Unterschiede in der Wuchsform oder im Typus zwischen den Bacillen aus echten GrippefAllen und solchen yon nicht an Grippe Erkrankten nachweisbar sind.

Wie wichtig die Typenunterscheidung ffir Fragen der Epidemiologie und Pathogenese ist, lehrt das Beispiel der Pneumokokken. Wissen wir doch schon seit 1Angerer Zeit, dab die Pneumokokken, die wit in der Mund- und Raehen- h6hle Gesunder oder an ErkAltnngskrankheiten Leidender antreffen, keineswegs identisch sind mit jenen Typen, die als Erreger der grogen Mehrzahl yon lob~ren Pnenmonien, Otitiden, Peritonitiden usw. anzusehen sind.

Es ware wohl m6glich, dab auf Grund solcher Unter- suchungen die Bedeutung des B. PI. Ifir die Grippe nech klarer hervortreten wfirde, als es bisher der Fall ist, und dab manche der oben angeffihrten EinwAnde an Beweiskraft ver- lieren.

Aber unberfihrt bleibt dadurch die, wie wir glauben, entseheidende Tatsache, daft in nieht wenigen Fdlle~ vo~ typi- scher Grippe der B. P/. nicht naehgewiesen werden kann. Der Einwand, dab ungenfigende Untersuchungstechnik an dem negativen Ergebnis die Schuld trage, inag ffir einzelne, viel- leicht auch ffir viele solche FAtle gelten. DaB damit aber die Gesamtheit der negativen Befunde, die bis in die letzte Zeit hinein immer wieder berichtet, noch h~ufiger vielleicht aber gar nieht mehr mitgeteil t werden, ihre Erkl~rung finder, werden auch die entschiedensten Parteig~nger des t3. PI. nicht behaupten k6nnen.

Aueh das Argument, dab bet Typhus, bet Ruhr die Unter- suchungsergebnisse ebenfalls nicht hundertprozentig sind, entbehrt der SchluBkraft. Denn ffir die Erkennung des 13. Pf. sind wit nicht allein auI die Kulturmethoden, die allerdings gelegentlich versagen k6nnen, angewiesen, sondern dutch seine charakteristische Gestalt ist er schon im direkten Aus- striehprAparat leicht zu erkennen. Wenigstens Bier mfiBte er also regelmABig zu linden sein. Denn yon dem Erreger einer so ansteckenden Erkrankung wie der Grippe muB er- wafter werden, dab er in groBen 1Kengen in den Krankheits- produkten auftrit t . Das aber kanu wenigstens fiir einzelne Fglle mit Best immthei t ausgeschlossen werden.

Ohne Zweifel liegt bier der springende Punkt. Ein elnziger sicherer Grippe]all, 5ei dem der B. IP/. nicht vorhande~ ist, entzieht der AuJJassung, die in ihm die alleinige Ursaehe der Grippe sieht, ei~ ]i~r allemal die Grundlage. DaB es solche FAlle gibt, m6gen sie auch noch so selten sein, kann ernstlich nicht bestrit ten werden.

Wie sehr man sich davor hfiten mug, aus dem anseheiiiend regel- inliBigeii Vorkommen eiiies Bacteriums bet eiiier Erkrankung, aus

positiven serologischen Befunden, aus angeblich gelungenen Infektionsversuchen mit IReinkulturen vorschnell Schlflsse zu ziehen, lehrt am besten das Beispiel der Schweinepest.

Auch bet dieser Erkrankung findet sich mit groger IRegelm~Big- keit in den erkrankten Organen und im Blute ein Bacterium, der Bacillus suipestifer. Mit l~einkulturen l~iBt sieh experimentell eine Erkrankung erzeugen, die in vieler Hinsicht der natflrlichen Infek- tion ~hnett oder mindestens bestimmte Symptome mit ihr gemein- sam hat. Auch positive serologische Reaktionen scheinen vorzu- kommen. Lunge Zeit hat man daher den B. suipestifer als Erreger der Schweinepest angesehen. Trotzdem hat sich gezeigt, dab das eigentliche urs~chliche Agens dieser Erkrankung ein filtrierbares Virus ist. Der B. suipestifer dagegen ist ein h~ufig auch im Darm ge- sunder Schweiiie vorkommender Bacillus, der erst, weiiii durch die Virusinfektion die Widerstaiidskraft des Organisrnus herabgesetzt ist, sich im K6rper ausbreitet und dadurch zur Ausgestaltung des Krankheitsbildes beitr~gt.

