Beate Leßmann: Individuelle Lernwege im Schreiben und Rechtschreiben - Leseprobe: Rechtschreiben im...

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192 Die Übungen der drei Boxen sind übersichtlich nach Themenberei- chen sortiert. Zu jeder Box gehört eine genaue Auflistung aller Übungen in zweifacher Ausführung: als DIN-A5-Heftchen und als Übersichtsplakat, sodass man sowohl in der Schule als auch zu Hause die passende Übung heraussuchen und dem Kind durch die entsprechende Kartennummer zuweisen kann. Ab dem 2. Schuljahr schaffen es die Kinder zunehmend, die Übungs- karten eigenständig herauszusuchen und wieder zurückzubringen. Wer sie nicht einordnen kann, legt sie in ein dafür bereitstehendes Kästchen. Ein „Boxmanager“ hilft dann beim Zurücksortieren. Weitere Ausschnitte aus der Übersicht über alle Übungen der Rechtschreibbox finden sich in II. 4.5 und in Teil II (Klassen 3 und 4). Dort werden auch grundlegende Überlegungen und maßgebli- che Prinzipien der Rechtschreibbox detailliert vorgestellt. Die Arbeit auf den Karten (die einseitig foliert und folglich mit einem nicht-permanenten Folienstift beschrieben werden dürfen) wird ergänzt durch die Arbeit im Rechtschreibheft, das auch für das Training mit der Wörterklinik genutzt wird. Das wiederholte Schreiben innerhalb kurzer Zeit dient der Festigung. Im Rechtschreibheft entsteht – auch für die El- tern – ein umfassender Überblick über die individuelle Rechtschreib- entwicklung des einzelnen Kindes und seine Übungsintensität. 5.1 Tagebuchtexte als Grundlage für die individuelle Zuweisung von Übungen Wie im 1. Schuljahr werden die Trainingskarten aus der Recht- schreibbox im Anschluss an das Verfassen eines individuellen Tex- tes zugeteilt, aus dem sich in der Regel eine für das Kind typische Rechtschreibproblematik ergibt. Dazu kann im Tagebuch unter den Text hinter das Wörtchen „Box“ die entsprechende Übung eingetragen werden. Die Übung kann auch im Rahmen der Tages- bzw. Wochenplanar- beit an das Kind herangetragen werden: Deine Übung der Woche 260 : (Abb. Seite 193) ge Box: 15/2 257 Wird im folgenden von „Fehlerschwerpunkten“ gesprochen, so beziehen sich diese sowohl auf Rechtschreibbox: Wo finde ich welche Übung?

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Beispielseiten zu folgenden Themen: Tagebuchtexte als Grundlage für das Üben an individuellen Fehlerschwerpunkten Rechtschreibbox Eigenständig Texte korrigieren lernen Wortschatzarbeit Überblick 2. Schuljahr, Stichworte für die Planung (aus: Leßmann, Beate: Individuelle Lernwege im Schreiben und Rechtschreiben. Teil I: Klassen 1 und 2, Dieck-Verlag)

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Die Übungen der drei Boxen sind übersichtlich nach Themenberei-chen sortiert. Zu jeder Box gehört eine genaue Auflistung allerÜbungen in zweifacher Ausführung: als DIN-A5-Heftchen und alsÜbersichtsplakat, sodass man sowohl in der Schule als auch zuHause die passende Übung heraussuchen und dem Kind durch dieentsprechende Kartennummer zuweisen kann.Ab dem 2. Schuljahr schaffen es die Kinder zunehmend, die Übungs-karten eigenständig herauszusuchen und wieder zurückzubringen.Wer sie nicht einordnen kann, legt sie in ein dafür bereitstehendesKästchen. Ein „Boxmanager“ hilft dann beim Zurücksortieren.Weitere Ausschnitte aus der Übersicht über alle Übungen derRechtschreibbox finden sich in II. 4.5 und in Teil II (Klassen 3 und4). Dort werden auch grundlegende Überlegungen und maßgebli-che Prinzipien der Rechtschreibbox detailliert vorgestellt.

Die Arbeit auf den Karten (die einseitig foliert und folglich mit einemnicht-permanenten Folienstift beschrieben werden dürfen) wird ergänztdurch die Arbeit im Rechtschreibheft, das auch für das Training mit derWörterklinik genutzt wird. Das wiederholte Schreiben innerhalb kurzerZeit dient der Festigung. Im Rechtschreibheft entsteht – auch für die El-tern – ein umfassender Überblick über die individuelle Rechtschreib-entwicklung des einzelnen Kindes und seine Übungsintensität.

5.1 Tagebuchtexte als Grundlage für die individuelle Zuweisung vonÜbungen

Wie im 1. Schuljahr werden die Trainingskarten aus der Recht-schreibbox im Anschluss an das Verfassen eines individuellen Tex-tes zugeteilt, aus dem sich in der Regel eine für das Kind typischeRechtschreibproblematik ergibt.Dazu kann im Tagebuch unter den Text hinter das Wörtchen „Box“die entsprechende Übung eingetragen werden.Die Übung kann auch im Rahmen der Tages- bzw. Wochenplanar-beit an das Kind herangetragen werden:Deine Übung der Woche260: (Abb. Seite 193)ge Box: 15/2

257 Wird im folgenden von „Fehlerschwerpunkten“ gesprochen, so beziehen sich diese sowohl auf

Rechtschreibbox:Wo finde ich welche Übung?

