Daten- und Beziehungsstrukturen: Eine didaktische Analyse im Spannungsfeld von angewandter...

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Hilde Kletzl Daten- und Beziehungsstrukturen: Eine didaktische Analyse im Spannungsfeld von angewandter Informatik und angewandter Mathematik 143 Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Naturwissenschaften an der Naturwissenschaftlichen FakuWit der Universitat Salzburg - Institut fur Mathematik, Abteilung: Didaktik der Naturwissenschaften. Betreuer: Prof. Doz. Dr. Mag. Karl Josef Fuchs Ao.-Univ.-Prof. Doz. Dr. Maximilian Thaler Das Thema Daten- und Beziehungsstrukturen scheint zwar in den osterreichischen Lehrplanen fur das Gymnasium als Kemstoff in der ersten Klasse Oberstufe auf, wird aber dennoch in den gangigen Lehrbiichem stiefmiitterlich behandelt. Ein Ziel der Arbeit ist es, die Moglichkeiten fur dieses Thema im Mathematikunterricht, sowohl an Gymnasien als auch den berufsbildenden Schulen, aufzuzeigen. Ein wesentlicher Schritt dazu besteht darin, das Thema Daten- und Beziehungsstrukturen in einen geeigneten Kontext zu setzen. Das bedeutet, das Thema mit anderen Stoffgebieten der vorherigen Jahrgange zu verbinden und auch vorausschauend auf die noch folgenden Stoffgebiete aufzuarbeiten. Die Position, die das Thema im Lehrplan einnimmt, aber auch die Bedeutung der Strukturierung von Lemprozessen stehen zu Beginn der Arbeit im Vordergrund. In einem zweiten Schritt folgt eine Untersuchung gangiger Lehrbiicher an Osterreichs Schulen und der Art und Weise, wie diese das Thema Daten- und Beziehungsstrukturen aufarbeiten und schlieBlich in einen weiteren Kontext einbetten. Dabei werden bereits gravierende Unterschiede in der Interpretation des Themas deutlich. Eine plakative Methode, Beziehungsstrukturen auch dem Lemenden zu verdeutlichen, ist die Verwendung von Graphen und Netzen zur Darstellung. Gerade bei den Netzen ergibt sich die Moglichkeit, anwendungsorientierte - wenn auch zumeist vereinfachte Beispiele - aus der Netzplantechnik einzubinden. Mit der Netzplantechnik lassen sich einfache Projektplanungen im Schulunterricht durchfuhren, aber auch die Funktionsweise von Algorithmen kann anschaulich demonstriert werden. Ein Beispiel dafur bildet der Algorithmus nach Kruskal. Gerade eine algorithmische Darstellung mathematischer Probleme bildet die Grundlage fur die Programmierung am Pc. Die Algorithmisierung - die auch zu den fundamentalen Ideen der Mathematik gehort - gewinnt durch die Informatik immer mehr an Bedeutung, dem wird aber im herkommlichen Mathematikunterricht und in den verwendeten Lehrwerken noch nicht Rechnung getragen. Ein wesentliches Bindeglied zwischen der Darstellung von Daten- und Beziehungsstrukturen in Form von Graphen und einer darauf folgenden Berechnung am PC bildet die Matrix. Die Darstellung von Beziehungsstrukturen in Form von Adjazenzmatrizen bildet eine notwendige Grundlage zur Programmierung. Den (JMD 24 (2003) H. 2, S. 143-144)

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Hilde Kletzl

Daten- und Beziehungsstrukturen: Eine didaktische Analyse im Spannungsfeld von angewandter Informatik und angewandter Mathematik

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Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Naturwissenschaften an der Naturwissenschaftlichen FakuWit der Universitat Salzburg - Institut fur Mathematik, Abteilung: Didaktik der Naturwissenschaften.

Betreuer: Prof. Doz. Dr. Mag. Karl Josef Fuchs Ao.-Univ.-Prof. Doz. Dr. Maximilian Thaler

Das Thema Daten- und Beziehungsstrukturen scheint zwar in den osterreichischen Lehrplanen fur das Gymnasium als Kemstoff in der ersten Klasse Oberstufe auf, wird aber dennoch in den gangigen Lehrbiichem stiefmiitterlich behandelt. Ein Ziel der Arbeit ist es, die Moglichkeiten fur dieses Thema im Mathematikunterricht, sowohl an Gymnasien als auch den berufsbildenden Schulen, aufzuzeigen.

Ein wesentlicher Schritt dazu besteht darin, das Thema Daten- und Beziehungsstrukturen in einen geeigneten Kontext zu setzen. Das bedeutet, das Thema mit anderen Stoffgebieten der vorherigen Jahrgange zu verbinden und auch vorausschauend auf die noch folgenden Stoffgebiete aufzuarbeiten. Die Position, die das Thema im Lehrplan einnimmt, aber auch die Bedeutung der Strukturierung von Lemprozessen stehen zu Beginn der Arbeit im Vordergrund.

In einem zweiten Schritt folgt eine Untersuchung gangiger Lehrbiicher an Osterreichs Schulen und der Art und Weise, wie diese das Thema Daten- und Beziehungsstrukturen aufarbeiten und schlieBlich in einen weiteren Kontext einbetten. Dabei werden bereits gravierende Unterschiede in der Interpretation des Themas deutlich. Eine plakative Methode, Beziehungsstrukturen auch dem Lemenden zu verdeutlichen, ist die Verwendung von Graphen und Netzen zur Darstellung. Gerade bei den Netzen ergibt sich die Moglichkeit, anwendungsorientierte - wenn auch zumeist vereinfachte Beispiele - aus der Netzplantechnik einzubinden. Mit der Netzplantechnik lassen sich einfache Projektplanungen im Schulunterricht durchfuhren, aber auch die Funktionsweise von Algorithmen kann anschaulich demonstriert werden. Ein Beispiel dafur bildet der Algorithmus nach Kruskal. Gerade eine algorithmische Darstellung mathematischer Probleme bildet die Grundlage fur die Programmierung am Pc. Die Algorithmisierung - die auch zu den fundamentalen Ideen der Mathematik gehort -gewinnt durch die Informatik immer mehr an Bedeutung, dem wird aber im herkommlichen Mathematikunterricht und in den verwendeten Lehrwerken noch nicht Rechnung getragen.

Ein wesentliches Bindeglied zwischen der Darstellung von Daten- und Beziehungsstrukturen in Form von Graphen und einer darauf folgenden Berechnung am PC bildet die Matrix. Die Darstellung von Beziehungsstrukturen in Form von Adjazenzmatrizen bildet eine notwendige Grundlage zur Programmierung. Den

(JMD 24 (2003) H. 2, S. 143-144)

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Matrizen wird damit ein neuer Stellenwert im Mathematikunterricht der Oberstufe eingeraumt und sie werden fur neue Aufgaben herangezogen, ohne dass die Matrizenrechnung mit groBem Aufwand eingefiihrt werden muss. Die Matrizenrechnung wird ja in der Gymnasialmathematik nur am Rande, wenn uberhaupt, behandelt. Sie ist aber ein Beispiel dafiir, dass der Mathematikstoff auch den modemen Rechenprogrammen und der Informatik entsprechend angepasst werden muss. Denn gerade in diesen Bereichen ist das Arbeiten mit dem Matrixbegriffunumganglich.

Diesem Ubergang zwischen der Darstellungsform als Matrix und den verschiedenen Graphen, sowie der Programmierung am PC sind mehrere Programmbeispiele gewidmet. Am Anfang werden kurz klassische Probleme aus der Graphentheorie, wie das Konigsberger Briickenproblem nach Euler, angesprochen. Neben den Graphen konnen in der ersten Klasse Oberstufe Matrizen auch bei der Losung von Gleichungssystemen behandelt werden und gerade die Matrizendarstellung eignet sich besonders gut zum Programmieren, da hier der dahinterstehende GauBsche Algorithmus deutlicher zu Tage tritt und entsprechend automatisiert werden kann. Ein effizienter Algorithmus bildet die Basis fiir ein gut funktionierendes Programm. Ein Beispiel fiir einen eher ineffizienten Algorithmus liefert das Siebprinzip des Eratostenes zur Ermittlung von Primzahlen. Der hohe Rechenaufwand des Algorithmus bei groBen Zahlen wird aber auch zum Testen von Rechnerleistungen verwendet. Anhand von solchen konkreten Beispielen wird sukzessive der Wandel vom Graphen hin zur computergerechten algorithmischen Darstellung erarbeitet.

SchlieBlich wird das Problem des Postboten, das eine Vereinfachung des Traveling Salesman Problems darstellt, behandelt. Bei diesem konkreten Beispiel geht es aber nicht nur urn die geeignete Darstellungsform von Beziehungsstrukturen, sondem auch darum, Probleme der diskreten Optimierungen 16sen zu konnen. Das Beispiel zeigt aber auch, welch mathematischer Aufwand bereits bei relativ uberschaubaren Graphen notwendig ist, urn den optimal en Weg zu ermitteln. GroBteils ist nur eine naherungsweise Berechnung moglich. Es wird deutlich, dass Mathematik mit Anwendungsbezug nur selten eindeutige Losungen bereit halt.

Das letzte Kapitel der Arbeit, das in englischer Sprache verfasst ist, versteht sich als eine Sammlung von Ideen fiir einen Mathematikunterricht mit Arbeitssprache Englisch. Das ist speziell ein Mathematikunterricht also fiir Lemende, die Englisch nicht als Muttersprache haben, aber ihre Sprachkompetenz auch auf technisch­mathematischen Gebieten ausweiten wollen. Dabei steht die Vermittlung von Sprachfertigkeiten, die nicht nur auf ein Themengebiet beschrankt sind, im Zentrum. Ein Beispiel dafiir ist die Beschreibung von Prozessen, ihren Auswirkungen und zeitlichen Ablaufen in der Fremdsprache. Die dafiir erforderlichen Sprachmittel konnen gut mit Beispielen aus der Netzplantechnik trainiert werden.

Mag. phil. Dr. rer.nat Hilde Kletzl HTBLA Salzburg Itzlinger Hauptstr. 30 5020 Salzburg [email protected]