Ein solches Beispiel mahnt, auch bet der Grippe die ta t - sAchlichen bakteriologi~chen 13efunde nicht zugunsten einer vorgefaBten Meinnng umzudeuten.

Fehlt abet der B. Pf. in einzelnen Grippefiillen, so mug mindestens f fir diese ein anderer Erreger angenommen werden. Es liegt jedoch auI der Hand, dab ein so typisches Krankheitsbild wie die Grippe nicht bald dutch diesen, bald dutch jenen Erreger verursacht werden kann. Daraus folgt wetter mit Notwendigkeit, dab auch in den FAllen, we der B. PI. vorhanden ist, ein anderes Agens, set es allein, set es mit ihm zusammen, die ursAchliche Rolle spielen wird.

Da yon Bakterien auBer dem B. PI. nut Staphylo-, Strepto- and Pneumokokken sowie der Mikrococcus catarrhalis, die als primAre Grippeerreger nicht ernstlich in Frage kommen, mit einiger RegelmABigkeit angetroffen werden, so liegt der Sehlufl nahe, dab ein unsiehtbares Virus das urs~ehliche Agens darsteUt, and diese Vermutung ist yon einer ganzen Reihe yon Forschern ausgesprochen worden.

Zugunsten dieser Annahme darf vielleicht auch noch die ungewShnlich hohe Kontagiosit~t der Grippe angeffihrt werden, wie wir sie eigenttich nur yon den sog. Viruskrank- heiten -- es set nur an Poeken, Maseru, Papageienkrankheit erinnert -- kennen. Unter den bakteriellen Erkrankungen zeigt nur die Lungenpest eine Kontagiosit~t yon ann~hernd gleicher GrSBenordnung. Hier aber werden die Baeillen in einer Menge ausgehustet, wie es ffir den B. Pf. nur in ein- zelnen F~illen zutrifft. Auch manche klinische Ahnlichkeiten, die zwischen der Grippe und einzelnen durch unsichtbare Vira hervorgerufenen Erkrankungen wie Schnupfen, Dengue, Pappatacifieber bestehen, k6nnten fiir eine verwandte Atio- logie sprechen.

An Versuchen, ein solches unsichtbares Virus dutch ex- perimentelle Infektionen am Tier oder Menschen nachzu- weisen, hat es nicht gefehlt, aber ihr Ergebnis ist widerspruchs- veil und wenig befriedigend. Zwar liegen einzelne Angaben fiber positive Infektionsversuche vor, doeh machen diese durchweg keinen fiberzeugenden Eindruck. Ihnen steht eine erheblich gr6Bere Zahl yon Mil3erfolgen gegenfiber. Wir haben aber bereits eingangs hervorgehoben, mit welchen Schwierigkeiten der Beurteitung alle Infektionsversuehe zu rechnen haben, und dab weder aus positiven noch negativen Ergebnissen, zumal wenn es sictl nicht um grebe Versuchs- reihen handelt, sichere Schlfisse gezogen werden k6nnen.

Auch einige neuerdings yon LoNe, BLISS und CARt~ENTZR an Schimpansen mit vorbildlicher Versuchstechnik ausgeffihrte Versuehe haben kein eindeutiges Ergebnis geliefert. Immer- hin sind auf diesem Wege wohl noch am ehesten weitere Aufschliisse zu erwarten.

