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sonntagszeitung.ch | 27. Januar 2019 Das Licht des Meeres Einmal noch wollte Janka Reimmann das Meer sehen, bevor sie ganz erblindete. Auf der Costa Diadema ging ihr Lebenstraum in Erfüllung Entspannung: Das Paar kennt alle Whirlpools auf dem Schiff Spätes Glück: In Matthias hat Janka ihre grosse Liebe gefunden Daniel J. Schüz (Text und Fotos) Mit einer leisen Vibration erwacht das Schiff zum Leben. Im Innern des gigantischen Rumpfs hat das eiserne Herz die Arbeit aufgenom- men. Und aussenbords, tief unten, klatscht die letzte der schenkel- dicken Trossen ins Hafenbecken. Die meisten der fast fünftausend Passagiere haben allerdings noch nicht gemerkt, dass die Reise be- gonnen hat. Sie genehmigen sich an einer der Bars einen ersten Apé- rol Spritz oder haben sich in eine der 1862 Kabinen zurückgezogen. Auf Deck 10, im Heck, sind die Reimmanns unter sich, als ein wei- teres sanftes Beben durch den weis- sen Koloss fährt. «Das ist der Bug- strahler.» Matthias steht an der Re- ling und kommentiert das Manö- ver mit der Leidenschaft des Hob- by-Nautikers. «Der drückt das Schiff von der Mole weg.» Wäh- rend die Costa Diadema langsam Fahrt aufnimmt und Richtung Ha- fenausfahrt gleitet, erschallt aus den Lautsprechern auf allen 19 Decks mit bombastischerWucht ein Streichorchester: das Intro zum Klassiker «Time To Say Goodbye». «Und das ist Andrea Bocelli», sagt Janka Reimmann, die sich in der Musik besser auskennt als in der Nautik. «Er ist der Grösste al- ler italienischer Tenöre.» Mit bei- den Händen umfasst sie, den lee- ren Blick in den grauen Himmel gerichtet, ihren weissen Stock und ergänzt: «Ausserdem ist er blind.» Schon früh hatte der grüne Star die Sehkraft des späteren Sängers beeinträchtigt. Als der Bub mit zwölf Jahren von einem Ball im Gesicht getroffen wurde, erblinde- te er rasch und vollständig. «Bei mir ist das anders.» Janka Reimmann legt Wert auf die zwei, bestenfalls drei Prozent Sehvermö- gen, die ihr geblieben sind. Sie war acht Jahre alt, als sie merk- te, dass sie die Zahlen und Buch- staben, die der Lehrer auf die Wandtafel schrieb, nicht mehr er- kennen konnte. Während der Ferien, als die Familie im Tessin Boccia spielte, sah sie auch die klei- ne rote Kugel nicht mehr. Der Au- genarzt diagnostizierte zunächst eine Entzündung der Regenbogen- haut und verschrieb Cortison. Dennoch wurde das Gesichtsfeld zunehmend enger und trüber. Es stellte sich heraus, dass die Maku- la erkrankt war, jener Bereich im Auge, der die Sehschärfe reguliert und das Fokussieren ermöglicht. «Da gibt es keine Aussicht auf Hei- lung», bedauerte der Arzt. «Sie müssen damit rechnen, dass es vollkommen dunkel wird.» Seit zwanzig Jahren arbeitet Janka in der Blinden Kuh Noch ist es nicht so weit. Noch kann Janka, wenn sie in hellen Nächten am Fenster steht, den Vollmond als fahlen Fleck am Himmel ausmachen. «Und solan- ge das so ist», hatte sie wenige Wo- chen zuvor einem TV-Reporter ins Mikrofon gesprochen, «solange die Finsternis noch nicht vollständig in mein Leben gekommen ist, habe ich nur einen Wunsch: Ich möch- te auf einer richtigen Kreuzfahrt einmal noch das Meer sehen.» Bald darauf strahlte der Zürcher Lokalsender das Porträt der 44-jäh- rigen Alltagsheldin aus, die das Schicksal der absehbaren Erblin- dung mit tapferer Haltung und tro- ckenem Humor annimmt. Dabei kann sie im Verlust des Augenlichts durchaus auch glückliche Aspekte erkennen. Zum Beispiel im Job: Im Herbst 1999, als die Sehbehinde- rung schon weit fortgeschritten war, gehörte Janka zum Eröffnungsteam der Blinden Kuh. Das erste Dun- kel-Restaurant der Welt im Zürcher Seefeld ist ihr längst zu einer zwei- ten Heimat geworden. Seit zwan- zig Jahren – «Im Herbst feiern wir Jubiläum» – tauscht Janka als Ser- vice-Angestellte mit den Gästen die Rollen. Im vollkommen abgedun- kelten Restaurant führen blinde Menschen sehende Gäste zu den Tischen und bedienen sie. Oder in der Beziehung: Das späte Glück einer frischen Liebe ist für Janka ein weiterer Neben- effekt des erloschenen Lichts. Über eine Partnervermittlung für Men- schen mit Handicap lernte Janka den vier Jahre jüngeren Matthias kennen, an dessen Händen wegen eines Gen-Defekts je zwei Finger fehlen. Fürs erste Date wählte Mat- thias einen Schauplatz ohne Fluchtweg: Die Panta Rhei ist das Flaggschiff der Zürichsee-Flotte. Janka erkannte rasch: Seine zweite Liebe gilt allem, was mit Schiffen zu tun hat, die erste aber ganz allein ihr. Das machte der ge- lernte Schreiner deutlich, als er ihr ein selbst gebasteltes Modell der Panta Rhei in die Hände drückte. Da sei noch etwas drin, schmun- zelte Matthias, worauf ihre Finger den versteckten Verlobungsring ertasteten: Das kleine hölzerne Kursschiff hatte sich als Heirats- antrag entpuppt, und selbstver- ständlich fand die Hochzeit auch auf dem Wasser statt. An Bord der Stadt Uster auf dem Greifensee be- siegelten Janka und Matthias die Romanze, die mit der Rundfahrt auf dem Zürichsee so vielverspre- chend begonnen hatte. Und dann läutete, wenige Tage nach der Ausstrahlung des TV-Por- träts, das Telefon. Eine Frau, die sich als Abgesandte von Costa vor- stellte, wollte wissen, ob Janka jene Bemerkung über den grössten Wunsch ihres Lebens wirklich ernst gemeint habe. Es wäre der Reederei eine Ehre, ihr den Traum vom Traumschiff zu erfüllen. Als Gäste an Bord des grössten Kreuz- fahrtschiffes auf dem Mittelmeer seien Janka und der Herr Gemahl herzlich willkommen. Danach hatte sie sich gesehnt: Das Meer wird lebendig In der dritten Nacht an Bord fin- det Janka keinen Schlaf. Nach Mar- seille und Barcelona hat die Costa Diadema die Festlandküste verlas- sen und südlichen Kurs Richtung Mallorca genommen. Irgendetwas da draussen ist heute anders als sonst. Sie steht auf, geht auf den Balkon – und weiss sofort, wer ihr die Ruhe raubt: Die Wolken haben ein Fenster geöffnet und geben die Sicht frei auf den Mond. Es ist nicht der Mond, den sie von zu Hause kennt. Er steht zwar, hell und rund, am Nachthimmel, aber er ist nicht mehr so einsam, sondern legt eine silbrig glitzernde Verbindung vom Horizont bis vor ihre Füsse. Das ist es, wonach sie sich so gesehnt hat: Das Meer wird lebendig. Bis anhin hat Janka es vor al- lem gehört, als an- und abschwel- lendes Rauschen, wenn der Schiffs- rumpf durch die Wogen pflügt. Jetzt kann sie es im Mondlicht se- hen. Und morgen, da will sie das Meer auch noch spüren. «Wo ist der nächste Strand?» Nicht weit, sagt der Taxifahrer im Hafen von Palma de Mallorca, auf der anderen Seite der Stadt. «Dort wollen wir hin, kurz nur.» Janka Reimmann zieht Schuhe und Socken aus, krempelt die Ho- senbeine hoch. Vorsichtig schrei- tet sie dem plätschernden Geräusch entgegen und nimmt, warm und weich, unter den Sohlen den Sand wahr. Die erste Welle umspült ihre nackten Füsse, die nächste klatscht schon keck gegen die Waden. Jan- ka lacht und weint zugleich. Ja, so fühlt es sich an, das Meer. Veranstalter Gastland Partner Medienpartner Partnermesse Golfmesse Ermässigtes SBB RailAway-Kombi. DIE GANZE WELT AN EINEM ORT 31. JANUAR BIS 3. FEBRUAR 2019 MESSE ZÜRICH fespo.ch 89 Kreuzfahrten Anzeige Der Hotelgigant Marriott, Mutter- firma der Nobelkette Ritz-Carlton, hatte sich schon vor 25 Jahren mit dem Kreuzfahrtmarkt beschäftigt. Konkret wurden die Pläne vor sechs Jahren, als die Ritz-Carlton Yacht Collection gegründet wurde. Vor einigen Wochen stellte Ritz-Carlton auf der Werft im nordspanischen Vigo nun erstmals die Inneneinrichtungen der Suiten an Bord vor. Die renommierte schwedische Firma Tillberg Design kreierte die Unterkünfte in hellen und grauen Farbtönen. «Wichtig war für uns, die richtige Grösse der Schiffe zu bestimmen», sagt Dou- glas Prothero, CEO von Ritz-Carl- tonYacht Club. «Sie sollten wie ein luxuriöses Boutique-Hotel nicht mehr als 150 Zimmer haben.» Die Ausmasse der 149 Suiten, die alle über Balkon verfügen, lie- gen zwischen 29 und 65 Quadrat- metern, zwei Owner-Suiten verfü- gen über je 102 Quadratmeter Wohnfläche plus privatem Balkon. Die Muster-Suiten wurden bis ins Detail gestaltet: von den Abrun- dungen der Bettkanten über Farb- töne bis zum Hightech-Lautspre- cher auf der Veranda. Und die Zah- len im Servicebereich erinnern an die Nobelhotellerie: Die maximal 298 Gäste werden von 246 Besat- zungsmitgliedern betreut. Neben einer grossen Wassersport- marina und zwei Pools sollen die 192 Meter langen Schiffe viel Raum in geräumigen Lounges bie- ten. Die Gäste können unter fünf Restaurants wählen, von denen eines vom deutschen 3-Michelin- Sterne-Koch Sven Elverfeld aus dem Wolfsburger Ritz-Carlton be- treut wird. Die Ritz-Carlton-Grup- pe wird im Übrigen mit der Yacht Collection ihren ersten Ausflug in das All-inclusive-Geschäft starten. Die neuen Gäste sind schon ein- geplant: Die Mutterfirma Mar- riott Luxury verfügt über vier Mil- lionen Kundenadressen, aus denen ein grosser Teil der Passagiere re- krutiert werden soll. Douglas Pro- thero: «Die Nachfrage ist dreimal grösser als erwartet.» Fast die Hälf- te der neuen Gäste, so der CEO, seien Kreuzfahrtneulinge. Die Taufe des ersten Schiffes mit dem Namen Azora findet in einem Jahr in Miami statt. Es wird dann wie sein Schwesterschiff im Mittelmeer kreuzen. Weitere Reviere sind die Karibik, die Great Lakes oder die Gewässer vor Lateinamerika. Preislich liegen die Kreuzfahrten von Ritz-Carlton in der Tarifklasse von Luxussafaris. So kostet eine siebentägige Mittel- meerkreuzfahrt rund 6000 Fran- ken pro Person. Michael Wolf Luxusherberge auf hoher See Die Hotelkette Ritz-Carlton lanciert Kreuzfahrtschiffe. Das Echo ist gross Costa Diadema: Länge 306 Meter, Breite 32 Meter, 4947 Passagiere, 1253 Crewmitglieder, 1862 Kabi- nen, seit 2014 unter italienischer Flagge unterwegs. Arrangement: Die Rundreise durchs westliche Mittelmeer führt eine Woche lang von Savona über Marseille, Barcelona, Palma de Mal- lorca, Palermo (ab 10. Mai 2019: Cagliari) und Civitavecchia/Rom zu- rück nach Savona. Wer vor dem 15. Februar 2019 bucht, profitiert von der «All-inclu-Schiff»-Promotion: Innenkabine ab 749 Fr., Aussenka- bine mit Balkon ab 949 Fr. pro Per- son inkl. Trinkgelder und Getränke- pakete. Kinder unter 18 Jahren gra- tis in der Kabine der Eltern. www.costakreuzfahrten.ch Blinde Kuh: Das erste Dunkel-Res- taurant der Welt feiert 2019 den 20. Geburtstag. Täglich abends ge- öffnet, mittags Do bis Fr, Mühle- bachstrasse 148, 8008 Zürich; 044 421 50 50, www.blindekuh.ch. Eine Blinde Kuh gibt es auch in Ba- sel inkl. grossem Event-Bereich im Hellen, Dornacherstrasse 192, 4053 Basel; 061 336 33 00 Königin des Mittelmeers und die Blinde Kuh «Diese Reise ist mir unendlich wichtig»: Die erblindende Janka und ihr Mann Matthias auf der Costa Diadema Zwei Nächte und ein Tag liegen zwischen den Balearen und Sizi- lien, die längste Etappe auf dieser Kreuzfahrt. Janka und Matthias Reimmann haben sich mit dem rie- sigen Schiff vertraut gemacht. Sie wissen, zu welchen Tageszeiten und auf welchen Decks man unge- stört das Schiff umrunden kann. An der grossen Bar im Heck- Bereich gönnen sie sich auch mal ein Cüpli. Dann zückt Janka ihr Handy und fotografiert das Meer. «Fötele» sei ihr liebstes Hobby, lacht sie. «Matthias macht mich auf schöne Motive aufmerksam.Wenn ich das Bild mit den Fingern ver- grössere und ganz nah vor die Au- gen halte, sehe ich die Heckwelle, eine Spur aus weissem Schaum, die ähnlich der silbernen Mond- lichtstrasse dort endet, wo der Himmel beginnt.» Um das Spielcasino und die Shopping Mall machen sie einen Bogen, die Fun-Bereiche und Nass- zonen mit Hip-Hop-Bühne, Rutschbahnbecken und kreischen- den Kids meiden sie, dafür kennen sie mittlerweile jeden der zahlrei- chen Whirlpools, in denen man entspannen und aufs Meer hinaus- schauen kann. Und das Paar fasst die Eindrücke der letzten Tage zu- sammen. «Ich habe immer ge- glaubt, ein Kreuzfahrtschiff sei ein schwimmendes Rentnerparadies», sagt Janka. «Tatsächlich aber ver- gnügen sich hier mindestens so vie- le Teenies wie Senioren.» «Mich hat die Freundlichkeit der Crew- Mitglieder überrascht», zieht Matthias Bilanz. Begleitet von Andrea Bocellis Tenor läuft die Costa Diadema im Hafen von Civitavecchia aus und nimmt Kurs auf Savona – dorthin, wo eine Woche zuvor die Reise be- gonnen hat. Auf der Tanzfläche in der Pianobar schmiegt Janka sich an Matthias. Wieder dieses Lied: «Time To Say Goodbye.» Bocelli singt diesmal die italienische Ver- sion. «Diese Reise», flüstert Janka in Matthias’ Ohr, «ist mir unendlich wichtig – ich möchte sie niemals mehr missen, nicht für eine Mil- lion.» Der blinde Sänger singt: «Si lo so che non c’è luce – ich weiss, dass es kein Licht gibt…» Und die erblindende Passagierin sagt: «Ich werde immer weinen müssen, wenn ich dieses Lied höre.» Die Reise wurde unterstützt von Costa Kreuzfahrten.

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sonntagszeitung.ch | 27. Januar 2019

Das LichtdesMeeresEinmal noch wollte Janka

Reimmann das Meer sehen, bevorsie ganz erblindete. Auf

der Costa Diadema ging ihrLebenstraum in Erfüllung

Entspannung:Das Paar kenntalle Whirlpoolsauf dem Schiff

Spätes Glück:In Matthias hatJanka ihregrosse Liebegefunden

Daniel J. Schüz (Text und Fotos)

Mit einer leisen Vibration erwachtdas Schiff zum Leben. Im Innerndes gigantischen Rumpfs hat daseiserne Herz die Arbeit aufgenom-men. Und aussenbords, tief unten,klatscht die letzte der schenkel-dicken Trossen ins Hafenbecken.Die meisten der fast fünftausendPassagiere haben allerdings nochnicht gemerkt, dass die Reise be-gonnen hat. Sie genehmigen sichan einer der Bars einen ersten Apé-rol Spritz oder haben sich in eineder 1862 Kabinen zurückgezogen.

Auf Deck 10, im Heck, sind dieReimmanns unter sich, als ein wei-teres sanftes Beben durch den weis-sen Koloss fährt. «Das ist der Bug-strahler.» Matthias steht an der Re-ling und kommentiert das Manö-ver mit der Leidenschaft des Hob-by-Nautikers. «Der drückt dasSchiff von der Mole weg.» Wäh-rend die Costa Diadema langsamFahrt aufnimmt und Richtung Ha-fenausfahrt gleitet, erschallt ausden Lautsprechern auf allen19 Decks mit bombastischer Wuchtein Streichorchester: das Intro zumKlassiker «Time To Say Goodbye».

«Und das ist Andrea Bocelli»,sagt Janka Reimmann, die sich inder Musik besser auskennt als inder Nautik. «Er ist der Grösste al-ler italienischer Tenöre.» Mit bei-den Händen umfasst sie, den lee-ren Blick in den grauen Himmelgerichtet, ihren weissen Stock undergänzt: «Ausserdem ist er blind.»

Schon früh hatte der grüne Stardie Sehkraft des späteren Sängersbeeinträchtigt. Als der Bub mitzwölf Jahren von einem Ball imGesicht getroffen wurde, erblinde-te er rasch und vollständig.

«Bei mir ist das anders.» JankaReimmann legt Wert auf die zwei,bestenfalls drei Prozent Sehvermö-gen, die ihr geblieben sind.

Sie war acht Jahre alt, als sie merk-te, dass sie die Zahlen und Buch-staben, die der Lehrer auf dieWandtafel schrieb, nicht mehr er-kennen konnte. Während derFerien, als die Familie im TessinBoccia spielte, sah sie auch die klei-ne rote Kugel nicht mehr. Der Au-genarzt diagnostizierte zunächsteine Entzündung der Regenbogen-haut und verschrieb Cortison.Dennoch wurde das Gesichtsfeldzunehmend enger und trüber. Esstellte sich heraus, dass die Maku-la erkrankt war, jener Bereich imAuge, der die Sehschärfe reguliertund das Fokussieren ermöglicht.«Da gibt es keine Aussicht auf Hei-lung», bedauerte der Arzt. «Siemüssen damit rechnen, dass esvollkommen dunkel wird.»

Seit zwanzig Jahren arbeitetJanka in der Blinden Kuh

Noch ist es nicht so weit. Nochkann Janka, wenn sie in hellenNächten am Fenster steht, denVollmond als fahlen Fleck amHimmel ausmachen. «Und solan-ge das so ist», hatte sie wenige Wo-chen zuvor einem TV-Reporter insMikrofon gesprochen, «solange dieFinsternis noch nicht vollständigin mein Leben gekommen ist, habeich nur einen Wunsch: Ich möch-te auf einer richtigen Kreuzfahrteinmal noch das Meer sehen.»

Bald darauf strahlte der ZürcherLokalsender das Porträt der 44-jäh-rigen Alltagsheldin aus, die dasSchicksal der absehbaren Erblin-dung mit tapferer Haltung und tro-ckenem Humor annimmt. Dabeikann sie im Verlust des Augenlichtsdurchaus auch glückliche Aspekteerkennen. Zum Beispiel im Job: ImHerbst 1999, als die Sehbehinde-rung schon weit fortgeschritten war,gehörte Janka zum Eröffnungsteamder Blinden Kuh. Das erste Dun-kel-Restaurant derWelt im Zürcher

Seefeld ist ihr längst zu einer zwei-ten Heimat geworden. Seit zwan-zig Jahren – «Im Herbst feiern wirJubiläum» – tauscht Janka als Ser-vice-Angestellte mit den Gästen dieRollen. Im vollkommen abgedun-kelten Restaurant führen blindeMenschen sehende Gäste zu denTischen und bedienen sie.

Oder in der Beziehung: Dasspäte Glück einer frischen Liebeist für Janka ein weiterer Neben-effekt des erloschenen Lichts. Übereine Partnervermittlung für Men-schen mit Handicap lernte Jankaden vier Jahre jüngeren Matthiaskennen, an dessen Händen wegeneines Gen-Defekts je zwei Fingerfehlen. Fürs erste Date wählte Mat-thias einen Schauplatz ohneFluchtweg: Die Panta Rhei ist dasFlaggschiff der Zürichsee-Flotte.

Janka erkannte rasch: Seinezweite Liebe gilt allem, was mitSchiffen zu tun hat, die erste aberganz allein ihr. Das machte der ge-lernte Schreiner deutlich, als er ihrein selbst gebasteltes Modell derPanta Rhei in die Hände drückte.Da sei noch etwas drin, schmun-zelte Matthias, worauf ihre Fingerden versteckten Verlobungsringertasteten: Das kleine hölzerneKursschiff hatte sich als Heirats-antrag entpuppt, und selbstver-ständlich fand die Hochzeit auchauf dem Wasser statt. An Bord derStadt Uster auf dem Greifensee be-siegelten Janka und Matthias dieRomanze, die mit der Rundfahrtauf dem Zürichsee so vielverspre-chend begonnen hatte.

Und dann läutete, wenige Tagenach der Ausstrahlung des TV-Por-träts, das Telefon. Eine Frau, diesich als Abgesandte von Costa vor-stellte, wollte wissen, ob Janka jeneBemerkung über den grösstenWunsch ihres Lebens wirklichernst gemeint habe. Es wäre derReederei eine Ehre, ihr den Traum

vom Traumschiff zu erfüllen. AlsGäste an Bord des grössten Kreuz-fahrtschiffes auf dem Mittelmeerseien Janka und der Herr Gemahlherzlich willkommen.

Danach hatte sie sich gesehnt:Das Meer wird lebendig

In der dritten Nacht an Bord fin-det Janka keinen Schlaf. Nach Mar-seille und Barcelona hat die CostaDiadema die Festlandküste verlas-sen und südlichen Kurs RichtungMallorca genommen. Irgendetwasda draussen ist heute anders alssonst. Sie steht auf, geht auf denBalkon – und weiss sofort, wer ihrdie Ruhe raubt: Die Wolken habenein Fenster geöffnet und geben dieSicht frei auf den Mond. Es ist nichtder Mond, den sie von zu Hausekennt. Er steht zwar, hell und rund,am Nachthimmel, aber er ist nichtmehr so einsam, sondern legt einesilbrig glitzernde Verbindung vomHorizont bis vor ihre Füsse. Dasist es, wonach sie sich so gesehnthat: Das Meer wird lebendig.

Bis anhin hat Janka es vor al-lem gehört, als an- und abschwel-lendes Rauschen, wenn der Schiffs-rumpf durch die Wogen pflügt.Jetzt kann sie es im Mondlicht se-hen. Und morgen, da will sie dasMeer auch noch spüren.

«Wo ist der nächste Strand?»Nicht weit, sagt der Taxifahrer imHafen von Palma de Mallorca, aufder anderen Seite der Stadt. «Dortwollen wir hin, kurz nur.»

Janka Reimmann zieht Schuheund Socken aus, krempelt die Ho-senbeine hoch. Vorsichtig schrei-tet sie dem plätschernden Geräuschentgegen und nimmt, warm undweich, unter den Sohlen den Sandwahr. Die erste Welle umspült ihrenackten Füsse, die nächste klatschtschon keck gegen die Waden. Jan-ka lacht und weint zugleich. Ja, sofühlt es sich an, das Meer.

Veranstalter Gastland Partner MedienpartnerPartnermesse

Golfmesse

Ermässigtes SBB RailAway-Kombi.

DIE GANZE WELTAN EINEM ORT31. JANUARBIS 3. FEBRUAR 2019MESSE ZÜRICHfespo.ch

89Kreuzfahrten

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Der Hotelgigant Marriott, Mutter-firma der Nobelkette Ritz-Carlton,hatte sich schon vor 25 Jahren mitdem Kreuzfahrtmarkt beschäftigt.Konkret wurden die Pläne vor sechsJahren, als die Ritz-Carlton YachtCollection gegründet wurde.

Vor einigen Wochen stellteRitz-Carlton auf der Werft imnordspanischen Vigo nun erstmalsdie Inneneinrichtungen der Suitenan Bord vor. Die renommierteschwedische Firma Tillberg Designkreierte die Unterkünfte in hellenund grauen Farbtönen. «Wichtigwar für uns, die richtige Grösse derSchiffe zu bestimmen», sagt Dou-glas Prothero, CEO von Ritz-Carl-

tonYacht Club. «Sie sollten wie einluxuriöses Boutique-Hotel nichtmehr als 150 Zimmer haben.»

Die Ausmasse der 149 Suiten,die alle über Balkon verfügen, lie-gen zwischen 29 und 65 Quadrat-metern, zwei Owner-Suiten verfü-gen über je 102 QuadratmeterWohnfläche plus privatem Balkon.Die Muster-Suiten wurden bis insDetail gestaltet: von den Abrun-dungen der Bettkanten über Farb-töne bis zum Hightech-Lautspre-cher auf der Veranda. Und die Zah-len im Servicebereich erinnern andie Nobelhotellerie: Die maximal298 Gäste werden von 246 Besat-zungsmitgliedern betreut.

Neben einer grossen Wassersport-marina und zwei Pools sollen die192 Meter langen Schiffe vielRaum in geräumigen Lounges bie-ten. Die Gäste können unter fünfRestaurants wählen, von deneneines vom deutschen 3-Michelin-Sterne-Koch Sven Elverfeld ausdem Wolfsburger Ritz-Carlton be-treut wird. Die Ritz-Carlton-Grup-pe wird im Übrigen mit der YachtCollection ihren ersten Ausflug indas All-inclusive-Geschäft starten.

Die neuen Gäste sind schon ein-geplant: Die Mutterfirma Mar-riott Luxury verfügt über vier Mil-lionen Kundenadressen, aus denenein grosser Teil der Passagiere re-

krutiert werden soll. Douglas Pro-thero: «Die Nachfrage ist dreimalgrösser als erwartet.» Fast die Hälf-te der neuen Gäste, so der CEO,seien Kreuzfahrtneulinge.

Die Taufe des ersten Schiffesmit dem Namen Azora findet ineinem Jahr in Miami statt. Eswird dann wie sein Schwesterschiffim Mittelmeer kreuzen. WeitereReviere sind die Karibik, dieGreat Lakes oder die Gewässer vorLateinamerika. Preislich liegen dieKreuzfahrten von Ritz-Carlton inder Tarifklasse von Luxussafaris.So kostet eine siebentägige Mittel-meerkreuzfahrt rund 6000 Fran-ken pro Person. MichaelWolf

Luxusherberge auf hoher SeeDie Hotelkette Ritz-Carlton lanciert Kreuzfahrtschiffe. Das Echo ist gross

CostaDiadema:Länge306Meter,Breite 32 Meter, 4947 Passagiere,1253 Crewmitglieder, 1862 Kabi-nen, seit 2014 unter italienischerFlagge unterwegs.Arrangement: Die Rundreisedurchs westlicheMittelmeer führteineWoche lang vonSavona überMarseille, Barcelona, PalmadeMal-lorca, Palermo (ab 10. Mai 2019:Cagliari) undCivitavecchia/Romzu-rücknachSavona.Wervordem15.Februar 2019 bucht, profitiert vonder «All-inclu-Schiff»-Promotion:Innenkabine ab749Fr., Aussenka-binemit Balkon ab 949 Fr. pro Per-son inkl. Trinkgelder undGetränke-pakete. Kinder unter 18Jahrengra-tis in der Kabine der Eltern.www.costakreuzfahrten.chBlindeKuh:DasersteDunkel-Res-taurant der Welt feiert 2019 den20.Geburtstag. Täglich abendsge-öffnet, mittags Do bis Fr, Mühle-bachstrasse 148, 8008 Zürich;0444215050,www.blindekuh.ch.EineBlindeKuhgibt es auch in Ba-sel inkl. grossemEvent-Bereich imHellen, Dornacherstrasse 192,4053 Basel; 061 336 33 00

Königin des Mittelmeersund die Blinde Kuh

«Diese Reise ist mirunendlich wichtig»:

Die erblindendeJanka und ihr Mann

Matthias auf derCosta Diadema

Zwei Nächte und ein Tag liegenzwischen den Balearen und Sizi-lien, die längste Etappe auf dieserKreuzfahrt. Janka und MatthiasReimmann haben sich mit dem rie-sigen Schiff vertraut gemacht. Siewissen, zu welchen Tageszeitenund auf welchen Decks man unge-stört das Schiff umrunden kann.An der grossen Bar im Heck-Bereich gönnen sie sich auch malein Cüpli. Dann zückt Janka ihrHandy und fotografiert das Meer.«Fötele» sei ihr liebstes Hobby,lacht sie. «Matthias macht mich auf

schöne Motive aufmerksam. Wennich das Bild mit den Fingern ver-grössere und ganz nah vor die Au-gen halte, sehe ich die Heckwelle,eine Spur aus weissem Schaum,die ähnlich der silbernen Mond-lichtstrasse dort endet, wo derHimmel beginnt.»

Um das Spielcasino und dieShopping Mall machen sie einenBogen, die Fun-Bereiche und Nass-zonen mit Hip-Hop-Bühne,Rutschbahnbecken und kreischen-den Kids meiden sie, dafür kennensie mittlerweile jeden der zahlrei-chen Whirlpools, in denen manentspannen und aufs Meer hinaus-schauen kann. Und das Paar fasstdie Eindrücke der letzten Tage zu-sammen. «Ich habe immer ge-glaubt, ein Kreuzfahrtschiff sei einschwimmendes Rentnerparadies»,sagt Janka. «Tatsächlich aber ver-gnügen sich hier mindestens so vie-le Teenies wie Senioren.» «Michhat die Freundlichkeit der Crew-Mitglieder überrascht», ziehtMatthias Bilanz.

Begleitet von Andrea BocellisTenor läuft die Costa Diadema imHafen von Civitavecchia aus undnimmt Kurs auf Savona – dorthin,wo eine Woche zuvor die Reise be-gonnen hat. Auf der Tanzfläche inder Pianobar schmiegt Janka sichan Matthias. Wieder dieses Lied:«Time To Say Goodbye.» Bocellisingt diesmal die italienische Ver-sion. «Diese Reise», flüstert Jankain Matthias’ Ohr, «ist mir unendlichwichtig – ich möchte sie niemalsmehr missen, nicht für eine Mil-lion.» Der blinde Sänger singt: «Silo so che non c’è luce – ich weiss,dass es kein Licht gibt…» Und dieerblindende Passagierin sagt: «Ichwerde immer weinen müssen,wenn ich dieses Lied höre.»

Die Reise wurde unterstützt vonCosta Kreuzfahrten.