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Hier hatte die Autorin Probleme mit dem Wortbaustein „ge“. Auf-grund meines Kommentars (...gehabt) und zwei weiterer Beispiel-wörter (aufgeblieben – aus dem Text, geschwommen) hatte sie dieMöglichkeit, die korrekte Schreibung von „ge“ durch den Vergleichzu entdecken, zur Vertiefung erhielt sie die Trainingskarte „ge“ ausder Rechtschreibbox.Erstaunlich: Im darauffolgenden Text (rechts daneben – einige Tagespäter geschrieben) verwendete sie fünfmal das Morphem „ge“ imPartizip – und jedes Mal korrekt geschrieben!In vielen Texten begegnen uns mehrere, häufig ganz unterschiedli-che Fehlertypen, wie etwa in Majas Text von dem Eisbären. Einekleine „Diagnose“ des Textes zeigt zunächst, dass Maja bereits vielbeherrscht, etwa das korrekte Setzen der Satzschlusszeichen, dasim 2. Schuljahr und darüber keineswegs selbstverständlich ist.Unter Rückgriff auf die drei Ebenen der Rechtschreibung (Laut – Wort– Kontext) oder die drei zentralen Strategien (alphabetisch, morphe-matisch, orthographisch) lassen sich auf denersten beiden Ebenen diverse Bereiche erken-nen, die Anlass zur Übung sein könnten:– Ei/ei (Eisbär)– Wörter mit ä (Eisbär)– Wortgrenzen (war mal)– Laut m (war mal)– Nomen groß (die Welt)– Dehnungs-h (sehr, gefahren)– Doppelkonsonanten (hatte, Mutter)– Wörter mit v (viele)– Nomen groß – Menschen (Freunde, Mutter)– Verben klein (liebt)– Wortbaustein -en (Eisbären, einen)Welche Übung würden Sie Maja zuordnen?

Eine „Faustregel“ zur Auswahl der passenden Übung besagt, dassÜbungen, die sich auf die Lautebene beziehen, als elementar be-trachtet werden und folglich als Erstes zugewiesen werden.Sollte das Kind bei der Zuordnung von Laut und Buchstabe keineMühe haben, so kommt die nächste Ebene in den Blick, die Wort-ebene.Die Kontextebene, also jene Ebene, auf der die Schreibweise oderein sonstiges Rechtschreibphänomen (wie etwa die Satzzeichen)nicht ohne Berücksichtigung des Kontextes zu erschließen ist, ver-steht sich als die anspruchsvollste Ebene, da das Kind so viel Textzugleich erfassen muss.Dass die Ebenen in der Entwicklung des Kindes keine hierarchi-schen Verläufe sind, zeigt dieses Beispiel sehr deutlich!Folgende Übungen auf der Lautebene wären zu bedenken: „Ei/ei“,„m“, Endung „-en“.Ich habe mich für die Übung zur Endung „-en“ entschieden, undzwar aus folgendem Grund:Die Unsicherheit bei „Ei/ei“ resultierte vermutlich aus der Groß-schreibung, sie hat den Laut „ei“ an allen anderen Stellen des Tex-tes eindeutig wiedergegeben.Die Unsicherheit bei „m“ ergab sich vermutlich aus der Buchsta-

Welche Übungbei mehreren Fehlern?

Faustregel für dieAuswahl einer Übung:lautorientiertwortorientiertkontextorientiert

Hinweise unter dem Tagebuchtext „Eisbär“

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benkombination von r und m. Sie zeigt im gesamten Text sonst keineUnsicherheit – weder bei „n“ noch bei „m“.Die Probleme bei der Endung „-en“ ergeben sich wahrscheinlichaus einer umgangssprachlichen Artikulation. Die Übungskarte zu„-en“ hilft, sich diese – häufig undeutlich ausgesprochene – Endunglautlich bewusst zu machen und normgerecht zu schreiben.Im 2. Schuljahr erhält das Kind eine einzige Übungskarte – ab dem3. oder 4. Schuljahr können es auch zwei Karten sein. In der Be-grenzung auf einen kleinen Bereich der Rechtschreibung liegt derSchlüssel des effektiven Lernens. Mehr könnte verwirren oder be-lasten. Für diejenigen, die das als begrenzend empfinden, mag hin-zugefügt werden, dass ja zusätzlich die ausgewählten W-Wörter inder Wörterklinik über einige Zeit geübt werden und damit zugleichdie innere Regelbildung in anderen Bereichen vorangetrieben wird(hier Wörter mit ä, Großschreibung von Nomen).

5.2 Gemeinsame „Kurse“ mit Übungen aus der RechtschreibboxDie Übungen aus der Rechtschreibbox sind in erster Linie für dieindividuelle Übung gedacht.Im 2. Schuljahr können jedoch auch Bereiche in der gesamtenKlasse thematisiert werden. Diese sind vornehmlich die Bereicheder Arbeitstechniken (vgl. III., 6.):– Erlernen des Alphabets(etwa zur Entwicklung der Fähigkeit, mit dem Wörterbuch umge-hen zu können),

– Nachschlagen im Wörterbuch– Abschreiben(z.B. zum effektiven Üben der Wörter aus der Wörterklinik oderzum korrekten Abschreiben von Wörtern aus dem Wörterbuch),

– Grundlagen der eigenständigen Textkorrektur(um einen eigenen Text möglichst selbstständig korrigieren zukönnen).

Auch andere Bereiche, wie Satzschlusszeichen oder Groß- undKleinschreibung, werden von Kolleginnen häufig in Form eines füralle gemeinsamen Kurses angeboten.Die Übungskarten zu den genannten Bereichen sind kursartig zu-sammengestellt. Der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben steigert sichvon Karte zu Karte immer um eine einzige zusätzliche Herausfor-

derung. Zu einigen Themen gibt es zu-sätzliche Hilfskarten, sodass die Kinder– falls nötig – zunächst eine Karte mitHilfestellung einschieben oder zwischenbeiden Möglichkeiten wählen können.

