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Dekompression und deren Modelle Volker Holthaus

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Dekompression und deren Modelle

Volker Holthaus

Inhalt

● Physikalische Grundlagen● Historie der Dekompressionstheorie● Existierende Dekompressionsmodelle● Dekompressionstabellen und Tauchcomputer● Beispieltauchgang Tabelle / Computer

Physikalische GrundlagenWas passiert beim Tauchen

● Wir atmen ein Gas unter erhöhtem Umgebungsdruck

● Die verschiedenen Gasbestandteile werden über das Blut zu den Geweben transportiert

● Gasbestandteile, die nicht verarbeitet werden, reichern sich in den Geweben an

Physikalische Grundlagen:Bestandteile der Luft

21 % Sauerstoff O2

78 % Stickstoff N2

0.97 % Edelgase (Argon, Helium, Neon u.a)0,03 % Kohlendioxid CO

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Physikalische GrundlagenWie verarbeiten wir die Luft● Sauerstoff (21 %):

– der Sauerstoff wird für die Verbrennung beim Stoffwechsel benötigt

● Stickstoff (78 %):– Stickstoff wird für den Stoffwechsel nicht benötigt

● Kohlendioxid (0,03 %):– wird ebenfalls nicht für den Stoffwechsel benötigt, ist 

aber ein Produkt des Stoffwechsels● Inertgase

– alle Gase, die nicht am Stoffwechsel teilnehmen

Physikalische GrundlagenDer Taucher und Sir Henry

Kompression

Das Gesetz von Henry beschreibt die physikalische Lösung von Gasen inFlüssigkeiten. Im Zustand der Sättigung und bei konstanter Temperatur lautetdas Gesetz (gilt nicht für alle Flüssigkeiten und nur bei geringem Druck):

Q=p⋅I⋅V

Q⇒gelösteGasmengep⇒ PartialdruckI⇒LöslichkeitskoeffizientV⇒Volumen

Isopression (oder Variopression)

Dekompression

Physikalische GrundlagenLöslichkeit von verschiedenen Gasen

Gasart Löslichkeitkoeffzient I (Blut) Löslichkeitskoeffzient I (Fett)

Helium (He) 9 19

Argon (Ar) 25 150

14 50

12 66

23 100

477 870

Wasserstoff (H2)

Stickstoff (N2)

Sauerstoff (O2)

Kohlendioxid (CO2)

● die Menge des gelösten Gases hängt ab:– Temperatur– Tauchzeit– Partialdruck des Gases– Löslichkeitskoeffizienten des Gewebes

Physikalische GrundlagenDie Sättigung eines Gewebes

Zur Vereinfachung wird der Körper in verschiedene Gewebetypenunterteilt. Jeder Gewebetyp hat unterschiedliche Sättigungszeiten, abhängig von der Durchblutung.

Für die mathematische Berechnung werden sogenannte Modellgewebedefiniert, diese werden auch Kompartimente genannt.

Die Sättigung eines Gewebes erfolgt exponential. Die Zeiten werden insogenannten Halbwertszeiten angegeben.

Die Halbwertszeit gibt die Zeitspanne an, in der ein Gewebe zu 50 % mit einem Inertgas gesättigt (oder entsättigt) ist.

t

pInertgas

50 %

Halbwertszeit

Physikalischen GrundlagenGewebearten/Kompartimente

● schnellen Gewebe:– Nerven, Gehirn, Rückenmark, Blut, Nieren mit einer 

Halbwertszeit von 3 bis 15 min.● mittleren Gewebe:

– Muskeln, Haut, Magen, Darm mit einer Halbwertszeit von 20 bis 150 min.

● langsamen Gewebe:– Knochen, Knorpel, Fettgewebe mit einer Halbwertszeit 

von 150 bis 630 min.

Physikalischen GrundlagenBeispiel Tauchgang 

entnommen aus VDTL Tauchen lernen III

Physikalische GrundlagenMikroblasenBeim Auftauchen kann der Stickstoff im Gewebe und im Blut Gasblasenbilden, ohne dass es zu Symptomen einer DCS kommt. Diese Blasen werden Mikroblasen genannt.