Vielleicht stellt abet auch das hypothetisehe unsiehtbare Virus nur eine zwar notwendige, aber nicht die alleinige 13e- dingung der Grippeinfektion dar. Dami t kommen wit zu Vorstellungen, wie s ie vor allem SAHLI entwickelt hat. Er n immt ein l~omplexes Virus als Ursache der Grippe an, d. h. das Zusammenwirken des ]3. Pf. mit anderen Bakterien eder auch mit einem unsichtbaren Virus, und zwar nicht in der Rolle yon primAren und sekundAren Erregeru, sondern als gleichberechtigte Partner. Er denkt an eine Art Symbiose- verh~iltnis, wie es zwischen Alge und Pilz in der Flechte

~5. F E B R U A R z933 K L I N I S C H E ~ V O C H E N S C H

besteht, und als desser~ Folge jedes Einzelglied die Eigen- schaft gewinnen soll, auch dann die charakteristischen Eigenschaften des Grippeerregers zu entfalten, wenn Seine Begleiter durch andere Bakterienarten ersetzt werden, an die Stelle des B. Pf. etwa ein Streptococcus tri t t .

So einleuchtend die Vorstellung yon der komplexen Natur des Grippeerregers an sich erscheint, so muB doch ihre Er- weiterung, d. h. die Idee einer wechselnden Zusammen- setzung, die einerseits das gelegentliche Fehlen des B. Pf., dann aber auch das Wechseln des I~irankheitsbildes yon Fall zu Fall erklaren soll, auf gro/3e Bedenken stoBen. Irgendeinen Beweis fiir einen solcheu Zusammenhang zwischen dem Symptomenbild und der Zusammensetzung des komplexen Virus hat SAHLI nicht zu erbringen versucht. Gerade aber um das, bet Mien Unterschieden im einzelnen, Gemeinsame der verschiedenen Erscheinungsbilder der Grippe zu erklgren, wird man annehmen miissen, dab zum mindesten eine Kom- ponente stets vorhander~ ist, und diese wird man aus den oben er6rterten Grtinden unter den unsichtbaren Krankheits- erregern zu suchen haben.

In diesem Zusammenhang set kurz ant die glteren 13efnnde yon OLIrZKY und GATES eingegangen, die mit Filtraten yon mensch- lichem Grippematerial bet Kaninchen eine mit Fieber, Conjunctivitis und Leukopenie einhergehende, an sich nut leichte Erkrankung hervorriefen, die aber die t~igentflmlichkeit hatte, dab die Empf~ing- lichkeit ffir Pneumo- und Streptokokkeuinfektionen wesentlich gesteigert war. Hier schien also das Zusammenwirken eines filtrier- baren Virus mit bakteriellen Erregern naehgewiesen zu seth. Sp~iter fanden die Forscher jedoch, dab die Infektiositgt der Filtrate durch ein gugerst kleines, Tonfilter passierendes 13acterium bedingt ist, dessert Reinziichtung ihnen gelang und das s i ea l s Bacterium pneumosintes bezeichneten. LTber seine 13edeutung fiir die ~tiologie der Grippe sprachen sie sich mit Zurfickhaltung aus. In der Tat scheint auch der Nachweis des t3. pneumosintes nicht in allen Grippe- fgllen zu gelingen, so dab es ebenfalls nicht als alleiniger Erreger in Frage komrnt.

Wit ha t ten uns der Vorstellung yon einem komplexen Virus zugeneigt, well trotz der Grtinde, die fiir die atiologische Bedeutung eines unsichtbaren Virus sprachen, die Versuche zum Naehweis eines solchen im allgemeinen ein negatives Ergebnis gehabt ha t ten nnd daher die ]3eteiligung eines zweiten Faktors nicht unwahrscheinlich erscheinen liel3en. Andererseits schien doch eine ganze Reihe yon Tatsachen dem B. Pf. eine besondere Bedeutung bet der Ents tehung der Grippeinfektion zuzuweisen, so dab raan in ihm jenen zweiten Faktor vermuten durfte.

