Demografische Entwicklung und Naturschutz Perspektiven bis … · 2006. 1. 5. · 2.2 Methode ......

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Campus Essen FB 9, Landschaftsarchitektur Z_punkt GmbH Büro für Zukunftsgestaltung Demografische Entwicklung und Naturschutz Perspektiven bis 2015 Angelika Wolf, Elisabeth Appel-Kummer

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  • Campus Essen FB 9, Landschaftsarchitektur

    Z_punkt GmbHBüro für Zukunftsgestaltung

    Demografische Entwicklung und Naturschutz

    Perspektiven bis 2015

    Angelika Wolf, Elisabeth Appel-Kummer

  • Impressum

    Forschungsgruppe Prof. Dr. Angelika Wolf Dr. Elisabeth Appel-Kummer Universität Duisburg-Essen, Campus Essen Fachbereich 9, Bio- und Geowissenschaften, Landschaftsarchitektur Fachgebiet Landschaftsplanung, Tourismusplanung, Naherholung Universitätsstraße 17 45117 Essen in Kooperation mit Z_punkt GmbH Dipl. pol. Klaus Burmeister Büro für Zukunftsgestaltung Zeche Zollverein Bullmannaue 11 45327 Essen Projektleitung:

    Prof. Dr. Angelika Wolf Bearbeitung:

    Universität Duisburg-Essen: Dr.-Ing. Elisabeth Appel-Kummer

    Dipl.-Ing. (FH) Martina Behr Dipl.-Ing. (FH) Tanja Büttner cand. Dipl.-Ing. (FH) Sven Berghaus cand. Dipl.-Ing. (FH) Björn Mayr Z_punkt: Dipl. pol. Klaus Burmeister M.A. Cornelia Daheim

    Dr. phil. Karlheinz Steinmüller M.A. Greta Gesenberg Beratend: Dr.-Ing. Gerd Mahler, Universität Duisburg-Essen, Campus Essen Abschlussbericht Januar 2004, überarb. 2005 F+E-Vorhaben: "Demografische Entwicklung und Naturschutz" (UFOPLAN 2002 – FKZ: 802 81 040) Gefördert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

  • Zusammenfassung

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    0 Zusammenfassung

    Ziel des Projekts ist es, vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der durch Bevölke-rungsrückgang, Überalterung der Gesellschaft und neue Lebens- und Arbeitswelten charakteri-siert ist, zu ermitteln, inwiefern davon Wirkungen auf naturschutzrelevante Fragen ausgehen.

    Grundlage sind Szenarien bis zum Jahr 2015, die auf einer breit angelegten Umfeldanalyse ba-sieren. In ihr sind insgesamt 50 Trends beschrieben, die es ermöglichen, an heutige Entwick-lungen und Erkenntnisse anzuknüpfen und daraus plausible und in sich konsistente Szenarien zu erarbeiten. Der Zeithorizont 2015 ermöglicht einerseits die Abbildung demografischer Pro-zesse, andererseits wird mit diesem Zeitraum politischen Planungsprozessen Rechnung getra-gen und dem Umstand, dass über einen längeren Zeitraum in anderen relevanten Feldern der Umfeldanalyse kaum noch valide prognostizierbare Entwicklungen möglich sind.

    Auf der Grundlage der Umfeldanalyse sind 4 Szenarien entwickelt worden, die anhand unter-schiedlicher Entwicklungsrichtungen der folgenden Faktoren beschrieben sind:

    Demografischer Wandel

    Globalisierung der Märkte

    Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

    Lebenswelten / Freizeit

    Ressourcennutzung

    Verkehr

    Politischer Strukturwandel

    Siedlungsstrukturelle Entwicklung

    Landwirtschaft

    Da Entwicklungen in diesen Feldern und naturschutzrelevante Folgen sich räumlich unter-schiedlich niederschlagen, sind zur weiteren Präzisierung der Szenarien die 4 folgenden Raum-typen entwickelt worden:

    Schrumpfender ländlicher Problemraum

    Schrumpfender Verdichtungsraum

    Schrumpfendes ländliches Gebiet

    Wachsender ländlicher Problemraum

    Die Raumtypen repräsentieren sehr unterschiedliche räumlich bedingte Ausgangsbedingungen und extreme Tendenzen in der Bevölkerungsentwicklung (starker Bevölkerungsschwund bzw. starke Bevölkerungszunahme). Auf dieser Grundlage kann in insgesamt 16 "Raumszenarien" gezeigt werden, dass die allgemeinen Rahmenbedingungen (vorgegeben durch die Szenarien), sich räumlich unterschiedlich manifestieren und daher auch unterschiedliche Folgen für natur-schutzrelevante Fragen nach sich ziehen.

