Das zerbrochene Gewehr, 95

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Nr. 95, März 2013 Ist Strategie zu einem Modewort in den gewaltfreien sozialen Bewegungen geworden? Ich frage mich das seit ich wiederholt bei Treffen solcher Bewegungen höre: "Wir müssen strategisch sein" oder "Warum interessieren sich die Leute nicht für Strategien?". Es scheint, dass wir Strategie mit Effektivität und Erfolg assoziieren. Wenn ein bestimmtes Problem geändert werden soll, ist dann eine klare Strategie der Hauptschlüssel zu dem, was Bewegungen erreichen können? Wenn ja, was macht dann eine gute Strategie aus? Und was hilft Gruppen, solche Strategien zu entwickeln? Diese Fragen haben wir uns bei War Resisters' International seit vielen Jahren gestellt. Zuerst einmal: Was verstehen wir unter Strategie? Leute verwenden das Wort auf die unterschiedlichsten Weisen. Es gibt vor allem eine Unterscheidung zwischen Strategie und Taktik. Im Handbuch für gewaltfreie Kampagnen der WRI steht: "Taktiken sind die tatsächlichen Mittel, die verwendet werden, um ein Ziel zu erreichen, während Strategie der allumfassende Plan einer Kampagne ist (einschließlich komplexer Vorgehensmuster, Aktivität und Entscheidungsfindung), der dann zu der taktischen Ausführung führt. Strategie ist ein langfristiger Aktionsplan, um ein besonderes Ziel zu erreichen. Strategie wird von Taktik oder Sofortmaßnahmen mit vorhandenen Ressourcen unterschieden, da Strategien umfassend durchdacht sind und oft praktisch geprobt werden. Strategien werden angewandt, um das Problem oder Probleme leichter zu verstehen und zu lösen. Das ist ein linearer Ansatz, bei dem das Schlüsselwort "Planung" ist: man plant jeden Schritt. Marshall Ganz schlägt einen weniger linearen Ansatz vor und argumentiert: "Strategie ist, wie wir das, was wir haben, in das verwandeln, was wir brauchen, um zu bekommen, was wir wollen. Strategie ist, wie wir unsere Ressourcen in die Macht umwandeln, unsere Ziele zu erreichen. Sie ist der konzeptionelle Link zwischen Zielsetzung, Zeitablauf und Taktiken, mit denen wir Ressourcen mobilisieren und anwenden, und den Ergebnissen, die wir zu erzielen hoffen." Es gibt viele Definitionen für Strategie und sie wirken unterschiedlich für die unterschiedlichen Zwecke. Oft ist der Anfangspunkt einer Strategie die Überlegung, was wir tun können, um einen Wandel zu bewirken, die unseren Motivationen entspricht, und was möglich ist. Das definiert verschiedene Aspekte Ihrer Strategie: welche Ziele haben Sie, was ist Ihre Aussage, wer ist Ihre Zielgruppe, welche Taktiken setzen Sie ein, usw. Daraus einen Plan zu machen, kann die Effektivität erhöhen, aber Kampagnen müssen flexibel sein: man muss berichtenswerte Aktionen schaffen, Interesse von anderen Leuten erregen und vielleicht die Opposition auf dem falschen Fuß erwischen. Während eines kürzlich stattgefundenen Strategie Trainingstreffens wurden wir gebeten, unsere am meisten strategische und am wenigsten strategische Erfahrung in einer Gruppe zu Editorial Gewaltfreie soziale Bewegungen haben oft – oder denken, sie hätten – eine Vorstellung von den Problemen, denen wir uns gegenüber sehen, und eine von der Welt, in der wir gerne leben würden. Die Herausforderung besteht darin zu wissen, wie man vom Problem zum Aufbau der Vision fortschreitet. Es gibt viele Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, welche Aktionen wir unternehmen, um den Status quo zu verändern. Oft ist der Startpunkt die Motivation der Gruppe: Man trifft sich und denkt: „Also, was können wir in dieser Lage tun? Die Frage, was zu tun ist, ist nicht leicht zu beantworten. Es ist leicht, in eine Routine wiederholter Aktivitäten zu fallen, die man mag oder in denen man Erfahrung hat, ohne darauf zu achten, ob sie auch wirksam sind. Identität ist wichtig, also sind Routinen nicht immer schlecht, aber es ist wichtig, sie infrage zu stellen und zu reflektieren, ob man Dinge auch anders machen könnte. Meinesteils vertrete ich die Ansicht, dass Training in Gewaltfreiheit diesen Prozess erleichtert. In dieser Ausgabe des „Zerbrochenen Gewehrs“ untersuchen wir verschiedene Fälle, wie Gruppen in Richtung auf strategisches Handeln arbeiten. Ein Artikel von Rasmus Grobe untersucht, wie Aktivisten die Theorie der sozialen Bewegungen nutzen können. Majken Jul Sørensen stellt das Konzept der DilemmaAktionen vor, am Beispiel der „GazaFlotille“. Igor Seke und Boro Kitanoski werfen einen Blick auf die Kriegsdienstverweigerung als Strategie gegen Militarismus. Alex Rayfield und Laura Shipler Chico teilen mit uns die Herausforderungen von solidarischer Arbeit in West Papua und Kenia. Schließlich breitet Jungmin Choi die Phasen aus, die die Bewegung gegen den Bau eines Flottenstützpunktes auf der Insel Jeju durchlaufen hat und nutzt dabei das Modell des Bewegungs Aktionsplans. Das Kennenlernen unterschiedlicher Erfahrungen kann dazu anregen, über den Tellerrand hinauszuschauen. Ich hoffe, dass diese Geschichten Euch im gleichen Maße inspirieren wie mich. Javier Gárate Gewaltfreie Strategien für sozialen Wandel Nonviolent action training, Santiago Chile. Foto: WRI Fortsetzung auf Seite 2

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Gewaltfreie Strategien für sozialen Wandel Das Zerbrochene Gewehr ist das Magazin der Internationale der Kriegsgegner_innen, erscheint dreimal jährlich und wird auf Deutsch, English, Français und Español veröffentlicht. Um "Das Zerbrochene Gewehr" zu abonnieren und per Mail zu erhalten klicken Sie bitte hier: http://lists.wri-irg.org/sympa/subscribe/daszerbrochenegewehr

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Nr. 95, März 2013

Ist Strategie zu einem Modewort in dengewaltfreien sozialen Bewegungen geworden? Ichfrage mich das seit ich wiederholt bei Treffensolcher Bewegungen höre: "Wir müssenstrategisch sein" oder "Warum interessieren sichdie Leute nicht für Strategien?". Es scheint, dasswir Strategie mit Effektivität und Erfolgassoziieren. Wenn ein bestimmtes Problemgeändert werden soll, ist dann eine klare Strategieder Hauptschlüssel zu dem, was Bewegungenerreichen können? Wenn ja, was macht dann einegute Strategie aus? Und was hilft Gruppen, solcheStrategien zu entwickeln? Diese Fragen haben wiruns bei War Resisters' International seit vielenJahren gestellt.Zuerst einmal: Was verstehen wir unter Strategie?Leute verwenden das Wort auf dieunterschiedlichsten Weisen. Es gibt vor allem eineUnterscheidung zwischen Strategie und Taktik. ImHandbuch für gewaltfreie Kampagnen der WRIsteht: "Taktiken sind die tatsächlichen Mittel, dieverwendet werden, um ein Ziel zu erreichen,während Strategie der allumfassende Plan einerKampagne ist (einschließlich komplexerVorgehensmuster, Aktivität undEntscheidungsfindung), der dann zu dertaktischen Ausführung führt. Strategie ist einlangfristiger Aktionsplan, um ein besonderes Zielzu erreichen. Strategie wird von Taktik oderSofortmaßnahmen mit vorhandenen Ressourcenunterschieden, da Strategien umfassenddurchdacht sind und oft praktisch geprobt werden.Strategien werden angewandt, um das Problemoder Probleme leichter zu verstehen und zu lösen.

Das ist ein linearer Ansatz, bei dem dasSchlüsselwort "Planung" ist: man plant jedenSchritt.Marshall Ganz schlägt einen weniger linearenAnsatz vor und argumentiert: "Strategie ist, wie wirdas, was wir haben, in das verwandeln, was wirbrauchen, um zu bekommen, was wir wollen.Strategie ist, wie wir unsere Ressourcen in dieMacht umwandeln, unsere Ziele zu erreichen. Sieist der konzeptionelle Link zwischen Zielsetzung,Zeitablauf und Taktiken, mit denen wir Ressourcenmobilisieren und anwenden, und den Ergebnissen,die wir zu erzielen hoffen."Es gibt viele Definitionen für Strategie und siewirken unterschiedlich für die unterschiedlichenZwecke. Oft ist der Anfangspunkt einer Strategiedie Überlegung, was wir tun können, um einenWandel zu bewirken, die unseren Motivationenentspricht, und was möglich ist. Das definiertverschiedene Aspekte Ihrer Strategie: welche Zielehaben Sie, was ist Ihre Aussage, wer ist IhreZielgruppe, welche Taktiken setzen Sie ein, usw.Daraus einen Plan zu machen, kann dieEffektivität erhöhen, aber Kampagnen müssenflexibel sein: man muss berichtenswerte Aktionenschaffen, Interesse von anderen Leuten erregenund vielleicht die Opposition auf dem falschen Fußerwischen.Während eines kürzlich stattgefundenen Strategie­Trainingstreffens wurden wir gebeten, unsere ammeisten strategische und am wenigstenstrategische Erfahrung in einer Gruppe zu

EditorialGewaltfreie soziale Bewegungenhaben oft – oder denken, sie hätten– eine Vorstellung von denProblemen, denen wir unsgegenüber sehen, und eine von derWelt, in der wir gerne leben würden.Die Herausforderung besteht darinzu wissen, wie man vom Problemzum Aufbau der Vision fortschreitet.Es gibt viele Faktoren, die einenEinfluss darauf haben, welcheAktionen wir unternehmen, um denStatus quo zu verändern. Oft ist derStartpunkt die Motivation derGruppe: Man trifft sich und denkt:„Also, was können wir in dieser Lagetun?Die Frage, was zu tun ist, ist nichtleicht zu beantworten. Es ist leicht, ineine Routine wiederholter Aktivitätenzu fallen, die man mag oder indenen man Erfahrung hat, ohnedarauf zu achten, ob sie auchwirksam sind. Identität ist wichtig,also sind Routinen nicht immerschlecht, aber es ist wichtig, sieinfrage zu stellen und zu reflektieren,ob man Dinge auch anders machenkönnte. Meinesteils vertrete ich dieAnsicht, dass Training inGewaltfreiheit diesen Prozesserleichtert.In dieser Ausgabe des„Zerbrochenen Gewehrs“untersuchen wir verschiedene Fälle,wie Gruppen in Richtung aufstrategisches Handeln arbeiten. EinArtikel von Rasmus Grobeuntersucht, wie Aktivisten dieTheorie der sozialen Bewegungennutzen können. Majken JulSørensen stellt das Konzept derDilemma­Aktionen vor, am Beispielder „Gaza­Flotille“. Igor Seke undBoro Kitanoski werfen einen Blickauf die Kriegsdienstverweigerung alsStrategie gegen Militarismus. AlexRayfield und Laura Shipler Chicoteilen mit uns die Herausforderungenvon solidarischer Arbeit in WestPapua und Kenia. Schließlich breitetJungmin Choi die Phasen aus, diedie Bewegung gegen den Bau einesFlottenstützpunktes auf der InselJeju durchlaufen hat und nutzt dabeidas Modell des Bewegungs­Aktionsplans.Das Kennenlernen unterschiedlicherErfahrungen kann dazu anregen,über den Tellerrandhinauszuschauen. Ich hoffe, dassdiese Geschichten Euch im gleichenMaße inspirieren wie mich.

Javier Gárate

Gewaltfreie Strategienfür sozialen Wandel

Nonviolent action training, Santiago Chile. Foto: WRI

Fortsetzung auf Seite 2

Gewaltfreie Strategien für sozialen Wandel

Das Zerbrochene Gewehr Nr. 95, März 20132

benennen. Einige der gemeinsamenCharakteristiken der am weniger strategischenErfahrungen waren: unklare Ziele, Mangel anEngagement der Teilnehmer, Mangel anKreativität, Interessenkonflikte und keine klareEntscheidungsfindungsstruktur. Die ammeisten strategischen Erfahrungen schlossenein: hohe Kreativitätsniveaus, dasEinschließen eines Überraschungsfaktors,Mobilisierung vieler Menschen, die klare Zielezur rechten Zeit hatten, mit starkemEngagement und gutenEntscheidungsfindungsstrukturen.Wie ein Wandel vor sich gehtViel wurde darüber geschrieben, was unterbestimmten Umständen einen Wandel antreibt:bedeuten strukturelle Bedingungen, dass einWandel sowieso geschieht, oder ist dieStrategie der Bewegung die treibende Krafthinter dem Wandel? Sind es die strukturellenBedingungen, d. h. Strategie ist irrelevant –Wandel würde so und so geschehen? In ihremBuch "Why Civil Resistance Works" (Warumziviler Widerstand funktioniert) sagen EricaChenoweth und Maria J. Stephan, dass"voluntaristische Eigenschaften vonKampagnen, besonders die mit denFähigkeiten der Widerständlerzusammenhängenden, oft bessere Prädiktorenfür Erfolg sind als strukturelle Determinanten."Sie argumentieren, dass gewaltfreieBewegungen in zahlreichenZusammenhängen effektiv waren – von denrepressivsten zu den offensten Gesellschaften– also hängt der Wandel primär von der Stärkeder Bewegung ab. Das entspricht dem, wasMarshall Ganz behauptet, nämlich dass"obwohl das Wissen darüber, wie die Umweltdie Akteure beeinflusst, wichtig ist, einerweitertes Wissen darüber, wie Akteure dieUmwelt beeinflussen, der erste Schritt nichtnur zum Verstehen der Welt sondern auch zurVeränderung derselben ist." Das bedeutet,dass Strategie nicht isoliert wirken kann. Einklares Verständnis Ihrer Umwelt ist derSchlüssel zum Bestimmen ihrer Strategie. Einwesentliches Element ist die Kapazität, Löcheroder Risse im System zu identifizieren und diepassende Strategie zur Nutzung solcherGelegenheiten – manchmal erzeugenStrategien auch solche Löcher. Eine guteStrategie alleine ist nicht genug. Man brauchtLeute, die eine solche Strategie durchführen.Chenoweth und Stephan in "Why CivilResistance Works" – die argumentieren, dassim letzten Jahrhundert gewaltfreieBewegungen erfolgreicher waren alsgewalttätige – sagen, dass der Schlüssel zudiesem Erfolg die Kapazität der gewaltfreienBewegungen, zu Massenbewegungen zuwerden, war, da der Gefahrengrad, derErfahrungsgrad usw. viel niedriger sind als ingewalttätigen Bewegungen. Ein Argument fürgewaltfreie Aktionen ist, dass jeder mitmachenkann! Muss eines der strategischen Ziele denAufbau einer Massenbewegung sein? KannWandel auch ohne große Mobilmachunggeschehen? Welche Rolle spielen Gruppenwie die War Resisters' International, dienormalerweise keine großen Massen von

Leuten mobilisieren, um einen Wechselherbeizuführen?In einem der bekanntesten Modelle sozialerBewegungen, Bill Moyer's Movement ActionPlan (MAP) wird argumentiert, dass für denErfolg einer Bewegung vier Rollen bestehen,die Gruppen oder Einzelpersonen spielenmüssen – wir können nicht alle das Gleichesein oder tun. Diese vier Rollen sind: derRebell, die Reformer, die Bürger und der Agentdes Wechsels. MAP legt nahe, dass diemeisten sozialen Bewegungen durch achtverschiedene Stufen geht: das Übliche,Versagen der etablierten Kanäle, Reifen derBedingungen, Start, Wahrnehmen desVersagens, das Gewinnen der Mehrheit,Erfolg, Konsolidierung des Erfolgs und derWechsel zu anderen Kämpfen.Unterschiedliche Gruppen und Leute könnenin bestimmten Bewegungen größere Rollenübernehmen. So spielen bei der WRIunterschiedliche Gruppen unterschiedlicheRollen: viele sehen sich als Rebellen, diegewaltfreie Aktionen als Mittel sehen, dieAufmerksamkeit auf ein Problem zu lenken.Gleichzeitig leistet die WRI oft stille Arbeitinsbesondere durch gegenseitigeUnterstützung in ruhigen Situationen, aber eswird eine Menge Basisarbeit geleistet. Z. B.wird Graswurzelgruppen ein Training gegebenund ihnen geholfen, zusammenzuarbeiten undeine Kampagne zu planen oder eine Aktionvorzubereiten. Oft sind diese Gruppen dieInitiatoren von etwas, was später zu einerMassenbewegung werden könnte. Bei derWRI tun wir das, was wir tun, vor allem weil esdas ist, woran wir glauben, aber auch wegenunser tiefen Überzeugung von revolutionärerGewaltfreiheit. Für die WRI sind unserePrinzipien der Schlüssel zu unserer Strategie.Training und StrategieIn den letzten Jahren hat dasGewaltfreiheitsprogramm der WRI Ressourcenerzeugt und Gewaltfreiheitstrainingsabgehalten, um Leute in ihren gewaltfreienKampagnen zu unterstützen, um sie zurAusführung von Aktionen zu befähigen. Wirglauben, dass Training und Planung bei derStrategie helfen. Manchmal ist das Ergebniseines Trainings nicht gleich klar, aber esbefähigt oft Gruppen, und wenn die Zeit reif ist,haben sie die Fähigkeiten, mit gutenStrategien herauszukommen.Im Jahr 2013 half WRI bei der Organisationvon zwei regionalen Treffen zum Austauschüber Trainings. Das Teilen und Mitteilen vonErfahrungen kann sie motivieren, Aktionendurchzuführen; nicht nachzumachen, wasandere bereits getan haben, sondern sie zuinspirieren, unkonventionell zu denken.Der erste Austausch fand in Südafrika stattund konzentrierte sich auf gewaltfreie Kämpfe,auf das Lernen, wie Leute in denunterschiedlichen Teilen Afrikas Gewaltfreiheitals Mittel ihrer Kämpfe genutzt haben. DerSchlüssel war, diese geteilte Identität zuvisualisieren, zu zeigen, wie fundamental

unsere Identität ist, wenn wir über dieEntwicklung von Strategien nachdenken.Der zweite Austausch fand in Belgien statt undbrachte fast 40 Trainer aus ganz Europazusammen. Wir erforschten, wie wir als TrainerGruppen moderieren können, die anStrategien arbeiten, oder wie wir Leute zumNachdenken über Strategien bringen können.Es gab Sitzungen mit Thema sozialeBewegungen und Strategie­Theorie und diegegenwärtige Situation von europäischenBewegungen, aber das größte Interesse in derGruppe bestand darin, zu sehen, wie Trainingden Gruppenprozess erleichtern kann, dadieser ein Schlüsselelement zur Entwicklungguter Strategien ist. So sagte z. B. jemand beidem Treffen, dass sie oft Anfragen für Trainingzur Entwicklung einer Kampagne bekommen –um der Gruppe vorwärts zu helfen, aber dasssie als Trainer erkennen, dass das Problemnicht mit dem Durchführen einer Kampagnezusammenhängt, sondern mit derGruppendynamik: die Gruppe arbeitet nicht gutzusammen. Manchmal denkt man, dass esheißen soll, eine gesunde Gruppe sei so gutwie eine auf Strategie abzielende, aber ist dasgenug? Es ist keine Frage, dass einAnfangspunkt für jede Arbeit zum sozialenWandel die gute Zusammenarbeit einerGruppe ist. Dann stellt sich die Frage: ist derHauptbeitrag, den ein Training leisten kann,die Unterstützung der Gruppe zur besserenZusammenarbeit? Das könnte tatsächlicheiner oder der Hauptbeitrag des Trainingssein, denn gut zusammenarbeitende Gruppenkommen eher mit einer gemeinsamen Analyseder Situation heraus – sie verstehen denKontext und haben eine Vision davon, was sieverändern wollen. Sie setzen vielleicht auchlang­ und kurzfristige Ziele, zusammen miteinem Plan, wie diese erreicht werden könnenunter Beibehalten von ausreichend Flexibilität,um diesen den jeweiligen Bedingungenanzupassen. Es gibt Trainingshilfsmittel, diebei jedem dieser Schritte helfen. Trainerkönnen diese mitteilen und moderieren, aberes ist besser, wenn sie aus der Gruppe selbstkommen.Es gibt keine Zauberantwort darauf, was eineGruppe befähigt, einen Wandel strategischherbeizuführen. Unterschiedliche Gruppenhaben unterschiedliche Arbeitsweisen, und dieZusammenhänge variieren. Als Trainer wissenwir, dass ein Hilfmittel, mit dem eine Gruppegut arbeiten kann, für eine andere Gruppeüberhaupt nicht funktioniert – eine effektiveTaktik in einer bestimmten Situation kann ineiner anderen konterproduktiv sein. Wenn esetwas gibt, das ich gelernt habe, ist es, dassdas Voneinanderlernen durch Austauschunserer Erfahrungen außergewöhnlichinspirierend sein und sogar zu Aktionen führenkann. Bei der WRI werden wir weiterhin Leutezusammenbringen, um inspiriert zu werdenund uns gegenseitig zu unterstützen, in demWissen, dass wir die Arbeit der Gruppe selbstnicht ersetzen können, aber dass wir helfenkönnen, unsere Wege zu einem Wandelzusammenzuführen.

