Das Reichstierschutzgesetz

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26. MAI 1934 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 13 . JAHRGANG. Nr. 21 779 tretenden HerzgerXusche sind entweder akzidenteller Natur, eine Folge verXnderter Str6mungsverhMtnisse, oder durch relative Klappemnsuffizienz bedingt. Die in unserem Falle beobachtete grol3e Blutdruckamplitude kSnnte ebenfalls mit einer relativen Aorteninsuffizienz in Zusammenhang gebracht werden, wahr- scheinlich aber liegt ihre Ursache im Verhalten der peripheren GefaBe. Sie ist bei der Thyreotoxikose eine fast konstante Er- scheinung und auch in diesem Falie vielleicht die Folge vermehrter Schilddriisentatigkeit. Diese konnte [fir die anfaltsfreie Zeit durcll den Nachweis eines erhShten Grundurasatzes wahrscheinlich ge- macht werden. Ob im AnfalI selbst der Grundumsatz noch dar~ber hinaus gesteigert ist, haben wit leider nicht untersuchen k6nnen. Zusammenfassung: Es wird tiber einen Fall von paroxysmaler Muskell~ihmung mit myasthenischer Muskelreaktion in der anfalls- freien Zeit, leichter Thyreotoxikose, Ver~inderungen am Kreislauf- apparat und einem bisher noch nicht beschriebenen elektrokardio- graphischen Befunde wXhrend eines Lahmungsanfalles berichtet. Literatur: O. JANOTA u. K. WEBER, Abh. Neut. usw. 1928, H. 46. -- V. JOHNSSON, Hygiea (Stockh.) 96, 219 (1931). -- NEEL, Hosp. tld. (dan.) 1919 I. -- ALBRECHT, Berl. Gesellsch. f. Psychiatr. u. Nervenkraukh., Sitz. v. zL III. x929. -- 1KANKOWSKY, Arch. f. Psychiatr. 87, 28o (i929). -- DUNLAP and KEPLER, Endo- knnol, lfi, 544 (I93X). -- DAVIS and WELLS, J. nerv. Dis. 75, i6o (1932). -- MAC LACHLAN, Brain 55, 47 (1932)- -- ZABRINSKIE u. FRANTZ, Bull. nenr. Inst. N. Y. 2, 57 (1932). -- ALTMANN, Vet. f Psych. u.Neur. Wien, Sltz. 23- V. 1933. Klin. Wschr. 1933, I979. Das Reichstierschutzgesetz vom 24. XI. I933 ist am I. II. 1934 in Kraft getreten. Gesetzlich besaB der Tier- schfitzler friiher nur unzureichende Handhaben im Kampf gegen die Tierqu~Llerei. Der alte w 36o, 13 des Strafgesetz- buehes bedrohte mit Geldstrafe oder mit Haft denjenigen, der ,,6ffentlich oder in Argernis erregender Weise Tiere bos- haft quilt oder roh miBhandelt". Eine Bestrafung war damit abet nut selten zu erreichen, da meist entweder die ,,13ffent- lichkeit" oder das erforderliche ,,~krgernis" und der Nachweis der ,,boshaften Qu~lerei" Iehlten. Um diesem Mangel abzu- helfen, wurde am 6. V. 1933 das Gesetz dahin ge~ndert, dab mit Geld- oder GefEngnisstrafe bedroht wurde, ,,wer ein Tier roh miBhandelt oder absichttich quilt". Der Erfolg eines Ein- schreitens gegen Tierqu~lerei war abet damit immer noch ab- h~ngig yon dem schwer zu fiihrenden Nachweis der Roheit oder der Absichtlichkeit. Erst der preuBische ErlaB vom 5. IX. 1933 gegen die Vivi- sektion und jetzt das Reichstierschutzgesetz erlauben durch- greifende MaBnahmen gegen die Tierqu/~lerei. Das Reichs- tierschutzgesetz ist auf allen Gebieten anwendbar, sowohl gegen allgemeine Tierqu~tlereien an jederlei Tier, wie gegen solche in der Tierzueht und der Berufstierhaltung und auch weitgehend gegen TierquXlereien bei Tierversuchen und ghn- tict/en Eingriffen. Das letzte Gebiet ist quantitativ vielleicht unbedeutend, war aber bisher ffir den Tierschfitzler besonders schwer angreifbar. Diese Sonderstellung war beunruhigend, da es zahtreiche, 5ffentlich bekannte Auswflchse auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Tierversuchs gab: Zur Herstellnng yon Doktorarbeiten oder zur Steigerung der ZahI wissenschaft- licher Arbeiten eines Rinzelnen wurden oft planlose oder in ihrem Erfolg bereits bekannte oder vorauszusehende Tier- versuche durchgeffihrt. Dabei wurde h~Lufig an allem gespart, an den Versuchseinrichtungen, der Pflege und Wartung der Tiere, aber auch an den Tieren selbst, indem Tiere auch nach schweren Eingriffen m6glichst am Leben gehalten wurden, um sie noch ffir andere Versuche zu verwenden. Einem v611igen Verbot der Tierversuche, wie es yon vielen Seiten angestrebt wurde, stehen ernste