    Für die Systematisierung der naturschutzrelevanten Folgen ist "der Naturschutz" für die Aufga-benstellung zu strukturieren. Es werden Handlungsfelder definiert, die Aktivitätsbereiche des Naturschutzes darstellen. Als übergeordnete Handlungsfelder werden "Arten- und Biotop-schutz", "Ressourcenschutz / nachhaltige Nutzung der Schutzgüter" und "Freizeit- und Erho-lungsplanung" herausgearbeitet. Sie dienen, ergänzt um das Handlungsfeld "internationale Ab-kommen", der detaillierten Darstellung der Folgen aus den einzelnen Raumszenarien.

    Zur Reduktion der Komplexität der Folgen aus 16 Raumszenarien und zur Fokussierung auf die wesentlichsten Aufgaben, werden die Folgen nach dem Kriterium des häufigen Auftretens in-

  • Zusammenfassung

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    nerhalb eines Raumtyps und raumtypunabhängig zusammengefasst. So können Kernaufgaben für den Naturschutz herausgearbeitet werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft rele-vant werden. Dabei handelt es sich einerseits um neuartige Aufgaben, andererseits werden be-reits in der Diskussion befindliche Aufgaben auch in Zukunft wichtig sein. Zu nennen sind bei den neuartigen Folgen:

    Arten- und Biotopschutz:

    o Umgang mit neuen Kulturpflanzen o Umgang mit erhöhtem Strukturreichtum o Möglichkeit der großflächigen Umsetzung der "Wildnisidee" auf landwirtschaftlichen

    Brachen

    Ressourcenschutz:

    o Potenzielle Belastung der Böden, Wasser und Luft durch neue Kulturen

    Erholungsvorsorge:

    o Gefährdung der Eigenart (i.S. des BNatSchG) von Landschaften o Gefährdung vorhandener Kulturlandschaften o Internationale Abkommen: o Potenzielle Gefährdung von Biotopverbundstrukturen und der Pflege von FFH-Flächen

    Bereits bekannte Handlungsfelder, die auch zukünftig relevant sein werden, sind beispielswei-se:

    Arten- und Biotopschutz:

    o Verlust von Arten und Biotopen durch Veränderung der Flächennutzung (z.B. Intensi-vierung der Landwirtschaft) und Bautätigkeiten

    o Ausweisung neuer und Erhalt vorhandener Schutzgebiete ist nur in Abhängigkeit der notwendigen Finanzen / vorhandenem ehrenamtlichem Engagement möglich

    o Gefährdung der Biodiversität an intensiv genutzten Standorten

    Ressourcenschutz:

    o Belastungen der Abiotik durch intensive landwirtschaftliche Nutzung und Verkehr

    Erholungsvorsorge:

    o Belastungen von Natur und Landschaft durch Erholungsdruck

    Abschließend werden beispielhaft Handlungsoptionen für den Naturschutz auf regionaler und Bundesebene erörtert. Es wird aufgezeigt, dass für die Entwicklung geeigneter Strategien eine klares Zielsystem die Voraussetzung ist, in dem auch naturschutzinterne Zielkonflikte diskutiert und entschieden sind. Für die Entscheidung für eine Strategie auf dieser Grundlage wird eine Zusammenstellung grundsätzlicher Strategien im Naturschutz zur Verfügung gestellt.

    Für die Ebene des Bundes ergibt sich daraus die vorrangige Aufgabe, ein bundesweites Ziel-system zu entwickeln, es bis in die regionale Ebene hinein zu verankern und dabei vor allem ein Augenmerk auf "Kulturlandschaften" zu legen. Dabei sind - gemäß der Szenarien - beschränkte finanzielle Mittel und nur im beschränkten Maße zur Verfügung stehende Partner bei der Um-setzung zu berücksichtigen: auch in Zukunft werden Konflikte und Umsetzungsmöglichkeiten für den Naturschutz wesentlich von den Entwicklungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Siedlungsentwicklung beeinflusst werden.

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    Inhaltsverzeichnis

    0 Zusammenfassung .................................................................................................... i

    1 Vorwort......................................................................................................................1

    2 Einleitung ..................................................................................................................3 2.1 Problemaufriss und Vorgehen ...........................................................................................3

    2.2 Methode.............................................................................................................................5

    2.2.1 Szenariomethode...................................................................................................5 2.2.2 Vorgehensweise: Ableitung von Folgen für den Naturschutz ..............................10

    3 Zukunftsbilder .........................................................................................................16 3.1 Zukunftsbilder auf Bundesebene: Szenarien für 2015.....................................................16

    3.1.1 Die Umfeldanalyse: heutige und zukünftige Entwicklungen / Trends ..................16 3.1.2 Kurzfassung der Trends.......................................................................................18 3.1.3 Ausgewählte Szenarien: Zukunftsbilder auf Bundesebene .................................27

    3.2 Zukunftsbilder auf regionaler Ebene: konkretisierte Szenarien für Raumtypen ......................................................................................................................34

    3.2.1 Raumtypen ..........................................................................................................34 3.2.2 Illustrierte Zukunftsbilder für die Raumtypen .......................................................40

