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Kapitel 10 Englischerwerb im Anfangsunterricht der Primar- und der Sekundarstufe Plädoyer für ein empirisch fundiertes Übergangsprofil Wiebke Reinold Lena Kretschmann

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Kapitel 10

Englischerwerb im Anfangsunterricht der Primar- und der Sekundarstufe

Plädoyer für ein empirisch fundiertes Übergangsprofil

Wiebke Reinold Lena Kretschmann

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Gliederung

1) Vorgehensweise2) Datengrundlage3) Profilanalyse4) Variation der Lernersprache der Probanden5) Das mentale Lexikon6) Das Übergangsprofil7) Fazit

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- ab 2003 / 2004 Englisch in Grundschule kein Anfangsunterricht mehr in Klasse 5

Welchen Sprachentwicklungsstand haben die Kinder in der Primarstufe erreicht?

+

Wie kann der begonnene Spracherwerb in der Sekundarstufe fortgeführt werden?

Primarstufenlehrer legen Grundlagen, ihre Nachfolger bauen darauf auf

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Grundschullehrer: „In der Sekundarstufe gibt es nur noch Grammatik und Vokabeln, sonst nichts, da wird nur gepaukt!“

Sekundarstufenlehrer:

„Mit Spielerei und ein paar Liedchen kann man doch keine Fremdsprache lernen!“

Börner, 2003

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1) Vorgehensweise

untersucht wird: das Profil der Schüler

Welche Variation entwickeln Lerner bei quantitativ gleichem Input in verschiedenen Lernarrangements?

Klassen 3 und 4:

80 Wochen à 2 Stunden = 160

- 10% von diesen 160 Stunden = 144 Stunden

Klasse 5

7 Monate ohne Ferien = 28 Wochen à 5 Stunden = 140 Stunden

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EntwicklungsniveausGrundschüler Sekundarstufenschüler

Vorteile:

- sprachlicher Entwicklungsstand

- Perspektivwechsel

- unter optimalen Rahmenbedingungen

deutliche Verbesserung des Spracherwerbs

- eventuelle Überarbeitung der Richtlinien und Lehrpläne

-„klar definiertes Abschlussprofil zum Ende der vierten Klasse“ (Schlüter, 2003)

Wichtig: Entwicklungsniveaus, kein Leistungsvergleich!

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Ziel der Studie: Durch das Verständnis des Spracherwerbs einen Beitrag zu effizienterem Englischunterricht und

damit zum Erreichen von Mehrsprachigkeit leisten

Externe Faktoren

und

lerninterne Prozesse

Schwerpunkt der Studie:

interne Prozesse der Sprachverarbeitung

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Spracherwerb im Anfangsunterricht

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2) Datengrundlage

Jahrgangstufe 5 eines Gymnasiums

Auswahl durch Lehrer (Noten in sprachlichen Fächern insgesamt)

Leistungsstarke / normal leistungsstarke / leistungsschwache

gleichmäßige Verteilung Jungen und Mädchen

Anhand von kommunikativen tasks

Stichprobe zur Lernersprache der Probanden

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3) Profilanalyse• verdeutlicht syntaktische und morphologische

Strukturen (Häufigkeit in transkribierter Lernersprache)

• Emergence criterion (Pienemann,1998) ermittelt die aktuelle, bereits erworbenen Spracherwerbsstufe

• Einteilung nicht nach zielgerichteter Genauigkeit, sonder nach sukzessiver und kumulativer Entwicklung des Sprachprofils

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• Alle Probanden haben mindestens Spracherwerbsstufe 3 erworben

• Processability Theory (Pienemann, 1998) durchlaufen, keine Erwerbsstufe übersprungen

• Individuelle Lerner variieren hinsichtlich Erwerb und Automatisierung der erworbenen Struktur/ Regel

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4) Variation in der Lernersprache

• Nicht alle Lerner entwickeln dieselben Lernsysteme, Pienemann begründet dies mit der Theorie der L2-Entwicklung (Kap.3)

• Zwei Probanden haben gleiche Spracherwerbsstufe, folgt Analyse des Variationsverhaltens, um festzustellen, ob ähnlich standardnah

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• Bsp.: Verwendung von „3-sg-s“ Die Probanden weisen Unterschiede auf:

– G01 in sechs obligatorischen Kontexten 4x richtig– G04 fünf regelkonforme Anwendungen

– Trotz nur vier richtigen Anwendungen ist Lernersprache von G01 standardnäher auf Grund von längeren Sätzen und zusätzlichen Strukturen aus höheren Erwerbsstufen

– G04 produziert Sätze nach „SVO-Muster“ und vermeidet so Fehler (unter Spracherwerbsaspekten: Verzicht auf die erfolgversprechende - risikoreiche Strategie der Regelverletzung)

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Auswahl von unterschiedlicher Varianten der Problemlösung

• Strategie der Regelverletzung– Semantisch genauere Aussage auf

Kosten grammatischer Korrektheit

• Strategie der Vermeidung bzw. Auslassung– Weniger standardnahe Strukturen, aber

kein Risiko

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Schlussfolgerungen

• Vorübergehen einiger Zeit zwischen Erwerb einer Struktur und ihrer automatisierten Anwendung

• Neben Einordnung in vertikale Stufen der Sprachhierarchie ist auch das Variationsverhalten von großer Bedeutung (bloßer Blick wird Komplexität des Spracherwerbs nicht gerecht)

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• Entscheidung für simplifizierte Variante zur Lösung kann schon in früher Erwerbsstufe zu Entwicklungsstop führen

• Sprachunterricht besitzt wichtige und wertvolle Rolle, damit Lerner standardnahe Varianten entwickeln können.

• Prognose möglich: je standardnäher die Entwicklungsprobleme gelöst werden, desto besser die Chancen eine muttersprachliche Kompetenz zu erwerben.

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5) Das mentale Lexikon

mentales Lexikon = die im Kopf des Lerners gespeicherten Eintragungen zum Wortschatz

50 Wörter Grenze „Marker für die übrige Sprachentwicklung“ (Bleyhl)

Das bedeutet:

ein möglichst großes mentales Lexikon bildet die Voraussetzung für die Syntax aber auch für den Gebrauch der vier Fertigkeiten (Lesen, Schreiben, Hören, Sprechen)

meaning // syntax // morphology // phonology

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Einblick in das Lexikon einiger Probanden

(nach Wortarten)

Ergebnisse:

- alle Probanden haben mind. Stufe 3 der Spracherwerbshierarchie erworben, 1/3 sogar Stufe 5

- haben bereits gelernt, Englisch für AKTIVE sprachliche Äußerungen zu nutzen

- fast alle haben die „50-Wörter-Grenze“ erreicht

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6) ÜbergangsprofilAspekte des Übergangsprofils

• In Primarstufe begonnener Spracherwerb muss als Grundlage genutzt werden

• Meist wird Stufe 2 in einigen Fällen auch Stufe 3 erreicht = empirisch übermitteltes Übergangsprofil

• Oft startet Anfangsunterricht der Sek.1 wieder „bei null“ ohne Berücksichtigung der Vorarbeit der Primarstufe (Verdeutlichung siehe Grafik)

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Situation ohne Übergangsprofil

• Spracherwerbsprozess läuft in beiden Schulstufen unabhängig nebeneinander her und ist nicht abgeschlossen

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Ergebnisse der Spracherwerbsforschung ermöglichen…

…dass Lehrkräfte, nun auf Basis des Übergangsprofils, den in der Primarstufe begonnenen Spracherwerb in der Sekundarstufe1 erfolgreich fortzuführen

…dass die Kinder tatsächlich an der Stelle abgeholt werden, an der sie nach dem Übergang in die Sek.1 stehen

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Berücksichtigung des Übergangprofils

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• Sekundarstufe orientiert sich nun an übermittelten Übergangsprofil der Primarstufe

• Sek1 verdeutlicht der Primarstufe worauf sie hinarbeiten sollten, um verlässliche Basis zu schaffen

• Statt „bei null“ zu starten, kann der Spracherwerb weitergeführt werden

• Idealfall: Spracherwerbsstufen werden deutlich schneller durchlaufen und es bleiben keine offenen „Spracherwerbslücken“

• Je weiter im Lernerwerbsprozess, desto größer das mentale L2-Lexikon (Anzahl der Worttypen); auf dieser Basis kann Lexikon in Sek.1 ausgebaut werden

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• Reicher zielsprachiger Input und Möglichkeiten zu spontaner Sprachproduktion im Unterricht

größeres mentales L2-Lexikon und vorangeschrittener Erwerbsprozess

• Reproduktion der Sprache der Lehrkraft

zwar weniger Fehler, aber simplifizierte Lernersprache

Vergleich des Input

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FazitÜbergang wird durch Verbindung der Stärken beider Schulsysteme erfolgreich gestaltet

Spracherwerbsforschung mit täglicher Unterrichtsarbeit verzahnen

-Spracherwerb findet in beiden Stufen statt

- Bereitschaft der Lerner muss gefördert werden bei der Produktion sprachlicher Äußerungen Risiken im Bereich der Syntax und der Morphologie einzugehen

- kreativer und produktiver Umgang muss gefördert werden statt formelhafte Anwendung von Floskeln

- Richtlinien und Lehrpläne der Grundschule müssen überarbeitet werden

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Quelle:

Pienemann, M., Keßler, J., Roos, E. (Hrsg.):

Englischerwerb in der GrundschuleSchöningh, Paderborn 2006