Das Sammelbuch: Konzept und Fallstudie zum aktiventdeckenden und schriftlich-reflektierenden Lernen...
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Annemarie Beck
Oas Sammelbuch: Konzept und Fallstudie zum aktiventdeckenden und schriftlich-reflektierenden Lernen im mathematischen Anfangsunterricht
Dissertation zur Erlangung des Grades Dr. rer. nat. am Institut fur Mathematik der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultat II der Humboldt-Universitat zu Berlin
Gutachter: Prof. Dr. W. Schulz (Humboldt-Universitat zu Berlin) Prof. Dr. M. Bergk (Humboldt-Universitat zu Berlin) Prof. Dr. E. Ch. Wittmann (Universitat Dortmund)
Datum der miindlichen Priifung: 25. April 2002
Lemen wird heute als aktiver Konstruktionsprozess verstanden. Seiner Unterstiitzung dienen verschiedene Unterrichtskonzepte, die das Lemen auf eigenen Wegen in den Mittelpunkt stellen. In meiner Arbeit werden unterschiedliche Auspragungen des Lernens auf eigenen Wegen zu einem neuen Konzept zusammengerugt. Dieses integriert aktiv-entdeckende und schriftlich-reflektierende Elemente. Es wird in einem dafiir entwickelten Sammelbuch mathematischer Einsichten umgesetzt. Hier reflektieren die SchUler iiber angeeignete Vorstellungen von Begriffen, Vorgehensweisen und von mathematischen Zusammenh1i.ngen, nachdem diese im Unterricht thematisiert wurden. Daneben dient das Sammelbuch der selbstandigen Konstruktion von Wissen im Austausch mit anderen. Es beinhaltet ausschlie13lich von den SchUlem selbst erstellte Seiten. Die Eigenproduktionen geben folglich Hinweise auf das Verstandnis eines Sachverhalts und haben dadurch einen diagnostischen Wert fur den Lehrer. Durch die Mehrdeutigkeit schriftlicher SchUlerprodukte ergeben sich authentische Gesprachsanlasse. Die kontinuierliche Sammlung der individuellen Eintrage ermoglicht die Nutzung als Nachschlagewerk: Die SchUler konnen Verstandenes, das sie inzwischen vergessen haben, nachschlagen, um es verstandig anzuwenden. Diese Zweckbindung gibt dem Sammelbuch im Vergleich ntit anderen Lemtagebiichem eine neue Qualitat. Innerhalb des dadurch gespannten Sinnrahmens iiben die SchUler das Formulieren und Argumentieren.
Konkretisiert wird das Konzept rur den Arithmetikunterricht des ersten und zweiten Schuljahres ntit Bezug auf die sieben Grundideen der Arithmetik von Wittmann. Dazu werden sieben Aufgaben, die sich flir Sammelbucheintrage im ersten Schulbalbjahr der zweiten Klasse eignen, konstruiert und unter mathematischen sowie didaktischen Aspekten analysiert. Damit verbunden erfolgt eine Untersuchung verschiedener Moglichkeiten, mathematische Sachverhalte zu notieren. Diese fuhrt zu dem Schluss, dass auch Kindem mit geringen schriftsprachlichen Fiihigkeiten dazu geniigend Mittel zur Verfugung stehen.
Den empirischen Teil der Arbeit bildet eine Fallstudie mit 19 GrundschUlem im ersten Schulhalbjahr des zweiten Schuljahres. 1m Sinne eines qualitativen Experiments mit minimalem Eingriff wurde der Mathematikunterricht um das Sammelbuch angereichert und der Umgang der Kinder damit untersucht. Letzteres erfolgte mithilfe verschiedener qualitativer wie quantitativer Techniken (z. B. Unterrichtsbeobachtung, qualitative Inhalts analyse der Samrnelbucheintrage, Haufigkeitszahlungen), die bei der Auswertung im Rahmen der Between-Method bzw. der Within-Method der Triangulation nach Denzin verbunden wurden.
(JMD 23 (2002) H. 2, S. 152-153)
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Dissertationen/Habilitationen 153
Das Hauptinteresse liegt dabei erstens auf der Frage, ob sich die Idee des Sarnmelbuches bereits im Anfangsunterricht umsetzen Hisst. Zweitens werden typische Inhalte und Notationsmuster in den Sarnmelbucheintragen herausgearbeitet und drittens Aussagen tiber das diagnostische Potenzial der Eintrage getroffen.
Ais Hauptergebnis der schulpraktischen Untersuchung ist festzuhalten, dass die Kinder trotz ihrer gering en schriftsprachlichen Fahigkeiten in der Lage waren, tiber mathematische Sachverhalte nachzudenken und ihre Reflexionsergebnisse selbstandig zu notieren. Sie verwendeten dazu tiberwiegend Beispiele in Form von Zahlensatzen oder Zeichnungen. Prosasatze wurden selten verfasst. Das diagnostische Potenzial der Sarnmelbucheintrage war hoch, obwohl die Eintrage haufig mehrdeutig waren. Das bedeutet, dass schriftliche Reflexion im Mathematikunterricht schon im Anfangsunterricht bei Kindem mit geringen schriftsprachlichen Fahigkeiten moglich ist. Zudem konnten viele Befunde anderer Untersuchungen zu dieser Thematik bestatigt werden.
Die Arbeit erscheint unter obigem Titel in der Reihe Europaische Hochschulschriften im Peter Lang Verlag.
Annemarie Beck Humboldt-Universltat zu Berlin Institut fUr Mathematik Unter den Linden 6 10099 Berlin e-mail: [email protected]