Bedenken entgegen. Ein solches Verbot wfirde die Herstellung bzw. die Prfifung lebenswichtiger Arzneimittel verhindern, dell Arzneimittel- handel, auch nach dem Auslande, zerst6ren und der Biologie und der Medizin die ffir das Volksganze materiell und kul- turell notwendige Entwicklung abschneiden. Tierwert fiber Menschenwert zu stellen, ist ein Standpunkt extremer Tier- scht~tzler, die damit die Zukunft ihrer Art aufgeben. Tier- schiitzler dieser Richtung sollten zun~chst unter sich den Streitpunkt entscheiden, ob sie das Leben und das Wohl- behagen der Katzen oder das der V6gel fiber alles stellen wollen. Das Reichstierschutzgesetz vertritt keine extremen Stand- punkte, es sorgt abet daffir, dab in Zukunft nut die not- wendigen Tierversuche durchgeffihrt werden. Was enth~lt nun das Gesetz, und welche Auflagen macht es dem, der mit Tierversuehen arbeiten muB? Das Gesetz zerf~tllt in 5 Abschnitte. DAS REICHSTIERSCHUTZGESETZ. Von Med.-Assessor Dr. KAISER, Berlin. I~n 1. Abschnitt wird verboten, ,,ein Tier unnStig zu qu~len oder roh zu miBhandeln". Die einzelnen Begriffe wer- den sodann definiert. lm 2. Abschnitt werden ins einzelne gehende Vorschriften zum Schutze der Tiere, besonders in der Nutztierhaltung, ge- geben. Die Vorschriften erstrecken sich z.B. auf Pflege, Unterbringung, Bef6rderung und Arbeitsleistung der Tiere (die Vorschriften fiber Arbeitsleistungen, w 2, 2, k6nnen tfir die Durchffihrung yon Tierarbeitsversuchen wichtig sein). Sie erg~nzen als Beispiele die Definitionen des w I Abs. 2. Den Inhalt der Vorschriften kann man dahingehend kurz zu- sammenfassen, dab den Tieren besonders unter den im w 2 des Gesetzes erw~hnten UmstSnden weder erheblicher Schaden noch erheblicher Schmerz zugeffigt werden dart. Als erheblich dfirfte nach der Fassung des w 2, 9 das angesehen werden, was beim Menschen als erheblich gelten wfirde. Eingriffe am lebenden Tier sind nut in besonderen, wirtsehaftlich gebotenen FSllen oder zu Heilzwecken erlaubt, dtirfen abet nut am be- tSubten Tier vorgenommen werden, ,,sofern nicht der mit dem Eingriff verbundene Schmerz nur geringfugig ist oder bei gleichen oder ghnlichen Eingriffen am Menschen eine BetSu- bung in der Regel unterbleibt oder sofern nicht die BetSubung im einzelnen Falle nach tierSrztlichem Ermessen nieht durch- fiJhrbar erscheint". Einige der Vorschriften des w 2 und w 3 treten erst nach besonderer Festsetzung des Zeitpunktes in Kraft. Der 3. Abschnitt enth~ilt die Bedingungen, unter denen Tierversuche und ~ihnliche t;~ingriffe am lebenden Tier vor- genommen werden dfirfen. Abschnitt 3, w 5--7, betrifft In- stitute und Laboratorien fiir Lehr- und Forschungszwecke und solche, die biologische Prfifungen, z. 13. fiir Arzneimittel- wirksamkeit, vornehmen. Im letzten Paragraphen (8) werden yon den ]~estimmungen der w 5--7 die Versuche ausgenom- men, ,,die der Rechtspflege dienen, sowie Impfungen und Blutentnahmen an lebenden Tieren zum Zwecke der Er- kennung yon Krankheiten der Menschen oder Tiere oder zur Gewinnung oder Prfifung (Wertbestimmung) yon Seren oder Impfstoffen nach bereits erprobten oder staatlich anerkannten Verfahren. Doch sind aueh die hierzu verwendeten Tiere als- bald schmerztos zu tSten, wenn sie unter erheblichen Schmer- zen zu leiden haben und die T6tung mit dem Zweck des Ver- suchs vereinbar ist." Ffir die Vornahme yon Tierversuchen, die nicht unter den w 8 fallen, ist nun folgendes zu beachten: Das betreffende Institut muB bei der obersten Landes- beh6rde bzw. bei der zust~indigen 1Reich.sbehSrde Anfrag auf Erteilung der Erlaubnis zur Vornahme wissenschaftlicher Tierversuche stellen. Der Reichsminister des Innern kann dann auf Vorschlag der zuerst genannten Beh6rden die Ge- nehmigung erteilen. ,,Der Reichsminister des Innern kanI1 die Erteilung der Erlaubnis anderen obersten Reichsbeh6rden fiberlassen (w 6, 2)." Vorbedingungen ftir die Erteilung der Erlaubnis sind: a) dab der Leiter des Instituts giber die erJorderliche Jach- mdnnische Ausbildung und Zuverldssigkeit ver/i~gt. Unter