Javier Gárate

SozialeBewegungsforschungfürBewegungeninAktionnutzenSoziale Bewegungsforschung kannaktuellen Bewegungen helfen mit denHerausforderungen in ihren politischenAuseinandersetzungen umzugehen undein besseres Verständnis von sich selbstund ihren Strategien zu bekommen. Inden letzten Jahrzehnten hat sich dieSoziale Bewegungsforschung als eineeigenständige Disziplin derSozialwissenschaften etabliert. Und auchwenn es mitunter sein kann, dassmanche Forscher sich bei ihrer Aufgabe,Soziale Bewegungen zu erklären oder zuverstehen von den “echten” Erfahrungender Menschen “draußen” auf denStraßen, in den Blockaden oder in ihrenGruppentreffen entfernt haben, könnenihre Forschungsergebnisse dennocheinige Anregungen für die Praxis geben.Wenn man Leute fragt, die Trainingsarbeitin Gewaltfreien Kampagnen machen,welche theoretischen Konzepte SozialerBewegungen sie kennen, werden vieleden Movement Action Plan (MAP) von BillMoyer nennen, der auf Erfahrungen undFallstudien verschiedener Bewegungenbasiert. Allerdings gibt es andere –“wissenschaftlichere” ­ Modelle undKonzepte und es ist erstaunlich, wiewenig sogar die zentralen Theorien in derAktivistenszene bekannt sind. SolcheTheorien wollen die Entstehung oderEntwicklung von Bewegungen erklären –sie wollen keine Handlungsanleitungenfür praktische Aktionen sein. Trotzdem:sie zu kennen kann für Aktivisten sinnvollsein. Die folgenden Absätze sollen diewichtigsten theoretischen Ansätzevorstellen (es gibt viele weitere...)RessourcenmobilisierungNach der Ressourcenmobilisierungs­Theorie kann eine Bewegung sich nichtentwickeln oder erfolgreich sein ohneRessourcen – wobei Zeit und Geld, mitdenen Menschen bereit sind eineBewegung zu unterstützen diewichtigsten Ressourcen sind. Folglichbraucht es Leute und Struktureninnerhalb einer Bewegung, die für Geld,Unterstützer/innen, Medieninteresse,Allianzen mit anderen Gruppen (auchEliten) mit unterschiedlicher Macht undeine Weiterentwicklung der Strukturensorgen. Soziale Bewegungen brauchendiese Ressourcen, weil Widerspruch undBeschwerden allein keinen SozialenWandel erzeugen.Politsche MöglichkeitsstrukturenDie Politische Möglichkeits­Theorieargumentiert, dass der Erfolg vonBewegungen von der Existenz – oderAbwesenheit – einer bestimmten

politischen Möglichkeit abhängt.Politische Möglichkeit bezieht sich auf dieEmpfänglichkeit oder Verletzlichkeit desbestehenden politischen Systemsgegenüber Herausforderungen. DieseVerletzlichkeit kann sein: das Ergebniseines Wachstums an politischer Pluralität,eine sinkende Effektivität von Repression,ein Elitenkonflikt (d.h. eine oder mehrereder führenden Fraktionen sind internuneinig), eine Verbreiterung des Zugangszu Beteiligung in politischen Prozessenoder/und die Unterstützung organisierterOpposition durch Eliten.In der dynamischen Variante desPolitische Möglichkeiten­Ansatzes, dermanchmal auch Politikprozess­Ansatzgenannt wird, können Veränderungen inder Politischen Möglichkeitsstruktur einesLandes die Entstehung oder Entwicklungeiner sozialen Bewegung erklären helfen,allerdings erkennen Bewegungsforschermitunter an, dass es der Eingabe oderAktivität der Initiatoren einer Bewegungbedurfte, um die politische Möglichkeitaufzudecken oder sogar zu provozieren.FramingDas Framing­Konzept bezieht sich auf dieEntwicklung und Proklamierung einesbestimmten Bedeutungsmusters, das voneiner sozialen Bewegung konstruiert wird,um einen Konflikt, die Ziele einerKampagne und ihren Aktionsansatz zuerklären. Der Framing­Ansatz postuliert,dass die Qualität des Framings für denErfolg einer Kampagne zentral ist(einschließlich ihres Erfolges bezüglichder Mobilisierung von Ressourcen).Wie können diese Konzepte nun für diepraktische Arbeit von Bewegungenrelevant werden?

Die Ressourcen­Frage ist vermutlich amvertrautesten, wenn es darum geht, eineKampagne oder Aktion zu planen: Dieursprüngliche Kampagnengruppe fragtsich, was es braucht, um ein Ziel zuerreichen. Dabei hat die Formulierungerreichbarer Ziele bereits eine Menge miteiner Überprüfung der eigenenRessourcen zu tun. Ferner kann derCharakter einer Kampagne von derkritischen Überprüfung der Ressourcen­Basis bestimmt sein: d.h. anstatt eineDemonstration mit wenigen Leuten zuversuchen und dabei das Gefühl desScheiterns zu bekommen, könnteentschieden werden mit einerAufklärungskampagne zu starten, diespäter zu einer Mobilisierungskampagneausgeweitet wird – und schließlich, wenndie Ressourcenbasis stark genug ist,könnte die Kampagne die Konfrontationsuchen. Der Forscher/Aktivist MarshallGanz hat auf die Bedeutung derResourcenhaltigkeit einer Bewegunghingewiesen, um zu erklären wie dieUnited Farmworkers in Californien diefinanziell mächtige und von der Wirtschaftanerkannte Teamsters Unionübertrumpfte.Politische Möglichkeiten zu identifizierenist nicht unbedingt etwas, dass allenAktivisten gefällt. Wir denken mehr imSinne von Bedürfnissen undForderungen. Tiefer in die reale Weltpolitischer Entscheidungsfindung zublicken scheint weit weg zu sein vonunseren Werten und die vorhersehbarenund ritualisierten Prozesse politischerEntscheidungsprozesse geben nicht vielRaum für Aktionen von außerhalb dieserpolitisch­ökonomischen Machtstrukturen.Ein zentraler Gedanke, den der Ansatzgeben kann, ist sich bewusst zu sein,dass es Bedingungen geben kann, dieaußerhalb des Einflusses sozialerBewegungen liegen. Aktivist/innen sindeingeladen, diese Möglichkeitsstrukturennicht außer Acht zu lassen, wenn sie ihreThemen, Aktionsformen und Zielebestimmen. Zentral ist, wie sozialeBewegungen ihrem Kontext Sinn geben.Die echte Herausforderung liegt darin, dieThemen und Konfliktpunkte zuidentifizieren, die sowohl innerhalb derGesellschaft aber potentiell auchinnerhalb der Eliten kontrovers sind unddann den kritischen Moment zu erkennen,wenn es angesagt ist, eine Kampagne zustarten.Ironischerweise – oderbedauerlicherweise, öffnen sich 'Windowsof Opportunity' häufig dann, wennKatastrophen oder Skandale passieren,z.B. wurde das jüngste Unglück inFukushima zum ultimativen

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benennen. Einige der gemeinsamenCharakteristiken der am weniger strategischenErfahrungen waren: unklare Ziele, Mangel anEngagement der Teilnehmer, Mangel anKreativität, Interessenkonflikte und keine klareEntscheidungsfindungsstruktur. Die ammeisten strategischen Erfahrungen schlossenein: hohe Kreativitätsniveaus, dasEinschließen eines Überraschungsfaktors,Mobilisierung vieler Menschen, die klare Zielezur rechten Zeit hatten, mit starkemEngagement und gutenEntscheidungsfindungsstrukturen.Wie ein Wandel vor sich gehtViel wurde darüber geschrieben, was unterbestimmten Umständen einen Wandel antreibt:bedeuten strukturelle Bedingungen, dass einWandel sowieso geschieht, oder ist dieStrategie der Bewegung die treibende Krafthinter dem Wandel? Sind es die strukturellenBedingungen, d. h. Strategie ist irrelevant –Wandel würde so und so geschehen? In ihremBuch "Why Civil Resistance Works" (Warumziviler Widerstand funktioniert) sagen EricaChenoweth und Maria J. Stephan, dass"voluntaristische Eigenschaften vonKampagnen, besonders die mit denFähigkeiten der Widerständlerzusammenhängenden, oft bessere Prädiktorenfür Erfolg sind als strukturelle Determinanten."Sie argumentieren, dass gewaltfreieBewegungen in zahlreichenZusammenhängen effektiv waren – von denrepressivsten zu den offensten Gesellschaften– also hängt der Wandel primär von der Stärkeder Bewegung ab. Das entspricht dem, wasMarshall Ganz behauptet, nämlich dass"obwohl das Wissen darüber, wie die Umweltdie Akteure beeinflusst, wichtig ist, einerweitertes Wissen darüber, wie Akteure dieUmwelt beeinflussen, der erste Schritt nichtnur zum Verstehen der Welt sondern auch zurVeränderung derselben ist." Das bedeutet,dass Strategie nicht isoliert wirken kann. Einklares Verständnis Ihrer Umwelt ist derSchlüssel zum Bestimmen ihrer Strategie. Einwesentliches Element ist die Kapazität, Löcheroder Risse im System zu identifizieren und diepassende Strategie zur Nutzung solcherGelegenheiten – manchmal erzeugenStrategien auch solche Löcher. Eine guteStrategie alleine ist nicht genug. Man brauchtLeute, die eine solche Strategie durchführen.Chenoweth und Stephan in "Why CivilResistance Works" – die argumentieren, dassim letzten Jahrhundert gewaltfreieBewegungen erfolgreicher waren alsgewalttätige – sagen, dass der Schlüssel zudiesem Erfolg die Kapazität der gewaltfreienBewegungen, zu Massenbewegungen zuwerden, war, da der Gefahrengrad, derErfahrungsgrad usw. viel niedriger sind als ingewalttätigen Bewegungen. Ein Argument fürgewaltfreie Aktionen ist, dass jeder mitmachenkann! Muss eines der strategischen Ziele denAufbau einer Massenbewegung sein? KannWandel auch ohne große Mobilmachunggeschehen? Welche Rolle spielen Gruppenwie die War Resisters' International, dienormalerweise keine großen Massen von

Leuten mobilisieren, um einen Wechselherbeizuführen?In einem der bekanntesten Modelle sozialerBewegungen, Bill Moyer's Movement ActionPlan (MAP) wird argumentiert, dass für denErfolg einer Bewegung vier Rollen bestehen,die Gruppen oder Einzelpersonen spielenmüssen – wir können nicht alle das Gleichesein oder tun. Diese vier Rollen sind: derRebell, die Reformer, die Bürger und der Agentdes Wechsels. MAP legt nahe, dass diemeisten sozialen Bewegungen durch achtverschiedene Stufen geht: das Übliche,Versagen der etablierten Kanäle, Reifen derBedingungen, Start, Wahrnehmen desVersagens, das Gewinnen der Mehrheit,Erfolg, Konsolidierung des Erfolgs und derWechsel zu anderen Kämpfen.Unterschiedliche Gruppen und Leute könnenin bestimmten Bewegungen größere Rollenübernehmen. So spielen bei der WRIunterschiedliche Gruppen unterschiedlicheRollen: viele sehen sich als Rebellen, diegewaltfreie Aktionen als Mittel sehen, dieAufmerksamkeit auf ein Problem zu lenken.Gleichzeitig leistet die WRI oft stille Arbeitinsbesondere durch gegenseitigeUnterstützung in ruhigen Situationen, aber eswird eine Menge Basisarbeit geleistet. Z. B.wird Graswurzelgruppen ein Training gegebenund ihnen geholfen, zusammenzuarbeiten undeine Kampagne zu planen oder eine Aktionvorzubereiten. Oft sind diese Gruppen dieInitiatoren von etwas, was später zu einerMassenbewegung werden könnte. Bei derWRI tun wir das, was wir tun, vor allem weil esdas ist, woran wir glauben, aber auch wegenunser tiefen Überzeugung von revolutionärerGewaltfreiheit. Für die WRI sind unserePrinzipien der Schlüssel zu unserer Strategie.Training und StrategieIn den letzten Jahren hat dasGewaltfreiheitsprogramm der WRI Ressourcenerzeugt und Gewaltfreiheitstrainingsabgehalten, um Leute in ihren gewaltfreienKampagnen zu unterstützen, um sie zurAusführung von Aktionen zu befähigen. Wirglauben, dass Training und Planung bei derStrategie helfen. Manchmal ist das Ergebniseines Trainings nicht gleich klar, aber esbefähigt oft Gruppen, und wenn die Zeit reif ist,haben sie die Fähigkeiten, mit gutenStrategien herauszukommen.Im Jahr 2013 half WRI bei der Organisationvon zwei regionalen Treffen zum Austauschüber Trainings. Das Teilen und Mitteilen vonErfahrungen kann sie motivieren, Aktionendurchzuführen; nicht nachzumachen, wasandere bereits getan haben, sondern sie zuinspirieren, unkonventionell zu denken.Der erste Austausch fand in Südafrika stattund konzentrierte sich auf gewaltfreie Kämpfe,auf das Lernen, wie Leute in denunterschiedlichen Teilen Afrikas Gewaltfreiheitals Mittel ihrer Kämpfe genutzt haben. DerSchlüssel war, diese geteilte Identität zuvisualisieren, zu zeigen, wie fundamental

unsere Identität ist, wenn wir über dieEntwicklung von Strategien nachdenken.Der zweite Austausch fand in Belgien statt undbrachte fast 40 Trainer aus ganz Europazusammen. Wir erforschten, wie wir als TrainerGruppen moderieren können, die anStrategien arbeiten, oder wie wir Leute zumNachdenken über Strategien bringen können.Es gab Sitzungen mit Thema sozialeBewegungen und Strategie­Theorie und diegegenwärtige Situation von europäischenBewegungen, aber das größte Interesse in derGruppe bestand darin, zu sehen, wie Trainingden Gruppenprozess erleichtern kann, dadieser ein Schlüsselelement zur Entwicklungguter Strategien ist. So sagte z. B. jemand beidem Treffen, dass sie oft Anfragen für Trainingzur Entwicklung einer Kampagne bekommen –um der Gruppe vorwärts zu helfen, aber dasssie als Trainer erkennen, dass das Problemnicht mit dem Durchführen einer Kampagnezusammenhängt, sondern mit derGruppendynamik: die Gruppe arbeitet nicht gutzusammen. Manchmal denkt man, dass esheißen soll, eine gesunde Gruppe sei so gutwie eine auf Strategie abzielende, aber ist dasgenug? Es ist keine Frage, dass einAnfangspunkt für jede Arbeit zum sozialenWandel die gute Zusammenarbeit einerGruppe ist. Dann stellt sich die Frage: ist derHauptbeitrag, den ein Training leisten kann,die Unterstützung der Gruppe zur besserenZusammenarbeit? Das könnte tatsächlicheiner oder der Hauptbeitrag des Trainingssein, denn gut zusammenarbeitende Gruppenkommen eher mit einer gemeinsamen Analyseder Situation heraus – sie verstehen denKontext und haben eine Vision davon, was sieverändern wollen. Sie setzen vielleicht auchlang­ und kurzfristige Ziele, zusammen miteinem Plan, wie diese erreicht werden könnenunter Beibehalten von ausreichend Flexibilität,um diesen den jeweiligen Bedingungenanzupassen. Es gibt Trainingshilfsmittel, diebei jedem dieser Schritte helfen. Trainerkönnen diese mitteilen und moderieren, aberes ist besser, wenn sie aus der Gruppe selbstkommen.Es gibt keine Zauberantwort darauf, was eineGruppe befähigt, einen Wandel strategischherbeizuführen. Unterschiedliche Gruppenhaben unterschiedliche Arbeitsweisen, und dieZusammenhänge variieren. Als Trainer wissenwir, dass ein Hilfmittel, mit dem eine Gruppegut arbeiten kann, für eine andere Gruppeüberhaupt nicht funktioniert – eine effektiveTaktik in einer bestimmten Situation kann ineiner anderen konterproduktiv sein. Wenn esetwas gibt, das ich gelernt habe, ist es, dassdas Voneinanderlernen durch Austauschunserer Erfahrungen außergewöhnlichinspirierend sein und sogar zu Aktionen führenkann. Bei der WRI werden wir weiterhin Leutezusammenbringen, um inspiriert zu werdenund uns gegenseitig zu unterstützen, in demWissen, dass wir die Arbeit der Gruppe selbstnicht ersetzen können, aber dass wir helfenkönnen, unsere Wege zu einem Wandelzusammenzuführen.

Javier Gárate

SozialeBewegungsforschungfürBewegungeninAktionnutzenSoziale Bewegungsforschung kannaktuellen Bewegungen helfen mit denHerausforderungen in ihren politischenAuseinandersetzungen umzugehen undein besseres Verständnis von sich selbstund ihren Strategien zu bekommen. Inden letzten Jahrzehnten hat sich dieSoziale Bewegungsforschung als eineeigenständige Disziplin derSozialwissenschaften etabliert. Und auchwenn es mitunter sein kann, dassmanche Forscher sich bei ihrer Aufgabe,Soziale Bewegungen zu erklären oder zuverstehen von den “echten” Erfahrungender Menschen “draußen” auf denStraßen, in den Blockaden oder in ihrenGruppentreffen entfernt haben, könnenihre Forschungsergebnisse dennocheinige Anregungen für die Praxis geben.Wenn man Leute fragt, die Trainingsarbeitin Gewaltfreien Kampagnen machen,welche theoretischen Konzepte SozialerBewegungen sie kennen, werden vieleden Movement Action Plan (MAP) von BillMoyer nennen, der auf Erfahrungen undFallstudien verschiedener Bewegungenbasiert. Allerdings gibt es andere –“wissenschaftlichere” ­ Modelle undKonzepte und es ist erstaunlich, wiewenig sogar die zentralen Theorien in derAktivistenszene bekannt sind. SolcheTheorien wollen die Entstehung oderEntwicklung von Bewegungen erklären –sie wollen keine Handlungsanleitungenfür praktische Aktionen sein. Trotzdem:sie zu kennen kann für Aktivisten sinnvollsein. Die folgenden Absätze sollen diewichtigsten theoretischen Ansätzevorstellen (es gibt viele weitere...)RessourcenmobilisierungNach der Ressourcenmobilisierungs­Theorie kann eine Bewegung sich nichtentwickeln oder erfolgreich sein ohneRessourcen – wobei Zeit und Geld, mitdenen Menschen bereit sind eineBewegung zu unterstützen diewichtigsten Ressourcen sind. Folglichbraucht es Leute und Struktureninnerhalb einer Bewegung, die für Geld,Unterstützer/innen, Medieninteresse,Allianzen mit anderen Gruppen (auchEliten) mit unterschiedlicher Macht undeine Weiterentwicklung der Strukturensorgen. Soziale Bewegungen brauchendiese Ressourcen, weil Widerspruch undBeschwerden allein keinen SozialenWandel erzeugen.Politsche MöglichkeitsstrukturenDie Politische Möglichkeits­Theorieargumentiert, dass der Erfolg vonBewegungen von der Existenz – oderAbwesenheit – einer bestimmten

politischen Möglichkeit abhängt.Politische Möglichkeit bezieht sich auf dieEmpfänglichkeit oder Verletzlichkeit desbestehenden politischen Systemsgegenüber Herausforderungen. DieseVerletzlichkeit kann sein: das Ergebniseines Wachstums an politischer Pluralität,eine sinkende Effektivität von Repression,ein Elitenkonflikt (d.h. eine oder mehrereder führenden Fraktionen sind internuneinig), eine Verbreiterung des Zugangszu Beteiligung in politischen Prozessenoder/und die Unterstützung organisierterOpposition durch Eliten.In der dynamischen Variante desPolitische Möglichkeiten­Ansatzes, dermanchmal auch Politikprozess­Ansatzgenannt wird, können Veränderungen inder Politischen Möglichkeitsstruktur einesLandes die Entstehung oder Entwicklungeiner sozialen Bewegung erklären helfen,allerdings erkennen Bewegungsforschermitunter an, dass es der Eingabe oderAktivität der Initiatoren einer Bewegungbedurfte, um die politische Möglichkeitaufzudecken oder sogar zu provozieren.FramingDas Framing­Konzept bezieht sich auf dieEntwicklung und Proklamierung einesbestimmten Bedeutungsmusters, das voneiner sozialen Bewegung konstruiert wird,um einen Konflikt, die Ziele einerKampagne und ihren Aktionsansatz zuerklären. Der Framing­Ansatz postuliert,dass die Qualität des Framings für denErfolg einer Kampagne zentral ist(einschließlich ihres Erfolges bezüglichder Mobilisierung von Ressourcen).Wie können diese Konzepte nun für diepraktische Arbeit von Bewegungenrelevant werden?

Die Ressourcen­Frage ist vermutlich amvertrautesten, wenn es darum geht, eineKampagne oder Aktion zu planen: Dieursprüngliche Kampagnengruppe fragtsich, was es braucht, um ein Ziel zuerreichen. Dabei hat die Formulierungerreichbarer Ziele bereits eine Menge miteiner Überprüfung der eigenenRessourcen zu tun. Ferner kann derCharakter einer Kampagne von derkritischen Überprüfung der Ressourcen­Basis bestimmt sein: d.h. anstatt eineDemonstration mit wenigen Leuten zuversuchen und dabei das Gefühl desScheiterns zu bekommen, könnteentschieden werden mit einerAufklärungskampagne zu starten, diespäter zu einer Mobilisierungskampagneausgeweitet wird – und schließlich, wenndie Ressourcenbasis stark genug ist,könnte die Kampagne die Konfrontationsuchen. Der Forscher/Aktivist MarshallGanz hat auf die Bedeutung derResourcenhaltigkeit einer Bewegunghingewiesen, um zu erklären wie dieUnited Farmworkers in Californien diefinanziell mächtige und von der Wirtschaftanerkannte Teamsters Unionübertrumpfte.Politische Möglichkeiten zu identifizierenist nicht unbedingt etwas, dass allenAktivisten gefällt. Wir denken mehr imSinne von Bedürfnissen undForderungen. Tiefer in die reale Weltpolitischer Entscheidungsfindung zublicken scheint weit weg zu sein vonunseren Werten und die vorhersehbarenund ritualisierten Prozesse politischerEntscheidungsprozesse geben nicht vielRaum für Aktionen von außerhalb dieserpolitisch­ökonomischen Machtstrukturen.Ein zentraler Gedanke, den der Ansatzgeben kann, ist sich bewusst zu sein,dass es Bedingungen geben kann, dieaußerhalb des Einflusses sozialerBewegungen liegen. Aktivist/innen sindeingeladen, diese Möglichkeitsstrukturennicht außer Acht zu lassen, wenn sie ihreThemen, Aktionsformen und Zielebestimmen. Zentral ist, wie sozialeBewegungen ihrem Kontext Sinn geben.Die echte Herausforderung liegt darin, dieThemen und Konfliktpunkte zuidentifizieren, die sowohl innerhalb derGesellschaft aber potentiell auchinnerhalb der Eliten kontrovers sind unddann den kritischen Moment zu erkennen,wenn es angesagt ist, eine Kampagne zustarten.Ironischerweise – oderbedauerlicherweise, öffnen sich 'Windowsof Opportunity' häufig dann, wennKatastrophen oder Skandale passieren,z.B. wurde das jüngste Unglück inFukushima zum ultimativen

Gewaltfreie Strategien für sozialen Wandel

Das Zerbrochene Gewehr Nr. 95, März 20134

Unterstützungshebel für die deutsche Anti­Atom­Bewegung, um die Rückkehr zumAtomausstieg durchzusetzen. Allerdingswäre dieser Erfolg wohl nicht möglichgewesen ohne die Vorarbeit, die inJahrzehnten durch Graswurzel­Kampagnenund etablierte Netzwerken gelegt wurde, dieinnerhalb weniger Tage für die Organisationder Demos und Aktionen genutzt werdenkonnten.Schließlich: einen guten Rahmen, einenFrame, zu entwickeln ist ein wichtigerSchlüssel für den Erfolg einer Kampagne.Nach der Theorie besteht ein “Master frame'aus drei Komponenten:

* Das diagnostic framing besteht aus derProblemdefinition: klar machen, was derKern des Problems ist, warum es exisitiertund wer dafür verantwortlich ist.* Das prognostic framing entwickelt eineVorstellung darüber, wie, von wem und mitwelchen Mitteln das identizierte Problemgelöst werden kann. Wichtig ist dabei, nichtnur eine abstrakte Problemlösung zu haben,sondern auch sehr konkrete Vorschläge.* Das motivational framing betrachtet dieVerbindungen zwischen Problem und dereinzelnen Person und präsentiert Anreizeoder Motivationen sich an der Kampagne zubeteiligen oder sie zu unterstützen.

Die Mobilisierungskraft eines Frames beruhtauf diesen drei Komponenten und ihremZusammenspiel. Wenn es gut gemacht ist,kann es und sollte es immer wieder für allemöglichen Mobilisierungsmaterialen,Pressearbeit, Ansprache vonBündnispartnern etc. genutzt werden.Zusammenfassend: Theorie anzuschauenkann neue Anstöße geben für praktischeAktionen geben und Strategiedebattenbefruchten.

Rasmus Grobeübersetzt von Inge Dreger

FlottederFreiheitnachGaza–eineAktionentwickeltsichzumDilemmaIm Jahre 2010 stach ein Konvoivon sechs Schiffen, genanntdie Flotte der Freiheit, in See,um die Blockade Gazasanzugehen, was einbeachtliches Dilemma für dieisraelischen Behördendarstellte. An Bord der Schiffewaren ca. 700 unbewaffneteZivilisten aus der ganzen Welt,einschließlich einigerberühmter Persönlichkeiten,wie der schwedische KrimiautorHenning Mankell undParlamentarier aus einerVielzahl von Ländern.Zusätzlich zu den Passagierenund Vertretern der Medientransportierten die Schiffe auch10.000 Tonnen humanitärerHilfe, wie Baumaterial undmedizinische Geräte (wieRöntgen­ undUltraschallgeräte).i Die Längeder Reise bedeutete, dass sichder Druck während desAnlaufens der Schiffe an Gazaaufbaute und diese Reise vorden Augen der Welt zu einemDrama werden ließ.Die Flotte der Freiheit ist eingutes Beispiel für eineDilemma­Aktion, eine Artgewaltfreier direkter Aktion, dieden Gegner zwingt, zwischenReaktionen zu wählen, die vonihrem Standpunkt ausgleichermaßen schlecht sind.Der amerikanischeGewaltfreiheitsaktivist GeorgeLakey schrieb als erster inseinem Buch PowerfulPeacemaking über – wie er esnannte – "Dilemma­Demonstrationen".ii Er

präsentierte das Dilemma alsWahl für die Behördenzwischen zwei Optionen:entweder die Protestierendenweiter demonstrieren lassen,womit ein direktes Ziel erreichtwerden würde, oder Gewaltanwenden, um sie aufzuhalten,und dadurch die raue Seiteaufzuzeigen und öffentlicheBetroffenheit zu erzeugen.Brian Martin und ichentschieden, dieses Thema(Dilemmaaktionen)systematisch in einem kleinenForschungsprojekt zuuntersuchen. Wir haben unseinige Fälle angesehen,einschließlich der Flotte für dieFreiheit, um dieKerncharakteristiken einerDilemmaaktion zu identifizieren.Wir stellten fest, dass daswesentliche Merkmal einerDilemmaktion ist, dass derGegner keine offensichtlichbeste Reaktionsmöglichkeit hat.Die attraktivsten Reaktionensind Mischungen aus Vorteilenund Nachteilen, die nicht direktvergleichbar sind durchEinschätzungen zu der Zeitoder danach. Viele gewaltfreienAktionen sind Reaktionen aufAktionen der Behörden odermultinationalen Firmen:Aktivisten reagieren auf einevon anderen vorgegebeneAgenda. In Dilemmaaktionensind Aktivisten proaktiv.Die meisten gewaltfreienAktionen stellen nie einDilemma dar. Nehmen wir z. B.einen konventionellen Ausdrucksozialer Betroffenheit, wieeinen Antikriegsmarsch am

Hiroshima­Tag in einerliberalen Demokratie:Behörden können dastolerieren oder sogar dasEreignis erleichtern, da eskeine Bedrohung für gesicherteRechte darstellt, wogegen dasVerbot Feinseligkeithervorrufen würde. EinigeFormen zivilen Ungehorsams,wie Pflugscharenaktioneneinschließlich Beschädigungmilitärischer Ausrüstung,stellen auch kein Dilemma dar,da die Behörden genau wissen,was zu tun ist: Verhaftung derAktivisten, die sich bereitwilligder Polizei ergeben. Trotzdemhalten wir es für nützlich,Dilemmaaktionen eher alseinen Grad anzusehen alszwiespältig entweder präsentoder nicht präsent.Für das Dilemma, das dieAktivisten auf der Flotte derFreiheit auf den ersten Blickerzeugten, gab es zwei"Lösungen": entweder dasSchiff in Gaza einlaufen zulassen mit den Passagierenund der Ware – das würde inden Augen vieler Israelibedeuten, dem Drucknachzugeben. Die andereOption war, die Schiffeanzuhalten, und in dem Fallkam das nächste Dilemma: mitwelchen Mitteln sollte dasgeschehen und wann?Letztendlich griffenKommandosoldaten derisraelischenVerteidigungsarmee frühmorgens am 31. Mai 2010 an,während die Schiffe immernoch in internationalen

Gewässern waren. An Bord derMavi Marmara wurden neuntürkische Bürger getötet, einpaar davon aus der Näheerschossen.iii Diese Mordeerzeugten ein enormes PR­Desaster für die israelischeRegierung und wurden auf derganzen Welt verurteilt. DerEinsatz der Armee ging für dieisraelische Regierung nachhinten los, obwohl sie sichbemühte, den öffentlichenAufschrei zu bremsen.iv VieleRegierungen bestellten dieisraelischen Botschafter einoder riefen ihre eigenenBotschafter zurück.v DieBeziehung zu der türkischenRegierung, die jahrzehntelangeiner der wenigen Verbündetender israelischen Regierung imNahen Osten waren, war fürmehr als ein Jahr beschädigt.Obgleich die Obama­Administration in denVereinigten Staaten sich mitihren Reaktionen sehrzurückhielt, brachte sie dochKritik an der israelischenRegierung vor. Eine UN­Kommission wurde gebildet,um die Angriffe zu untersuchen,und diese kam im August 2011zu dem kontroversen Schluss,dass die Blockade des Gazasnicht illegal war, aber das dieAnwendung von Gewaltübermäßig und unvernünftigwar.viDilemmaaktionen liefern einenAnsatz, um die Effektivitätgewaltfreier Strategien zuerhöhen. Wenn sie mehr überdie Dynamik vonDilemmaaktionen wissen,

Gewaltfreie Strategien für sozialen Wandel

Das Zerbrochene Gewehr Nr. 95, März 2013 5

Im Jahre 2010 stach ein Konvoivon sechs Schiffen, genanntdie Flotte der Freiheit, in See,um die Blockade Gazasanzugehen, was einbeachtliches Dilemma für dieisraelischen Behördendarstellte. An Bord der Schiffewaren ca. 700 unbewaffneteZivilisten aus der ganzen Welt,einschließlich einigerberühmter Persönlichkeiten,wie der schwedische KrimiautorHenning Mankell undParlamentarier aus einerVielzahl von Ländern.Zusätzlich zu den Passagierenund Vertretern der Medientransportierten die Schiffe auch10.000 Tonnen humanitärerHilfe, wie Baumaterial undmedizinische Geräte (wieRöntgen­ undUltraschallgeräte).i Die Längeder Reise bedeutete, dass sichder Druck während desAnlaufens der Schiffe an Gazaaufbaute und diese Reise vorden Augen der Welt zu einemDrama werden ließ.Die Flotte der Freiheit ist eingutes Beispiel für eineDilemma­Aktion, eine Artgewaltfreier direkter Aktion, dieden Gegner zwingt, zwischenReaktionen zu wählen, die vonihrem Standpunkt ausgleichermaßen schlecht sind.Der amerikanischeGewaltfreiheitsaktivist GeorgeLakey schrieb als erster inseinem Buch PowerfulPeacemaking über – wie er esnannte – "Dilemma­Demonstrationen".ii Er

präsentierte das Dilemma alsWahl für die Behördenzwischen zwei Optionen:entweder die Protestierendenweiter demonstrieren lassen,womit ein direktes Ziel erreichtwerden würde, oder Gewaltanwenden, um sie aufzuhalten,und dadurch die raue Seiteaufzuzeigen und öffentlicheBetroffenheit zu erzeugen.Brian Martin und ichentschieden, dieses Thema(Dilemmaaktionen)systematisch in einem kleinenForschungsprojekt zuuntersuchen. Wir haben unseinige Fälle angesehen,einschließlich der Flotte für dieFreiheit, um dieKerncharakteristiken einerDilemmaaktion zu identifizieren.Wir stellten fest, dass daswesentliche Merkmal einerDilemmaktion ist, dass derGegner keine offensichtlichbeste Reaktionsmöglichkeit hat.Die attraktivsten Reaktionensind Mischungen aus Vorteilenund Nachteilen, die nicht direktvergleichbar sind durchEinschätzungen zu der Zeitoder danach. Viele gewaltfreienAktionen sind Reaktionen aufAktionen der Behörden odermultinationalen Firmen:Aktivisten reagieren auf einevon anderen vorgegebeneAgenda. In Dilemmaaktionensind Aktivisten proaktiv.Die meisten gewaltfreienAktionen stellen nie einDilemma dar. Nehmen wir z. B.einen konventionellen Ausdrucksozialer Betroffenheit, wieeinen Antikriegsmarsch am

Hiroshima­Tag in einerliberalen Demokratie:Behörden können dastolerieren oder sogar dasEreignis erleichtern, da eskeine Bedrohung für gesicherteRechte darstellt, wogegen dasVerbot Feinseligkeithervorrufen würde. EinigeFormen zivilen Ungehorsams,wie Pflugscharenaktioneneinschließlich Beschädigungmilitärischer Ausrüstung,stellen auch kein Dilemma dar,da die Behörden genau wissen,was zu tun ist: Verhaftung derAktivisten, die sich bereitwilligder Polizei ergeben. Trotzdemhalten wir es für nützlich,Dilemmaaktionen eher alseinen Grad anzusehen alszwiespältig entweder präsentoder nicht präsent.Für das Dilemma, das dieAktivisten auf der Flotte derFreiheit auf den ersten Blickerzeugten, gab es zwei"Lösungen": entweder dasSchiff in Gaza einlaufen zulassen mit den Passagierenund der Ware – das würde inden Augen vieler Israelibedeuten, dem Drucknachzugeben. Die andereOption war, die Schiffeanzuhalten, und in dem Fallkam das nächste Dilemma: mitwelchen Mitteln sollte dasgeschehen und wann?Letztendlich griffenKommandosoldaten derisraelischenVerteidigungsarmee frühmorgens am 31. Mai 2010 an,während die Schiffe immernoch in internationalen

Gewässern waren. An Bord derMavi Marmara wurden neuntürkische Bürger getötet, einpaar davon aus der Näheerschossen.iii Diese Mordeerzeugten ein enormes PR­Desaster für die israelischeRegierung und wurden auf derganzen Welt verurteilt. DerEinsatz der Armee ging für dieisraelische Regierung nachhinten los, obwohl sie sichbemühte, den öffentlichenAufschrei zu bremsen.iv VieleRegierungen bestellten dieisraelischen Botschafter einoder riefen ihre eigenenBotschafter zurück.v DieBeziehung zu der türkischenRegierung, die jahrzehntelangeiner der wenigen Verbündetender israelischen Regierung imNahen Osten waren, war fürmehr als ein Jahr beschädigt.Obgleich die Obama­Administration in denVereinigten Staaten sich mitihren Reaktionen sehrzurückhielt, brachte sie dochKritik an der israelischenRegierung vor. Eine UN­Kommission wurde gebildet,um die Angriffe zu untersuchen,und diese kam im August 2011zu dem kontroversen Schluss,dass die Blockade des Gazasnicht illegal war, aber das dieAnwendung von Gewaltübermäßig und unvernünftigwar.viDilemmaaktionen liefern einenAnsatz, um die Effektivitätgewaltfreier Strategien zuerhöhen. Wenn sie mehr überdie Dynamik vonDilemmaaktionen wissen,

können die Aktivisten ihreAktionen so konstruieren,dass sie schwierige Dilemmasfür ihre Gegner darstellen unddie Gegner dazu bringen,minderwertigereEntscheidungen zu treffenoder ihre Bemühungen für dieVorbereitung mehrererReaktionsmöglichkeiten zuverschwenden.Innerhalb der BewegungFlotte der Freiheit gab esDiskussionen darüber, wiedas Dilemma von 2010 sogarnoch verstärkt werden könnte.Im folgenden Jahr plante dieKampagne, die Reise zuwiederholen, und 12 Schiffelagen bereit, um zum Gaza zufahren, 10 davon ausgriechischen Gewässern.viiWeitere Schiffe mitPassagieren aus noch mehrLändern wurden als Mittelausgewählt, den Druck zuerhöhen.Die israelische Regierungvermied jedoch eineWiederholung des 2010Szenarios, indem sie subtilereMethoden anwandte, um dieSchiffe anzuhalten. Siekultivierten Beziehungen zuder griechischen Regierungund starteten eineerfolgreiche diplomatischenOffensive, die daranresultierte, dass der UN­Generalsekretär, Ban Ki­moon, alle Regierungenaufrief, ihre Bürger zudrängen, nicht an einerzweiten Flotteteilzunehmen.viii Diegriechischen Behörden ließendie Schiffe nicht aus ihrenHäfen auslaufen; die Schiffe,die trotzdem versuchtenauszulaufen, wurden von dergriechischen Küstenwacheabgefangen.ix Zwei derSchiffe hatten ähnlicheSchiffsschraubenschäden,was den Verdachtaufkommen ließ, dass siedurch den israelischenGeheimdienst sabotiertwurden.x Die türkischenBehörden haben auch dieMavi Marmara darangehindert, die Türkei zuverlassen – trotz der Kritik dertürkischen Regierung an derBlockade des Gazas. Nur einSchiff, das in Frankreichablegte, wurde durchisraelischeKommandosoldaten betretenund es wurde niemandgetötet.xi Diese Vorfälle

verhinderten ein möglichesPR­Desaster für dieisraelische Regierung. Durchproaktives Lobbyingerledigten die israelischenBehörden das möglicheDilemma, bevor es sieerreichte. Sie brachten esfertig, daraus eineAngelegenheit vonErlaubnissen zum Auslaufenaus den Häfen zu machen.Bürokratische Hindernissesind weitaus wenigernachrichtenträchtig als einmilitärischer Angriff ininternationalen Gewässern.Der Versuch im Jahre 2011,die Blockade zu brechen,zeigt ganz klar, wie schwieriges ist, vorauszusehen, wasein Gegner im Angesichteines Dilemmas tun wird,wenn Aktionen undReaktionen keine Routinesind. Die Aktivisten hattensich auf viele unterschiedlicheReaktionen der israelischenRegierung vorbereitet, aberdie Möglichkeit solcherbürokratischer Hindernissenicht vorausgesehen. EinWeg, diese Hindernisse zuüberwinden, wäre dasAuslaufen der Schiffe ausanderen Häfen inunterschiedlichen Länderngewesen. Das hätte jedochdie organisatorischeHerausforderung dergemeinsamen Ankunft imGaza nur verstärkt. Es hätteeine Art des Etablierens desDilemmas für einen längerenZeitraum sein können undsomit den Druck erhöhen; eshätte aber auch leichter seinkönnen, die Schiffe mitGewalt separat zu stoppen,ohne das Mediendrama derersten Fahrt.Wir waren in der Lage,zusätzlich zu demKernmerkmal einerDilemmaaktion fünf häufig intatsächlichenDilemmaaktionen gefundenenFaktoren zu identifizieren, diedas Auswählen noch mehrerschweren. Zu Beginnvermuteten wir, dass einigedavon ein notwendiger Teileiner Dilemmaaktion seien,aber nachdem wir uns eineAnzahl von Fällen angesehenhaben, stellte sich heraus,dass sie das nicht sind.Trotzdem können dieseFaktoren zu dem Dilemmahinzugefügt werden: (1) dieAktion hat ein konstruktives,

positives Element; (2)Aktivisten wendenÜberraschung oderUnvorhersehbarkeit an; und(3) die primäre Wahl desGegners liegt inunterschiedlichen Domänen.Unterschiedliche Domänenbedeutet, dass dieKonsequenzen nicht leichtvergleichbar sind, z. B. wenneine Auswahl ideologischeKonsequenzen und eineandere politischeKonsequenzen hat.Dilemmaaktionen könnenauch einen Zeitablauferzeugen, der (4) dieMassenmedien aufmerksammacht, womit es denBehörden erschwert wird, siezu ignorieren und (5) anweitverbreitete Vorstellungenappelliert. Diese Faktorentragen dazu bei, dass dasDilemma schwerer "zu lösen"ist, aber sie sind nicht fürdessen Konstruktion wichtig.Regierungen und ihreVertreter, wie Polizei undGefängnisbeamte, sind oftdiejenigen, die gezwungensind, Dilemmas zubewältigen. Das ist jedochkein Kernmerkmal einerDilemmaaktion, da diese auchgegen private Unternehmen,z.B. Banken oderFinanzanstalten gerichtet seinkönnen.Stellan Vinthagen,gewaltfreier Gelehrter undAktivist und selbst an Borddes Schiffes nach Gaza imJahre 2012, hat geschrieben,dass zwei Aspekte der 2010­Flotte kombiniert wurden, umdiese zu einer machtvollerenDilemmaaktion zu machen, imVergleich zu früherenVersuchen, die Blockade zubrechen: (1) es war normalehumanitäre Unterstützung,nicht nur symbolischeMengen, und (2) die Lieferungper Schiff bedeutete, dass dieAktivisten zum Brechen derBlockade nicht von denisraelischen Behördenabhängig waren. Vinthagenschreibt: "Ein Schiff ist nicht"auf seinem Weg", um eineAktion durchzuführen. DieAbfahrt selbst markiert denBeginn der Aktion: den Angriffauf die Blockade. Die Aktionlief bereits einige Tage, bevorIsrael eine realistischeChance hatte, sie zustoppen."xiiNormalerweise ist die beste

Option für die Gegner, dieAktion zu stoppen, ohne dasses jemand merkt. DieStrategie der Aktivisten istdann, sie so publik zumachen wie möglich. Bei denFlotten der Freiheit erhöhtendie Organisatoren dieAufmerksamkeit, indem sieLeute aus unterschiedlichenLändern, einschließlichJournalisten, Autoren undParlamentarier, einbezog. AnLand kontrollierte dieisraelische Regierung denZugang zum Gaza. DieOrganisatoren der Flotte derFreiheit wählten deshalbbewußt das Meer als ihreArena. Sie konntenentscheiden, wann sieauslaufen wollten. Im Jahre2011 verloren sie jedoch denÜberraschungseffekt undwaren nicht in der Lage, dieArt der Reaktion durch dieisraelische Regierungvorauszusehen. DieErfahrung veränderte dieKalkulation der israelischenBehörden, und ihreVorbereitungen bedeuteten,dass sich die Bedingungenverändert hatten und dasDilemma nicht mehr dasgleiche war. Aktivistenmußten ihre Pläne undVorbereitungen ändern, umsicherzustellen, dass dasDilemma in einer anderenForm weiterbestand. Dass dieIsraelis hart daran arbeiteten,eine mögliche Wiederholungder Erfahrung aus 2010 zuverhindern, liefert einenweiteren Beweis dafür, dassdie Ereignisse im Jahre 2010auf die israelische Regierungzurückfiel.Es erschwert die Dilemmas,wenn der GegnerKonsequenzen ausunterschiedlichen Domänenvergleichen muß. Es kannschwierig sein, den Nutzeneiner zustimmenden Reaktionvon Unterstützern mitnegativer Rückmeldung voneiner anderen Zielgruppe zuvergleichen. Die israelischenBehörden mußten ihrSelbstbildnis, dass dasAufhalten einer Blockade denSchutz Israels bedeutete, mitdem entstandenen Aufschreivergleichen, als internationaleZielgruppen dies als Angriffauf humanitäre Hilfspersonenin international Gewässernsahen.Unvorhersehbarkeit war auch

Gewaltfreie Strategien für sozialen Wandel

Das Zerbrochene Gewehr Nr. 95, März 20136

Von den Rändern zumMainstream,von Igor SekeSchon immer war die Kampagne fürKriegsdienstverweigerung in Serbien dieSache einer kleinen Gruppe vonMenschen. In den 1990­er und frühen2000­er Jahren entwickelte sich dieBewegung am politischen und kulturellenRande der serbischen Gesellschaft.Es waren feministische Gruppen, die alserste nicht nur Militärdienstverweigerer,sondern auch Deserteure derJugoslawienkriege unterstützten.Zunächst engagierten sich Männerlediglich in einer Kampagne, die vor allemsie selbst (als Dienstverpflichtete) betraf,was durch Teilnahme an Aktionenfeministischer Gruppen, am Anfang durchWomen in Black, geschah. Dies war ihneneine große Hilfe, weil sich dieFeministinnen darüber im Klaren waren,was für eine Veränderung in derGesellschaft sie bewirken wollten; derAntimilitarismus gehörte dazu.Der soziopolitische Zusammenhang, indem wir während der Kampagne standen,bereitete uns Schwierigkeiten:Nationalismus, Militarismus, Homophobie,Intoleranz gegen religiöse Minderheitenetc., versetzten uns alle an den Rand. Wirhielten unseren Aktionsraum für sehreingeschränkt. Kriegsdienstverweigerungwurde gesehen als die Haltung von“Drogenabhängigen, Schwulen undSektenmitgliedern”, und Eltern warntenwirklich ihre Kinder davor. Als Antwort aufFragen nach Drogenabhängigen,Schwulen und Mitgliedern religiöserSekten erklärten wir immer, all diese seien

unter den Mitgliedern der Kampagne zufinden, genauso wie in der Armee und beider Polizei. Wir betonten, wir seien eineeinschließende, nicht eineausschließende Bewegung.Die Kampagne hatte ein sehr begrenztesZiel: Die Beendigung der Wehrpflicht inSerbien. Obwohl es keinen zivilenErsatzdienst gab, war unser Plan, einGesetz zu erhalten, das die Befreiung dergefangenen Kriegsdienstverweigererermöglichen sollte (2002 waren noch 10Zeugen Jehovahs im Gefängnis), und dasjungen Menschen erlauben würde, denKriegsdienst zu verweigern. Da wirwussten, wie wenig sich der Staat um denAlternativdienst kümmern würde, sahenwir genau wie die Regierung, dass jederVerweigerer ein Soldat weniger für dieArmee ist. Wir hofften, eine kritischeMasse von Verweigerern zu schaffen, diedie Aufrechterhaltung der Wehrpflichtverunmöglichen sollte.Aktionen auf der örtlichen Ebeneversuchten, die Kriegsdienstverweigerungzu entmystifizieren. In einer Gesellschaft,die das Unbekannte fürchtete, ist dereinzige Weg, etwas zu akzeptieren, eskennenzulernen. Wir brauchtenVerbündete und waren glücklich, einenJournalisten von einer unabhängigenZeitung zu finden, der an dieserAngelegenheit interessiert war. Da es einprovozierendes Thema war, folgtenandere Journalisten, und wir hatten allesMedieninteresse, das wir brauchten.Während einer Debatte im nationalenRadio Belgrad mit einem Chef des PR­Dienstes der serbischen Armee wurde ichgefragt: „Wie hat es die Kampagne für

Kriegsdienstverweigerung geschafft, dieMedien gegen die Armee zu gewinnen?“Wir waren mit niemandem im Krieg; eswar bloß die Macht der gut vorgestelltenArgumente gegen die militärische, aufAngst gegründete Propaganda, dieKriegsdienstverweigerung populärermachte als den Militärdienst.Um den politischen Druck zu erhöhen,hatten wir zwei Aktionslinien: einenationale und eine internationale. Auf dernationalen Ebene sammelten wir 30.000Unterschriften für das Gesetz überKriegsdienstverweigerung. DieUnterschriften wurden hauptsächlich aufden Straßen und in Universitätengesammelt. Das machte dieStudentenunion zu einer unsererwichtigsten Partner in der Kampagne. Aufinternationaler Ebene schafften wir es mitder Unterstützung der WRI, demEuropäischen Büro fürKriegsdienstverweigerung und AmnestyInternational, die Angelegenheit derKriegsdienstverweigerung oben auf dieTagesordnung der serbischen Regierungzu setzen.Dafür nutzten wir zwei konkrete Fälle:zwei erklärten Kriegsdienstverweigerernwurde ein unbewaffneter Militärdienstangeboten, und einer von beiden nahmihn an. Der andere (ich selbst) weigertesich, und damals tat das internationaleUnterstützungsnetzwerk das Beste, wases tun kann: Es gab über 500Protestbriefe aus der ganzen Welt, dieinnerhalb weniger Tage an die serbischeRegierung geschickt wurden. Sie musstenmich frei lassen. Ein Jahr späterbeschloss die Regierung ein Gesetz zurKriegsdienstverweigerung.

Von etwa 10.000 Personen, dieeinberufen wurden, erklärten 220 ihreKriegsdienstverweigerung und begannenam 22. Dezember 2003 ihrenAlternativdienst. 2006 war die Anzahl derKriegsdienstverweigerer höher als dieAnzahl derjenigen, die nicht verweigerten.Am 1. Januar 2011 beendete Serbien dieWehrpflicht, nannte das aber offiziell ein„Aussetzen“.2002, als wir ein Treffen mit einemVertreter des Europarates in Belgradhatten und sie nach ihrer Unterstützungdurch politischen Druck auf die serbischeRegierung fragten, sagte man unswörtlich: Kriegsdienstverweigerung inSerbien? Vielleicht 2010.“ Der letzte Tagdes Jahres 2010 war der letzte Tag derWehrpflicht.Mit dem Ende der Wehrpflicht starb dieKampagne. Der Antimilitarismus ist wiederan den Rändern der Gesellschaft.Vielleicht könnten wir mehr getan haben,um einen tiefen Wandel in derGesellschaft hervorzubringen, vielleichthaben wir diese Chance verpasst.Solange es noch Armeen auf dem Balkanund im Rest der Welt gibt, sollten wir nichtdasitzen und entspannen. Der Krieg gehtim Kopf vieler in der Region immer nochweiter, und eine starke antimilitaristischeKampagne ist eine politischeNotwendigkeit für das Wohl des Balkans.Kriegsdienstverweigerung ist einWerkzeug, kein Ziel,von BoroKitanoskiDie erste Gruppe ideologischerKriegsdienstverweigerer in Makedonienwurde Mitte der 90­er Jahre gegründetund kam aus einer alternativen Subkultur.Bis dahin war die kleine Gruppe derZeugen Jehovahs ein schweigenderMärtyrer des militärischenRekrutierungssystems. Ihre Mitgliederwurden regelmäßig verurteilt und insGefängnis gesteckt, und das wiederholt(eine Person wurde siebenmal verurteilt).Aber in der Öffentlichkeit gab esvollständiges Schweigen über dieAngelegenheit. Manchmal wurde sie als

Teil der Diskriminierung gegen eine kleinereligiöse Minderheit angesehen und galtals nicht überraschend. Makedoniensagte sich in den frühen 90­er Jahrenfriedlich von Jugoslawien los (und war dereinzige Staat, der ohne Krieg seineUnabhängigkeit erreichte) und hatte eineinternational akzeptierte Aura eineskleinen friedliebenden Landes in einemsehr unruhigen Balkan der 90­er Jahr. InWirklichkeit war es eine höchstbeunruhigte Gesellschaft, die gerade auseiner großen Föderation ausgestiegenwar, ein kleines Heer hatte, aber den altenjugoslawischen Militärgeist bewahrte. Dashatte leider seinen tragischen Höhepunktim Kriegskonflikt von 2001.Wir waren eine sehr, sehr junge Gruppevon Freunden, die bloß nicht zur Armeegehen wollte. Das war der fundamentalegemeinsame Grund, aber wir hatten auchvon allem Anfang an einenantimilitaristischen Ansatz.Kriegsdienstverweigerung war für uns einWerkzeug, nicht ein Ziel. Wir weigertenuns, die Sache nur aus der Perspektiveder Menschenrechte zu sehen oder dieSache in den Rahmen der europäischenIntegration zu stecken und auf kommendeReformen zu warten: Wir definierten sieimmer als Teil des globalenantimilitaristischen Kampfes.Nun da ich zurückblicke, wird mir deutlich,dass wir die größten Fortschritte auf derEbene der Menschenrechte gemachthaben, aber zur selben Zeit wären wirniemals dorthin gelangt, wenn wir nichtdas Fernziel und die Identität unseresKampfes gehabt hätten. Die Öffentlichkeitignorierte die Angelegenheit, bis die Leuteauf der Straße zu sehen waren. Flucht vorder Rekrutierung fand immer statt, ineinem Ausmaß von 20 – 30 %. Nuntrugen Regionalkriege,Systemzusammenbrüche und Räubereienwährend der Privatisierung alle zu einerallgemeinen Ablehnung des Militärischenbei, und wir wussten das. Das Problemwar, Leute zu ermächtigen und sie in dieöffentliche Sphäre zu bringen.Es ist seltsam, aber die erste Erwähnung

von Kriegsdienstverweigerung imVerteidigungsgesetz war 2001, obwohldie ersten Ideen über die Abschaffung derWehrpflicht für 2010 oder 2012 angesetztwurden. Zivildienst wurde 2003begonnen, mit ein paarKriegsdienstverweigerern, die ihnleisteten. Die Regierung übte alle Artenvon Druck auf Kriegsdienstverweigereraus: Man weigerte sich, Erklärungenanzunehmen, es gab sehr wechselhafteZugänge zum Gesetz, Verfolgungen,verschiedene Behandlungen für ethnischeMakedonier und ethnische Albaner –alles, was einem so einfällt. Wirantworteten dadurch, dass wir in denmeisten großen Städten aktiv waren undKriegsdienstverweigerern Unterstützunganboten, indem wir ihre Weigerung andas Verteidigungsministeriumweiterleiteten.Eine Regierungsstudie behauptete, esgebe nicht mehr als 15Kriegsdienstverweigerer. In Wirklichkeitwaren es 2004 eintausend, und dieseZahl stieg an. Wir vertrauten auf diemangelnde Beliebtheit desMilitärdienstes, und nutzten das. Wirzählten auf zwei Dinge: Die Dickköpfigkeiteines Militärs, das nicht aufhören würde,Unterdrückungsmaßnahmen auszuüben,und dass eine wachsende Anzahl vonKriegsdienstverweigerern (ob sie einenalternativen Dienst leisteten oder nicht)am Ende das System von Militär­ undAlternativdienst dazu bringen würde, sichselbst zu zerstören. Das geschah. In denfolgenden 2 Jahren wuchs die Anzahl derKriegsdienstverweigerer, und 2006 warenes mehr Kriegsdienstverweigerer alsWehrdienstleistende, die den Militärdienstakzeptierten. Im März 2006 erklärte dieRegierung schließlich das Ende derKriegsdienstverweigerung zu einemschon vorher geplanten Weg underwähnte die Anzahl derKriegsdienstverweigerer (die unser Geldverschleudern und nicht zu unsererVerteidigung beitragen) als einen kleinenTeil der Entscheidung.

KriegsdienstverweigerungalsStrategieEs mag wohl sein, dass die Kriegsdienstverweigerung eher als ein moralisches Gebot denn als eine Strategie betrachtet wird. InLändern, wo es noch Wehrpflicht gibt, zeigen sich unterschiedliche Vermeidungsstategien und Verzögerungstaktiken. EinigeMenschen bekommen eine Entlassung aus medizinischen Gründen. Andere fliehen, emigrieren, wählen einen Beruf, der sie von derEinberufung befreit oder bestechen die Behörden.Die Entscheidung, sich öffentlich als Kriegsdienstverweigerer zu erklären und in manchen Fällen sich der darauf folgenden Verfolgungzu stellen, kann eine bewusst aufgegriffene politische Strategie sein, die oft auf antimilitaristischen Prinzipien basiert. Manchmal wirddie Entscheidung von Einzelpersonen getroffen. Oft entscheidet sich eine Gruppe von Gleichgesinnten, die sich zusammenengagieren. Wir haben Boro Kitanoski und Igor Seke ­ Kriegsdienstverweigerern aus Mazedonien bzw. Serbien ­ die Frage gestellt,welche Schritte ihre Bewegungen machten, nachdem sie diese Entscheidung getroffen hatten.

ein Faktor, der den Vergleich der Möglichkeiten behinderte. Weder die Israelis noch die Flotte der Freiheit konnte einfach vorhersagenoder kontrollieren, wie die türkische Regierung oder die Leute reagieren und welche langfristigen Konsequenzen daraus resultierenwürden.Die Zeitplanung ist ein weiterer Aspekt von durch die Flotte der Freiheit betonten Dilemmaaktionen. Die israelischen Behörden mußtennicht nur zwischen unvergleichbaren Bereichen wählen, sondern auch kurz­, mittel­ und langfristige Konsequenzen bedenken. Waskurzfristig als gute Lösung erscheint, kann sich langfristig als Rückschlag herausstellen.Dilemmaaktionen sind eine Art von Aktionen, bei denen Gegner zwischen zwei oder mehreren möglichen Reaktionen wählen müssen,wovon jede beachtliche negative Aspekte hat; die Möglichkeiten sind nicht leicht vergleichbar und das ist der springende Punkt desDilemmas. Für Aktivisten können Dilemmas attraktiv erscheinen, da sie die Aussicht auf Erfolg anzubieten scheinen, gleich was derGegner tut. Trotzdem sollten Aktivisten nicht davon besessen sein, Dilemmas zu erzeugen. Obgleich sie ein paar Gelegenheitenbieten, ist das Schaffen von Dilemmas für den Gegner nicht notwendig, damit gewaltfreie Aktionen in den Augen ihrer Organisatorenund Unterstützer erfolgreich sind.Majken Jul Sørensen

Gewaltfreie Strategien für sozialen Wandel

Das Zerbrochene Gewehr Nr. 95, März 2013 7

Von den Rändern zumMainstream,von Igor SekeSchon immer war die Kampagne fürKriegsdienstverweigerung in Serbien dieSache einer kleinen Gruppe vonMenschen. In den 1990­er und frühen2000­er Jahren entwickelte sich dieBewegung am politischen und kulturellenRande der serbischen Gesellschaft.Es waren feministische Gruppen, die alserste nicht nur Militärdienstverweigerer,sondern auch Deserteure derJugoslawienkriege unterstützten.Zunächst engagierten sich Männerlediglich in einer Kampagne, die vor allemsie selbst (als Dienstverpflichtete) betraf,was durch Teilnahme an Aktionenfeministischer Gruppen, am Anfang durchWomen in Black, geschah. Dies war ihneneine große Hilfe, weil sich dieFeministinnen darüber im Klaren waren,was für eine Veränderung in derGesellschaft sie bewirken wollten; derAntimilitarismus gehörte dazu.Der soziopolitische Zusammenhang, indem wir während der Kampagne standen,bereitete uns Schwierigkeiten:Nationalismus, Militarismus, Homophobie,Intoleranz gegen religiöse Minderheitenetc., versetzten uns alle an den Rand. Wirhielten unseren Aktionsraum für sehreingeschränkt. Kriegsdienstverweigerungwurde gesehen als die Haltung von“Drogenabhängigen, Schwulen undSektenmitgliedern”, und Eltern warntenwirklich ihre Kinder davor. Als Antwort aufFragen nach Drogenabhängigen,Schwulen und Mitgliedern religiöserSekten erklärten wir immer, all diese seien

unter den Mitgliedern der Kampagne zufinden, genauso wie in der Armee und beider Polizei. Wir betonten, wir seien eineeinschließende, nicht eineausschließende Bewegung.Die Kampagne hatte ein sehr begrenztesZiel: Die Beendigung der Wehrpflicht inSerbien. Obwohl es keinen zivilenErsatzdienst gab, war unser Plan, einGesetz zu erhalten, das die Befreiung dergefangenen Kriegsdienstverweigererermöglichen sollte (2002 waren noch 10Zeugen Jehovahs im Gefängnis), und dasjungen Menschen erlauben würde, denKriegsdienst zu verweigern. Da wirwussten, wie wenig sich der Staat um denAlternativdienst kümmern würde, sahenwir genau wie die Regierung, dass jederVerweigerer ein Soldat weniger für dieArmee ist. Wir hofften, eine kritischeMasse von Verweigerern zu schaffen, diedie Aufrechterhaltung der Wehrpflichtverunmöglichen sollte.Aktionen auf der örtlichen Ebeneversuchten, die Kriegsdienstverweigerungzu entmystifizieren. In einer Gesellschaft,die das Unbekannte fürchtete, ist dereinzige Weg, etwas zu akzeptieren, eskennenzulernen. Wir brauchtenVerbündete und waren glücklich, einenJournalisten von einer unabhängigenZeitung zu finden, der an dieserAngelegenheit interessiert war. Da es einprovozierendes Thema war, folgtenandere Journalisten, und wir hatten allesMedieninteresse, das wir brauchten.Während einer Debatte im nationalenRadio Belgrad mit einem Chef des PR­Dienstes der serbischen Armee wurde ichgefragt: „Wie hat es die Kampagne für

Kriegsdienstverweigerung geschafft, dieMedien gegen die Armee zu gewinnen?“Wir waren mit niemandem im Krieg; eswar bloß die Macht der gut vorgestelltenArgumente gegen die militärische, aufAngst gegründete Propaganda, dieKriegsdienstverweigerung populärermachte als den Militärdienst.Um den politischen Druck zu erhöhen,hatten wir zwei Aktionslinien: einenationale und eine internationale. Auf dernationalen Ebene sammelten wir 30.000Unterschriften für das Gesetz überKriegsdienstverweigerung. DieUnterschriften wurden hauptsächlich aufden Straßen und in Universitätengesammelt. Das machte dieStudentenunion zu einer unsererwichtigsten Partner in der Kampagne. Aufinternationaler Ebene schafften wir es mitder Unterstützung der WRI, demEuropäischen Büro fürKriegsdienstverweigerung und AmnestyInternational, die Angelegenheit derKriegsdienstverweigerung oben auf dieTagesordnung der serbischen Regierungzu setzen.Dafür nutzten wir zwei konkrete Fälle:zwei erklärten Kriegsdienstverweigerernwurde ein unbewaffneter Militärdienstangeboten, und einer von beiden nahmihn an. Der andere (ich selbst) weigertesich, und damals tat das internationaleUnterstützungsnetzwerk das Beste, wases tun kann: Es gab über 500Protestbriefe aus der ganzen Welt, dieinnerhalb weniger Tage an die serbischeRegierung geschickt wurden. Sie musstenmich frei lassen. Ein Jahr späterbeschloss die Regierung ein Gesetz zurKriegsdienstverweigerung.

Von etwa 10.000 Personen, dieeinberufen wurden, erklärten 220 ihreKriegsdienstverweigerung und begannenam 22. Dezember 2003 ihrenAlternativdienst. 2006 war die Anzahl derKriegsdienstverweigerer höher als dieAnzahl derjenigen, die nicht verweigerten.Am 1. Januar 2011 beendete Serbien dieWehrpflicht, nannte das aber offiziell ein„Aussetzen“.2002, als wir ein Treffen mit einemVertreter des Europarates in Belgradhatten und sie nach ihrer Unterstützungdurch politischen Druck auf die serbischeRegierung fragten, sagte man unswörtlich: Kriegsdienstverweigerung inSerbien? Vielleicht 2010.“ Der letzte Tagdes Jahres 2010 war der letzte Tag derWehrpflicht.Mit dem Ende der Wehrpflicht starb dieKampagne. Der Antimilitarismus ist wiederan den Rändern der Gesellschaft.Vielleicht könnten wir mehr getan haben,um einen tiefen Wandel in derGesellschaft hervorzubringen, vielleichthaben wir diese Chance verpasst.Solange es noch Armeen auf dem Balkanund im Rest der Welt gibt, sollten wir nichtdasitzen und entspannen. Der Krieg gehtim Kopf vieler in der Region immer nochweiter, und eine starke antimilitaristischeKampagne ist eine politischeNotwendigkeit für das Wohl des Balkans.Kriegsdienstverweigerung ist einWerkzeug, kein Ziel,von BoroKitanoskiDie erste Gruppe ideologischerKriegsdienstverweigerer in Makedonienwurde Mitte der 90­er Jahre gegründetund kam aus einer alternativen Subkultur.Bis dahin war die kleine Gruppe derZeugen Jehovahs ein schweigenderMärtyrer des militärischenRekrutierungssystems. Ihre Mitgliederwurden regelmäßig verurteilt und insGefängnis gesteckt, und das wiederholt(eine Person wurde siebenmal verurteilt).Aber in der Öffentlichkeit gab esvollständiges Schweigen über dieAngelegenheit. Manchmal wurde sie als

Teil der Diskriminierung gegen eine kleinereligiöse Minderheit angesehen und galtals nicht überraschend. Makedoniensagte sich in den frühen 90­er Jahrenfriedlich von Jugoslawien los (und war dereinzige Staat, der ohne Krieg seineUnabhängigkeit erreichte) und hatte eineinternational akzeptierte Aura eineskleinen friedliebenden Landes in einemsehr unruhigen Balkan der 90­er Jahr. InWirklichkeit war es eine höchstbeunruhigte Gesellschaft, die gerade auseiner großen Föderation ausgestiegenwar, ein kleines Heer hatte, aber den altenjugoslawischen Militärgeist bewahrte. Dashatte leider seinen tragischen Höhepunktim Kriegskonflikt von 2001.Wir waren eine sehr, sehr junge Gruppevon Freunden, die bloß nicht zur Armeegehen wollte. Das war der fundamentalegemeinsame Grund, aber wir hatten auchvon allem Anfang an einenantimilitaristischen Ansatz.Kriegsdienstverweigerung war für uns einWerkzeug, nicht ein Ziel. Wir weigertenuns, die Sache nur aus der Perspektiveder Menschenrechte zu sehen oder dieSache in den Rahmen der europäischenIntegration zu stecken und auf kommendeReformen zu warten: Wir definierten sieimmer als Teil des globalenantimilitaristischen Kampfes.Nun da ich zurückblicke, wird mir deutlich,dass wir die größten Fortschritte auf derEbene der Menschenrechte gemachthaben, aber zur selben Zeit wären wirniemals dorthin gelangt, wenn wir nichtdas Fernziel und die Identität unseresKampfes gehabt hätten. Die Öffentlichkeitignorierte die Angelegenheit, bis die Leuteauf der Straße zu sehen waren. Flucht vorder Rekrutierung fand immer statt, ineinem Ausmaß von 20 – 30 %. Nuntrugen Regionalkriege,Systemzusammenbrüche und Räubereienwährend der Privatisierung alle zu einerallgemeinen Ablehnung des Militärischenbei, und wir wussten das. Das Problemwar, Leute zu ermächtigen und sie in dieöffentliche Sphäre zu bringen.Es ist seltsam, aber die erste Erwähnung

von Kriegsdienstverweigerung imVerteidigungsgesetz war 2001, obwohldie ersten Ideen über die Abschaffung derWehrpflicht für 2010 oder 2012 angesetztwurden. Zivildienst wurde 2003begonnen, mit ein paarKriegsdienstverweigerern, die ihnleisteten. Die Regierung übte alle Artenvon Druck auf Kriegsdienstverweigereraus: Man weigerte sich, Erklärungenanzunehmen, es gab sehr wechselhafteZugänge zum Gesetz, Verfolgungen,verschiedene Behandlungen für ethnischeMakedonier und ethnische Albaner –alles, was einem so einfällt. Wirantworteten dadurch, dass wir in denmeisten großen Städten aktiv waren undKriegsdienstverweigerern Unterstützunganboten, indem wir ihre Weigerung andas Verteidigungsministeriumweiterleiteten.Eine Regierungsstudie behauptete, esgebe nicht mehr als 15Kriegsdienstverweigerer. In Wirklichkeitwaren es 2004 eintausend, und dieseZahl stieg an. Wir vertrauten auf diemangelnde Beliebtheit desMilitärdienstes, und nutzten das. Wirzählten auf zwei Dinge: Die Dickköpfigkeiteines Militärs, das nicht aufhören würde,Unterdrückungsmaßnahmen auszuüben,und dass eine wachsende Anzahl vonKriegsdienstverweigerern (ob sie einenalternativen Dienst leisteten oder nicht)am Ende das System von Militär­ undAlternativdienst dazu bringen würde, sichselbst zu zerstören. Das geschah. In denfolgenden 2 Jahren wuchs die Anzahl derKriegsdienstverweigerer, und 2006 warenes mehr Kriegsdienstverweigerer alsWehrdienstleistende, die den Militärdienstakzeptierten. Im März 2006 erklärte dieRegierung schließlich das Ende derKriegsdienstverweigerung zu einemschon vorher geplanten Weg underwähnte die Anzahl derKriegsdienstverweigerer (die unser Geldverschleudern und nicht zu unsererVerteidigung beitragen) als einen kleinenTeil der Entscheidung.

ein Faktor, der den Vergleich der Möglichkeiten behinderte. Weder die Israelis noch die Flotte der Freiheit konnte einfach vorhersagenoder kontrollieren, wie die türkische Regierung oder die Leute reagieren und welche langfristigen Konsequenzen daraus resultierenwürden.Die Zeitplanung ist ein weiterer Aspekt von durch die Flotte der Freiheit betonten Dilemmaaktionen. Die israelischen Behörden mußtennicht nur zwischen unvergleichbaren Bereichen wählen, sondern auch kurz­, mittel­ und langfristige Konsequenzen bedenken. Waskurzfristig als gute Lösung erscheint, kann sich langfristig als Rückschlag herausstellen.Dilemmaaktionen sind eine Art von Aktionen, bei denen Gegner zwischen zwei oder mehreren möglichen Reaktionen wählen müssen,wovon jede beachtliche negative Aspekte hat; die Möglichkeiten sind nicht leicht vergleichbar und das ist der springende Punkt desDilemmas. Für Aktivisten können Dilemmas attraktiv erscheinen, da sie die Aussicht auf Erfolg anzubieten scheinen, gleich was derGegner tut. Trotzdem sollten Aktivisten nicht davon besessen sein, Dilemmas zu erzeugen. Obgleich sie ein paar Gelegenheitenbieten, ist das Schaffen von Dilemmas für den Gegner nicht notwendig, damit gewaltfreie Aktionen in den Augen ihrer Organisatorenund Unterstützer erfolgreich sind.Majken Jul Sørensen

Gewaltfreie Strategien für sozialen Wandel

Das Zerbrochene Gewehr Nr. 95, März 20138

Außenstehend?Dazugehörig?EinTerrain,dasinderFreiheitsbewegungvonWestpapuavonsolidarischenPädagogig_innenausgehandeltwirdIn einem neueren Artikel(Rayfield and Morello 2012)rangen ein Kollege, nämlichRennie Morello und ich, mitunseren Outsider­Insider­Identitäten, als wir eingewaltfreies Training und eineFortbildung mit und fürAktivist_innen von West­Papua anboten, die sich nachFreiheit sehnen. Wirschrieben:In mancher Hinsicht könntenwir uns einmal alsAußenstehende identifizieren,die der BewegungUnterstützung „in Solidarität“anbieten. Aber mit der Zeit hatdie Bewegung Probleme füruns und unsere Identitäten alsAußenstehende oderZugehörige hervorgerufen. Wirarbeiten in Solidarität mitpapuanischen Aktivist_innenin ihrem Kampf fürSelbstbestimmung, aber sindnicht aus Papua. In dieserHinsicht sind wir kulturelleOutsider. Noch wichtiger:während wir versuchen, dieRisiken und Kosten der Arbeitfür Frieden und Gerechtigkeitin West­Papua zu teilen,werden wir niemals denselbenPreis zahlen wie papuanischeAktivist_innen. In dieserHinsicht sind wir politischeOutsider. Damit verbunden istunser Bekenntnis zurNichteinmischung –papuanische Aktivist_innenmüssen selbst diestrategische Ausrichtung unddie taktischen Entscheidungender Bewegung bestimmen. Indieser Hinsicht sind wirBewegungs­Outsider.Aber das ist nicht die ganzeGeschichte. Wir haben einemoralische und politischeVerantwortung, papuanischeBestrebungen nachSelbstbestimmung zuunterstützen. Unsere eigeneRegierung, Unternehmen undBürger_innen helfen, dieBesetzung zu ermöglichenund profitieren politisch undwirtschaftlich davon. Daherhaben wir die Verantwortung,diese Situation zu verändern.

In dieser Hinsicht sind wirBewegungs­Insider.Rennie ist ein/­e sizilianische/­r Australier/­in mit kornischemund Maori­Erbe und ich (Alex)bin ein/­e weiße/­r Australier/­in englischer, schottischer undpolnischer Herkunft. Wirwurden in das globale Privileghinein geboren und leben imglobalen Norden. 2011 trafenwir eineN anderen „Outsider/­in“, einem/r engagiertenPädagogen/in und Gelehrtenaus den USA. DasModerations­Team umfassteinige Pädagogen/innen ausWest­Papua – Papuaner/­innen, die in der Diaspora, inWest­Papua oder Indonesienleben und Papuaner/­innenaus Papua­Neuguinea. UnserWunsch ist es, die Effektivitätvon Engagierten aus Papuazu vergrößern, indem wir dasWachstum eines sich selbsterhaltenden und durchPapuaner geleitetenNetzwerks vonBewegungsmoderator/­innenstärken. Wir tun dies, indemwir auf Anfrage vonpapuanischen EngagiertenTraining und Ausbildung mitden Themen zivilerWiderstand, Strategie,Bewegungsaufbau,Durchhaltevermögenangesichts von Repression,Kommunikation vonKampagnen und Training vonPädagogen anbieten. Wirfühlen uns dem Ziel vonFreiheit (breit definiert) fürWest­Papua verbunden – einemelanesische Nation imWartestand, diedurch dasindonesische Militär besetzt istEs gibt Spannungen, die beider Ausübung von Solidaritätmit einem indigen geführtenKampf für Selbstbestimmungdurch eine/­n zeitweilige/­nbzw. ständige/­n „Outsider/­in“,der/die anders als indigen ist,entstehen. Ich sage „zeitweiligbzw. ständig“, da ich trotzmeiner Einschätzung als„Insider­in“ meinen „Outsider/­innen“Status niemalsvollständig leugnen kann. Mit

Ausbildung von Engagiertenmeine ich „Ausbildung, diedurch und mit Engagiertengeleitet wird, offen an denProzessen der Erzeugung vonVeränderungen interessiert istund Ausbildung einsetzt, uman Gerechtigkeit orientiertensozialen Wandel zu schaffen.“(La Rocca and Whelan 2005).Vier Dinge haben unsereAusbildung für Engagierte in„Ausbildung in Solidarität“verwandelt:• Unsere in die Bewegungeingebetteten Beziehungen: Ingewisser Hinsicht sind wir einTeil der Bewegung geworden,mit der wir arbeiten. Wie dieEngagierten aus Papua, mitdenen wir arbeiten, sind wirleidenschaftlich fürEntkolonisierung undSelbstbestimmung, wie auchdie indigenen Kolleg_innen,mit denen wir arbeiten.• Die komplexe und sichverlagernde Insider­Outsider­Beziehung appelliert an diesolidarische Qualität beimAusbildungsprojekt fürEngagierte, das wirübernehmen. AlsModerator_innen, die nichtpapuanisch sind, werden wirnie unseren Outsider­Statusoder den Rang und dasPrivileg ablegen, das unsschützt und unsere Arbeitermöglicht. Gleichzeitig sindwir darauf festgelegt, dieRisiken und Kosten dieserArbeit in Solidarität mitunseren papuanischenKolleg_innen zu teilen.• Der Wunsch sicherzustellen,dass unsere Bildungs­ undTrainingsarbeit papuanischenEngagierten dabei hilft, sozialeVeränderungen zu erreichen,wie sie sie definieren, und inunseren Ländern die Initiativezu ergreifen, um die Art zuverändern, in der unsereeigenen Länder bei derAufrechterhaltung derBesetzung helfen.• Ein Schwerpunkt liegt aufdem Aufbau strategischerKapazitäten der papuanischenFreiheitsbewegung durch dieStärkung der Fähigkeit

verschiedener papuanischerpolitischer und kulturellerGruppen, effektivzusammenzuarbeiten, indemwir den Zugang zusituationsangemessenemWissen vermehren und eineVerpflichtung auf andauerndesLernen und Reflexionkultivieren.Das „Insider­/Outsider“­Terrainauszuhandeln ist kompliziert.Wenn ich diese Reisesolidarischer Bildungunternehme, helfen mir fünfSchlüsselprinzipien:Selbstbestimmung,Verantwortung, gewaltfreiesHandeln, Nichtparteinahmeund Nichteinmischung. Diesedienen als Navigationshilfen,um das schwierige „Insider­/Outsider“­Terrain in derpapuanischen Freiheits­bewegung auszuhandeln.Selbstbestimmung: Imspezifischen Fall des west­papuanischen Kampfes fürFreiheit ist es wichtig, dass„Outsider_innen“ wie ich sichkontinuierlich bewusstmachen, dassPapuaner_innen bereits dieFührerschaft bei der Initiativefür Veränderung übernehmen.In der solidarischenBildungsarbeit, die meineKolleg_innen und ich leisten,existiert Selbstbestimmung alsIdeal, Prozess und Ergebnis.Sie ist die Wurzel alleranderen Rechte und mussunsere Trainings­ undBildungsarbeit beleben. Alsein Ideal bezieht sichSelbstbestimmung auf dieRealisierung konkreterBestrebungen indigenerBevölkerungen, die innerhalbdefinierter kultureller,sprachlicher undgeographischer Territorienleben, und die Fähigkeitdieser Bevölkerungen undGruppen, voll an den ihrLeben betreffendenEntscheidungen teilzuhaben.Dies schließt die Leitung dessolidarischen Bildungsprojektsein. Als Prozess bezieht sichSelbstbestimmung auf die

Gewaltfreie Strategien für sozialen Wandel

Das Zerbrochene Gewehr Nr. 95, März 2013 9

In einem neueren Artikel(Rayfield and Morello 2012)rangen ein Kollege, nämlichRennie Morello und ich, mitunseren Outsider­Insider­Identitäten, als wir eingewaltfreies Training und eineFortbildung mit und fürAktivist_innen von West­Papua anboten, die sich nachFreiheit sehnen. Wirschrieben:In mancher Hinsicht könntenwir uns einmal alsAußenstehende identifizieren,die der BewegungUnterstützung „in Solidarität“anbieten. Aber mit der Zeit hatdie Bewegung Probleme füruns und unsere Identitäten alsAußenstehende oderZugehörige hervorgerufen. Wirarbeiten in Solidarität mitpapuanischen Aktivist_innenin ihrem Kampf fürSelbstbestimmung, aber sindnicht aus Papua. In dieserHinsicht sind wir kulturelleOutsider. Noch wichtiger:während wir versuchen, dieRisiken und Kosten der Arbeitfür Frieden und Gerechtigkeitin West­Papua zu teilen,werden wir niemals denselbenPreis zahlen wie papuanischeAktivist_innen. In dieserHinsicht sind wir politischeOutsider. Damit verbunden istunser Bekenntnis zurNichteinmischung –papuanische Aktivist_innenmüssen selbst diestrategische Ausrichtung unddie taktischen Entscheidungender Bewegung bestimmen. Indieser Hinsicht sind wirBewegungs­Outsider.Aber das ist nicht die ganzeGeschichte. Wir haben einemoralische und politischeVerantwortung, papuanischeBestrebungen nachSelbstbestimmung zuunterstützen. Unsere eigeneRegierung, Unternehmen undBürger_innen helfen, dieBesetzung zu ermöglichenund profitieren politisch undwirtschaftlich davon. Daherhaben wir die Verantwortung,diese Situation zu verändern.

In dieser Hinsicht sind wirBewegungs­Insider.Rennie ist ein/­e sizilianische/­r Australier/­in mit kornischemund Maori­Erbe und ich (Alex)bin ein/­e weiße/­r Australier/­in englischer, schottischer undpolnischer Herkunft. Wirwurden in das globale Privileghinein geboren und leben imglobalen Norden. 2011 trafenwir eineN anderen „Outsider/­in“, einem/r engagiertenPädagogen/in und Gelehrtenaus den USA. DasModerations­Team umfassteinige Pädagogen/innen ausWest­Papua – Papuaner/­innen, die in der Diaspora, inWest­Papua oder Indonesienleben und Papuaner/­innenaus Papua­Neuguinea. UnserWunsch ist es, die Effektivitätvon Engagierten aus Papuazu vergrößern, indem wir dasWachstum eines sich selbsterhaltenden und durchPapuaner geleitetenNetzwerks vonBewegungsmoderator/­innenstärken. Wir tun dies, indemwir auf Anfrage vonpapuanischen EngagiertenTraining und Ausbildung mitden Themen zivilerWiderstand, Strategie,Bewegungsaufbau,Durchhaltevermögenangesichts von Repression,Kommunikation vonKampagnen und Training vonPädagogen anbieten. Wirfühlen uns dem Ziel vonFreiheit (breit definiert) fürWest­Papua verbunden – einemelanesische Nation imWartestand, diedurch dasindonesische Militär besetzt istEs gibt Spannungen, die beider Ausübung von Solidaritätmit einem indigen geführtenKampf für Selbstbestimmungdurch eine/­n zeitweilige/­nbzw. ständige/­n „Outsider/­in“,der/die anders als indigen ist,entstehen. Ich sage „zeitweiligbzw. ständig“, da ich trotzmeiner Einschätzung als„Insider­in“ meinen „Outsider/­innen“Status niemalsvollständig leugnen kann. Mit

Ausbildung von Engagiertenmeine ich „Ausbildung, diedurch und mit Engagiertengeleitet wird, offen an denProzessen der Erzeugung vonVeränderungen interessiert istund Ausbildung einsetzt, uman Gerechtigkeit orientiertensozialen Wandel zu schaffen.“(La Rocca and Whelan 2005).Vier Dinge haben unsereAusbildung für Engagierte in„Ausbildung in Solidarität“verwandelt:• Unsere in die Bewegungeingebetteten Beziehungen: Ingewisser Hinsicht sind wir einTeil der Bewegung geworden,mit der wir arbeiten. Wie dieEngagierten aus Papua, mitdenen wir arbeiten, sind wirleidenschaftlich fürEntkolonisierung undSelbstbestimmung, wie auchdie indigenen Kolleg_innen,mit denen wir arbeiten.• Die komplexe und sichverlagernde Insider­Outsider­Beziehung appelliert an diesolidarische Qualität beimAusbildungsprojekt fürEngagierte, das wirübernehmen. AlsModerator_innen, die nichtpapuanisch sind, werden wirnie unseren Outsider­Statusoder den Rang und dasPrivileg ablegen, das unsschützt und unsere Arbeitermöglicht. Gleichzeitig sindwir darauf festgelegt, dieRisiken und Kosten dieserArbeit in Solidarität mitunseren papuanischenKolleg_innen zu teilen.• Der Wunsch sicherzustellen,dass unsere Bildungs­ undTrainingsarbeit papuanischenEngagierten dabei hilft, sozialeVeränderungen zu erreichen,wie sie sie definieren, und inunseren Ländern die Initiativezu ergreifen, um die Art zuverändern, in der unsereeigenen Länder bei derAufrechterhaltung derBesetzung helfen.• Ein Schwerpunkt liegt aufdem Aufbau strategischerKapazitäten der papuanischenFreiheitsbewegung durch dieStärkung der Fähigkeit

verschiedener papuanischerpolitischer und kulturellerGruppen, effektivzusammenzuarbeiten, indemwir den Zugang zusituationsangemessenemWissen vermehren und eineVerpflichtung auf andauerndesLernen und Reflexionkultivieren.Das „Insider­/Outsider“­Terrainauszuhandeln ist kompliziert.Wenn ich diese Reisesolidarischer Bildungunternehme, helfen mir fünfSchlüsselprinzipien:Selbstbestimmung,Verantwortung, gewaltfreiesHandeln, Nichtparteinahmeund Nichteinmischung. Diesedienen als Navigationshilfen,um das schwierige „Insider­/Outsider“­Terrain in derpapuanischen Freiheits­bewegung auszuhandeln.Selbstbestimmung: Imspezifischen Fall des west­papuanischen Kampfes fürFreiheit ist es wichtig, dass„Outsider_innen“ wie ich sichkontinuierlich bewusstmachen, dassPapuaner_innen bereits dieFührerschaft bei der Initiativefür Veränderung übernehmen.In der solidarischenBildungsarbeit, die meineKolleg_innen und ich leisten,existiert Selbstbestimmung alsIdeal, Prozess und Ergebnis.Sie ist die Wurzel alleranderen Rechte und mussunsere Trainings­ undBildungsarbeit beleben. Alsein Ideal bezieht sichSelbstbestimmung auf dieRealisierung konkreterBestrebungen indigenerBevölkerungen, die innerhalbdefinierter kultureller,sprachlicher undgeographischer Territorienleben, und die Fähigkeitdieser Bevölkerungen undGruppen, voll an den ihrLeben betreffendenEntscheidungen teilzuhaben.Dies schließt die Leitung dessolidarischen Bildungsprojektsein. Als Prozess bezieht sichSelbstbestimmung auf die

schwierige, bestrittene undlaufende Praxis, Wünschenach politischen,ökonomischen, sozialen undkulturellen Rechtenabzusichern,aufrechtzuerhalten und zuerfüllen, nach Rechten, die dieFähigkeiten derBevölkerungen und Gruppenzur Bestimmung ihrer eigenenZukunft betreffen. Ausbildungzur Solidarität verhilft dazu,indem Raum, Fähigkeiten undKenntnisse fürPapuaner_innen zurVerfügung gestellt werden, umzu erforschen, wie sie dievielfältigen Bedeutungen vonSelbstbestimmungverwirklichen können. Als einErgebnis bezieht sichSelbstbestimmung auf dieForderung eines Rechts aufSelbstregierung innerhalb derGrenzen des vorgegebenenTerritoriums. Viele West­Papuaner_innenargumentieren damit, dassdies ein Referendum über denpolitischen Status West­Papuas erfordere. Jedochkönnen örtlich begrenzteForderungen nachSelbstbestimmung auchübersetzt werden alsForderungen nach größererVerwaltungs­ undGesetzeskraft, nach örtlicherindigener Bestimmung überLand und Rohstoffe, nach derFähigkeit,Entwicklungshandeln zudefinieren und zu leiten,eingeschlossen das Recht„nein zur Entwicklung“ zusagen (und das Recht „ja“ zusagen) und die Freiheit,ausgeprägte kulturelle undreligiöse Identitäten undRegierungsformenauszudrücken. Im Kontextsolidarischer Bildung richtetsich die Unterstützung fürSelbstbestimmung als einIdeal, Prozess und Ergebnisam Gehalt und an denProzessen der Ausbildung mitpapuanisch geführtenVisionen und Strategien inVerfolgung realen undgreifbaren Nutzens fürPapuaner_innen aus.Manchmal ist das schwierig,wenn ein Individuum, eineGruppe oder sogar dieBewegung es wünscht, eineRichtung, ein Ziel oder eineVision zu verfolgen, die meineeigene politische Analyse undideologische Tendenzenherausfordert.Selbstverständlich kann im

Kontext seit langer Zeitbestehender undvertrauensvoller BeziehungenRaum für respektollen Dialoggeschaffen werden, aber amEnde des Tages sindPapuaner_innen diejenigen,die ihre eigenenEntscheidungen treffen undihre eigene Zukunft definierenmüssen.Verantwortung: In einemneuen Facebook­Eintrag andie AustralischeVereinigungvon West­Papua erinnerteLeonie Tanggahama, eine inden Niederlanden lebendewest­papuanische Leiterin,“Outsider_innen” daran, dassunsere Rolle nicht “Hilfe” oder“Hilfsangebot” ist. FrauTanggahama schrieb:West­Papuaner_innen bettelnnicht um Hilfe. Sie geben derinternationalen Gemeinschafteine Gelegenheit, sich zurehabilitieren, indem sie Dingewieder zurechtrückt in einemTeil der Welt, wo sie einengroßen Fehler begangen hat.Nutze diese Gelegenheit,Internationale Gemeinschaft!Sie wird euch davor retten,Euren Kindern und Enkelnerklären zu müssen, warumIhr einen schleichendenGenozid an diesermelanesischen Bevölkerung,der Bevölkerung West­Papuas, zugelassen habt.Akzeptiert dieses Angebot,denkt nicht an euch selbst alsdiejenigen, die Hilfe anbieten.Wir sind diejenigen, die euchHilfe anbieten, um eureSeelen zu reinigen.Frau Tanggahama gibt dieWorte von Lila Watson wieder,einer australischen Aborigine­Ältesten: “Falls ihr kommt, ummir zu helfen, verschwendetihr eure Zeit, aber eureBefreiung ist verbunden mitmeiner Freiheit, dann könnenwir zusammenarbeiten.” Alsein/­e “Outsider”­Australier/­in,der/die mit West­Papuaner_innen arbeitet,habe ich es nötig, mir zuversichern, dass ich auch dielaufenden Praktiken derKolonialisierung angehe,konstant darüber reflektiereund für eine Veränderung derWege arbeite, auf denen dieaustralische Regierung undUnternehmen papuanischeRohstoffe ausbeuten, Gewaltexportieren, indem sie dasindonesische Militär trainieren

und bewaffnen, undversuchen, papuanischeStimmen für Veränderungenzum Schweigen zu bringen.

Nichtparteinahme: Obwohlwir parteilich gegenüber denZielen von Frieden,Gerechtigkeit undökologischer Nachhaltigkeitsind, sind wir nicht parteilich indem Sinne, dass wir uns nichteiner speziellen papuanischenInteressengruppe innerhalbder Bewegung fürSelbstbestimmunganschließen. Wir sind geleitetdurch den Glauben, dassunsere Rolle als Nicht­Papuaner_innen nicht darinbesteht, eine Gruppegegenüber einer anderen zuunterstützen. Stattdessenversuchen wir, alle Gruppenzu unterstützen, die gewaltfreifür einen gerechten Friedenarbeiten, und absichtlichRaum zu schaffen fürGruppen, die Beziehungendes Vertrauens quer durchpolitische, kulturelle,geographische, ökonomischeund soziale Fraktionenknüpfen.Nichteinmischung: Als ein/­e“auswärtige/­r“ solidarische/­rPädagoge/in gebe ich keineRatschläge für Strategien undTaktiken. Stattdessenversuche ich, Raum zuschaffen für Aktivist_innen, umihre eigenen Lösungen ihrerProbleme zu entwickeln, wiesie sie definieren.SchlussfolgerungDiese Arbeit ist verfahren undschwierig. Sie ist auch zeitlichbegrenzt. Unser langfristigesZiel ist es, ein sich selbsterhaltendes Netzwerkpapuanischer engagierterPädagog_innen zuentwickeln. Mit anderenWorten: Als “Outsider/­in”schaue ich darauf, wie dieseArbeit papuanischenAktivist_innen übergebenwerden könnte. Letztlich mussich mich als ein/­e Australier/­in vollständiger bei derFrageengagieren, wie ich denWeg meines eigenen Landesändere, auf dem es dielaufende militärische,politischen und ökonomischeBesetzung von West­Papuaunterstützt. Ich wünsche dasin Partnerschaft mit

Engagierten aus Papua zutun, da transnationaleKampagnen und Bewegungenwesentlich sind, umVeränderungenherbeizuführen. Dieserfordert, dass wir konstantdarüber reflektieren undunsere Beziehung zupapuanischen Kolleg_innenund zur breiteren Bewegunginnerhalb Papuas neuaushandeln.Die Prinzipien vonSelbstbestimmung,gewaltfreier Aktion,Nichteinmischung,Nichtparteinahme undVerantwortung helfen bei derBestimmung der Arbeit. Esgibt regelmäßig Momente vonSpannung und Konflikt.Jedoch sind die Belohnungenreich. Wenn Freiheit eine derhöheren Bestrebungen derMenschen ist, ist dieBegleitung eines Menschenauf der Suche nach Freiheitund die Herausforderung andie Art, in der Kolonialismusuns alle schädigt, der Eintrittin Beziehungen mit tiefererBedeutung und Gefühl. Aneinem guten Tag ist dieTransformation zu spüren.Und das ist ein wirklichesPrivileg.

Alex Rayfieldübersetzt von Achim Schmitz

Gewaltfreie Strategien für sozialen Wandel

Das Zerbrochene Gewehr Nr. 95, März 201310

LokalgesteuerteBewegungenaufbauen­einFallvonWendeinKeniaAls 2007 nach den letztenWahlen in Kenia die Gewaltausbrach, halfen die QuäkerKenias schnell – zunächst mithumanitärer Hilfe, dann, indemsie von Haus zu Haus gingenund die Menschen nach ihrenErfahrungen und Sorgenbefragten. Schließlich begannensie den Menschen zu helfen,ihre Traumata zu bearbeitenund ihre Gemeinden wiederzusammenzubringen. Aber alssie das taten, sagten ihnen dieLeute: „Ihr sagt uns, wir sollennicht gewalttätig sein. Aberwenn wir nicht gewalttätiggewesen wären, wären wir nichtmehr da, um damitanzufangen.“ Einige, die dieseBotschaft hörten, versprachen,mit einer Strategiewiederzukommen, die sich starkund laut sozialerUngerechtigkeit entgegenstellt,ohne auf gewaltsame Methodenzurückzugreifen.Kenia wurde 2007/2008 durchein oberflächliches Abkommenzur Teilung der Macht nocheinmal vom Rand desBürgerkrieges zurückgezogen,ein Abkommen, das nichtgarantierte, dass diestrukturellen Wurzelgründe derGewalt im Zusammenhang mitden Wahlen angesprochenwürden. Die Wurzelgründe sindkomplex, aber sie weisen alle aufeine inadäquate und nur an sichselbst interessierte Regierunghin, die gestützt wird durchendemische Korruption undStraflosigkeit. Es gibt so vieleReichtümer, die ein Siegerindividuell gewinnen kann, dasspolitische Aspiranten durch Gierveranlasst werden, alles in ihrerMacht zu tun, um zum gewinnen.Das schließt die Manipulationethnischer Politik ein und dieVerführung der Wählerschaftzum Glauben, dass, wennjemand von ihrer eigenenGruppe an der Macht ist, sieauch etwas von diesenReichtümern abhaben werden.Auf diese Weise ist Politik inKenia nicht so sehr ideologischbestimmt, sondern handelt vonethnischer Zugehörigkeit,Loyalität, Bestechung, Armut,Ungleichheit undEinschüchterung.

Aus dem Wunsch, dieseskaputte System herauszufordern,kam 2009 eine Einladung nachQuaker Peace & Social Witness(QPSW), einem Zweig derQuäker in Großbritannien, mitder kenianischen OrganisationChange Agents for PeaceInternational (CAPI)zusammenzuarbeiten. Eswurden Pläne gemacht, dasModell der „Umkehrung derGezeiten“ (Turning the Tide)anzuwenden, ein holistischerAnsatz der QPSW zur aktivenGewaltfreiheit. Es bestand dieHoffnung, für den Aufbau desImpulses für ein gewaltfreiesZeugnis der Massen zufriedlichen, transparenten, freienund fairen Wahlen zu arbeiten.Die Vision dieser gemeinsamenArbeit war, die zornige, aktiveund zerstörerische Einergie, dievon politischen Eliten so leichtmanipuliert wird, in eine positive,gewaltfreie Kraft zum Kampf fürdie Rechte der Menschen zutransformieren und für einengerechten Frieden in Keniaaufzustehen. QPSW und CAPIglaubten, wenn die Menschengewaltfreie Strategien hätten, umder Ungerechtigkeit (d. h.struktureller Gewalt) zubegegnen, würden sie mitweniger Wahrscheinlichkeit aufdirekte Gewalt zurückgreifen und

mit größerer Wahrscheinlichkeitdie strukturellen Bedingungenändern, die zuerst zu dieserGewalt führen.In den ersten Jahren dieserBemühungen warenverschiedene Strategien zentral.Die Arbeit wurde zuerst undzumeist auf eine echtePartnerschaft gegründet, die ausdem Verständnis von Gleichheitder Quäker herrührt. Die Idee,dass niemand von uns besseroder schlechter ist alsirgendjemand sonst, weitet sichin diesem Kontext aus zu derBeziehung zwischen einer vonaußen kommenden (QPSW) undeiner örtlichen Organisation(CAPI). Das bedeutet, wir sind inunserer Partnerschaft klar darin,dass wir etwas erreichen, waswir getrennt nicht tun könnten.Wir sind größer als die Summeunserer Teile, und wir bringenwesentliche Expertise undRessourcen auf den Tisch, die ingleicher Weise wertgeschätztwerden.Zweitens lernten wir, dass wirverantwortliches, flexibles undkontextbezogenes Trainingbrauchten. Während wir mit derMethodologie von „Umkehrungder Gezeiten“ begannen, wie esin Großbritannien und Südasienverwendet worden ist,

entdeckten wir – manchmal aufschwierigem Weg – dass einigeder Beispiele und Methodologienin Kenia keine Resonanzerfuhren, während einige neueDinge gebraucht wurden. DieStärke von „Umkehrung derGezeiten“ liegt in der enormenBandbreite von Möglichkeiten –es ist kein Programm von derStange – und dass seineinnersten Eigenschaften letztlicherlaubten, das Traininganzupassen, wirksam zumachen und in lokalen Besitzeingehen zu lassen. Währenddas Training wichtig ist, istanschließende Begleitungwesentlich, um sicherzustellen,dass das Training Wurzelnschlägt.Das Gemeineigentum zu stärkenist eine weitereSchlüsselkomponente unseresAnsatzes. In Kenia und in vielenTeilen Afrikas ist es gewöhnlichePraxis bei internationalenOrganisationen, den Menschenein großzügiges „Sitzungsgeld“zu bezahlen, damit sie anArbeitsgruppen teilnehmen, undes ist gleichermaßen üblich beiPolitikern, die Menschen zubestechen, damit sie an ihrenKundgebungen teilnehmen, undihre Stimmen zu kaufen.Entschlossen, dieses Systemnicht zu kopieren, bezahlen wir

niemals jemanden, um ihn zu veranlassen, an dieser Bewegung teilzunehmen, trotz starken Druckes, das zu tun. Auf diese Weisespringen Personen, die nicht tief engagiert sind, wieder ab, und ein stark motivierter Kern bleibt zurück. Nun sammeln Gemeinschaftenselbst Gelder für Kampagnen und um Arbeitsgruppen zu beherbergen, und wir haben niemals Probleme, einen Raum zu füllen.Ein Grund dafür ist, dass jede Kampagne vom Wohnort der Menschen her betrieben wird. Das bedeutet, dass die Menschen an derBasis, die wir ansprechen, aktiv beeinflussende Gemeinschaftsbeweger sein müssen. Wir haben herausgefunden, dass diePersönlichkeit derjenigen, die wir einladen, mit uns zusammenzuarbeiten, ebenso wichtig ist wie der Inhalt irgendeines Trainings, daswir abhalten. Die TeilnehmerInnen müssen Menschen sein, die in ihren Gemeinschaften über Glaubwürdigkeit verfügen und dazuneigen, die sozialen Ungerechtigkeiten so zu analysieren, dass sie sich unter gewöhnlich zitierten sozialen Problemen wieArbeitslosigkeit, Verbrechen und dem Fehlen von guter Infrastruktur verstecken. Aktivisten auf diesem Feld müssen in der Lage sein,dahin zu gehen, wo die Energie ist, und klein anzufangen. Der Ansatz hilft den Menschen, von den großen Problemen (Korruption zumBeispiel) zu einem umgrenzten konkreten Problem überzugehen, um das herum eine Kampagne organisiert werden kann. Diese Arbeithatte einen überraschend großen Erfolg. In nur zwei Jahren deckten StudentInnen erfolgreich korrupte Praktiken von Stipendien undAusgaben an einer Universität auf, TaxifahrerInnen auf Motorrädern beendeten die Fälschung von Registrierungen,Gemeindemitglieder mobilisierten gegen eine Bank, die die Kreditbedingungen geändert hatte … und die Beispiele lassen sichfortsetzen.Auf diesen kleinen örtlichen Erfolgen aufbauend, denken wir, dass Gewaltfreiheit ansteckend ist. Jeder kleine Erfolg zeigt denMenschen die Macht aktiver Gewaltfreiheit – und fängt an sich auszubreiten. Aufbauend auf der Glaubwürdigkeit, die von diesenörtlichen Kampagnen ausgegangen ist, waren wir in der Lage, zur Vorbereitung der Wahlen in Kenia am 4. März 25.000 Menschen ineiner Massenkampagne für Bürgerbildung und Aufmerksamkeit zu mobilisieren.Wird diese Arbeit die Gewalt diesmal stoppen? Wahrscheinlich nicht vollständig. Aber diese Bewegung geht dahin, einen langfristigenkulturellen und strukturellen Wandel zu beeinflussen, und wächst. Bis jetzt zeigt sie jedes hoffnungsvolle Zeichen, auch auf die langeStrecke dabei zu sein.

Laura Shipler Chicoübersetzt von Gerd Büntzly

Gewaltfreie Strategien für sozialen Wandel

Das Zerbrochene Gewehr Nr. 95, März 2013 11

LokalgesteuerteBewegungenaufbauen­einFallvonWendeinKeniaAls 2007 nach den letztenWahlen in Kenia die Gewaltausbrach, halfen die QuäkerKenias schnell – zunächst mithumanitärer Hilfe, dann, indemsie von Haus zu Haus gingenund die Menschen nach ihrenErfahrungen und Sorgenbefragten. Schließlich begannensie den Menschen zu helfen,ihre Traumata zu bearbeitenund ihre Gemeinden wiederzusammenzubringen. Aber alssie das taten, sagten ihnen dieLeute: „Ihr sagt uns, wir sollennicht gewalttätig sein. Aberwenn wir nicht gewalttätiggewesen wären, wären wir nichtmehr da, um damitanzufangen.“ Einige, die dieseBotschaft hörten, versprachen,mit einer Strategiewiederzukommen, die sich starkund laut sozialerUngerechtigkeit entgegenstellt,ohne auf gewaltsame Methodenzurückzugreifen.Kenia wurde 2007/2008 durchein oberflächliches Abkommenzur Teilung der Macht nocheinmal vom Rand desBürgerkrieges zurückgezogen,ein Abkommen, das nichtgarantierte, dass diestrukturellen Wurzelgründe derGewalt im Zusammenhang mitden Wahlen angesprochenwürden. Die Wurzelgründe sindkomplex, aber sie weisen alle aufeine inadäquate und nur an sichselbst interessierte Regierunghin, die gestützt wird durchendemische Korruption undStraflosigkeit. Es gibt so vieleReichtümer, die ein Siegerindividuell gewinnen kann, dasspolitische Aspiranten durch Gierveranlasst werden, alles in ihrerMacht zu tun, um zum gewinnen.Das schließt die Manipulationethnischer Politik ein und dieVerführung der Wählerschaftzum Glauben, dass, wennjemand von ihrer eigenenGruppe an der Macht ist, sieauch etwas von diesenReichtümern abhaben werden.Auf diese Weise ist Politik inKenia nicht so sehr ideologischbestimmt, sondern handelt vonethnischer Zugehörigkeit,Loyalität, Bestechung, Armut,Ungleichheit undEinschüchterung.

Aus dem Wunsch, dieseskaputte System herauszufordern,kam 2009 eine Einladung nachQuaker Peace & Social Witness(QPSW), einem Zweig derQuäker in Großbritannien, mitder kenianischen OrganisationChange Agents for PeaceInternational (CAPI)zusammenzuarbeiten. Eswurden Pläne gemacht, dasModell der „Umkehrung derGezeiten“ (Turning the Tide)anzuwenden, ein holistischerAnsatz der QPSW zur aktivenGewaltfreiheit. Es bestand dieHoffnung, für den Aufbau desImpulses für ein gewaltfreiesZeugnis der Massen zufriedlichen, transparenten, freienund fairen Wahlen zu arbeiten.Die Vision dieser gemeinsamenArbeit war, die zornige, aktiveund zerstörerische Einergie, dievon politischen Eliten so leichtmanipuliert wird, in eine positive,gewaltfreie Kraft zum Kampf fürdie Rechte der Menschen zutransformieren und für einengerechten Frieden in Keniaaufzustehen. QPSW und CAPIglaubten, wenn die Menschengewaltfreie Strategien hätten, umder Ungerechtigkeit (d. h.struktureller Gewalt) zubegegnen, würden sie mitweniger Wahrscheinlichkeit aufdirekte Gewalt zurückgreifen und

mit größerer Wahrscheinlichkeitdie strukturellen Bedingungenändern, die zuerst zu dieserGewalt führen.In den ersten Jahren dieserBemühungen warenverschiedene Strategien zentral.Die Arbeit wurde zuerst undzumeist auf eine echtePartnerschaft gegründet, die ausdem Verständnis von Gleichheitder Quäker herrührt. Die Idee,dass niemand von uns besseroder schlechter ist alsirgendjemand sonst, weitet sichin diesem Kontext aus zu derBeziehung zwischen einer vonaußen kommenden (QPSW) undeiner örtlichen Organisation(CAPI). Das bedeutet, wir sind inunserer Partnerschaft klar darin,dass wir etwas erreichen, waswir getrennt nicht tun könnten.Wir sind größer als die Summeunserer Teile, und wir bringenwesentliche Expertise undRessourcen auf den Tisch, die ingleicher Weise wertgeschätztwerden.Zweitens lernten wir, dass wirverantwortliches, flexibles undkontextbezogenes Trainingbrauchten. Während wir mit derMethodologie von „Umkehrungder Gezeiten“ begannen, wie esin Großbritannien und Südasienverwendet worden ist,

entdeckten wir – manchmal aufschwierigem Weg – dass einigeder Beispiele und Methodologienin Kenia keine Resonanzerfuhren, während einige neueDinge gebraucht wurden. DieStärke von „Umkehrung derGezeiten“ liegt in der enormenBandbreite von Möglichkeiten –es ist kein Programm von derStange – und dass seineinnersten Eigenschaften letztlicherlaubten, das Traininganzupassen, wirksam zumachen und in lokalen Besitzeingehen zu lassen. Währenddas Training wichtig ist, istanschließende Begleitungwesentlich, um sicherzustellen,dass das Training Wurzelnschlägt.Das Gemeineigentum zu stärkenist eine weitereSchlüsselkomponente unseresAnsatzes. In Kenia und in vielenTeilen Afrikas ist es gewöhnlichePraxis bei internationalenOrganisationen, den Menschenein großzügiges „Sitzungsgeld“zu bezahlen, damit sie anArbeitsgruppen teilnehmen, undes ist gleichermaßen üblich beiPolitikern, die Menschen zubestechen, damit sie an ihrenKundgebungen teilnehmen, undihre Stimmen zu kaufen.Entschlossen, dieses Systemnicht zu kopieren, bezahlen wir

niemals jemanden, um ihn zu veranlassen, an dieser Bewegung teilzunehmen, trotz starken Druckes, das zu tun. Auf diese Weisespringen Personen, die nicht tief engagiert sind, wieder ab, und ein stark motivierter Kern bleibt zurück. Nun sammeln Gemeinschaftenselbst Gelder für Kampagnen und um Arbeitsgruppen zu beherbergen, und wir haben niemals Probleme, einen Raum zu füllen.Ein Grund dafür ist, dass jede Kampagne vom Wohnort der Menschen her betrieben wird. Das bedeutet, dass die Menschen an derBasis, die wir ansprechen, aktiv beeinflussende Gemeinschaftsbeweger sein müssen. Wir haben herausgefunden, dass diePersönlichkeit derjenigen, die wir einladen, mit uns zusammenzuarbeiten, ebenso wichtig ist wie der Inhalt irgendeines Trainings, daswir abhalten. Die TeilnehmerInnen müssen Menschen sein, die in ihren Gemeinschaften über Glaubwürdigkeit verfügen und dazuneigen, die sozialen Ungerechtigkeiten so zu analysieren, dass sie sich unter gewöhnlich zitierten sozialen Problemen wieArbeitslosigkeit, Verbrechen und dem Fehlen von guter Infrastruktur verstecken. Aktivisten auf diesem Feld müssen in der Lage sein,dahin zu gehen, wo die Energie ist, und klein anzufangen. Der Ansatz hilft den Menschen, von den großen Problemen (Korruption zumBeispiel) zu einem umgrenzten konkreten Problem überzugehen, um das herum eine Kampagne organisiert werden kann. Diese Arbeithatte einen überraschend großen Erfolg. In nur zwei Jahren deckten StudentInnen erfolgreich korrupte Praktiken von Stipendien undAusgaben an einer Universität auf, TaxifahrerInnen auf Motorrädern beendeten die Fälschung von Registrierungen,Gemeindemitglieder mobilisierten gegen eine Bank, die die Kreditbedingungen geändert hatte … und die Beispiele lassen sichfortsetzen.Auf diesen kleinen örtlichen Erfolgen aufbauend, denken wir, dass Gewaltfreiheit ansteckend ist. Jeder kleine Erfolg zeigt denMenschen die Macht aktiver Gewaltfreiheit – und fängt an sich auszubreiten. Aufbauend auf der Glaubwürdigkeit, die von diesenörtlichen Kampagnen ausgegangen ist, waren wir in der Lage, zur Vorbereitung der Wahlen in Kenia am 4. März 25.000 Menschen ineiner Massenkampagne für Bürgerbildung und Aufmerksamkeit zu mobilisieren.Wird diese Arbeit die Gewalt diesmal stoppen? Wahrscheinlich nicht vollständig. Aber diese Bewegung geht dahin, einen langfristigenkulturellen und strukturellen Wandel zu beeinflussen, und wächst. Bis jetzt zeigt sie jedes hoffnungsvolle Zeichen, auch auf die langeStrecke dabei zu sein.

Laura Shipler Chicoübersetzt von Gerd Büntzly

DieKampagne“RettetdieInselJeju”imModellvonMAP(AktionsplanfürBewegungen)Mitglieder von „War WithoutWar“ (Welt ohne Krieg) habenim März des vergangenenJahres in Zusammenarbeitmit Andreas Speck von derInternationalen derKriegsgegner eine Fortbildungzum Aufbau einer Bewegungabgehalten. Die Fortbildungnutzte das Modell des„Movement Action Plan“(MAP, Aktionsplan fürBewegungen), um dieDurchführung unsererKampagne zu überprüfen,speziell in Bezug auf dieAufgabe des vorherigen Plansder Regierung, das Themaeines alternativen Dienstesaufzugreifen. UnsereKampagne ist seit derNeubildung dergegenwärtigen Regierungzum Erliegen gekommen.Das MAP wurde von dem US­Aktivisten Bill Moyerentwickelt, um die Phasenund Rollen bei erfolgreichengewaltfreien sozialenBewegungen zu erforschen.Er beschrieb die acht Phasenfolgendermaßen: 1) Einkritisches soziales Problem

existiert; 2) BewiesenesScheitern der offiziellenInstitutionen; 3) Bedingungendes Reifens, 4) Abheben; 5)Wahrgenommenes Scheitern;6) Mehrheitliche öffentlicheMeinung; 7) Erfolg; 8)Fortsetzung. In diesenPhasen gibt es vierverschiedene Befürworter­Rollen: BürgerIn, RebellIn,ReformerIn und AgentIn fürsozialen Wandel. SozialeBewegungen sind komplexund folgen nicht immer dergenauen Route, die MAPbeschreibt, aber ich fanddieses Werkzeug sehrnützlich für uns, als dieMitglieder von „World withoutWar“ sich erschöpft fühltenund oft sagten, wir wüsstennicht, wie wir weitermachensollten.Wir haben niemals eine MAP­Ananlyse verwendet, um dieKampagne „Rettet die InselJeju“ zu untersuchen, daherist dieser Artikel meinepersönliche Sicht darauf, wasdiese Kampagne mit MAP zutun hat.

Wo stehen wir nun mitMAP?Die Regierung Südkoreasplant seit 1993 den Bau einerFlottenbasis auf der InselJeju. Man sagte, dass„Importe und Exporte vonKorea südlich der Insel Jejudas Meer passieren, dahermüssen wir sie wirksamverteidigen und dieTransportroute fürRessourcen sichern.“ 2002kündigte die Regierung denBauplan für die neueFlottenbasis im Dorf Hwasoonauf Jeju an, aber verschob ihnaufgrund heftiger Proteste vonBewohnern des Dorfes.Dieser Plan wurde 2005wieder vorgelegt, aber dieMenschen von Hwasoonleisteten wiederumWiderstand. In diesemSommer wurde statt Hwasoondas Dorf Wimi auf Jeju alsneuer Platz für den Baubenannt.Diesmal wurde der Vorschlagfür das Budget – das auf derVoraussetzung beruhte, dassder Bau nur beginnen werde,

wenn die Einwohnerzustimmten – in derNationalversammlungbeschlossen. DieEinwohnerInnen vonHwasoon und Wimi machteneine Generalversammlungund beschlossen offiziell, sichdem Flottenstützpunktentgegen zu stellen.Im Frühjahr 2007 brachte dieDorfversammlung vonGangjeong eine Bewerbungein, die den Bau desFlottenstützpunktes inGanjeong erbat. DieseEntscheidung warhauptsächlich das Ergebnisvon Manipulation durch denGouverneur von Jeju, der jedeMaßnahme ergriff, um dieörtlichen BewohnerInnen fürden Bau zu gewinnen. Es warkeine Mehrheitsentscheidung.In Wirklichkeit war dieGeneralversammlung derDorfvereinigung vonGangjeong zu 94 % gegenden Plan desFlottenstützpunktes. Dasentspricht Phase 1 des MAP:Die koreanische Regierungpredigte das Bedürfnis für den

Gewaltfreie Strategien für sozialen Wandel

Das Zerbrochene Gewehr Nr. 95, März 201312

Spende an die War Resisters' International

Vielen Dank für die Unterstützung!