Mikroblasen entstehen im venösen Kreislauf hauptsächlich am Ende einesAufstieges und in den nachfolgenden 3 – 4 Stunden an der Oberfläche.

In der Regel wandern sie in die Lunge, wo sie sich in den Kapillaren ansammelnund den Gasaustausch behindern (Intrapulmonarer Rechts-Links Shunt).

Der Shunt nimmt zu, solange die Blasenzufuhr höher ist, als der Blasenabbauin der Lunge (maximal ca. 10 – 30 min. nach dem Erreichen der Oberfläche)

Nach 2 – 4 Stunden sind praktisch alle Blasen abgebaut.

Vor allem Nullzeit Tauchgänge in Tiefen über 30 Meter unter Ausnutzung der gesamten Nullzeit ergeben einen hohen Shunt.

Auch kurze Oberflächenintervalle zwischen mehreren Tauchgängen führenzu einem hohen Shunt.

Historie der DekotheorieBoyle, Haldane und Co.

1667:Robert Boyle entdeckte eine Gasblase im Auge einer Viper nach einem simulierten Tauchgang.Das ist der erste aufgezeichnete Dekompressionsunfall1841:Das Caisson Verfahren wurde das erste Mal in Frankreich angewendet.1854:Beim Bau der Royal Albert Bridge starben mehrere Arbeiter an Luftembolie1878:Paul Bert veröffentlicht „La Pression barométrique“ über die physiologischenAuswirkungen durch Druckveränderungenund die toxischen Auswirkungen von Sauerstoff1906 - 1908:John Scott Haldane wird von der Britischen Regierung beauftragt, die Caisson Krankheit zu untersuchen. Nach 2 Jahren publizierte er„The prevention of compressed air illness“. In diesem Werk beschreibt er die hyperbaren Experimente mit Ziegen (Übersättigungsgrad 2:1).

Historie der DekotheorieNavy, Bühlmann und Co

1915:Erste eigene Navytabellen, die auf den Tabellen von Haldane basiertenca. 1960:Robert D.Workman führt den Begriff der M-Values ein, eine lineare Beziehungzwischen der tolerierten Sättigung des Inertgases im Gewebe und dem Umgebungsdruck.1976 - 1990:Yount und Strauss entwickeln das „Varying Permeability Model“ (VPM). EinModell das den Austausch und die Halbwertszeiten von Bühlmannübernommen hat, zusätzlich aber das Blasenvolumen begrenzt.1986:Albert Bühlmann veröffentlicht in seinem Buch „Tauchmedizin“ das ZH-L16 Modell mit allen erforderlichen Daten und Rechenmodellen.1991:Bruce R. Wienke erweitert das VPM Modell um das Blasenvolumen bei Wiederholungstauchgängen. Zusätzlich reduzierte er die Gradienten, damit ein Tauchgang nicht vom vorhergehenden oder nachfolgendenabhing. Es entstand das „Reduced Gradient Bubble Model“ (RGBM)

Existierende DekomodelleBühlmanns ZH­L 16 Allgemein

Das Modell basiert auf 16 Kompartimente (Modellgewebe). Ein reales Gewebe kann durch ein oder mehrere Modellgewebe repräsentiert sein.Die Kompartimente 9 – 11, z.B. Haut und Muskulatur

Die Halbwertszeiten sind von 4 Min. für das Kompartiment 1 bis 635 Min. für das Kompartiment 16

Der von dem Kompartiment tolerierte Inertgasüberdruck ist von der Durchblutungsrate und der Löslichkeit des Inertgases abhängig.

Bei jedem Austauchen entstehen Mikroblasen, die aber nicht krankmachend(pathogen) wirken.