    3.2.2.1 Szenario 1: Wachstum, Innovation und Flexibilsierung..................................40 3.2.2.2 Szenario 2: Rückzug und Polarisierung..........................................................43 3.2.2.3 Szenario 3: Wirtschaftlicher Niedergang und neue Netzwerke ......................45 3.2.2.4 Szenario 4: Selektive Innovation und Ökologisierung ....................................48

    4 Folgen für naturschutzrelevante Fragestellungen ...................................................53 4.1 Handlungsfelder des Naturschutz ...................................................................................53

    4.2 Zukünftige Aufgaben: Chancen und Probleme................................................................56

    5 Schlussfolgerungen: Handlungsoptionen für den Naturschutz................................68 5.1 Beispielhafte Handlungsoptionen auf regionaler Ebene..................................................68

    5.2 Handlungsoptionen aus Bundessicht ..............................................................................76

    6 Fazit ........................................................................................................................85 6.1 Inhalte: Resümee und Ausblicke .....................................................................................85

    6.1.1 Zusammenfassung ..............................................................................................85 6.1.2 Erweiterte Aufgaben für den Naturschutz ............................................................86 6.1.3 Schrumpfung in Europa - Einblicke......................................................................88

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    6.2 Methode: Arbeiten mit der Szenarien.............................................................................. 89

    6.2.1 Ein kritischer Rückblick ....................................................................................... 89 6.2.2 Ergänzung: Störereignisse (Wild Cards) – wenn alles anders kommt.................. 90

    6.3 Forschungsfragen ........................................................................................................... 94

    7 Anhang....................................................................................................................97 7.1 Szenariokonstruktion....................................................................................................... 99

    7.2 Trendbeschreibung: Demografischer Wandel............................................................... 104

    7.3 Folgen für naturschutzrelevante Fragestellungen in allen Raum-szenarien ................. 126

    8 Quellen..................................................................................................................135

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    Abbildungsverzeichnis

    Abb. 1: Forschungsdesign "Demografischer Wandel und Naturschutz" ..................................4

    Abb. 2: Überblick über das Vorgehen bei der Szenarioerstellung ...........................................9

    Abb. 3: Ausgewählte Raumtypen zur weiteren Bearbeitung..................................................11

    Abb. 4: Karten für die Ermittlung weiterer Kennzeichen; Beispiel "Schrumpfender ländlicher Problemraum" ..............................................................................................13

    Abb. 5: Schematische Beispieltabelle zur Konkretisierung der Szenarien für die Raumtypen ..........................................................................................................15

    Abb. 6: Morphologischer Kasten: grafische Darstellung der Szenarien.................................29

    Abb. 7: Ausgewählte Raumtypen zur weiteren Bearbeitung..................................................36

    Abb. 8: Matrix Raumtypen - Szenarien ..................................................................................38

    Abb. 9: Handlungsfelder des Naturschutzes..........................................................................54

    Abb. 10: Ableitung von naturschutzrelevanten Folgen und Zusammenfassung zu zukünftigen Kern-handlungsfeldern des Naturschutzes .......................................56

    Abb. 11: Strategien im Naturschutz .........................................................................................74

    Abb. 12: Geburtenziffern 1960 bis 1999 ................................................................................105

    Abb. 13: Bevölkerung Deutschlands in Mio., 2003-2050 .......................................................107

    Abb. 14: Lebenserwartung Neugeborener 1901-2050...........................................................109

    Abb. 15: Entwicklung des Anteils Älterer und Hochbetagter an der Gesamtbevölkerung, 1953 bis 2050 ........................................................................110

    Abb. 16: Altersanteile 2000 und 2015, Anteile in Prozent......................................................112

    Abb. 17: Wanderungssaldo 1991 bis 2000 ............................................................................114

    Abb. 18: Wanderungen zwischen den neuen und alten Bundesländern 1960 bis 2001 ...................................................................................................................117

    Abb. 19: Bevölkerungsbestandsveränderungen in den neuen Bundesländern nach Sieldungsstrukturtypen, 1990-2000 und 1999-2015 .......................................120

    Abb. 20: Bevölkerungsbestandveränderung von 1999 bis 2015, nach Sieldungsstrukturtypen in neuen und alten Bundesländern ....................................121

    Abb. 21: Bevölkerungsbestandsveränderung in den alten Bundesländern nach Sieldungsstrukturtypen, 1990 bis 2000 und 1999-2015..................................123

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    Tabellenverzeichnis

    Tab. 1: Beispiel konkretisiertes Szenario - Schrumpfender ländlicher Problemraum / Szenario 2: Problematische Wirtschaftsentwicklung und polarisierte Gesellschaft ..................................................................................... 39

    Tab. 2: Neue Kernaufgaben des Naturschutzes ................................................................... 65

    Tab. 3: Weiter bestehende Kernaufgaben des Naturschutzes.............................................. 66

    Tab. 4: Mögliche Wertung einer Brache aus Sicht der verschiedenen Naturschutz-Handlungsfelder.................................................................................... 71

    Tab. 5: Folgen für Handlungsfelder ....................................................................................... 72