Diese Vorstellung, also das Zusarnmenwirken eines unsicht- baren Virus mit dem B. P]., scheint nun in neneren Unter- suchungen aus der unter der Leitung yon THtgOBALD SMITK stehenden Veterin~rabteilung des Rockefeller-Institnts eine bedeutsame Stfitze zu linden. Bei einer epidemisehen Er- krankung unter Schweinen, die wegen der auBerordentlichen Jkhnlichkeit des klinischen Bildes mit der menschlichen In- fluenza als Schweineinfluenza bezeichnet wird, und bei der bemerkenswerterweise auch das anatomische Bild ganz dem der menschlichen Grippe entspricht, fanden LEwis und SHOPE regelm~iBig einen Bacillus, der morphologisch und kulturell yore B. Pf. nicht zu unterscheiden war. Im nasalen Infektionsversuch am Schwein zeigte dieser Bacillus jedoch auch in groBen Dosen, abgesehen yon zwei in ihrer Deutung unklaren Fallen, keine pathogenen Eigenschaften.

SHOP~ konnte abet wetter nachweisen, dab in den Organen iufluenzakranker Schweine ausnahmslos sin filtrierbares Virus enthal ten ist. Dieses Virus rief bei Schweinen eine Erkrankung hervor, yon SHOPE als Fi l t ratkrankheit bezeichnet, die zwar eine gewisse Ahnlichkeit mit der typischen Influenza zeigte, abet so leicht verlief, dab die Krankheitssymptome iiberhaupt nur mit Schwierigkeit festzustellen waren.

Wurden die Tiers jedoch mit einem Gemisch yon Fi l t rat und Bacillenkultur infiziert, so entwickelte sich regelm~il3ig das typische Bild der Schweineinfluenza, das in einigen F~tllen sich mit ether iSdlichen Pneumonie kombinierte. Die Er~ krankung zeigte die hohe IKontagiositat der natiirlichen In- fektion: mit den infizierten Tieren zusammen gehaltene Schweine erkrankten ebenfalls an Influenza.

R I F T . I2. J A H R G A N G . Nr. 8 29 I

SHoP~ sieht dutch diese Versuche den Beweis erbracht, daft die Schweineinfluenza durch das Zusammenwirken sines ]iltrierbaren Virus und sines h~moglobinophilen Bacillus ver- ursacht wird. DaB dieser Bacillus, wenigstens ffir die yon ibm untersuchten Epidemien, ebenfalls sine notwendige Bedin- gung darstellte, folgert SHoPn daraus, dab bei s~mtlichen F~llen das Virus nur mit diesem, nicht mit anderen Bakterien ver- gesellschaftet war. DaB zum mindesten die sonst auf den SchleimhauteI1 des Respirationstractus lebenden Bakterien den Influenzabacillus nicht ersetzen k6nnen, ergibt sich daraus, dab die mit dem Virus allein infizierten Tiere niemals an typischer Influenza erkrankten.

Trotzdem lieB sich zeigen, dab nicht beide Komponenten des ,,komplexen Virus" yon gleicher Bedeutung ftir die Ent - stehung tier Erkrankung stud. Denn Schweine, die mit dem Bacillus immunisiert waren, erwiesen sich als ungeschiitzt gegen eine Infektion mit natiirlichem Grippematerial. Die Tiere erkrankten in gleicher Weise wie die Kontrolltiere, und zwar nicht nur an der Viruskrankheit, wie man vielleicht h~itte erwarten sollen, sondern an einer typischen Mischinfek- tion mit B. Pf.

Wurden die Tiere dagegen mit dem Virus vorbehandelt, so waren sie roll immun gegen eine natiirliche wie experi- mentelle Influenzainfektion. Die Dinge liegen also offenbar so, dab zwar das Virus den Organismus hochempf~nglich fiir den B. PI. macht, so dab selbst eine kiinstlich erzeugte Immunit~it gegen diesen durchbrochen wird, dab es abet seinerseits nicht auf die Anwesenheit des B. Pf. angewiesen ist, um im Organismus Ful3 zu fassen. Nur bet der vollen Auspr~igung des Krankheitsbildes spielt dieser seine bedeut- same Rolle.

Die ~ber t ragung dieser Feststellungen auf das Problem der menschlichen Grippe liegt nahe, und schon SHOPE selbst hat auf diese Analogie hingewiesen. Sehen wir doch das, was wir fiir die menschliche Grippe aus dem vorliegenden Tatsachenmaterial gleichsam rein logisch ableiteten, n~imlich die urs/ichliche Bedeutung sines unsichtbaren Virus nnd die wesentliche, um nicht zu sagen notwendige 13eteiligung des B. Pf., ftir die Schweineinfluenza mit Sicherheit bewiesen. Zum mindesten als Arbeitshypothese wird mall daher fiir die menschliche Grippe sine gleiche Atiologie annehmen diirfen.

Einige Punkte bediirfen noch der Kl~rung, insbesondere die Frage, inwieweit andere ]3akterien an die Stelle des B. Pf. treten k6nnen. Da dieser offenbar nu t die Rolle spielt, ein bereits vorgezeichnetes Krankheitsbild zur vollen Ausbildung zu bringen, so lieBe sich wohl begreifen, dab er durch sin anderes Bacterium vertreten werden kann. So wiirden sich die gelegentlichen F~lle erklXren, wo der B. Pt. nicht gefunden wird. Vielleicht wiirden sich bet eigens daraufgerichteter Auf- merksamkeit auch klinische Unterschiede im Verlaufe der re_it und der ohne B. Pf. einhergehenden Infektionen fest- stellen lassen.

Natiirlich regen die Versuche der amerikanischen Forscher dazu an, am Versuchstier, am besten am Menschenaffen, zu priifen, ob sich nicht dutch eine kombinierte Infektion mit Fi l t raten yon Grippesputnm und Kul turen des B. Pf. eine der menschlichen Grippe gleichende t?;rkrankung erzielen l~i/3t. Vermutlich sind solche Versuche in Amerika, wo sie auf geringere Schwierigkeiten stoBen als bet uns, bereits im Gange.

Sollte sich herausstellen, dab auch die menschliche Grippe dutch das Zusammenwirken eines unsichtbaren Virus und des B. PI. hervorgerufen wird, so er6ffnet sich die M6glichkeit eines Imp]sehutzes, der sich ja beim Schweine ohne Schwierig- keit hat erzeugen lassen. Vielleicht gelingt es dann in Zeiten ether Epidemie, dem Fortschreiten der Seuche, die wegen ihrer nahezu pandemischen Ausbreitung allj~ihrlich zahlreiche Opfer fordert, erfolgreich entgegenzutreten.

Zusammen/assung: Ftir die wichtige Rolle des Pfeifferschen Bacillus bei der menschlichen Grippe sprecben eine Reihe yon Tatsachen.

Andererseits gibt es zweifellos Grippefiille, bet denen der Pfeiffersche Bacillus nicht nachweisbar und offenbar auch nicht vorhanden isL

22 ~

29 2 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

D a a n d e r e B a k t e r i e n n o c h we l t wen ige r regelm~Big als de r Pfe i f fe rsche Bac i l lus bei de r Gr ippe v o r k o m m e n , so da r f e in u n s i c h t b a r e s Vi rus als ein a l ien Fg l l en geme insames ur - sgchl iches Agens a n g e n o m m e n werden .

Alle I n f e k t i o n s v e r s u c h e z u m Nachwe i s eines so lchen Vi rus h a b e n b i s h e r ke in e indeu t ig pos i t ives E r g e b n i s gehab t .

Die T a t s a c h e n weisen d a h e r au f das Zusammenwirken eincs unsichtbaren Virus mit dem Pfei]ferschen Bacillus im Sinne eines s Virus hin.

Diese Auf fa s sung f inder eine b e d e u t s a m e Stf i tze d u r c h den yon a m e r i k a n i s c h e n F o r s c h e r n m i t S i che rhe i t ge f i ih r t en N a c h - weis, d a b die de r m e n s c h l i c h e n Gr ippe Minisch u n d a n a t o m i s c h n a h e v e r w a n d t e Schwe ine in f luenza d u r c h das Z u s a m m e n - wi rken eines f i l t r i e rba ren Vi rus u n d eines d e m Pfe i f fe r schen sehr n a h e s t e h e n d e n Baci l lus v e r u r s a c h t wird.