Existierende DekomodelleBühlmann ZH­L 16 Mathe

Jetzt wird’s mathematisch, für alle die das nicht interessiert.. Weg schauen

Sättigungsgleichung, die Sättigung eines Gewebes wird mit der folgenden Gleichung beschrieben:

PGewebe Jetzt =PGewebe Vorher P Atem−PGewebeVorher ⋅1−2−Zeitabschnitt

HWZ

Während des Auftauchens darf für keines der 16 Kompartimente der minimalzulässige Umgebungsdruck unterschritten werden, da es ansonsten zu der Bildung von Gasblasen kommen würde.Der kleinste gerade noch tolerierte Umgebungsdruck ergibt sich aus:

Ptol.Umgebung=PGewebe−a ⋅b

Existierende DekomodelleBühlmanns ZH­L 16 Mathe

Das Kompartiment, das den noch höchsten gerade noch toleriertenUmgebungsdruck aushält, wird das Führungsgewebe genannt. Dieses Gewebe bestimmt in wie weit der Umgebungsdruck verringert werdendarf.

tNullzeit=−

log P tol.Umgebung

ba−PGewebevorher

PAtem−PGewebevorher 1

log 2⋅HWZ

Aus den vorher aufgeführten Gleichungen lässt sich nun sehr einfach im Kopf die entsprechende Nullzeit pro Kompartiment nach der folgenden Formel errechnen:

Die kürzeste Nullzeit pro Kompartiment bestimmt die gesamte Nullzeit.

Existierenden ModelleWienke RGBM

Bei dem RGBM Modell handelt es sich um ein Blasenmodell und nicht, wie beimZH-L 16 um ein Gewebemodell.Hier wird die Entstehung und Entwicklung von Gasblasen mathematisch beschrieben.

Die folgende Annahme werden in dem Modell getätigt:

Blasen unterliegen verschiedenen Randbedingungen, wie Blasengröße, Blasenoberfläche und dem Übergang zum umgebenden Medium

Für Gasblasen existiert ein sogenannter kritischer Radius. Liegt der Radius einer Blase bei einem bestimmt Druck unterhalb dieses Wertes, dann wächst die Blase bei der Dekompression nicht mehr.

Anzahl, Größe und Verteilung der Blasen lassen sich durch frühe Dekompressionsstops begrenzen.

Gegenüber dem ZH-L 16 ist die Mathematik dieses Modelles sehr komplex.

Existierende ModelleTiefenstopps

Kommen aus dem technischen Tauchen und lassen sich auf Robert Pyle zurückführen.

Zur Zeit gibt es noch keine wissenschaftliche Studie, welche die Wirkungsweisedieser Stopps bewiesen hat. Sehr subjektive Meinungen

Die Tiefenstopps sollen das Mikroblasenwachstum und dadurch den Shunt amEnde des Tauchganges reduzieren.

Eine Beispielrechnung (es gibt noch andere Methoden der Berechnung):

1) Tiefe des ersten Deep Stopps = Mittelwert aus Maximaltiefe und der Tiefe des ersten Dekostopps (Tabelle, Tauchcomputer)

2) Ist der Abstand vom Tiefenstopp zum ersten Dekostopp größer als 10 m, mache einen weiteren Tiefenstopp

3) Tiefe weitere Deep Stopps = Mittelwert aus Tiefe erster Deep Stop und erstem Dekostopp

Die Stoppdauer sollte 2 – 3 Minuten betragen.

Existierende ModelleGrenzen

Modelle sind nur eine Annäherung an die physiologische Wirklichkeit und könnensomit keine vollständige Beschreibung der Dekompressionsprozesse im Körper leisten.

Die folgende Faktoren (kleine Auswahl) können von den Modellen nicht berücksichtigt werden:

– Hydration, Krankheit, Medikamente, Alkohol, Verletzungen, Koffein Nikotin

– Persistierendes Foramen Ovale => dazu später mehr– Fitness, Alter, Fettanteil, Geschlecht– Kälte, Anstrengungen, Luftverbrauch– Aktivitäten vor, während und nach den Tauchgängen– Kohlendioxid Retention (Sparatmung)

Man sollte also auch seine persönliche Konstitution, sowie aktuelle Verfassungbei der Dekompressionsplanung, immer berücksichtigen.