Flottenstützpunkt auf der InselJeju für die nationaleSicherheit, aber die Menschenvor Ort stimmten dem nicht zu.Die Phase 2 dauerte von 2007– als die Menschen vonGangjeong begannen, gegenden Plan desFlottenstützpunktes zuagitieren – bis 2009, alsBürgergruppen eineKampagne ins Leben riefen,um den Gouverneur von Jejuabzuberufen, und einReferendum mit diesem Zielabhielten. Bei dieserKampagne versuchten dieRegierung und die Flotte, dieWurzel der Angelegenheit zuverheimlichen: dass Anfang2009 Pläne zum Bau einernationalen Militäreinrichtunggutgeheißen worden waren,und dass die Provinzregierungvon Jeju einen Vertrag füreinen doppelten, zivil­militärischen Hafenbau mit derFlotte und dem Ministerium fürAngelegenheiten von Land,Transport und Seegeschlossen hatte. VieleBürgergruppen auf Jejuunternahmen es, zu beweisen,diese Institutionen nichtunsere Freunde seien, und imMai 2009 begannen sie dieKampagne, um denGouverneur abzuberufen. AmEnde entsprachen dieErgebnisse der Abstimmung

nicht den Erwartungen.Die dritte Phase,„Reifungsbedingungen“,dauerte bis Ende 2011. Zudieser Zeit geriet die örtlicheBewegung in eine Phaseleichter Rezession alsErgebnis der erfolglosenKampagne zur Abberufungdes Gouverneurs. Zurgleichen Zeit zogen Aktivistenvom Festland auf die Insel, uman der Kampagneteilzunehmen und begannen,die Bürgergruppen auf demFestland zu überzeugen, dassdie Kampagne gegen denFlottenstützpunkt nichtbeendet war. IhreAnstrengungen veranlasstenim ganzen LandDemonstrationen gegen denBau des Flottenstützpunktes,und im Mai 2011 wurde das„Nationale Komitee zum Stoppdes Flottenstützpunktes aufJeju“ gegründet. Das Komiteemobilisierte viele Menschenvom gesamten Festland, 2011nach Gangjeong zu kommen.Es gab eine wachsendeAnerkennung der Probleme,als diese UnterstützerInnenpersönlich mit denDorfbewohnerInnen vonGangjeong zusammenkamen,mit ihnen redeten und dieeindrucksvolle Szenerie vonGangjeong mit ihren eigenenAugen sahen. Das ganze Dorf

war überschwemmt von denfarbigen Bannern, die in dieserZeit von Besuchernmitgebracht wurden. ImDezember 2011 kürzte dieNationalversammlung auch 96% des Budgets desFlottenstützpunktes von Jejufür 2012; die Bewegung warzu dieser Zeit reif und aktiv.2012 war die vierte Phase desMAP. Die koreanischeRegierung sprengte denFelsen von Gureombi (sowohleine wichtigeUmweltressource als auch einalter Gebetsplatz) und begannmit dem Bau. Eine großeAnzahl von Menschen –KoreanerInnen undInternationale – kamen nachGangjeong und unternahmenverschiedene direkte Aktionen,um den Bau zu stoppen.Andere unterstützten dieKampagne in bezeichnenderund machtvoller Weise. DieKampagne war auf ihremGipfel.Die fünfte Phase begann Ende2012, als die konservativePartei die Wahlen zumPräsidentenamt gewann unddie Nationalversammlung denVorschlag für das Budget desFlottenstützpunktes für 2013beschloss. Die AktivistInnender Kampagne zur Rettungvon Jeju sind in äußerstschwierigen Lagen mit hohen

Strafen, insgesamt 300 Mio.Won (etwa 210.000 Euros)und in Haft, wenn ihreProzesse beginnen. Siefühlten Frustration,Verzweiflung undErschöpfung. Die Teilnahmean Veranstaltungen derBewegung nahm ab, währenddie Antwort derRegierungsmacht gegenüberden Aktionen an Kraft gewannund das Interesse der Medienabflaute.Die Kampagne zur Rettungvon Jeju ist noch immer inPhase 5. Die schöneLandschaft des Meeresufersvon Gangjeong scheint sichTag für Tag zu verwandeln, dader Bau fortschreitet, und dashat zu einem Gefühl derHilflosigkeit geführt. Dochwerden wir unsereAnstrengungen, aus Jeju einefriedliche Insel zu machen,nicht beenden. Es istabzusehen, dass weitereMilitäranlagen –eingeschlossen ein Stützpunktder Luftwaffe, einRaketenstützpunkt und einStützpunkt für Marinesoldaten– auf Jeju gebaut werdensollen: Die Pläne derRegierung enden nicht miteinem Flottenstützpunkt. Daswird wahrscheinlich ein Punktbei den lokalen Wahlen 2014sein, und wir planen, ein

Netzwerk mit Bürgergruppen in Okinawaund Hawaii aufzubauen, die ähnlicheProbleme beim Versuch haben, ihreInseln zu entmilitarisieren.Rollen verschiedener GruppenIn jeder Phase haben Aktivisten unzähligeDinge gemacht. Die Rolle von WorldWithout War in der Kampagne warhauptsächlich die des „Rebellen“,besonders in der vierten Phase. Wirhaben direkte Aktionen ausgeführt, diehalfen, die Sache in den Medien zuverbreiten und im ganzen LandAufmerksamkeit zu erwecken. Worldwithout War wurde Mitglied beimNationalen Komitee zum Stopp desFlottenstützpunktes Jeju und spielte dieRolle eines „Wandlungsagenten“ im MAP.Wir tun unser Äußerstes, um Menschenzu trainieren und zu mobilisieren. Es gibtdrei Hauptagenten bei der Kampagne:Das Nationale Komitee zum Stopp desFlottenstützpunktes Jeju, das Komitee fürdie ganz Insel Jeju für die Verhinderungvon Militärstützpunkten und für dieVerwirklichung einer Friedensinsel, unddie Dorfvereinigung von Gangjeong. Esgibt die Reformer und den „Agenten desWandels“ beim MAP und Ziele,gemeinsam langfristige Strategien zu

fördern.Die neue Präsidentin Koreas war immersehr für den Flottenstützpunkt. Sie hatden Ehrgeiz, die Insel Jeju in ein „zweitesHawaii“ zu verwandeln und wird den Planweiter vorantreiben. Die neue Regierungargumentiert, dass der Plan nununumkehrbar ist und dass die Oppositionbesiegt worden ist. Unsere Aufgabe ist,die Tricks der Inhaber der Machtaufzudecken – zivil­militärischenDoppelhafen, geplanter neuer(militärischer) Flughafen, etc., undalternative Lösungen zu fördern.World without War plant, in diesem Jahrdie Fortbildung zu MAP anderenbürgerschaftlichen Gruppen anzubieten.Taeho Lee, Generalsekretär bei der PSPD(People's Solidarity for ParticipatoryDemocracy, Solidarität des Volkes fürpartizipatorische Demokratie) und HuisunKim, Leiter des Zentrums für Frieden undEntwaffnung der PSOD, haben mirgeholfen, diesen Artikel zu schreiben. Siegehören zum harten Kern deslandesweiten Komitees für den Stopp desFlottenstützpunktes Jeju.

Jungmin Choiübersetzt von Gerd Büntzly

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Flottenstützpunkt auf der InselJeju für die nationaleSicherheit, aber die Menschenvor Ort stimmten dem nicht zu.Die Phase 2 dauerte von 2007– als die Menschen vonGangjeong begannen, gegenden Plan desFlottenstützpunktes zuagitieren – bis 2009, alsBürgergruppen eineKampagne ins Leben riefen,um den Gouverneur von Jejuabzuberufen, und einReferendum mit diesem Zielabhielten. Bei dieserKampagne versuchten dieRegierung und die Flotte, dieWurzel der Angelegenheit zuverheimlichen: dass Anfang2009 Pläne zum Bau einernationalen Militäreinrichtunggutgeheißen worden waren,und dass die Provinzregierungvon Jeju einen Vertrag füreinen doppelten, zivil­militärischen Hafenbau mit derFlotte und dem Ministerium fürAngelegenheiten von Land,Transport und Seegeschlossen hatte. VieleBürgergruppen auf Jejuunternahmen es, zu beweisen,diese Institutionen nichtunsere Freunde seien, und imMai 2009 begannen sie dieKampagne, um denGouverneur abzuberufen. AmEnde entsprachen dieErgebnisse der Abstimmung

nicht den Erwartungen.Die dritte Phase,„Reifungsbedingungen“,dauerte bis Ende 2011. Zudieser Zeit geriet die örtlicheBewegung in eine Phaseleichter Rezession alsErgebnis der erfolglosenKampagne zur Abberufungdes Gouverneurs. Zurgleichen Zeit zogen Aktivistenvom Festland auf die Insel, uman der Kampagneteilzunehmen und begannen,die Bürgergruppen auf demFestland zu überzeugen, dassdie Kampagne gegen denFlottenstützpunkt nichtbeendet war. IhreAnstrengungen veranlasstenim ganzen LandDemonstrationen gegen denBau des Flottenstützpunktes,und im Mai 2011 wurde das„Nationale Komitee zum Stoppdes Flottenstützpunktes aufJeju“ gegründet. Das Komiteemobilisierte viele Menschenvom gesamten Festland, 2011nach Gangjeong zu kommen.Es gab eine wachsendeAnerkennung der Probleme,als diese UnterstützerInnenpersönlich mit denDorfbewohnerInnen vonGangjeong zusammenkamen,mit ihnen redeten und dieeindrucksvolle Szenerie vonGangjeong mit ihren eigenenAugen sahen. Das ganze Dorf

war überschwemmt von denfarbigen Bannern, die in dieserZeit von Besuchernmitgebracht wurden. ImDezember 2011 kürzte dieNationalversammlung auch 96% des Budgets desFlottenstützpunktes von Jejufür 2012; die Bewegung warzu dieser Zeit reif und aktiv.2012 war die vierte Phase desMAP. Die koreanischeRegierung sprengte denFelsen von Gureombi (sowohleine wichtigeUmweltressource als auch einalter Gebetsplatz) und begannmit dem Bau. Eine großeAnzahl von Menschen –KoreanerInnen undInternationale – kamen nachGangjeong und unternahmenverschiedene direkte Aktionen,um den Bau zu stoppen.Andere unterstützten dieKampagne in bezeichnenderund machtvoller Weise. DieKampagne war auf ihremGipfel.Die fünfte Phase begann Ende2012, als die konservativePartei die Wahlen zumPräsidentenamt gewann unddie Nationalversammlung denVorschlag für das Budget desFlottenstützpunktes für 2013beschloss. Die AktivistInnender Kampagne zur Rettungvon Jeju sind in äußerstschwierigen Lagen mit hohen

Strafen, insgesamt 300 Mio.Won (etwa 210.000 Euros)und in Haft, wenn ihreProzesse beginnen. Siefühlten Frustration,Verzweiflung undErschöpfung. Die Teilnahmean Veranstaltungen derBewegung nahm ab, währenddie Antwort derRegierungsmacht gegenüberden Aktionen an Kraft gewannund das Interesse der Medienabflaute.Die Kampagne zur Rettungvon Jeju ist noch immer inPhase 5. Die schöneLandschaft des Meeresufersvon Gangjeong scheint sichTag für Tag zu verwandeln, dader Bau fortschreitet, und dashat zu einem Gefühl derHilflosigkeit geführt. Dochwerden wir unsereAnstrengungen, aus Jeju einefriedliche Insel zu machen,nicht beenden. Es istabzusehen, dass weitereMilitäranlagen –eingeschlossen ein Stützpunktder Luftwaffe, einRaketenstützpunkt und einStützpunkt für Marinesoldaten– auf Jeju gebaut werdensollen: Die Pläne derRegierung enden nicht miteinem Flottenstützpunkt. Daswird wahrscheinlich ein Punktbei den lokalen Wahlen 2014sein, und wir planen, ein

Netzwerk mit Bürgergruppen in Okinawaund Hawaii aufzubauen, die ähnlicheProbleme beim Versuch haben, ihreInseln zu entmilitarisieren.Rollen verschiedener GruppenIn jeder Phase haben Aktivisten unzähligeDinge gemacht. Die Rolle von WorldWithout War in der Kampagne warhauptsächlich die des „Rebellen“,besonders in der vierten Phase. Wirhaben direkte Aktionen ausgeführt, diehalfen, die Sache in den Medien zuverbreiten und im ganzen LandAufmerksamkeit zu erwecken. Worldwithout War wurde Mitglied beimNationalen Komitee zum Stopp desFlottenstützpunktes Jeju und spielte dieRolle eines „Wandlungsagenten“ im MAP.Wir tun unser Äußerstes, um Menschenzu trainieren und zu mobilisieren. Es gibtdrei Hauptagenten bei der Kampagne:Das Nationale Komitee zum Stopp desFlottenstützpunktes Jeju, das Komitee fürdie ganz Insel Jeju für die Verhinderungvon Militärstützpunkten und für dieVerwirklichung einer Friedensinsel, unddie Dorfvereinigung von Gangjeong. Esgibt die Reformer und den „Agenten desWandels“ beim MAP und Ziele,gemeinsam langfristige Strategien zu

fördern.Die neue Präsidentin Koreas war immersehr für den Flottenstützpunkt. Sie hatden Ehrgeiz, die Insel Jeju in ein „zweitesHawaii“ zu verwandeln und wird den Planweiter vorantreiben. Die neue Regierungargumentiert, dass der Plan nununumkehrbar ist und dass die Oppositionbesiegt worden ist. Unsere Aufgabe ist,die Tricks der Inhaber der Machtaufzudecken – zivil­militärischenDoppelhafen, geplanter neuer(militärischer) Flughafen, etc., undalternative Lösungen zu fördern.World without War plant, in diesem Jahrdie Fortbildung zu MAP anderenbürgerschaftlichen Gruppen anzubieten.Taeho Lee, Generalsekretär bei der PSPD(People's Solidarity for ParticipatoryDemocracy, Solidarität des Volkes fürpartizipatorische Demokratie) und HuisunKim, Leiter des Zentrums für Frieden undEntwaffnung der PSOD, haben mirgeholfen, diesen Artikel zu schreiben. Siegehören zum harten Kern deslandesweiten Komitees für den Stopp desFlottenstützpunktes Jeju.

Jungmin Choiübersetzt von Gerd Büntzly

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Das ZerbrocheneGewehr„Das Zerbrochene Gewehr“ist das Rundschreiben der WarResisters' International und wirdauf Englisch, Spanisch,Französisch und Deutschveröffentlicht. Dies ist März2013.Diese Ausgabe wurde vonHannah Brock, Owen Everettand Javier Gárate zusam­mengestellt. Besonderer Dankgeht an Gerd Büntzly, IngeDreger, Jungmin Choi, RasmusGrobe, Majken Jul Sørensen,Igor Seke, Boro Kitanoski,Laura Shipler Chico, AlexRayfield und viele weiterePersonen.War Resisters' International5 Caledonian Road,London N1 9DX, BritainTel. +44­20­7278 4040Fax +44­20­7278 0444info@wri­irg.orghttp://wri­irg.org/pubs/br95­de.htm

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Das Buch „Revolution asSpectacle“ von Rafael Uzcá­tegui analysiert das Regimevon Hugo Chávez von einerantiautoritären Perspektiveaus. Es entkräftet Behaupt­ungen, die von rechtsgerich­teten Kreisen in Venezuelaund den USA erhoben wurden,die Regierung von Chávez seidiktatorisch, ebenso wieBehauptungen von Linken inVenezuela und den USA, die Regierung von Chávez seirevolutionär. Stattdessen argumentiert das Buch, dasRegime von Chávez sei eines in einer langen Reihepopulistischer Regime Lateinamerikas, die –abgesehen von der „revolutionären“ Rhetorik ­ letztlichebenso den Vereinigten Staaten wie denmultinationalen Gesellschaften hörig waren. Das Buchschließt mit der Erklärung, wie die autonomen sozialen,Arbeits­ und Unweltbewegungen vom Regime Chavez´systematisch entmachtet wurden, aber dass sietrotzdem die Basis einer wirklich demokratischen,revolutionären Alternative bleiben.Rafael UzcáteguiSee Sharp Press, 2011ISBN: 978­1­884365­77­5Veröffentlicht: Januar 2011Preis: £11.00 + Porto

Kriegsdienstverweigerer sind meistens Män­ner — wie auch Sol­daten. Dieses Buchbrincht mit dieserAnnahme. Frauenverweigern sich be­wusst dem Kriegs­dienst und Militaris­mus. Nicht nur in Län­dern mit Wehrpflichtfür Frauen — z.B. Erit­rea und Israel — sondern auch in Ländern ohneWehrpflicht. Mit ihrer Verweigerung definieren sieAntimilitarismus aus feministischer Perspektive,nicht nur gegen Militarismus, sondern auch gegeneine Form des Antimilitarismus die den männ­lichen KDVer als 'Held' des antimilitaristischenKampfes ansieht. Diese Anthologie enthältBeiträge von Kriegsdienst verweigernden Frauenaus Großbritannien, Eritrea, Israel, Kolumbien,Südkorea, Paraguay, Türkei und den USA, sowieDokumente und Erklärungen.Veröffentlicht von: War Resisters' InternationalHrsg.: Ellen Elster und Majken Jul SørensenVorwort: Cynthia EnloeISBN 978­0­903517­22­5. 152 Seiten.Veröffentlicht: April 2010Preis: £8.00 + Porto

GesellschaftlicheVeränderungen geschehennicht von allein. Sie sinddas Ergebnis der Arbeitengagierter Menschen, diesich für eine friedliche undgerechte Welt einsetzen.Diese Arbeit geschieht inkleinen Gruppen oderZellen von AktivistInnen, inDebatten, Trainings, beider Reflexion gemachterErfahrungen, bei derPlanung, beimExperimentieren und Lernen von Anderen. Die eigeneVorbereitung auf unsere Arbeit für eine gerechtereGesellschaft ist ein Schlüssel zum Erfolg.Es gibt kein definitives Rezept für erfolgreichegewaltfreie Aktionen und Kampagnen. DiesesHandbuch ist eine Sammlung von Ressourcen dieunsere Arbeit anregen und unterstützen können,insbesondere wenn die Ressourcen auf die eigenenBedürfnisse und den eigenen Kontext angepasstwerden.Veröffentlicht von: War Resisters' InternationalISBN: 978­0­903517­21­8Veröffentlicht: 2009Preis: £5.00 + Porto