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tretenden HerzgerXusche sind entweder akzidenteller Natur, eine Folge verXnderter Str6mungsverhMtnisse, oder durch relative Klappemnsuffizienz bedingt. Die in unserem Falle beobachtete grol3e Blutdruckamplitude kSnnte ebenfalls mit einer relativen Aorteninsuffizienz in Zusammenhang gebracht werden, wahr- scheinlich aber liegt ihre Ursache im Verhalten der peripheren GefaBe. Sie ist bei der Thyreotoxikose eine fast konstante Er- scheinung und auch in diesem Falie vielleicht die Folge vermehrter Schilddriisentatigkeit. Diese konnte [fir die anfaltsfreie Zeit durcll den Nachweis eines erhShten Grundurasatzes wahrscheinlich ge- macht werden. Ob im AnfalI selbst der Grundumsatz noch dar~ber hinaus gesteigert ist, haben wit leider nicht untersuchen k6nnen.

Zusammenfassung: Es wird tiber einen Fall von paroxysmaler Muskell~ihmung mit myasthenischer Muskelreaktion in der anfalls- freien Zeit, leichter Thyreotoxikose, Ver~inderungen am Kreislauf- apparat und einem bisher noch nicht beschriebenen elektrokardio- graphischen Befunde wXhrend eines Lahmungsanfalles berichtet.

L i t e r a t u r : O. JANOTA u. K. WEBER, Abh. Neut. usw. 1928, H. 46. -- V. JOHNSSON, Hygiea (Stockh.) 96, 219 (1931). -- NEEL, Hosp. tld. (dan.) 1919 I. -- ALBRECHT, Berl. Gesellsch. f. Psychiatr. u. Nervenkraukh., Sitz. v. zL I I I . x929. -- 1KANKOWSKY, Arch. f. Psychiatr. 87, 28o (i929). - - DUNLAP and K E P L E R , Endo- knnol , lfi, 544 (I93X). - - DAVIS and WELLS, J . nerv. Dis. 75, i6o (1932). - - MAC LACHLAN, Brain 55, 47 (1932)- - - Z A B R I N S K I E u. FRANTZ, Bull. nenr. Inst. N. Y. 2, 57 (1932). - - ALTMANN, Vet. f Psych. u.Neur. Wien, Sltz. 23- V. 1933. Klin. Wschr. 1933, I979.

Das Reichs t ie rschutzgese tz v o m 24. X I . I933 i s t am I. I I . 1934 in K r a f t get re ten. Gesetzl ich besaB der Tier- schfitzler fr i iher nur unzure ichende H a n d h a b e n im K a m p f gegen die Tierqu~Llerei. Der a l te w 36o, 13 des Strafgesetz- buehes bedroh te m i t Geldst rafe oder m i t H a f t denjenigen, der , ,6ffentl ich oder in Argernis er regender Weise Tiere bos- haf t q u i l t oder roh miBhande l t " . E ine Bes t ra fung war dami t abe t nu t selten zu erreichen, da meis t en tweder die ,,13ffent- l i chke i t " oder das erforderl iche ,,~krgernis" und der Nachweis der , ,boshaften Qu~lerei" Iehlten. U m diesem Mangel abzu- helfen, wurde am 6. V. 1933 das Gesetz dahin ge~ndert , dab m i t Geld- oder GefEngnisstrafe bedroh t wurde, , ,wer ein Tier roh miBhandel t oder absicht t ich q u i l t " . Der Er fo lg eines Ein- schrei tens gegen Tierqu~lere i war abe t dami t immer noch ab- h~ngig yon dem schwer zu f i ihrenden Nachweis der Rohe i t oder der Absicht l ichkei t .

E r s t der preuBische ErlaB v o m 5. I X . 1933 gegen die Vivi- sekt ion und j e t z t das Reichs t ie rschutzgese tz e r lauben durch- greifende MaBnahmen gegen die Tierqu/~lerei. Das Reichs- t ie rschutzgesetz ist auf al len Gebie ten anwendbar , sowohl gegen al lgemeine Tierqu~tlereien an jederlei Tier, wie gegen solche in der T ie rzueh t und der Berufs t i e rha l tung und auch wei tgehend gegen TierquXlereien bei Tierversuchen und ghn- tict/en Eingriffen. Das le tz te Gebiet is t q u a n t i t a t i v vie l le icht unbedeutend , war aber bisher ffir den Tierschfi tzler besonders schwer angreifbar . Diese Sonders te l lung war beunruhigend, da es zahtreiche, 5ffent l ich bekann te Auswflchse auf dem Gebie t des wissenschaf t l ichen Tierversuchs gab: Zur Hers te l lnng yon Dok to ra rbe i t en oder zur Ste igerung der ZahI wissenschaft- l icher Arbe i ten eines Rinzelnen wurden oft planlose oder in ih rem Erfo lg berei ts bekann te oder vorauszusehende Tier- versuche durchgeffihrt . Dabei wurde h~Lufig an a l lem gespart , an den Versuchseinr ichtungen, der Pflege und W a r t u n g der Tiere, aber auch an den Tieren selbst, indem Tiere auch nach schweren Eingri f fen m6gl ichs t am Leben gehal ten wurden, um sie noch ffir andere Versuche zu verwenden.

E i n e m v611igen Verbo t der Tierversuche, wie es yon vielen Sei ten anges t reb t wurde, s tehen ernste Bedenken entgegen. E in solches Verbo t wfirde die Hers te l lung bzw. die Prf i fung lebenswicht iger Arzne imi t t e l verhindern , dell Arzne imi t te l - handel, auch nach dem Auslande, zers t6ren und der Biologie und der Medizin die ffir das Volksganze mater ie l l und kul- turel l no twendige En twick lung abschneiden. T ie rwer t fiber Menschenwer t zu stellen, is t ein S t a n d p u n k t ex t r emer Tier- scht~tzler, die dami t die Zukunf t ihrer A r t aufgeben. Tier- schii tzler dieser R ich tung soll ten zun~chst un te r sich den S t r e i t punk t entscheiden, ob sie das Leben und das Wohl- behagen der Ka tzen oder das der V6gel fiber alles stellen wollen.

Das Reichst ierschutzgesetz v e r t r i t t keine ex t r emen Stand- punkte , es sorgt abe t daffir, dab in Zukunf t n u t die not- wendigen Tierversuche durchgeff ihr t werden.

Was en th~l t nun das Gesetz, und welche Auflagen m a c h t es dem, der m i t Tierversuehen arbei ten muB?

Das Gesetz zerf~tllt in 5 Abschni t te .

DAS REICHSTIERSCHUTZGESETZ. Von

Med . -Assessor Dr . KAISER, Ber l in .

I~n 1. Abschnitt wird verboten, ,,ein Tier unnSt ig zu qu~len oder roh zu miBhandeln" . Die einzelnen Begriffe wer- den sodann definiert .

l m 2. Abschnitt werden ins einzelne gehende Vorschr i f ten zum Schutze der Tiere, besonders in der Nutz t i e rha l tung , ge- geben. Die Vorschri f ten ers t recken sich z . B . auf Pflege, Unterbr ingung, Bef6rderung und Arbei ts le is tung der Tiere (die Vorschri f ten fiber Arbei ts leis tungen, w 2, 2, k6nnen tfir die Durchff ihrung yon Tierarbe i t sversuchen wicht ig sein). Sie erg~nzen als Beispiele die Def in i t ionen des w I Abs. 2. Den I n h a l t der Vorschr i f ten kann m a n dahingehend kurz zu- sammenfassen, dab den Tieren besonders un te r den im w 2 des Gesetzes e rw~hnten UmstSnden weder erheblicher Schaden noch erheblicher Schmerz zugeffigt werden dart. Als erhebl ich dfirfte nach der Fassung des w 2, 9 das angesehen werden, was beim Menschen als erhebl ich gel ten wfirde. Eingr i f fe am lebenden Tier sind n u t in besonderen, wir t sehaf t l ich gebotenen FSllen oder zu Hei lzwecken er laubt , dtirfen abe t nu t am be- tSubten Tier vo rgenommen werden, , ,sofern n ich t der m i t dem Eingr i f f ve rbundene Schmerz nur geringfugig ist oder bei gleichen oder ghnlichen Eingr i f fen am Menschen eine BetSu- bung in der Regel un te rb le ib t oder sofern n ich t die Be tSubung im einzelnen Fal le nach t ie rSrz t l ichem Ermessen n ieh t durch- fiJhrbar erscheint" .

Einige der Vorschr i f ten des w 2 und w 3 t r e t en ers t nach besonderer Fes t se tzung des Ze i tpunktes in Kraf t .

Der 3. Abschnitt enth~ilt die Bedingungen, un te r denen Tierversuche und ~ihnliche t;~ingriffe a m lebenden Tier vor- genommen werden dfirfen. Abschni t t 3, w 5- -7 , be t r i f f t In- s t i tu te und Labora to r ien fiir Lehr- und Forschungszwecke und solche, die biologische Prfifungen, z. 13. fiir Arzne imi t te l - wirksamkei t , vornehmen. Im le tz ten Pa rag raphen (8) werden yon den ]~est immungen der w 5 - - 7 die Versuche ausgenom- men, ,,die der Rechtspf lege dienen, sowie Impfungen und B l u t e n t n a h m e n an lebenden Tieren zum Zwecke der E r - kennung yon Krankhe i t en der Menschen oder Tiere oder zur Gewinnung oder Prf i fung (Wertbes t immung) yon Seren oder Impfs to f fen nach berei ts e rp rob ten oder s t aa t l i ch ane rkann ten Verfahren. Doch sind aueh die hierzu ve rwende ten Tiere als- bald schmerztos zu tSten, wenn sie un te r erheblichen Schmer- zen zu leiden haben und die T 6 t u n g m i t dem Zweck des Ver- suchs vere inbar is t ."

Ffir die Vornahme yon Tierversuchen, die n ich t un te r den w 8 fallen, is t nun folgendes zu beach ten :

Das be t ref fende I n s t i t u t muB bei der obers ten Landes- beh6rde bzw. bei der zust~indigen 1Reich.sbehSrde Anf rag auf Er te i lung der Er laubnis zur V o r n a h m e wissenschaft l icher Tierversuche stellen. Der Reichsminis ter des Inne rn kann dann auf Vorschlag der zuerst genannten Beh6rden die Ge- nehmigung erteilen. , ,Der Reichsminis ter des Inne rn kanI1 die Er te i lung der Er laubnis anderen obers ten Reichsbeh6rden fiberlassen (w 6, 2)."

Vorbedingungen ftir die E r t e i lung der Er laubnis s ind: a) dab der Leiter des Insti tuts giber die erJorderliche Jach-

mdnnische Ausbildung und Zuverldssigkeit ver/i~gt. U n t e r

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fachm~innischer Ausbi ldung wird m a n n i ch t nur die rein wissenschMtliche, sondern such die p rak t i sche E r f a h r u n g in T ie rversuchen zu vers tehen haben ; denn nur dann k6nnen die Vorschr i f ten Ifir die Versuchsdurchf f ih rung erffillt werden. Die Er laubnis zur V o r n a h m e yon Tierversuchen ist also an das Ins t i~ut und seinen Let te r gebunden. Das I n s t i t u t als solches erh~ilt zwar die Er laubnis , mug aber diese bei Weggang des Lei- ~ers e rneu t bean t ragen . P r iva t t eu t e ohne Insti~cu~ kSnnen eine Er l aubn i s nich~ erhal ten , sondern mfissen in konzess ionier ten Be t r i eben u n t e r V e r a n t w o r t u n g des dor t igen Let ters arbei ten.

Der Lei ter kann sich bei den Versuchen ve r t r e t en lassen (w 7, x), er wird sich a b e t wohl vergewissern mfissen, ob sein Ve r t r e t e r in der Lage ist, den Vorschr i f t en des Gesetzes zu en t sp rechen .

b) daft geeignete Vorrichtunge~ /iir die Vornahme yon Vereuchen und Narkosen an Tieren und Gewdhx /iir gute Unterbringung und Wartung der Tiere vorhanden sind. Der zu beach t ende Ges ich t spunk t wird sein, dab die Tiere keinen erhebl ichen Schmerz oder Schaden erleiden, soweit der Zweck eines Versuches diese Fo rde rung n i ch t u n b e d i n g t ausschliel3t.

Die er te i l te Er l aubn i s kann jederze i t ohne EntschS, d~gung zuri ickgezogen werden.

Das Gesetz e r l aub t auch I n s t i t u t e n nach er teiI ter Ge- nehmigung nur Versuche, die , ,einen bes~immten, b isher von der Wissenschaf t noch n i ch t best~itigten Erfolg e rw a r t en lassen oder sowei t sie zur Kl~irung bisher ungel6s ter F ragen d ienen ." (Nut ffir Lehrzwecke sind A u s n a h m e n gestafltet, sowei t ande re Lehrmi t te l , z. B. Bilder, Modelle, Pr~tparate n n d l~ilme n i ch t ausreichen.) Vor j edem Versuch wird also der Let te r u n t e r Zugrunde legung der L i t e r a tu r und ether genau fes tgelegten Frages te l lung n n d Versuchsaufs te i Iung die aufr icht ige ~ b e r - zeugung h a b e n mfissen, dab das e rwar t e t e Ergebnis des ge- p l an t en Versuchs wer tvo l l und bisher u n b e k a n n t ist, an t ande rem als dem Versuchsweg sictr abe t nichfl e r re ichen l~il3t.

Hier i iber s ind schr i f t l iche Ausa rbe i tungen erforderl ich. Denn n a c h w 7, 8 des Gesetzes s ind fiber den Zweck, die Dureh - f i ihrung und das Ergebn is der Versuche sowie fiber die A r t der v e r w e n d e t e n Tiere Anfze ichnungen zu machen. In den Aufze ichnungen dur f t e such zu begrf inden sein, w a r u m Ver- suche, die an Pferden, Hunden , K a t zen oder Affen durch- gef i ihr t werden sollen, m i t n iederen Tieren n ich t durchgef i ihr t we rden kSnnen (w 7, 5) und w a r u m die Zahl der fur die K1/irung der be t r e / f enden Frage zur Ve rwendung k o m m e n d e n Tiere nich• ger inger Ms angese tz t sein da r t (w 7, 6). Bet Kon- t ro l len und e twa no twend ig we rdenden Rech t f e r t i gungen dfirffen sorgfii l t ig gef t ihr te und a u f b e w a h r t e Anfzeichnungen ffir den Versuchs le i te r wer tvo l l sein.

Auch die e r l aub ten Versuche sind un te r Verme~dung ]eder ffir den Zweck en tbehr l i chen Sckmerzer regung v o r z u n e h m e n (w 7, 2). N u t wenn , ,nach dem Urte i l des wissensehaf t l ichen Let ters der Zweck des Versnches dies n n b e d i n g t ausschheBt oder der mi t dem Eingr i f f v e r b u n d e n e Schmerz geringfflgiger ist als die mi t einer Bet~iubung v e r b u n d e n e Beeintr~ichtlgung des WohIbef indens des Versuchs t ie res" , kann yon ether Be- l i inbung abgesehen werden .

SchlieBlich wird i m w 7, 4, Abs. ~ - - 3 vorgeschr ieben, dab an demselben unbet~iubten Tier n i ch t m e h r als ein schwerer opera t iver oder schmerzha f t e r unblu t iger Versuch ausgefuhr t werden dar t und dab Tiere, die nach Beend igung schwerer, insbesondere mi t ope ra t iven Eingr i f fen v e r b u n d e n e r Versuche u n t e r e rhebl ichen Sehmerzen zu leiden haben, sofern das n a c h dem Urte i l des wissenschaf t l ichen Let ters m~t dem Zweck des Versuches ve re inbar i s t schmerzlos zu t6 t en sind.

Dee I. und J. Absdmi t t des Gesetzes enfihalten die Schlul3- und S t r a fbes t immungen . Aus f f ih rungsbes t immungen sind bis- her noch n i ch t ergangen. Soweit der Re ichsmin i s t e r des I n n e r n solehe n i ch t erlS,13t, k6nnen die Landes reg ie rungen die erforder l ichen Durchf f ih rungsbes f immungen erlassen.

REFERATENTEIL. BUCH BESPRECHUNGEN.

Gesetz zur Verhfitung erbkranken Nachwuchses vom I4. Juli I933 mit Auszug aus dem Gesetz gegen gef~ihrliche Gewohnhei tsver- brecher und fiber Magregeln der Sicherung und Besserung v o m 24. November I933. Von A. GI]TT, :E. RODIN und F. RUTTKE. Mlt Beitr~igen: Die Eingriffe zur Unfruchtbarmachung des Mannes und zur Entmannung. Von E L E X E R -- Die Eingriffe zur Un- fruehtbarmaehung der Frau. Von A. DODERLEIN. 15 teils farb. Textabb. 272 S. Manchen: J F. Lehmann I934. Geb. RM. 6.--.

Der I(ommentar zum Gesetz zur Verhfitung des erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli I933 1st in den HXnden fast aller Xrzte, nachdem der Fflhrer der deutschen hrzteschaft angeordnet hat, dab er yon der hrzteschaft wegen seiner fundamentalen Bedeutung angeschafft werden mul3, soweit sle mit den behandelten Fragen yon Berufs wegen zu tun bat. Man geht wohl nicht fehl in der An- nahme, dab die Verff des 14ommentars die gleichen Manner stud, denen wir das Gesetz und seine Ausfuhrungsbestimmungen zu ver- danken haben. So haben wir die Gewil3heit, dab der Kommentar den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck brmgt. Das Vorwort des Buches erlautert die Bedeutung des Gesetzes als emes Aus- druckes der nationalsoz:alisfischen Weltanschauung, Die Em- fuhrung gibt einen Oberbliek fiber die Gesetze der Vererbung. Ihr Studium ist ffir jeden notwendig, der m d e r Praxls des Lebens einen sicheren Standpunkt haben will und befahigt sein soil, das Gesetz im EinzelfalI richtig anzuwenden. Ant die Einffihrung folgt die ~ iedergabe des Gesetzes und seine Begrhndung. Daran schliegt sich die ,,Verordnung zur Ausffihrung des Cesetzes vom 5. Dezember I933"- Ni t S. 8i beginnen die Erlauterungen. also der eigentliche I(_ommentar. Von Wichtlgkeit 1st hier vor allem, was S. 86 fiber den Begriff der ,,groBen Wahrscheinhchke~t" ge- schrieben ist: , ,Unfruchtbar gemacht werden kann nur, wenn nach den Erfahrungen der ~rzthchen W'issenschaft mit gro/3er ~\:ahr- scheinlichkeit zu erwarten ist, dab die Nachkommen des 14ranken an schweren kOrperlichen oder geistigen Erbsehaden leiden werden, wie das tatsachlich bet den Nachkommen der TrAger der in w t Abs. z nnd 3 genannten Leiden der Fall ist. Blog eine gewisse, rage Wahrsebemlichkeit wflrde also nicht geniigen. Andererselts ~st aber keine bestimmte, keine iooproz. Wahrscheinlichkeit, d. h, Sicherbeit, such keine 5oproz %Vahrscheinlichke~t u dgl. ge-

fordert. Schon vlel geringere Wahrschelnlichkelten sind in der Frage der Erblichkeit als ,grog' zu bezeichnen. Denn mal3gebend ffir die Beurteilung der Naehkommenschaft eines Kranken ist, da13 die betreffenden I~rankheiten und die ihr verwandten abnormen Zustande sowie die krankhaften Erbanlagen m der Durchschnitts- bev61kerung set~r viel seltener, um das V~elfache, Io- oder mehrfache seltener zu finden stud sis in der Nachkommenschaft der Unfrucht- barzumachenden, ja in emer gesunden Bevolkerung, die wir ja doch anstreben, selten oder fast gar nicht vorkommen. Und dlese Er- fordernisse groBer \Vahrscheinliehkeit sind bet den nach den Mendel- schen ]~rbregeln einfacher und komplizierter Art sich vererbenden St6rungen im allgemelnen und bet den in w I genannten krankhaften Zusfiinden lm besonderen erfullt. So ist die Wabrscheinhchkeit der Erkrankung der Nachkommen hn allgemeinen nnmer als ,grog' be1 den im Gesetz genannten Leiden anzunehmen " Wit sehen also, dab das Gesetz hier dem Begriff der ,,grol3en Wahrscheinhchkelt" einen anderen Sinn gibt, als dies sonst im Sprachgebrauch fiblich 1st. Fur die Verff. des Kommentars hegt eme ,,groBe Wahrschein- lichkeit des Erkrankens" vor, wenn be1 den Kindern eines Erb- kranken 9--IO% Erkrankungsgefahr bes t eh t Die Verff. messen die Gefahr daran, dab die Erkrankungsgefahr in der Durchschmtts- bev61kerung nut o,85 % betragt, also nicht einmal 1/10 so grog ~st Man mul3 diese Auffassungsweise stets im Auge behalten, wenn man den Sinn des Gesetzes ncht ig erfassen wilI. Wtchtig ist ferner die yon den Verff. betonte Auffassung, dab leichte Grade der Erb- krankhelten besonders gef~hrhch stud, weft be1 ihnen die Nloghch- keit der Fortpflanzung fiberhaupt eben vim gr6ger ist als bet den Schwerkranken. Dies ist ohne weiteres einleuchtend. Tlef ver- bl6dete Schizophrenie, mit schwerem epileptischen Leiden Behaf- tefe, dauernd mrkular Geisteskranke konnen sich itberhaupf selten augerhalb der Irrenanstalten ha/ten, also auch nicht leicht I'2inder bekommen, wahrend die leichteren Formen dieser 1,2rankhelten Helrat und Fortpflanzung nicht unm6glich machen. Auf S. 99 erfahren wir, dab in dem Begrfff der Schizophrenie sehr vieles zu- sammengefa13t worden ist, was da und dort emen anderen Namen tr~igt, so z B. die Degenera~cionspsychosen, die eplsodischen D~tm- merzustande, dm Involuttonsparanoia, der prasemle Beeintr~tchti- gungswahn. Von besonderer ]3edentung sind die Ausfi~hrungen