Tabellen vs. ComputerUnterschiedeTabellen:

Tabellen gehen immer von einem Rechteckprofil aus, da das tatsächlicheProfil nicht bekannt ist.

Tiefe

Zeit

Tabellen gehen immer von einer festen Ab- und Aufstiegsgeschwindigkeit (Deco2000 mit 10 m/min) aus.

Eine individuelle Berechnung der Dekompression an das tatsächlicheTauchprofil ist mit einer Tabelle nicht möglich.

Dadurch ergeben sich in der Regel längere Dekompressionszeitenals bei der Berechnung durch einen Computer.

Tabellen vs. ComputerUnterschiedeComputer:

Computer teilen das getauchte Profil in Echtzeit in kleine Rechtecke undberechnen die Dekompression anhand dieser Näherung.

Bei manchen Luftintegrierten Computern wird zusätzlich noch die Anstrengung über den Luftverbrauch mit die Berechnung einbezogen.

Computer rechnen mit unterschiedlichen Aufstiegsgeschwindigkeiten, z.B.Tiefe unter 10 m mit 20 m/min oberhalb von 10 m mit 7 m/min.

Tabellen vs. ComputerVor­ und Nachteile / Tabellen

Tabellen eignen sich besonders für Tauchgänge, die einem Rechteckprofilentsprechen, z.B. Wracktauchgänge oder Steilwand.

Zum Erlernen der Dekompressionsproblematik sind Tabellen sehr gut geeignet.

Gutes Planungsinstrument für Dekompressionspflichtige Tauchgänge

Vorteile:

Fehleranfällig bei falscher Handhabung.

Längere Dekompression bei nicht rechteckförmigen Tauchprofilen.

Nachteile:

Eine Tabelle kann nicht ausfallen

Keine Berücksichtigung zusätzlicher Faktoren (Arbeit, Kälte), die unerwartet auftreten.

Tabelle vs. ComputerVor­ und Nachteile / Computer

Echtzeitberechnung von Dekompressionsstrategien

Einfache Bedienung, dadurch weniger Fehleranfällig

Verarbeitung von zusätzlichen Faktoren (Arbeit, Kälte), die unerwartet auftreten

Vorteile:

Erzeugt ein zu großes Vertrauen, die Daten werden nicht mehr reflektiert.Risiko bei Fehlern in der Dekompressionsberechnung

Nachteile:

Nachträgliche Verarbeitung der Tauchgangsdaten (Profile, Gewebesättigungen, Temperatur u.a.)

Kann Ausfallen, dann muss die Dekompressionsstrategie manuell gewählt werden, sofern keine Redundanz vorhanden ist.

hoher Preis gegenüber einer Tabelle

Tabelle vs. ComputerComputer => Modelle

Computer Modell DekompressionsmodellAladin Z O2 ZH-L 8 ADTAladin Pro ZH-L 8 ADTAladin Z Nitrox ZH-L 8 ADTSuunto Vytec Suunto Deep Stop RGBMSuunto Computer Suunto RGBMSuunto D9 Suunto Deep Stop RGBMMares Computer Wienke RGBMCressi Archimedes Angepasster Bühlman ZH-L 8

BeispielTauchgang in Wallhausen

BeispielIndividuelle Berechnung

Die Stopps des Aladin Computer fallen zu flach aus, deswegen besteht dieMöglichkeit seine Dekompression über die Computerdaten per Faustformelindividuell zu berechnen (ohne Garantie).

Anzeige Computer Deko auf 3 m < 15min min:1 min Pylestop um die 20 m (bei einer Tauchtiefe von ca. 40m)1 min 9m2 min 6m

Anzeige Computer Deko auf 3m > 15 min

1 min Pylestopp auf 30m1 min Pylestopp auf 20m1 min 12m2 min 9m2 min 6m

Geschafft !!!!

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit