DasBildverständnisderbeidenKonfessioneninderLippischenLa ...MaikFleck:Ichfinde,dassda...

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Eine Publikation der Lippischen Landeskirche in Zusammenarbeit mit der Lippischen Landes-Zeitung in Lippe Liebe Leserin, lieber Leser, „Du sollst Dir kein Bildnis machen…“ – Johannes Calvin und Ulrich Zwingli als Väter des reformierten Bekenntnis- ses haben das alttestamentli- che Gebot buchstäblich aus- gelegt – nichts sollte den Menschen vom Wort der Bi- bel ablenken. Demnach sind reformierte Kirchen auch eher schmucklos, die Kanzel, von der das Wort verkündet wird, steht im Mittelpunkt. Anders in lutherischen Kirchräumen – hier finden sich neben dem Kruzifix auch andere biblische Bild- darstellungen und Kirchen- schmuck. Martin Luther schätzte die Künste, also auch Bildhauerei und Male- rei, als Vermittler der bibli- schen Botschaft. Beide Traditionen haben sich in Lippe in besonderer Weise jahrhundertelang ne- ben- und miteinander ent- wickelt, unter dem gemein- samen Dach der Lippischen Landeskirche. Die einen fühlen sich in den etwas nüchternen refor- mierten Strukturen zu Hause, die anderen möchten das sinnenfrohere lutherische Element für sich nicht mis- sen. Es sind zwei Traditionen in Lippe, die es wert sind, er- halten zu werden – offen für alle Menschen, die eine Heimat in unseren Kirchen- gemeinden suchen. Ihre Birgit Brokmeier Öffentlichkeitsreferentin Lippische Landeskirche Lutherisch und reformiert Das Bildverständnis der beiden Konfessionen in der Lippischen Landeskirche Detmold. „Bild und Bibel“ ist das Themenjahr der Evange- lischen Kirche in Deutsch- land (EKD). In der Lippischen Landeskirche gibt es das lu- therische und das reformierte Bekenntnis. Das Verständnis vom Um- gang mit Kunst, mit sinnli- chen Elementen, ist unter- schiedlich: so hängt in luthe- rischen Kirchen das Kruzifix, Bilder, Kerzenschein oder auch Blumenschmuck sind hier nichts Ungewöhnliches – Steffie Langenau als Pfar- rerin in der lutherischen Auf- erstehungskirche in Bad Salzuflen kann sich beim Pre- digen von der Kanzel an far- benfrohen raumgestaltenden Fenstern erfreuen. Reformierte Kirchen geben sich konzentriert schlicht, verzichten weitestgehend auf bildliche Darstellungen, an der Wand hängt vielleicht ein Kreuz, aber ohne den Ge- kreuzigten. Nur das Wort Gottes soll im Mittelpunkt stehen. Dennoch veranstaltet Pfarrer Maik Fleck in der re- formierten Christuskirche re- gelmäßig Kunstaktionen auch mit Bildern. Bilder und reformiertes Be- kenntnis – wie passt das zu- sammen? Maik Fleck: Ich halte es für ein Vorurteil, dass die Reformier- ten bildlos sind. Auch die Sprache, die im Mittelpunkt des reformierten Glaubens- verständnisses steht, ist bild- haft und hat sich ja überhaupt erst aus Bildern entwickelt. Dennoch – unser Kirchraum in der Christuskirche ist bildlos. Denn das Erlebnis des Gottes- dienstes ist für Reformierte in erster Linie ein Hörerlebnis. Bilder im Gottesdienst benut- ze ich so gut wie nie. Und wenn sonst ein Bild hier im Raum ist, dann betrachte ich es als Gast. Wo kommt das reformierte Verständnis vom Umgang mit Bildern her? Maik Fleck: Ausgangspunkt ist in reformierter Lesart der Zehn Gebote das Zweite Ge- bot ’Du sollst Dir kein Bildnis machen’ (Die lutherische Zählung versteht dieses Ge- bot nicht als eigenes, son- dern als Kommentar zum Ers- ten Gebot). In der Entwick- lung der Reformation war es der Versuch, alles, was die Konzentration auf das Hören stört, zu entfernen. Steffie Langenau: Insgesamt war die Reformationszeit ei- ne Entwicklung hin zur Kon- zentration. Man kann es viel- leicht so zusammenfassen: Reformiert ist die Entfernung von allem, was vom Hören der Schrift ablenkt und in die Irre führt. Lutherisch hinge- gen ist die Erhaltung von al- lem, was der Verkündigung dient. Der lutherische Got- tesdienst ist nicht nur auf das Hörerlebnis, sondern auf alle Sinne hin angelegt. Maik Fleck: Ich finde, dass da kein so starker Widerspruch ist. Auch reformierte Gottes- dienste haben die ganze Leiblichkeit im Blick, aber mit dem Schwergewicht auf dem Hören. Christus ist das Bild des lebendigen Gottes. Von ihm hören wir. Und wir ha- ben Gottes Bilder neben, vor und hinter uns – es sind die anderen im Gottesdienst. Was verbinden Sie mit dem Begriff Bild? Steffie Langenau: Wenn das Bild ein Abbild ist, wird es schwierig. Kunst sollte auf et- was hinweisen, was hinter den Dingen liegt, was gerade nicht darstellbar ist. Ein Bei- spiel: Ich habe zu Beginn der Adventszeit eine Holzskulp- tur geschenkt bekommen, eine Frauengestalt, vielleicht eine Mariendarstellung. Je- mand hatte sie am Rande ei- nes Sportplatzes gefunden, undsieschienniemandemzu gehören. So wohnte sie im Pfarrhaus und erinnerte mich immer wieder an Flüchtlinge bei uns und an die Weih- nachtsgeschichte. Das ergab das Thema der Heiligabend- predigt, und inzwischen ’wandert’ die Skulptur mit dem Hintergrund dieser The- men durch die Gemeinde. Maik Fleck: Ob Wortkunst, steingewordene Kunst oder Bildkunst – sie sollte über sich selbst hinausweisen. Kunst ist ein Medium, auf das ich mich einlassen kann, um mir an- dere Fragestellungen und Dimensionen im Glauben zu erschließen. Manche sagen heute: es ist doch egal, ob lutherisch oder reformiert, es ist doch alles evangelisch und sollte eins sein. Wie sehen Sie das? Steffie Langenau: Das wäre mir zu viel Beliebigkeit. Ich schätze beide Traditionen. Die Konzentration auf das Wesentliche im Reformierten empfinde ich nicht als defizi- tär, sondern oft genug als heil- sam und hilfreich. Wir kön- nen voneinander lernen. Maik Fleck: Die Andersheit bereichert uns. Die anderen machen aufmerksam auf das Eigene. Und es ist sogar ent- lastend. Kein Bekenntnis ist das allein Seligmachende. Wir brauchen einander. Und im Notfall kann ich auch sa- gen: Ja, bei uns findest du nicht, was du suchst, aber vielleicht bei den anderen – den lutherischen oder katho- lischen Geschwistern. Steffie Langenau: Dass Gott sich Menschen mitteilt, liegt nicht in unserer Hand. Es ist ein Offenbarungsgeschehen. Es hängt nicht von unseren For- men ab, aber es trägt uns auf, nicht lieblos mit der jeweili- gen Gestalt unseres Glaubens umzugehen. Die Bibel im Zentrum: Maik Fleck und Steffie Langenau in der evangelisch-reformierten Christuskirche in Det- mold. FOTO: BROKMEIER Inhalt Lutherisch und reformiert Seite I Bild und Bibel Seite II Kirchenführer Seite III Bilder in Lippe Seite IV Editorial April 2015

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  • Eine Publikation der Lippischen Landeskirche in Zusammenarbeit mit der Lippischen Landes-Zeitung in Lippe

    Liebe Leserin,lieber Leser,

    „Du sollstDir keinBildnismachen…“– JohannesCalvinundUlrichZwingli alsVäterdes reformiertenBekenntnis-ses habendas alttestamentli-cheGebot buchstäblich aus-gelegt – nichts sollte denMenschenvomWort derBi-bel ablenken.Demnach sindreformierteKirchenaucheherschmucklos, dieKanzel, vonder dasWort verkündetwird,steht imMittelpunkt.

    Anders in lutherischenKirchräumen – hier findensich neben dem Kruzifixauch andere biblische Bild-darstellungen und Kirchen-schmuck. Martin Lutherschätzte die Künste, alsoauch Bildhauerei und Male-rei, als Vermittler der bibli-schen Botschaft.

    Beide Traditionen habensich in Lippe in besondererWeise jahrhundertelang ne-ben- und miteinander ent-wickelt, unter dem gemein-samen Dach der LippischenLandeskirche.

    Die einen fühlen sich inden etwas nüchternen refor-mierten Strukturen zu Hause,die anderen möchten dassinnenfrohere lutherischeElement für sich nicht mis-sen. Es sind zwei Traditionenin Lippe, die es wert sind, er-halten zu werden – offen füralle Menschen, die eineHeimat in unseren Kirchen-gemeinden suchen.

    Ihre Birgit BrokmeierÖffentlichkeitsreferentinLippische Landeskirche

    Lutherisch und reformiertDas Bildverständnis der beiden Konfessionen in der Lippischen Landeskirche

    Detmold. „Bild und Bibel“ istdas Themenjahr der Evange-lischen Kirche in Deutsch-land (EKD). In der LippischenLandeskirche gibt es das lu-therische und das reformierteBekenntnis.Das Verständnis vom Um-gang mit Kunst, mit sinnli-chen Elementen, ist unter-schiedlich: so hängt in luthe-rischen Kirchen das Kruzifix,Bilder, Kerzenschein oderauch Blumenschmuck sindhier nichts Ungewöhnliches– Steffie Langenau als Pfar-rerin in der lutherischen Auf-erstehungskirche in BadSalzuflen kann sich beim Pre-digen von der Kanzel an far-benfrohen raumgestaltendenFenstern erfreuen.Reformierte Kirchen gebensich konzentriert schlicht,verzichten weitestgehend aufbildliche Darstellungen, anderWand hängt vielleicht einKreuz, aber ohne den Ge-kreuzigten. Nur das WortGottes soll im Mittelpunktstehen. Dennoch veranstaltetPfarrer Maik Fleck in der re-formierten Christuskirche re-gelmäßig Kunstaktionen –auch mit Bildern.

    Bilder und reformiertes Be-kenntnis – wie passt das zu-sammen?Maik Fleck: Ich halte es für einVorurteil, dass die Reformier-ten bildlos sind. Auch dieSprache, die im Mittelpunktdes reformierten Glaubens-verständnisses steht, ist bild-haft und hat sich ja überhaupterst aus Bildern entwickelt.Dennoch – unser Kirchraum inder Christuskirche ist bildlos.Denn das Erlebnis des Gottes-dienstes ist für Reformierte inerster Linie ein Hörerlebnis.Bilder im Gottesdienst benut-zeichsogutwienie.Undwennsonst ein Bild hier im Raum ist,dann betrachte ich es als Gast.

    Wo kommt das reformierteVerständnis vomUmgangmitBildern her?Maik Fleck: Ausgangspunktist in reformierter Lesart derZehn Gebote das Zweite Ge-bot ’Du sollst Dir kein Bildnismachen’ (Die lutherischeZählung versteht dieses Ge-bot nicht als eigenes, son-dern als Kommentar zum Ers-

    ten Gebot). In der Entwick-lung der Reformation war esder Versuch, alles, was dieKonzentration auf das Hörenstört, zu entfernen.Steffie Langenau: Insgesamtwar die Reformationszeit ei-ne Entwicklung hin zur Kon-zentration. Man kann es viel-leicht so zusammenfassen:Reformiert ist die Entfernungvon allem, was vom Hörender Schrift ablenkt und in dieIrre führt. Lutherisch hinge-gen ist die Erhaltung von al-lem, was der Verkündigungdient. Der lutherische Got-tesdienst ist nicht nur auf dasHörerlebnis, sondern auf alleSinne hin angelegt.Maik Fleck: Ich finde, dass dakein so starker Widerspruchist. Auch reformierte Gottes-dienste haben die ganzeLeiblichkeit imBlick, abermitdem Schwergewicht auf demHören. Christus ist das Bilddes lebendigen Gottes. Vonihm hören wir. Und wir ha-ben Gottes Bilder neben, vorund hinter uns – es sind dieanderen im Gottesdienst.

    Was verbinden Sie mit demBegriff Bild?

    Steffie Langenau: Wenn dasBild ein Abbild ist, wird esschwierig. Kunst sollte auf et-was hinweisen, was hinterdenDingen liegt, was geradenicht darstellbar ist. Ein Bei-spiel: Ich habe zu Beginn derAdventszeit eine Holzskulp-tur geschenkt bekommen,eine Frauengestalt, vielleichteine Mariendarstellung. Je-mand hatte sie am Rande ei-nes Sportplatzes gefunden,undsieschienniemandemzugehören. So wohnte sie imPfarrhaus und erinnertemichimmer wieder an Flüchtlingebei uns und an die Weih-nachtsgeschichte. Das ergabdas Thema der Heiligabend-predigt, und inzwischen’wandert’ die Skulptur mitdemHintergrund dieser The-mendurchdieGemeinde.Maik Fleck: Ob Wortkunst,steingewordene Kunst oderBildkunst–siesollteübersichselbsthinausweisen.Kunst isteinMedium,aufdas ichmicheinlassen kann, um mir an-dere Fragestellungen undDimensionen imGlauben zuerschließen.

    Manche sagen heute: es ist

    doch egal, ob lutherisch oderreformiert, es ist doch allesevangelisch und sollte einssein. Wie sehen Sie das?Steffie Langenau: Das wäremir zu viel Beliebigkeit. Ichschätze beide Traditionen.Die Konzentration auf dasWesentliche im Reformiertenempfinde ich nicht als defizi-tär, sondern oft genug als heil-sam und hilfreich. Wir kön-nen voneinander lernen.Maik Fleck: Die Andersheitbereichert uns. Die anderenmachen aufmerksam auf dasEigene. Und es ist sogar ent-lastend. Kein Bekenntnis istdas allein Seligmachende.Wir brauchen einander. Undim Notfall kann ich auch sa-gen: Ja, bei uns findest dunicht, was du suchst, abervielleicht bei den anderen –den lutherischen oder katho-lischen Geschwistern.Steffie Langenau: Dass Gottsich Menschen mitteilt, liegtnicht inunsererHand. Es ist einOffenbarungsgeschehen. Eshängt nicht von unseren For-men ab, aber es trägt uns auf,nicht lieblos mit der jeweili-gen Gestalt unseres Glaubensumzugehen.

    DieBibel imZentrum:MaikFleckundSteffieLangenauin derevangelisch-reformiertenChristuskirche in Det-mold. FOTO: BROKMEIER

    InhaltLutherisch und reformiert Seite IBild und Bibel Seite IIKirchenführer Seite IIIBilder in Lippe Seite IV

    Editorial

    April 2015