Das Stigma von Suchterkrankungen verstehen und … · Das Stigma von Suchterkrankungen verstehen...

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Das Stigma von Suchterkrankungen verstehen und überwinden Ein Memorandum als Auftakt? Deutscher Suchtkongress Lübeck, 18. September 2017

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Das Stigma von Suchterkrankungen

verstehen und überwindenEin Memorandum als Auftakt?

Deutscher Suchtkongress Lübeck, 18. September 2017

Klausurwoche• 1 Woche, 12 Teilnehmer

• externe Referenten aus Ulm, London und Pennsylvania

• Greifswald, Kulturzentrum St. Spiritus, 18.-23. September 2016

• gemeinsam mit der DG Sucht

Was kann ein Memorandum leisten?• Evidenz zusammenfassen

• Erklärungen anbieten

• Fragen stellen

• Empfehlungen formulieren

• Öffentlichkeit herstellen

• einen Prozess voran bringen

Betroffene sind selber schuld an der Erkrankung Repräsentativerhebung in Großbritannien 2003 (n=1725)

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Drogenabhängigkeit

Alkoholismus

Essstörung

Schwere Depression

Panikattacken

Schizophrenie

% Zustimmung

Crisp AH, Gelder MG, Goddard E, Meltzer HI. Stigmatization of people with mental illnesses: a follow-up study within the Changing Minds campaign of the Royal College of Psychiatrists. World Psychiatry. 2005;4:106-13

Theoretisch….…könnte Stigma Suchtprobleme lösen.

• Starke Ablehnung könnte dazu führen, dass die Betroffenen sich besinnen und aufhören zu konsumieren.

• Wer ausgeschlossen wird, spürt die Konsequenzen und wird dadurch motiviert, sein Verhalten zu ändern.

Einschätzung des Einsparungspotenzials bei der KrankenversorgungFrage: „Angenommen, es müsste bei der Versorgung von Patienten mit bestimmten Krankheiten gespart werden. Nennen Sie bitte die drei Krankheiten, bei denen man Ihrer Meinung nach am ehesten Geld einsparen könnte.“ Bevölkerungserhebung in Deutschland 2004 (n=1012)

Schomerus, G., Matschinger, H., Angermeyer, M.C., 2006. Preferences of the public regarding cutbacks in expenditure for patient care: Are there indications of discrimination against those with mental disorders? Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol 41, 369-377.

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Alkoholismus Depression

Schizophrenie Rheumatismus

Diabetes Alzheimer

Aids Herzinfarkt

Krebs kann mich nicht entscheiden

k. A.

%

• im Hilfesystem

• in der Gesundheitsförderung/Prävention

• in der Arbeitswelt

• in Institutionen

• in den Medien

• in der Familie

• …

Stigma trifft Menschen mit Suchterkrankungen und ihre Angehörigen…

„Die Entstigmatisierung von Suchtkrankheiten kann

nur durch einen alternativen, besseren Umgang mit

Suchtkrankheiten gelingen.

Nicht Abwertung, Ausgrenzung und

Disziplinierung, sondern Wertschätzung und

Befähigung (Empowerment) müssen im Zentrum

von Prävention, Behandlung sowie dem alltäglichen

Umgang mit Suchtkrankheiten stehen.“

Menschen mit Suchtkrankheiten müssen

gut behandelt werden

DieBotschaftzählt

‘Anyactionfightingdiscriminationorstigmawillcarrywithit–explicitlyorimplicitly–messagesaboutwhatmentalhealthproblemsareandwhataworldwithoutdiscriminationagainstpeoplewithmentalhealthproblemswouldlooklike.’

LizSayce,FromPsychiatricPatienttoCitizen,2000

Ein aktives Krankheitskonzept• muss auf das Kontinuum von Gesundheit zu Krankheit Bezug

nehmen

• muss viele Abstufungen und Vorformen umfassen, um zugänglich zu sein

• darf nicht durch Abschreckung frühe Interventionen verhindern

• Diagnosen dürfen nicht lebenslang haften, sondern sollen Menschen so lange begleiten, wie sie nützlich für sie sind

• beinhaltet die Erwartung einer aktiven Mitarbeit des Erkrankten

• ermöglicht das Aushandeln von Therapiezielen

Empfehlungen 1

Qualitative Verbesserungen im Hilfesystem und bei der Prävention• Anti-Stigma-Kompetenz muss im Studium bzw. in der

Ausbildung zu allen Gesundheitsberufen vermittelt werden. • Strukturelle Diskriminierung z.B. bei der Bereitstellung

von Psychotherapieplätzen oder bei der Versorgung somatischer Komorbidität muss durch strukturelle Maßnahmen verringert werden.

• Präventionsmaßnahmen müssen routinemäßig auf mögliche stigmatisierende Effekte hin überprüft werden.

• Die Separierung der Hilfesysteme muss überwunden werden.

Empfehlungen 2

Kommunikation und Koordination• Ein Medienleitfaden zur stigmafreien Berichterstattung

über Suchtkrankheiten sollte erarbeitet werden. • Eine gemeinsame, professionelle Öffentlichkeitsarbeit

und Kommunikation muss über verschiedene Projekte hinweg gefördert werden.

• Bestehende Strukturen sollten genutzt und gestärkt werden, um die Anti-Stigma-Arbeit zu koordinieren und sowohl Professionelle, Angehörige und Betroffene in die Anti-Stigma-Arbeit einzubinden.

Empfehlungen 3

Forschung• Die Forschung zu Stigmafolgen bei Suchterkrankungen und

zu Strategien der Entstigmatisierung sollte gezielt gefördert werden.

• Forschung ist sowohl auf Bevölkerungsebene notwendig, um die kulturelle Realität des Stigmas zu erfassen, als auch auf der Ebene der Betroffenen, um konkrete Stigmafolgen zu untersuchen.

• Angehörige und Betroffene sollten in die Forschung einbezogen werden.

MemorandumDas Stigma von Suchterkrankungen verstehen und überwinden

Georg Schomerus1, Alexandra Bauch1, Bernice Elger2,3, Sara Evans-Lacko4, Ulrich Frischknecht5, Harald Klingemann6, Ludwig Kraus7,8, Regina Kostrzewa9, Jakob Rheinländer10, Christina Rummel11, Wiebke Schneider12, Sven Speerforck1, Susanne Stolzenburg1, Elke Sylvester13, Michael Tremmel14, Irmgard Vogt15, Laura Williamson16, Annemarie Heberlein17, Hans-Jürgen Rumpf18,19

1 Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald2 Centre universitaire romand de médecine légale, Université de Genève, 3 Insititut für Bio- und Medizinethik, Universität Basel4 London School of Economics, London5 Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg6 HKB Hochschule der Künste Bern, Forschungsbereich Kommunikationsdesign7 IFT Institut für Therapieforschung, München8 Centre for Social Research on Alcohol and Drugs, Stockholm University, Stockholm, Sweden9 Medical School Hamburg, Department of family, child and social work, Hamburg10 Hamburg 11 Hamm12 Guttempler Deutschland, Hamburg13 Fachklinik Nettetal, Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V., Osnabrück14 Kreuzbund e.V. Selbsthilfe und Helfergemeinschaft für Suchtkranke und Angehörige, Hamm15 Institut für Suchtforschung, Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt16 Pennsylvania State University, University Park, Pennsylvania, USA17 Fachklinikum Uchtspringe, Stendal18 Klinik für Psychiatrie, Universität Lübeck19 Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG Sucht)

In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG Sucht)

SUCHT, Heft 5 (Oktober 2017)

www.dg-sucht.de