L i t e r a t u r : P. A. LEwis u. 1R. E. S~oe~, J. of e x p e l ivied. 54, 361 (1931). - - P. IR. LONG, E . A . BLISS u. I-t. inf. CArPeNTER, J. amer. reed. Assoc. 97, 1122 (1931). - - P. K. OLITZKY u. F. L. GATES, J. of exper. Med. 33, 373 u. 713 (192I). - - M. PITTMANN, J. of e x p e l Med. 53, 471 (193t) �9 -- l-I. SAHLI, Korresp.bl. Schweiz. 2Krzte I919, S. I. -- R. E. SHOPE, J. of exper. Med. 54, 373 (1931) ; 56,575 (1932) �9

ZUSAMMENSETZUNG UND BILDUNG DER ANORGANISCHEN KNOCHEN- UND

ZAHNSUBSTANZ. Von

Dr . R. KLEMENT u n d D r . G. TR6MEL. Aus der Anorganischen AbteiIung des Chemischen Instituts der Universit~t Frankfurt-

Main und aus dem Kaiser Wilhelm-Institut flit Eisenforschung, t)fisseldorf.

I n m e d i z i n i s c h e n A r b e i t e n f iber K n o c h e n wird zu r Wieder - gabe de r c h e m i s c h e n Z u s a m m e n s e t z u n g rac is t e ine F o r m e l ffir die a n o r g a n i s c h e K n o c h e n s u b s t a n z he rangezogen , die y o n A. WERNER 1 auf G r u n d des n a h e z u g l e i chb le ibenden Verh~ l t - nisses Ca : P O 4 : CO s r I : o,6 : o,I au fges te l l t w o r d e n ist . D a n a c h b e s t e h t de r a n o r g a n i s e h e Tell des K n o c h e n s in de r H a u p t s a c h e aus e i n e m k o m p l e x e n Ca l c ium-phospha to -Ca r - b o n a t y o n de r F o r m e l [Ca(Caa(POi)~)3]CO s .

Dutch diese einigermagen gleiche Zusammensetzung der an- organisehen Knoehensubstanz wird naturgem~B noch nicht ge- niigend begriindet, dab eine derartige Yerbindung wirklich besteht und in diesem Falle vorliegt. Ihre Annahme wurde jedoch wesent- lich wahrscheinlicher dadurch, dab man sie als Glied der Apati t - gruppe 3 Can (POi)~ �9 CaX2, (X = F, C1, OH) glaubte ansprechen zu k6nnen. Dabei muB man aber berflcksichtigen, dab damals die chemischen Verhgltnisse bei dieser Verbindungsgruppe nur sehr ungenau bekann t waren, da man auf die Analysenergebnisse der meist recht verwickelt zusammengesetzten Minerale angewiesen war. AuBerdem verursachte die Formulierung der Apati te als l)oppel- verbindungen aus Calciumorthophosphat und Calciumfluorid bzw. Chlorid verschiedentlich Irrti~mer. I )adurch ents tand die Ver- mutung, dab im Apat i t die Molekflle Can (POa) e und CaF= bzw. CaCle vorhanden seien. In Wahrhe i t ist aber der Apat i t eine yon dem Calcium-Orthophosphat sehr deutl ich verschiedene chemische Verbindung. In Lehrbiichern finder man abet aueh heute noeh die auf dieser falschen Anschauung beruhende Angabe, die an- organische Knochensubstanz bestgnde zu etwa 8o% aus ter t igrem Calciumphosphat nnd zu etwa 2o% aus Calciumcarbonat. Es ist daher zweckmgBiger, ffir die Apati te die Schreibweise Ca,0 (I~Oi)~X~ (X = C1, F, OH) anzuwenden, da sie dem grgebnis der r6ntgeno- graphischen Krysta l l s t rukturuntersuehung Rechuung trggt.

Es i s t a u c h h e u t e noeh n i c h t en t sch ieden , ob u n d u n t e r we lchen B e d i n g u n g e n e in C a r b o n a t a p a t i t yon de r e r w g h n t e n W e r n e r s c h e n F o r m u l i e r u n g geb i lde t werden k a n n * . Es er- g ib t s ich also, d a b die w e i t v e r b r e i t e t e n A n s c h a n u n g e n f iber den A u f b a u de r a n o r g a n i s c h e n K n o c h e n t e i l e n u t seh r wenig g u t b e g r f i n d e t s ind. Nach fo lgend wird d a h e r eine U b e r s i c h t f iber die E rgebn i s se e iniger TJn te r suchungen gegeben, die u n t e r n o m m e n wurden , u m diese U n k l a r h e i t e n zu bese i t igen

�9 Die Bildnng des Carbonatapatits hat W. EITEL (Sehr. KSnigsberg. geIehrte Ges., Natnrwiss. K1. 1921, I68) besehrieben. Da aber ffir diese Verbindung Ca~0 (PO~)~COa die gleichen krystallchemischen l~berlegungen anzuwenden sind, die G. TROMEL [Z. physik. Chem. Abt. A, 1~8, 4~2 (1932)] far den Fail des Oxyapafits Ca~0 (PQ)~O durcMfihrte, erseheint es notwendig, eine fantgenographische Priiflmg der bei dieser Syn~hese er- haltenen Stoffe vorztmehmen.

R I F T . 12. J A H R G A N G . N r . 8 25. FEBRUAR 1933

u n d u m den A u f b a u de r a n o r g a n i s c h e n K n o c h e n s u b s t a n z m i t Hilfe m o d e r n e r phys ika l i s ch -chemische r V e r f a b r e n zu er- m i t t e ln .

W e n n m a n die Z u s a m m e n s e t z u n g de r a n o r g a n i s c h e n K n o c h e n s u b s t a n z b e t r a c h t e t , so k o m m t m a n zu de r 19ber- zeugung, d a b die in ge r ingen M e n g e n v o r h a n d e n e n E l e m e n t e , wie Na, K u n d Mg, ke ine aus seh l aggebende B e d e u t u n g h a b e n . Wei t e r e Aufschl i isse f iber die Z u s a m m e n s e t z u n g w u r d e n d u t c h L6s l i chke i t sve r suche a n a n o r g a n i s c h e r K n o c h e n s u b s t a n z * e rha l t en . Die W e r t e s ind in de r fo lgenden Zah l en t a f e l zu- s ammenges t e l l t ** .

L 6 s l i e h k e i t d e r a n o r g a n i s c h e n K n o c h e n s u b s t a n z in W a s s e r b e i 25 ~ .

L LSsung ] 2. LSsung j 3. L6sung 4. L6sung

[ Ca PO4 C03 Ca PO 4 CO, Ca P04 COs Ca PO4 COn , I6,9 m g / l . . 113'4 2,I 24,31 5,5 3,6 26,I 6,0 4,0 I6,9, 6,z 5,6

V e r h g l t - ICa PO, COn Ca PO 4 COn Ca PO4 CO~ Ca P% CO3 niszahlen i : o , 2 6 : 4 , 8 1 I : o , 2 6 : 3 , 2 ] i :o,28 : 1,9]I :o,38 : 1,8

Aus de r Tafel e r s i eh t man , d a b eine wel t gr6Bere Menge CO a u n d eine vial Meinere Menge P O 4 in L 6 s u n g geht , als de r W e r n e r s c h e n V e r b i n d u n g en t sp r i ch t , in de r das Verhg l tn i s Ca : PO 4 : CO a ---- I : o,6 : o , i ist . W e n n m a n n i c h t a n n e h m e n will, d a b diese V e r b i n d u n g b e i m B e h a n d e l n m i t W a s s e r zer- s e t z t wird, d a n n muB m a n aus d iesen B e o b a e h t n n g e n folgern, d a b sie i m K n o c h e n n i e h t vor l iegt . D a besonde r s in den e r s t en L 6 s u n g e n die COa-Menge sehr groB i s t u n d d a r i n N a t r i u m , K a l i u m u n d M a g n e s i u m gu t n a c h w e i s b a r sind, wird geschlossen, d a b diese E l e m e n t e als B i c a r b o n a t bzw. C a r b o n a t in de r K n o c h e n s u b s t a n z au f t r e t en . Auf diese Weise wird e in e rheb l i che r Tell de r n u r in ger inger Menge v o r h a n d e n e n Koh lensgu re v e r b r a u c h t , u n d n u r ein k le iner R e s t k a n n a n Calc ium g e b u n d e n sein. R e c h n e t m a n die y o n GABRIEL 2 a n g e g e b e n e n A n a l y s e n z a h l e n in d iesem Sinne urn, so e r g i b t s ich e in Calc iumfiberschuB, de r r echne r i s ch als Calc ium- h y d r o x y d Ca(OH)= g e d e n t e t w e r d e n k a n n . M a n k a n n d a h e r a n n e h m e n , daf3 die ano rgan i s che K n o c h e n s u b s t a n z aus e i n e m bas i s chen C a l c i u m p h o s p h a t y o n de r Z u s a m m e n s e t z u n g 3 Cas(PO,)~ �9 Ca(OH)~ b e s t e h t .

Es muB also j e t z t n a c h e iner M6gl ichke i t g e s u c h t werden zu en t sche iden , ob die ano rgan i s che K n o e h e n s u b s t a n z t a t - s~chl ich aus d e m d u t c h den a n a l y t i s c h e n t3e lund wah r sche in - l ich g e m a c h t e n bas i schen C a l c i n m p h o s p h a t be s t eh t . Diese E n t s c h e i d n n g k o n n t e ge t ro f fen werden , n a c h d e m d u r c h U n t e r s u c h u n g e n y o n G. TROMEL S die Ve rha l t n i s s e i m G e b i e t de r C a l c i u m p h o s p h a t e u n d A p a t i t e m i t t t i l f e r 6 n t g e n o - g raph i sche r V e r f a h r e n aufgeM/ i r t waren .

]3ei diesen TJntersuchungen ha t sich ergeben, dab die bei den Calciumphosphaten bestehenden Unklarhei• und Widersprfiche ~ behoben werden kSnnen, wenn man den bisher kaum beachteten Hydroxylapat i t in Rechnung zieht. So bestehen z. ]3. die aus wgsseriger L6sung ausfallenden schwer 16slichen Caleiumphosphate nicht wie blsher immer angenommen aus ter t iarem Calciumphosphat Caa(PO,) 2, sondern aus Hydroxylapat i t Ca10 (POi) 6 (Ott)2, der identiseh ist mi t dem erw/ihnten basischen Calciumphosphat 3 Ca3(POi)= " Ca (Ott)a. Diese Ergebnisse i~ber die Bedeutung des Hydroxylapat i ts sind yon M. A. BREnlG, I t . I-I. F~ANCK und H. FULDNER 5 und yon A. SCIILEEDE, H. SCHMIDT und H. I~INDT 6 be- st{itigt worden. Die le tz tgenannten konnten welter noeh zeigen, dab sich bei der Hydrolyse aller Calciumphosphate immer Hydroxyl- apa t i t bildet, der dami t das in wgsseriger L6sung allein bestgndige Calciumphosphat ist. Tertigres Calciumphosphat Ca 3 (t704) z da- gegen ist unbestgndig, worauf sehon It . BASSETT 7 und R. KLEMENT s hingewiesen haben.

Bei diesem Stand der Kenntnisse wurde G. T~6MEL durch H . TAMMANN, GOttingen, angeregt, die Frage nach der Zusamrnen- setzung der anorganischen Knochensubstanz ebenfalls zu unter- suchen, um dann nach M6glichkeit die medizinisch wichtigen

�9 Die anorganisehe 8ubstanz der Knoehen wurde naeh dem Verfahren yon S. GABRIEL EHoppe-Seylers Z. 18, 28x (i894)] dutch Koehen mit Glycerin und 6proz. Kalilauge gewonnen. �9 * R. KLEMENT, Hoppe-Seylers Z. 18l, 132 (1929). Die Versuehe wurden so ausgefiihrt, dab eine abgewogene Menge anorganiseher Knochensubstanz mit Leitffihigkeitswasser bei 25 ~ 6 Tage lange gesehiittelt wurden. Die erhaltene L6sung ~mrde abfiltriert und mit Itilie mikrochemischer Verfahren analysiert. Der ungelSste Tell wurde wieder 6 Tage gesehfittelt und so 4 L6sungen hergestellt.