Beispiel: Punkt am Satzende /Satzanfang groß schreiben (aus Recht-

schreibbox 2)

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Durch diesen sukzessiven Aufbau eignen sich die o.g. Themen in be-sonderer Weise für die Arbeit mit Stationen. Die Kinder bearbeiten nacheigenem Tempo die herausgesuchten Karten lehrgangsmäßig.Aufgrund der klaren Aufgabenformate und der Selbstkontrolle aufjeder Karte arbeiten die Kinder motiviert und selbstständig.Nach Beendigung des „Einführungslehrganges“, der nicht unbe-dingt für alle Kinder zum selben Zeitpunkt stattfinden muss, stehendie Trainingskarten den Kindern in der Rechtschreibbox jederzeitzur Wiederholung und Vertiefung zur Verfügung. Je nach Situationkann einem Kind später eine einzelne Karte zum individuellen Trai-ning zugewiesen oder aber ein Minilehrgang zur Wiederholung zu-sammengestellt werden (z.B. im Wochenplan).

Zu allen o.g. Bereichen stehen Lernstandsdiagnosen in den Be-gleitheften zur Rechtschreibbox (hier aus Box 2) zur Verfügung.So können Sie, bevor Sie mit einem Kurs beginnen, den individuel-len Lernstand zu einem Bereich genau diagnostizieren.Anhand der ausgefüllten Bögen entscheiden Sie, ob alle Kinder sämt-liche Aufgaben aus dem Material bearbeiten sollen oder ob Sie – z.B.auf einem Stations- oder Übungsplan – genau für jedes Kind ge-sondert die Auswahl der Übungen festlegen wollen.Wenn Sie die Lernstandsdiagnose zunächst verwahren, können Sienach Beendigung des Kurses (am besten lassen Sie noch einige Wo-chen vergehen, um den langfristigen Lernerfolg zu kontrollieren) denLernfortschritt anhand der gleichen Aufgaben kontrollieren. Bei denmeisten Kindern ergibt sich hier ein deutlicher Fortschritt. Melden Sieden Kindern den Lernfortschritt unbedingt zurück. Positives Feed-back wertschätzt die Anstrengung und verstärkt die Motivation.

5.3Lernstandsdiagnosen als Ausgangspunkt für individuellpassende Übungen

Eigentlich liefert jeder eigene Text des Kindes die bestmögliche Vo-raussetzung, um den individuellen Lernentwicklungsstand zu er-kennen und zu fördern.Und doch gibt es einige Situationen, in denen vorgegebene Lern-standsdiagnosen hilfreich sein können, um sich etwa schnell einenÜberblick (s. Abb.) zu verschaffen (Lehrerwechsel, Fördergruppe)oder wenn noch Unsicherheiten beim Auswerten von Texten beste-hen.

Neben den oben erwähnten Lernstandstests zu den einzelnen Berei-chen der Rechtschreibung enthalten die Begleithefte zur Recht-schreibbox auch Lernstandsdiagnosen, durch die schnell ein umfas-sender Überblick über mehrere Rechtschreibbereiche gewährt wird.

Aufgrund der Auswertung dieser Tests können ebenso ganz indivi-duell Übungen aus der Rechtschreibbox zusammengestellt werden.Hieraus lassen sich auch kleine Pläne mit mehreren Übungen füreinen längeren Zeitraum erstellen.Es ist interessant, die Tests zu verwahren, um in größeren Abstän-den die Entwicklungen zu dokumentieren.

Beispiel einer Lernstandsdiagnoseund -kontrolle: Satzzeichen261

Lernstandsdiagnoseund -kontrolle: Überblick262

Individueller Übungsplan

mögliche Schwierigkeiten bei bestimmten Rechtschreibphänomenen bzw. -regelungen als auchauf einzelne rechtschreibrelevante Teilbereiche (wie z.B. Hören von Lauten) oder auf Unsicher-heiten beim Anwenden der Arbeitstechniken.

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Wiederholungstest S. 2

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Die vorgeschlagenen Lernstandsdiagnosen können – wie bei derArbeitstechnik „Abschreiben“ ausführlicher dargelegt – unter-schiedlich eingesetzt werden:– zur Diagnose des Vorwissens der Klasse vor dem Beginn einesTrainings mit der ganzen Klasse

– zur Überprüfung des Lernfortschrittes einige Zeit nach Beendi-gung des Trainings

– zur Feststellung individueller Lernstände im Einzelfall als Grund-lage für Bereitstellung eines individuellen Förderplans („Mini-Kurs“) mithilfe der Karten aus der Rechtschreibbox 2

6.3 Eigenständige Textkorrektur

a) Für einen Text selber Verantwortung übernehmenEin selbstverfasster Text soll weitgehend eigenständig von demAutor oder der Autorin korrigiert werden – das ist das Ziel aller dreiArbeitstechniken und insbesondere dieser Arbeitstechnik.Die Kinder lernen hier Schritt für Schritt, selber Verantwortung fürihren Text zu übernehmen. Zugleich wird die Lehrerin entlastet.

b) Vier Schritte auf dem Weg zur eigenständigen TextkorrekturEine Einführung der Arbeitstechnik lässt sich gut verbinden mit einerEinführung der TKK in der ganzen Klasse oder einer Gruppe. Später,wenn die Arbeitstechnik des eigenständigen Kontrollierens verinner-licht worden ist, wird sie für die Korrektur der eigenen Texte genutzt.Die Textqualität entscheidet darüber, welche Kinder wie häufig die TKKzur Textkontrolle nutzen. Die gründliche Kontrolle eines Textes mit denfolgenden vier Schritten ist insbesondere für jene Kinder hilfreich, diemehr Zeit und mehr Training benötigen als andere (s. 7. LRS).Auf der Vorderseite der TKK, auf der auch der Name des Kindeseingetragen wird, geben vier Zeichen die verschiedenen Schritte fürdie rechtschriftliche Bearbeitung eines Textes an:

Die Kinder markieren während der Textproduktion jene Wörter, beideren Schreibung sie unsicher waren. Diese Wörter notieren sienach Beendigung des Textentwurfes unter den Text hinter „W“ (für„Wörter, bei denen ich unsicher war“ oder „Wörterklinik“, vgl. III.4.2). Dabei konstruieren sie möglicherweise eine alternativeSchreibweise.Die Lehrerin markiert nun ihrerseits jene der W-Wörter, die korrekt ge-schrieben waren, mit einem Häkchen und jene W-Wörter, die nicht kor-rekt geschrieben waren entweder mit dem Hinweis, im Wörterbuchnachzuschlagen, oder schreibt das Wort korrekt daneben.Aus diesen Wörtern entwickelt sich der individuelle Wortschatz deseinzelnen Kindes, der mithilfe der Wörterklinik oder Computer-Lern-kartei langfristig trainiert und im ABC-Buch gesichert wird (s. III. 4.3).Dieser erste Schritt hilft, während des Schreibens Unsicherheitenwahrzunehmen und Fragehaltungen zu entwickeln. Er bildet dieGrundlage zur Ausbildung von Fehlersensibilität und orthografi-schem Problembewusstsein.

Der Auftrag „Lies noch mal durch, ob du noch Fehler findest!“ führtselten zu einem befriedigenden Ergebnis, da die Aufmerksamkeit

Der erste Schritt

Der zweite Schritt

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vorrangig dem Inhalt des Textes gilt. Diese einseitige Aufmerksam-keitsausrichtung wird beim Rückwärtskontrollieren zugunsten derrechtschriftlichen Aufmerksamkeit umgepolt.Die Kinder legen die Karte dazu so auf ihren eigenen Text, dass sie je-weils nur ein Wort im unteren Sichtfenster sehen. Der Auftrag lautet:„Lies genau, was du geschrieben hast“ (also nicht, „was da stehenmüsste“). Sie lesen leise, um dadurch mögliche Fehler aufzufinden.Dabei finden sie vorrangig Fehler auf der Lautebene, also Buchsta-benverwechselungen, -verdrehungen, -auslassungen, -hinzufügungen(s. Abb.).Durch die bewusste Fokussierung auf die Schreibweise einzelnerWörter finden die Kinder zudem oft noch weitere Wörter, die sie al-leine durch das bewusste Lesen eigentlich nicht finden müssten.Für jedes kontrollierte Wort zeichnen die Kinder einen Haken vor dasWort, indem sie mit ihrem Bleistift an der schrägen Kante des unte-ren Sichtfensters entlang fahren. Dieses Abhaken heißt nicht, dassalles richtig ist, sondern dass das Wort rückwärts kontrolliert wurde.Viele Kinder empfinden das Abhaken der Wörter als mühsam. Füreinige stellt es aber eine geeignete Möglichkeit dar, sie wirklich zurintensiven Korrektur anzuhalten. Das von den Kindern gesetzte Häk-chen übergibt ihnen die Verantwortung für diesen Schritt der eigen-ständigen Textkorrektur.

Erst jetzt – nachdem durch den Rückwärtskontrollschritt Abstandzum Inhalt des Textes entstanden ist – wird der Text nochmal in ein-zelnen Abschnitten gelesen und die Verständlichkeit überprüft.Indem die Kinder darauf achten, ob sie alles verstehen, fallen ihnen Wort-auslassungen, -ersetzungen, -vertauschungen, -hinzufügungen oderWiederholungen auf. Einige Kinder erkennen Unsicherheiten in der Groß-und Kleinschreibung oder Unklarheiten innerhalb der Satzzeichen.Die Arbeit wird intensiviert, wenn man die Kinder bittet, die vorwärtsgelesenen Wörter beim Lesen zu unterstreichen. Das erhöht dieKonzentration und die Eigenverantwortung für die Textkontrolle.

griffes Pilotsprache verwendet.

Rückwärts kontrollieren mit der Text-Korrek-tur-Karte (TKK)

Einüben des Rückwärts-kontrollierens

Der dritte Schritt

Hinzufügungen wurden mit der TKK erkannt

Ausschnitt aus Begleitheftzur Rechtschreibbox 2:Eigenständige Textkorrekturmit der TKK271

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4. Individuelles Wortschatzlernen auf Grundlage eigenerTexte

Die rechtschriftliche Arbeit im 2. Schuljahr kann unmittelbar an dieim 1. Schuljahr gelegten Grundlagen anknüpfen und diese weiter-führen. Es ist natürlich auch denkbar, erst im 2. Schuljahr mit demAufbau eines individuellen Grundwortschatzes anzufangen. Für die-sen Fall können die meisten Anregungen ebenso genutzt werden.

Aus den individuellen Texten der Kinder erwächst der eigeneGrundwortschatz, den es zu üben gilt. Ebenso erwächst daraus dieNotwendigkeit, an bestimmten Rechtschreibproblemen zu arbei-ten.

In diesem Kapitel soll dargelegt werden, wie aus den Texten derKinder individuelle Grundwortschätze entstehen können. Es werdendarüber hinaus auch Anregungen gegeben, gemeinsame Themendes Unterrichts und des Klassenlebens für die Auswahl der Wörterzu verwenden. In diesem Falle würde der „individuelle Wortschatz“durch einen „Klassenwortschatz“ ergänzt.Es folgen Übungsmöglichkeiten für das Verinnerlichen des eigenenGrundwortschatzes mit einer Wörterlernkartei, der sogenannten„Wörterklinik“ oder alternativ auf dem Computer mit der „Compu-ter-Lernkartei“, mit der nach demselben Verfahren virtuell gearbei-tet werden kann.Ferner werden Möglichkeiten der Sicherung und der Kontrolle desgeübten Wortschatzes vorgestellt. Dazu dient das eigene Grund-wortschatzheft bzw. -buch, das hier ABC-Buch genannt wird.Im Anschluss an die praxisorientierten Vorschläge für den Unter-richt soll kritisch thematisiert werden, inwieweit im Rahmen des hiervorgestellten Ansatzes tatsächlich die Entstehung eines „individu-ellen“ Grundwortschatzes gewährleistet ist. Ferner müssen Funk-tionen und auch Grenzen der Grundwortschatzarbeit kritisch be-trachtet werden.Daraus ergibt sich abschließend die Notwendigkeit, Wege aufzu-zeigen, die über das reine Worttraining hinausgehen und die Arbeitan individuellen Fehlerschwerpunkten im Blick haben. Diese erge-ben sich im Rahmen der Textproduktion. Das 5. Kapitel ist diesemBereich gewidmet. (Gezieltes Training an individuellen Recht-schreibteilbereichen bzw. Fehlerschwerpunkten). Arbeitstechnikenwerden im 6. Kapitel, Aspekte der Leistungsbeobachtung und Al-ternativen zum Diktat im 9. Kapitel (Leistungsentwicklungen) vor-gestellt.

4.1 Vom regelmäßigen Schreiben zum individuellen WortschatzDie Texte der Kinder bieten einen wahren „Schatz“ an Wörtern, diefür die Kinder persönlich bedeutsam sind. Diese gilt es herauszu-finden, um daraus den individuellen Grundwortschatz erwachsen zulassen.Doch auch die vielen Strukturwörter, die jene persönlich bedeutsa-men Wörter erst zu einem lesbaren Text machen, müssen Eingangin den eigenen Grundwortschatz des Kindes finden, denn diese wer-den immer wieder benötigt.

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seit dem 1. Schuljahr:Tipps unter dem Text

Darüber hinaus werden auch sach- bzw. themengebundene Wörterin den Grundwortschatz aufgenommen.

a) Wörter aus individuellen TextproduktionenDie Texte der Kinder werden – nach der inhaltlichen Wertschätzungdurch die Lehrerin oder die Mitschüler/-innen – entweder von derLehrerin alleine oder, wenn möglich gemeinsam mit dem Verfas-serkind, begutachtet. Am effektivsten ist die gemeinsame Bespre-chung eines Textes kurz nach dem Verfassen, doch lässt das derAlltag meistens nur begrenzt zu.

� Bedeutsame Wörter markierenIn Kapitel II. wurde für das 1. Schuljahr beschrieben, wie diejenigenWörter aus dem Text herausgesucht werden, die bedeutsam für dasKind sind. Werden diese fehlerhaft – also anders als in der Er-wachsenenschreibung vereinbart – geschrieben, so werden sie vonder Lehrerin unter den Text geschrieben, sofern es nicht zu vielesind. Sind es sehr viele, so werden einzelne Wörter herausgegriffen,die vermutlich gerade charakteristisch für die Rechtschreibent-wicklung des einzelnen Kindes sind.

Im 1. Schuljahr wurden diese Wörter einfach unter den Text notiert oderhinter das kleine Wörtchen „Tipp“ oder aber hinter die Maus, die imRahmen der Einführung des Wörterschatzkästchens als Zeichen fürWörter, die in das Wörterschatzkästchen gehen sollten, verwendetwurde. Alle Möglichkeiten können im 2. Schuljahr fortgeführt werden.Ergänzend sollte eine weitere Variante hinzukommen – oder das bis-herige Verfahren ablösen –, bei der die Kinder nach dem Verschrifteneines Textes selber jene Wörter zusätzlich unter den Text schreiben,bei denen sie nicht sicher waren, wie sie diese richtig schreiben sollten.

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Kärtchen mit Wörtern aus dem Text„Das Auto“ (s.o.)

Dazu wird die Abkürzung „W“ unter jeden Text geschrieben. DiesesW steht für: „Wörter, bei denen ich unsicher bin“ bzw. eigentlich für„Wörterklinik“, – jene Lernkartei, in der genau diese Wörter langfri-

stig geübt werden. Soweit die Kin-der es alleine schaffen, notierensie selbst hier die Wörter, beidenen sie unsicher waren. Fallssie dies nicht bewältigen, schreibeich zwei oder drei (später auchmehr) Wörter unter den Text.Da viele Kinder bereits Unsicher-heiten oder – berechtigte – Zwei-fel (f oder v?) spüren, ermöglichtdieses Verfahren nicht nur dieWertschätzung dieser Fragehal-tung, sondern auch die Nutzungderselben für den Aufbau eines ei-genen Grundwortschatzes.

Eine zusätzliche Option bietet das Markieren von jenen Wörtern be-reits während des Verschriftungsprozesses. Spürt ein Kind Unsi-cherheiten, so markiert es dieses Wort mit einem Punkt darunter.Dieser kleine, unauffällige Punkt erinnert das Kind nach Beendi-gung der Schreibphase daran, das Wort unter das W zu schreiben.

Im Laufe des 2. Schuljahres lernt es, sich an dieser Stelle selberweiterzuhelfen, indem es dann entweder das Wörterbuch zu Hilfenimmt oder sich auf anderen Wegen weiterhilft (Strategien anwen-den, jemanden fragen o.ä.).

Je nachdem wie weit ein Kind in der Schreib- und Rechtschreibent-wicklung vorangeschritten sind, kann ich als Lehrerin die Anzahlder Wörter bestimmen, die geübt werden müssen. Je weiter ein Kindin seiner Entwicklung ist, desto stärker wird es selbst die Auswahlsowie die Anzahl der Wörter mitbestimmen.Was mit den weiteren nicht korrekt geschriebenen Wörtern passiert,hängt wiederum von der individuellen Entwicklung ab. Steht dasKind noch am Anfang, sollte man ihm nicht zu viele Korrekturen bzw.Vergleiche mit der Norm zumuten und die weiteren Fehlschreibun-gen unberücksichtigt lassen218. Ist es schon weiter vorangeschrit-ten, so können weitere Fehlschreibungen markiert werden, etwadurch Kreuze am Zeilenrand. Dann kann die Korrektur mit demWör-terbuch erfolgen.Welcher Weg gewählt wird, hängt sicher von den Vorlieben der Leh-rerin ab. Ich plädiere hier ausdrücklich dafür, möglichst wenig ineinen Text hineinzuschreiben, – und wenn, dann nur mit Bleistift.Die Hinweise erfolgen überwiegend unter oder neben dem Text.Durch den Vergleich mit der eigenen Schreibweise kann das Kinddas „Andere“ der Erwachsenenschreibung entdecken. Je nachdem,wie sicher das Kind bereits im Abschreiben einzelner Wörter ist,schreibt nun die Lehrerin oder das Kind selbst die korrekte Schreib-weise des Wortes auf ein Kärtchen, das anschließend zur Übung in

W-WörterErste Unsicherheiten

beim Schreiben nutzen

Lehrerin sucht W-Wörter heraus.

218 Soll der Text veröffentlicht werden (in einem Buch, einer Ausstellung etc.), sollen jedoch alleFehlschreibungen vor dem Abschreiben korrigiert werden.

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„W“

„ABC“

„Box“

das erste Fach der Wörterklinik wandert oder aber – falls diese nochnicht eingeführt wurde – in das Wörterschatzkästchen aus dem1. Schuljahr (vgl. II. 3.1). Anzustreben ist ein möglichst selbststän-diger Umgang mit der Wörterklinik von Anfang an.Um in solchen Situationen sicher gehen zu können, dass alle Wör-ter korrekt abgeschrieben wurden, müssen diese von mir nachge-schaut werden. Das geht am besten, wenn die Kinder ihre Kärtchennicht stapelweise nachschauen lassen, sondern sie diese unter-einander auf dem Tisch ausbreiten (s. Foto).

Exkurs: W, ABC, Box –Kern des individuellen Rechtschreiblernens über die JahreDie Markierung von erspürten Unsicherheiten während des Schrei-bens sowie die Auseinandersetzung mit diesen Wörtern nach demVerschriften (W-Wörter notieren) bildet von nun an die Grundlagefür den gesamten weiteren individuellen Rechtschreiblernprozess.Auf systematische Weise werden diese W-Wörter in der Wörterkli-nik trainiert (s. 4.2 Übungen mit der Wörterklinik oder der Compu-ter-Lernkartei). Hat ein Wort alle Abteilungen der Wörterklinik er-folgreich durchlaufen, so wird es wieder entlassen. Das Wortkärt-chen des geübten und gefestigten Wortes wird aus der Wörterklinikherausgenommen und in einer Dose (oder in dem ehemaligen Wör-terschatzkästchen) aufbewahrt. Zusätzlich wird es in das eigeneABC-Buch eingetragen – ein Buch mit einer alphabetischen Regi-stratur (s. III. 4.3 Sicherung der trainierten Wörter im „ABC-Buch“).Wenn das Verfahren zur Kennzeichnung „schwieriger“ Wörter (Mar-kieren durch einen Punkt, Notieren als W-Wörter) eingeübt ist, kom-men im Laufe der Zeit zwei weitere Aspekte hinzu:Das Benennen solcher Wörter, von denen das Kind überzeugt ist,diese richtig geschrieben zu haben:Dazu notiert es zusätzlich zu „W“ die Abkürzung „ABC“ unter seinenText. Dieses Kürzel steht für „ABC-Buch“, ein zunächst leeres Heftmit alphabetischer Registratur219 (s. S. 164). Wurden die hier no-tierten Wörter tatsächlich normgerecht geschrieben, so werden sievon der Lehrerin mit einem Häkchen versehen. Dann dürfen dieseWörter direkt in das ABC-Buch eingetragen werden. Nach der ehermühsamen Arbeit des Abschreibens der W-Wörter für die Wörter-klinik ist dieser Teil der rechtschriftlichen Arbeit am Text mit Stolzverbunden und wird wie eine „Belohnung“ mit Leichtigkeit ausge-führt. (genauere Hinweise unter III. 4.3).Der Text dient als Ausgangspunkt für eine individuell zugewieseneÜbung aus der Rechtschreibbox. Hier finden sich Übungen systema-tisch geordnet zu sämtlichen Fehlerbereichen der Rechtschreibung.Dazu wird die Abkürzung „Box“ als drittes Kürzel unter den Text ge-schrieben. Hier trägt die Lehrerin jene Nummer aus der Rechtschreib-box ein, die sie für dieses Kind zur Übung ausgewählt hat (ausführlichin 5.). Später unterbreiten die Kinder hier ihre eigenen Vorschläge.Dieses hier kurz skizzierte Verfahren wird so über die folgendenSchuljahre beibehalten. Über die drei Abkürzungen W, ABC, Boxwird der größte Teil des Rechtschreiblernens organisiert.

219 Z.B. im Dieck-Verlag erhältlich.

Abschreiben der W-Wörter auf Kärtchen fürdie Wörterklinik

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Wörter aus dem Text„Dominoday“ (S. 163)...... für die Wörterklinik

... für das ABC-Buch

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� Häufig vorkommende Strukturwörter auswählenVon Anfang an muss darauf geachtet werden, nicht nur die schö-nen oder interessanten Wörter – oftmals Nomen – für den Grund-wortschatz auszuwählen, sondern auch die häufig vorkommendenStrukturwörter wie „in“, „im“, „auf“, „und“ usw.Diese „kleinen Wörter“ werden ebenso auf Kärtchen für die Wörter-klinik geschrieben, z.B. „dann“, evtl. mit einem kleinen Satz verse-hen, der in Zweifelsfällen die Wortbedeutung klarstellt, z.B. „Siemag ihn“. Das entsprechende Wort „ihn“ wird farbig markiert, umes von „in“ abzusetzen (vgl. Text „Dominoday“).Wurden die kleinen Wörter korrekt geschrieben, werden sie direktin das ABC-Buch übertragen (zusätzlich zu den vom Kind gewähl-ten Wörtern). Dazu kann ich als Lehrerin Wörter hinter die Abkür-zung ABC selber eintragen. Das Kind weiß dann, dass es dieseWörter in das ABC-Buch eintragen darf.

Das Verfassen und konsequente Nutzen der individuell verfasstenTexte der Kinder ist für mich das wichtigste Element beim Aufbaudes individuellen Grundwortschatzes.Natürlich gibt es noch andere Möglichkeiten, Wörter für den Grund-wortschatz zu sammeln, wie folgende Vorschläge zeigen mögen.

b) Wörter aus gemeinsamen Themen und dem Klassen- oder SchullebenHier kann ebenso verfahren werden wie bei den individuellen Text-produktionen.Man kann aber – nach eher traditioneller Art – vor dem Verfassender Texte mit allen Kindern gemeinsam oder als Differenzierungs-maßnahme mit einer Kleingruppe von Kindern diejenigen Wörtersammeln, die den Kindern zu dem entsprechenden Ereignis oderThema einfallen und diese an der Tafel notieren.Solche Wörtersammlungen eignen sich sehr gut, um gemeinsamüber rechtschriftliche Eigenheiten nachzudenken. Die Suche nachähnlichen Problemstellen in den Wörtern lenkt den Fokus auf pa-rallele Strukturen oder Gegensätzlichkeiten, Regelungen und Aus-nahmen. Das Nachdenken über Rechtschreibung stellt ein wesent-liches Element auf dem Weg der Rechtschreibentwicklung dar.Durch Vergleichen, Erklären und das Entwickeln von Hypothesenwird die innere Regelbildung forciert. Die zentrale Bedeutung dermetasprachlichen Kommentierung für das Rechtschreiblernenwurde in den letzten Jahren von verschiedenen Seiten deutlich arti-kuliert.220Gespräche über die Richtigschreibung von einzelnen Wörtern habenbereits seit dem 1. Schuljahr ihren festen Platz im Unterricht (Wortdes Tages oder der Woche, s. II. 3.).221Die Wörter, evtl. auch nur ein Teil der gesammelten Wörter, z.B. die,die von den Kindern als besonders wichtig erachtet werden, könnenanschließend als Übungswörter in den Grundwortschatz aufge-nommen werden.

Gemeinsam überRechtschreibung nachdenken

Rechtschreibgespräche –ab dem 1. Schuljahr

220 vgl. Nickel, S./Spitta, G., Rechtschreibbewusstheit als Konzept orthographischen Lernens? EinForschungsprojekt an der Universität Bremen, in: Brinkmann, E./Kruse, N./Osburg, C., Kinderschreiben und lesen, Freiburg/Br. 2003, S. 278-285.

221 Christa Erichson spricht in diesem Zusammenhang vom „harten Brocken des Tages“. Vgl. Erichson,Chr., Der harte Brocken des Tages“, in Grundschule Deutsch 2/2004, S. 14–17.

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Wochenplan zum Jahreslauf

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� Wörter aus sachorientierten Themen des UnterrichtesDas gemeinsame Sammeln von Wörtern bietet sich im Kontext vonSachthemen an. Hier werden sowohl Wörter von den Kindern aus-gewählt und bestimmt als auch Wörter vorgegeben, die sich auseinem Sachkontext einfach ergeben.Zwei Beispiele mögen das Vorgehen illustrieren:

� Beispiel: Thema Mein KörperIm Rahmen dieses Themas wurden u.a. die verschiedenen Körper-teile des Menschen benannt. Ein Kind legte sich auf den Boden aufein großes Stück Tapete und ließ sich von einem anderen Kind miteinem Stift umfahren. Gemeinsam wurden die Körperteile benanntund die entsprechenden Wörter in den Körperumriss geschrieben.Eine Auswahl der wichtigsten Körperteile wurde nun in den Grund-wortschatz aufgenommen. Welche die wichtigsten sind, entschie-den die Kinder für sich selbst.

Ferner erstellten die Kinder an den Tischgruppen sogenannte „Ver-benspiele“. Sie überlegten, welche verschiedenen Tätigkeiten von denunterschiedlichen Körperteilen ausgeführt werden können und notier-ten jeweils eine Tätigkeit auf eine Karte, etwa „basteln“, „hüpfen“,„küssen“ usw. Die Karten der einzelnen Tischgruppen wurden nachihrer rechtschriftlichen Korrektur in einem Behälter aufgehoben underweiterten als Verbenspiel die Freiarbeit. Es erwies sich bis zumEnde der Grundschulzeit als beliebtes Freiarbeitsspiel:In einer Kleingruppe zieht ein Kind eine Karte aus dem Kästchen,führt die Tätigkeit pantomimisch vor, während die anderen raten,um welche Tätigkeit es sich handelt.Aufgrund dieser Sammlung von Tätigkeitswörtern kann jetzt wiederentschieden werden, welche Verben in den Grundwortschatz wan-dern sollen. Mögliche Kriterien:

– Man vergleicht mit den anderen Tischgruppen, welche Wörter amhäufigsten vorkommen und nimmt diese für den Grundwortschatz.

– Man ermittelt nach dem Zusammentragen aller Wörter per Punk-tesystem die beliebtesten Wörter und verwertet diese für denGrundwortschatz.

– Man überlässt es wieder den einzelnen Kindern, welche Wörtersie für ihren individuellen Grundwortschatz auswählen möchten.

Die Herstellung von Verbenspielen im Kontext der Unterrichtsreihe„Mein Körper“ eignete sich übrigens gut, die Wortart „Verb“ im2. Schuljahr überhaupt einzuführen.

� Beispiel: Thema JahreslaufAus der Beschäftigung mit dem Thema „Jahreslauf“ ergaben sichfolgende Wörter als wichtige Lernwörter: die Wochentage, die Mo-natsnamen und die Jahreszeiten.Diese Übungswörter ließen sich gut innerhalb des Wochenplaneszum Thema einbauen. So bestand ein Teil des Wochenplanes darin,die Übungswörter abzuschreiben und mit der Wörterklinik zu üben.

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305 vgl. 2. Schuljahr, III. 2.4.306 vgl. auch „Verstärkerpläne“ 1. Schuljahr, s. II. 7.2.

Die Arbeit mit Portfolios habe ich mit dem Sammeln von Schätzenverglichen. Die meisten Kinder empfinden ihr Tagebuch als höchs-ten Schatz, gefolgt von dem Lesejournal305. Die vorgestellten Lern-standsdiagnosen werden nicht unbedingt als solche empfunden. Dasie mir aber als Ausdruck ihrer individuellen Leistungsentwicklungwichtig waren, habe ich im 2. Schuljahr eine Extrahülle für solcheArbeiten angelegt, die – nach Entscheidung der Kinder – entwederin das Portfolio gelegt oder aber an anderer Stelle verwahrt wurde.

Im 1. und 2. Schuljahr werden in dem Portfolio überwiegend„Schätze gesammelt“. Ziel ist die Würdigung von einzelnen Ar-beitsergebnissen und von individuellen fachlichen und auch sozial-emotionalen Entwicklungen, die ihre besondere Ausprägung imRahmen einer Portfolio-Präsentation erfährt. Weitere Funktionenwerden für die folgenden Schuljahre beschrieben.Alle meine Erfahrungen mit Portfolios sind im Hinblick auf Kinderund Eltern (Portfolio-Präsentation) so positiv, dass ich sehr dazuermutigen möchte, an irgendeiner Stelle einfach einzusteigen.

Mathe-Entdecker-Heft

Verstärkerplan306

Vortrag

Dokumente sozialer Kompetenz und Selbstkompetenzen

Themenhefte

Sachunterricht,Mathematik

Besondere „Schätze“der Kinder

Foto: Moscheebesuch Bild und Text aus Religionsunterricht

Großbild: Stadtplan

Urkunde

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10. Überblick 2. Schuljahr – Stichworte für die PlanungGrundlegendes setzt sich aus dem 1. Schuljahr fort, doch vieleskommt neu hinzu307:– Schreiben im Tagebuch (mindestens einmal pro Woche) – mit undohne thematische Vorgabe (vgl. 2.)

– Textpräsentation und -reflexion: Suche von Schreibgeheimnissenund Textsorten (nicht gleichzeitig einführen) mit allen (Autoren-runden) und in kleinen Gruppen (Schreibberatung) – Festhaltenvon Stichworten im Klassenraum (vgl. 3.)

– Präsentationsmöglichkeiten für abgeschriebene Texte (Klassen-ordner, Ausstellwand u.a.) (vgl. 3.1)

– Zuweisen von individuellen Rechtschreibübungen aus der Recht-schreibbox (vgl. 5.)

– Markieren von Unsicherheiten während des Schreibens, Notierenvon W-Wörtern unter dem Text (vgl. 4.)

– Einführung der Arbeitstechnik „Abschreiben“ (vgl. 6.1)– Einführung der Wörterklinik (vgl. 4.1, 4.2)– Einführung: Umgang mit dem ABC (vgl. 6.2)– Einführung des ABC-Buches als Sammelort für die Wörter ausder Wörterklinik (vgl. 4.3)

– Verwendung des Wörterbuches beim Schreiben (vgl. 6.2)– Einführung der Arbeitstechniken zur eigenständigen Textkorrektur(TKK) (vgl. 6.3)

– Einführung einer weiteren Schreibschrift (neben der Druckschrift)– nicht vor Mitte des 2. Schuljahres

– Einführung von freien Lesezeiten, parallel Arbeit im Lesejournal(2.4 c)

– Leseangebote bereitstellen, auch thematisch, Schulbücherei nut-zen

– Bearbeitung einer gemeinsamen Klassenlektüre, Erstellen einesLesetagebuches (vgl. 2.4, b)

– Literaturkreise an den Tischen, in denen Kinder ihren Mitschüle-rinnen und Mitschülern Texte und Bücher vorstellen und sich überdas Gelesene austauschen (z.B. aufgrund des Lesejournals) (vgl.2.4 d)

– Erzählen, Zuhören, Nachfragen in Partner-, Gruppengesprächen(z.B. Minierzählkreise, Spezialthemenmappe) und im Plenum(z.B. Erzählkreis)

– Genaue Beobachtung individueller Lernentwicklungen, bei Unsi-cherheiten Fachleute hinzuziehen, LRS-Präventions- bzw. För-dermaßnahmen (vgl. 7.)

– Unterrichtsrhythmisierung, z.B. „Lernstraße“, „feste Schreibzei-ten“ (s. 1. Schuljahr), Wochenplan, Wochenhausaufgaben (8.)

– Sammeln von individuell bedeutsamen Unterrichtsdokumenten –„Schätzen“ – im Portfolio (vgl. 9.3), ebenso Lernstandsdiagnosen(vgl. 9.2) und Dokumentationsbögen (vgl. 9.2); Portfoliopräsen-tation zum Ende des Schuljahres

307 Die Reihenfolge versteht sich als Option und kann nicht die Gleichzeitigkeit ausgewählterAspekte berücksichtigen. Greifen Sie Bausteine heraus und setzen Sie diese nach Ihren eige-nen Überzeugungen zusammen.