    Tab. 6: Hinweise zur Ableitung von Strategien...................................................................... 75

    Tab. 7: Konfliktfelder Ziele vor Ort - Bundesziele, Beispiel ................................................... 78

    Tab. 8: Ableitbare Aufgabenbereiche aus dem Beispiel für die Bundesebene...................... 79

    Tab. 9: Störereignisanalyse - Kurzdarstellung....................................................................... 92

  • Vorwort

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    1 Vorwort

    Das Projekt "Demografische Entwicklung und Naturschutz" war ein Experiment. Die For-schungsgruppe hat sich in Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem Bundesamt für Natur-schutz auf ein Gebiet gewagt, dass nicht nur völlig neu, sondern auch von einem hohen Grad an Komplexität und Unsicherheiten gekennzeichnet ist. Das wurde bereits deutlich in den Diskussi-onen um den Begriff "Naturschutz" und erst recht in der Suche nach möglichst griffigen und nachvollziehbaren Zukunftsbildern, die einen Blick auf "den" Naturschutz in der Zukunft ermögli-chen.

    In der relativ kurzen Laufzeit des Projekts war es gerade wegen der hohen Komplexität des Themas und der fast unüberschaubar zahlreichen Wirkfaktoren naturgemäß nicht möglich, eine Vorgehensweise und Ergebnisse zu entwickeln, die leicht eingängig und frei von Ansatzpunkten für Diskussionen sind. Dennoch ist die Forschungsgruppe davon überzeugt, dass es notwendig war, sich der unglaublichen Komplexität von Naturschutz, möglichen gesellschaftlichen Entwick-lungen und deren Anwendung auf typisierte Räume zu stellen. Denn dies ist eine gute und trag-fähige Basis für weitere Diskussionen und verfeinerte Ansätze, die sich mit der Zukunft ausei-nandersetzen. Die Erkenntnis zum Ende des Projekts, dass einige Umwege beschritten und – einmal mehr – viel mehr Material gesammelt wurde, als sich dann als brauchbar für die Kern-frage herausstellte "was werden neue Aufgaben für den Naturschutz in der Zukunft sein?", un-terstreicht den Basischarakter der Vorgehensweise und der Ergebnisse. Das bedeutet aber vor allem, wir sind tatsächlich eine Schritt vorangekommen und würden – und können –das nächste Mal bereits konkretere Aussagen machen.

    Nichtsdestotrotz möchten wir den Lesern diese Erfahrung – die ständig größer werdende Kom-plexität im Laufe des Projekts und die notwendigen Schritte, diese wieder handhabbar zu ges-talten – nicht vorenthalten. Wir sehen darin mehr als eine wichtige Materialsammlung. Neben der gemeinsamen Basis für weiterführende Diskussionen ist es auch möglich mit den Teiler-gebnissen für Raumtypen nunmehr für konkrete Räume Entwicklungsperspektiven zu entwi-ckeln. Dennoch haben wir mit einem Jahr Abstand in der Überarbeitung des Projekts versucht, Ergebnisse und dahinterstehende Materialien und den Umgang mit ihnen stärker zu trennen, um verschiedenen Lesebedürfnissen gerecht zu werden.

    Wie auch immer: keiner kann die Zukunft vorhersehen, aber die Auseinandersetzung mit dem Möglichen, ohne in reine Fiktion oder lediglich persönlich bevorzugte Weltbilder abzugleiten, ist keine kleine Herausforderung. Wenn beim Lesen Widerspruch provoziert wird, dann hat das Projekt sein wichtigstes Ziel erreicht: den Einstieg in eine möglichst sachgerechte und so weit wie möglich auf Fakten beruhende Diskussion über die Zukunft und die Rolle des Naturschut-zes in ihr.

    Angelika Wolf, Elisabeth Appel-Kumer

    Essen, Januar 2005

  • Vorwort

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  • Einleitung

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    2 Einleitung

    2.1 Problemaufriss und Vorgehen

    Bevölkerungsrückgang, Überalterung der Gesellschaft, neue Lebens- und Arbeitswelten sind Schlagworte, die die demografische Entwicklung der nächsten 30 Jahre charakterisieren. Über die mögliche Folgen dieser Entwicklungen, die sich für die Sozialsysteme ergeben, hat inzwi-schen eine breite Diskussion eingesetzt. Die Auswirkungen auf andere Bereiche werden dage-gen kaum thematisiert, so z.B. die Folgen auf Natur und Landschaft. Es ist aber davon auszu-gehen, dass es auch in diesem Bereich Auswirkungen geben wird, wobei bisher nicht geklärt ist, welcher Art diese sind.

    Ausgehend vom "Demografischer Wandel" lassen sich eine Vielzahl von Entwicklungen identifi-zieren, die sich in Zukunft direkt auf Naturschutzfragen auswirken werden, wie z.B. die Inan-spruchnahme von Flächen für Siedlung und Verkehr. Aber auch mittelbare Folgen sind zu be-rücksichtigen. Zum Beispiel kann je nach zukünftigem Freizeitverhalten der Bevölkerung für be-stimmte räumliche Ausgangslagen mit steigendem oder sinkendem Erholungsdruck gerechnet werden.

    Auswirkungen, die von der demografischen Entwicklung induziert sind, werden unterschiedliche Herausforderungen für die Belange des Naturschutzes in der Zukunft darstellen. Dies wird ei-nerseits die Fortsetzung bekannter Problemlagen sein, wie weiterer Verlust wertvoller Flächen durch Überbauung o.ä.. Es wird aber auch Chancen geben, wie z.B. die Rückgewinnung von Flächen in Siedlungen durch Bevölkerungsschwund.

    Entscheidend ist, dass zukünftige Probleme und Chancen frühzeitig erkannt werden, um die Be-lange des Naturschutzes rechtzeitig in die sich abzeichnenden Prozesse einbringen zu können. Durch vorausschauende Handlungsansätze ist es möglich, Diskussions- und Denkprozesse in Gang zu setzen und gewünschte Entwicklungen zu unterstützen bzw. in unerwünschte lenkend einzugreifen. Bisher ist im Naturschutzhandeln eher eine reaktive Vorgehensweise abzulesen, vorausschauendes Denken beschränkt sich eher auf naturschutzinterne Fachplanungen und -debatten. Mit dem vorliegenden Projekt werden die eingespielten Reaktionsweisen im Natur-schutz verlassen und im Sinne des Nachhaltigkeitsprozesses in der BRD ein richtungsweisen-der Schritt unternommen, rechzeitig Strategien für einen Naturschutz der Zukunft zu erarbeiten.

    Vorgehen

    Ziel des Vorhabens ist es, mittels Szenarien mögliche Entwicklungen bis zum Jahr 2015 in Be-zug auf Natur und Landschaft aufzuzeigen, um daraus zukünftige Handlungsbedarfe für den Na-turschutz abzuleiten. Dazu werden bestehende Handlungsansätze des Naturschutzes so aufbe-reitet, dass Optionen zum Umgang mit neuen Herausforderungen und das Überdenken bisheri-ger Handlungsansätze möglich wird. Damit wird ein strukturierter Zugang zu einer Diskussion in breiten gesellschaftlichen Kreisen über die "Zukunft des Naturschutzes" ermöglicht.

    Auf Grundlage der Szenariotechnik werden 4 Zukunftsbilder entwickelt. Diese basieren auf einer umfassenden Analyse relevanter gesellschaftlicher Felder, mittels derer zentrale Trends mit Auswirkung auf Natur und Landschaft identifiziert werden können. Die Formulierung mehrerer möglicher Zukünfte auf der Basis dieser Trends erlaubt die Identifikation der Spannbreite von – neuen und alten – Herausforderungen für Naturschutzfragen. Innerhalb des gewählten Zeithori-zonts bis 2015 sind bereits Veränderungen mit deutlichen Folgen für Naturschutzfragen vor-stellbar. Gleichzeitig ist dies ein Zeithorizont, der noch fundierte Aussagen zu zukünftigen Ent-wicklungen zulässt und somit auch Rückschlüsse auf Strategien, die in einer überschaubaren Zeit umsetzbar sind.

    Für die Ableitung von naturschutzrelevanten Fragen werden die Zukunftsbilder für 4 Raumtypen konkretisiert. Durch die Entwicklung von Raumtypen ist es möglich abzubilden, dass sich so-wohl die in den Szenarien skizzierten Entwicklungen als auch Naturschutzfragen räumlich ge-

  • Einleitung

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    bunden unterschiedlich manifestieren. Auf dieser Grundlage werden systematisch Folgen für Natur und Landschaft ermittelt.

    Für eine weitere Bündelung und Zusammenführung der einzelnen Folgen, werden "Handlungs-felder des Naturschutzes" herausgearbeitet, die die unterschiedlichen Ebenen und Umset-zungsmöglichkeiten "des Naturschutzes" darstellen. Ihnen werden die abgeleiteten Folgen als naturschutzrelevante Herausforderungen zugeordnet. Für die weitere Arbeit werden die Aufga-ben zu zukünftigen Chancen und Problemen bzw. Fragen an den Naturschutz gebündelt. Dazu werden insbesondere die Aufgaben herangezogen, die sowohl unter den verschiedenen Rah-menbedingungen - vorgegeben durch die Szenarien - als auch in den unterschiedlichen Raum-typen vorkommen.

    Die abschließende Darstellung von Handlungsoptionen erfolgt beispielhaft und für die Ebenen der Region und des Bundes. Sie orientiert sich an häufig wiederkehrenden Aufgaben, da diese in Zukunft relativ wahrscheinlich zu lösen sein werden.

    Die Ziele und Vorgehensweise sind in der folgenden Abbildung zusammenfassend dargestellt.

    Abb. 1: Forschungsdesign "Demografischer Wandel und Naturschutz"

    Demografischer Wandel und Naturschutz

    Zukunftsbilder

    Herausforderungen für den Naturschutz

    Handlungsfelder des Naturschutzes

    Aufgaben und Handlungsansätzedes Naturschutzes

    Handlungsoptionen für den Naturschutz

    Beispielhafte Darstellung von Handlungsoptionen auf der regionalen Ebene auf Grundla-ge der identifizierten Handlungsfelder

    Beispielhafte Darstellung von Handlungsoptionen auf nationaler Ebene auf Grundlage deridentifizierten Handlungsfelder

    Raumtypen

    Entwicklung von 4 Raumtypen mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen

    Nationale Ebene: Szenarien für 2015

    Identifikation von Trends mit Wirkung auf Natur und Landschaft

    Entwicklung von 4 übergeordneten Zukunftsbildern (Szenarien)

    Regionale Ebene: konkretisierte Zukunftsbilder

    Konkretisierung der 4 Szenarien auf der Grundlage der entwickelten Raumtypen

    Folgen für Naturschutzfragen

    Ableitung von Folgen für Natur undLandschaft aus konkretisierten Zu-kunftsbildern

    Zuordnung zu den Handlungsfeldern

    Bündelung zu häufig wiederkehren-den Chancen und Problemen

  • Einleitung

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    2.2 Methode

    Für die Entwicklung von Zukunftsbildern kommen neben der erwähnten Szenariotechnik weitere Methoden zum Einsatz, die eine systematische Ableitung von denkbaren Folgen für Natur-schutzfragen ermöglichen. Alle Methoden werden nachfolgend ausführlich dargestellt. In den jeweiligen Kapiteln, in denen die Methoden Anwendung finden, werden dann jeweils nur kurze methodische Einführungen gegeben.

    2.2.1 Szenariomethode

    Die Zukunft kann nicht im Sinne einer Prognose vorausgesagt werden. Dennoch ist die Beschäftigung mit der Zukunft notwendig, wenn es darum geht, Leitbilder, Ziele und Strategien für zukünftiges Handeln zu entwickeln. Daher ist es notwendig, eine systematische Vorgehensweise heranzuziehen, die einerseits erlaubt, an bisherigen Entwicklungslinien anzuknüpfen und diese in plausibler Weise weiterzuschreiben, andererseits aber vor einem bloßen Verlagern des Status quo in die Zukunft bewahrt. Es ist also notwendig, verschiedene Zukünfte, die aber plausibel sind, angepasst auf die jeweiligen Fragestellungen entwickeln zu können. Dies kann mit Hilfe von Szenarien gelingen, denn sie ermöglichen eine systematische Exploration zukünftiger Möglichkeiten. Szenarien sind in sich konsistente, alternative1 Bilder der Zukunft, sie machen verschiedene mögliche "Zukünfte" konkret und vorstellbar und können Wege in diese darstellen. Im Rahmen des Projektes kann mit ihrer Hilfe eingeschätzt werden, ob der demografische Wandel Auswirkungen auf Natur und Landschaft hat, und, wenn ja, welche diese sind. Szenarien als Instrument der Auseinandersetzung mit der Zukunft haben in den letzten Jahren zunehmende Verbreitung gefunden und sich als Kernkonzept der Zukunftsforschung und der strategischen Planung etabliert (Albert et al. 2002; Weber 1990; Amara 1991; Graf 1999; van der Heijden 1996). Sie werden in strategischen Planungsprozessen sowohl in Unternehmen als auch in öffentlichen Institutionen weltweit eingesetzt (Steinmüller 2003c: 3ff; Graf 1999: 29ff)2.

    Prinzipiell dienen Szenarien der Darstellung alternativer Entwicklungswege und alternativer künftiger Zustände. Insbesondere können Szenarien zur Entscheidungsfindung in einem teil-weise unbekannten, unsicheren und sich rasch ändernden Umfeld beitragen (Graf 1999: 14; Steinmüller 2003: 3). Als ihre zentralen Merkmale können genannt werden:

    Szenarien sind hypothetisch, also keine Prognosen;

    Szenarien sind in der Regel alternativ, d.h., sie gehen von der Grundannahme aus, das es nicht eine zu erwartende und zu prognostizierende Zukunft gibt, sondern davon, dass die Zukunft "offen" ist, also verschiedene denkbare Zukünfte existieren;

    Szenarien beziehen das Umfeld ein;

    Szenarien sind in sich konsistent und widerspruchsfrei;

    Szenarien sind in der Regel skizzenhaft und konkret.

    Die Arbeit mit Szenarien bietet sich zur Beantwortung der Fragestellung des Projekts an, da bisher kaum Forschungsergebnisse zum Zusammenhang von demografischem Wandel und Na-

    1 Da die Zukunftsforschung heute weniger mit einlinigen Prognosen, statt dessen stärker mit Handlungsoptionen

    und Entwicklungsalternativen operiert, hat der Szenariobegriff zumindest teilweise den Prognosebegriff in sei-ner methodischen Funktion abgelöst. Zugleich ist die traditionelle Prognosetätigkeit partiell in der Konstruktion von trendbasierten Szenarien aufgegangen (Steinmüller 2003c: 3).

    2 Als Beispiele seien erwähnt: "Zukunftsszenarien Schleswig-Holstein im Jahr 2010" (Gaßner/Göll 1999); "Sce-narios Europe 2010" (Bertrand et al. 1999); die globalen Szenarien des Millennium-Projekts der UN University (siehe Glenn/Gordon 2003); die narrativen Technologie-Szenarien des Deutschen Forschungsdialogs FUTUR (futur 2002); die Szenarien "Nachhaltige Entwicklung in Deutschland" des Umweltbundesamts (UBA 2002); die Szenarien im Rahmen des Global Environment Outlook der UNEP (UNEP 2002).

  • Einleitung

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    tur und Landschaft vorliegen, und unklar ist, wie sich der demografische Wandel auf verschie-dene Fragen des Naturschutzes auswirkt. Deutlich ist bislang nur, dass es keine eindimensiona-le Beziehungskette zwischen demografischem Wandel und Natur und Landschaft gibt. Es hat sich am Beispiel von bereits vom demografischem Wandel betroffenen Räumen gezeigt, dass Bevölkerungsrückgang und Alterung keineswegs per se nur eine Folge haben wie z.B. eine ge-ringere Belastung von Natur und Umwelt. Die Auswirkungen sind abhängig vom Umgang mit ih-nen sowie von weiteren Rahmenbedingungen, zum Beispiel vom Freizeitverhalten der Bevölke-rung und von der Siedlungsentwicklung (vgl. Lüthi 1998: 43; Bauer 2003: 646).

    Demografischer Wandel kann folglich gänzlich verschiedene Folgen in Bezug auf Natur und Landschaft mit sich bringen. Um seine Wirkungen abzuschätzen, muss deutlich gemacht wer-den, wie der demografische Wandel sich in verschiedenen Feldern, die als relevant für Natur und Landschaft gelten, auswirken kann. Erst über diese mittelbaren Folgen werden Folgen für Natur und Landschaft ableitbar.

    Daher wird im vorliegenden Projekt ein Ansatz gewählt, der nicht nur die demografische Ent-wicklung selbst, sondern Entwicklungen im gesamten Umfeld berücksichtigt: es werden umfas-sende Zukunftsbilder zukünftiger Entwicklungen unter den Bedingungen des demografischen Wandels entwickelt.

    Zu berücksichtigen ist zudem, dass der demografische Wandel in Deutschland in verschiedenen Räumen unterschiedliche Gestalt an nimmt – es gibt beispielsweise Räume, in denen weiterhin eine Zunahme der Bevölkerung zu erwarten ist, während andere Räume mit drastischer Bevöl-kerungsabnahme konfrontiert sind. Dem entsprechend sind jeweils andere Folgen zu erwarten. Um diese unterschiedlichen Entwicklungsverläufe berücksichtigen zu können, wird mit unter-schiedlichen Raumtypen gearbeitet.

    Die Szenarien erfüllen verschiedene Funktionen, die für die Beantwortung der Frage nach dem Zusammenhang von demografischem Wandel und Naturschutz sowie für die Ableitung von Fol-gen und Handlungsoptionen relevant sind. Diese Funktionen sind:

    Identifizierung und Beschreibung alternativer Entwicklungspfade in die Zukunft;

    Sensibilisierung in Hinblick auf mögliche und denkbare Veränderungen des Umfeldes;

    Ermittlung von relevanten (neuen) Handlungsfeldern für den Naturschutz.

    Die Szenarien bieten eine Einschätzung dessen, was möglich, denkbar und plausibel wäre – und sind keine Prognosen, die eine quasi schon feststehende Zukunft vorhersagen. Sie setzen zu-dem hier nicht auf eine Quantifizierung der Entwicklung, sondern zielen primär darauf ab, die denkbaren alternativen Entwicklungspfade zu konkretisieren und so eine bessere Vorbereitung auf zukünftige Entwicklungen sowie eine langfristig orientierte Strategieentwicklung zu ermögli-chen. Darüber hinaus ist anzumerken, dass auch ein Set von alternativen Szenarien nie alle möglichen zukünftigen Entwicklungen beschreiben kann – statt dessen bezweckt die Methode, den Zukunftsraum der plausiblen und denkbaren Zukünfte aufzuspannen.

    Zur Entwicklung von Szenarien stellt die Zukunftsforschung verschiedene methodische Ansätze zur Verfügung (vgl. Glenn 2003; Godet et al. 2003; Steinmüller 2003c). Zunächst kann zwischen explorativen und normativen Szenarien unterschieden werden (Gausemeier et al. 1996: 110ff; Steinmüller 2003c: 9 f.). Explorative Szenarien erkunden – ohne zu bewerten - verschiedene denkbare Zukünfte, während normative Szenarien darauf abzielen, erwünschte bzw. uner-wünschte Zukünfte zu konkretisieren. Da es in diesem Projekt darum geht, die bislang ungeklär-ten, möglichen Beziehungen zwischen demografischem Wandel und Naturschutz deutlich zu machen, wurde mit einem explorativen Verfahren gearbeitet.

    Als Zeithorizont der Szenarien wurde das Jahr 2015 gewählt. Mit Blick auf die demografische Entwicklung, die erst etwas später deutlich an Dynamik gewinnt und bis 2050 auf Bundesebene detailliert prognostiziert ist, erscheint dies zunächst als kurzfristiger Zeitraum. Dem gegenüber steht, dass politische Planungsprozesse mit erheblich kürzeren Zeithorizonten arbeiten, und

  • Einleitung

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    dass die demografische Entwicklung auf regionaler Ebene ebenso wie Entwicklungen in ande-ren relevanten Feldern (wie z.B. Mobilitäts- und Freizeitverhalten) sich in einer über mehr als zwei Jahrzehnte erstreckenden Perspektive kaum mehr valide einschätzen lassen. Der Zeithori-zont 2015 bietet also den Vorteil, dass auf regionaler Ebene schon deutliche Veränderungen in der demografische Entwicklung zu erwarten sind (z.B. Bevölkerungsverluste von 10%) und der Zeithorizont nahe genug liegt, um Ergebnisse an heutige Entscheidungsprozesse anzukoppeln.

    Die angewendete Szenariomethodik

    Im Rahmen des Projektes wurden zunächst übergreifende Szenarien entwickelt, also alternative Zukunftsbilder, mit dem Zeithorizont 2015 auf nationaler Ebene. Diese übergreifenden Zu-kunftsbilder bilden den "Rahmen" der Konkretisierung der Szenarien für ausgewählte Raumty-pen (s.u.). Sie machen deutlich, wie die Zukunft unter den Bedingungen des demografischen Wandels im Jahr 2015 auf nationaler Ebene aussehen könnte. In den konkretisierten Zukunfts-bildern für die verschiedenen Raumtypen wird dann dargestellt, wie sich verschiedene Typen von Räumen unter den in den übergreifenden Szenarien dargestellten Rahmenbedingungen entwickeln können. So können spezifische Merkmale und Ausgangsituationen verschiedener Raumtypen berücksichtigt werden

    Zur Entwicklung der Szenarien wurde auf eine etablierte Methode zurückgegriffen, die sich an das von der Cellule de Prospective (Forward Studies Unit) der EU-Kommission entwickelte "shaping factors – shaping actors"- Verfahren anlehnt und weiterentwickelt wurde (vgl. Bertrand et al. 1999: 97ff; Rogers 1996; Steinmüller 2003c: 39ff). Diese Methode setzt auf eine Entwick-lung von Szenarien, die sich grob in drei Schritte gliedert: zunächst werden wesentliche heutige Trends3 in einer Umfeldanalyse erfasst, auf Basis dieser Informationen werden für die zukünfti-ge Entwicklung zentrale Trends ausgewählt (Schlüsselfaktoren) und deren denkbare zukünftige Entwicklungen erarbeitet. Im dritten Schritt, der Konsistenzanalyse, werden plausible Szenarien erarbeitet.

    Gewählt wurde dieses Verfahren, da es die Möglichkeit bietet, an heute bereits zu beobachten-den Entwicklungen und Erkenntnissen anzusetzen, und es eine software gestützte systemati-sche Entwicklung der Szenarien gestattet4. Die Methode wurde in bezug auf die Forschungsfra-ge angepasst, indem die Kriterien für die Auswahl der Trends (vgl. Bertrand et al. 1999: 97ff ; Gausemeier et al. 1996: 207ff), die in die Entwicklung der Szenarien einfließen, auf die For-schungsfrage zugeschnitten wurden. Zudem wurde die fachliche Kompetenz von beteiligten Fachleuten für die Auswahl der in der Umfeldanalyse enthaltenen Trends genutzt.

    Die Entwicklung der Szenarien umfassen die folgenden, in Abbildung 2 dargestellten Arbeits-schritte (s. Abb. 2):

    3 Der Begriff "Trend" meint hier eine mess- oder beobachtbare, gleichsinnige Veränderung im Rahmen eines

    gegebenen Systems, die sich über einen bestimmten Zeitraum erstreckt und die künftige Systemdynamik be-einflusst – im Gegensatz zu zyklischen Veränderungen, erratischen Schwankungen und genuiner Evolution (Entstehung von prinzipiell Neuem); er wird also im Sinne der Definition aus der wissenschaftlichen Zukunfts-forschung (vgl. Gabler 1997: 3820; Liebl 2000: 59-67) verwendet. Damit geht eine Abgrenzung von dem in Marktforschung und ökonomischer Statistik verwendeten Trendbegriff einher, der eher phänomenologisch an-gesiedelt ist und der eine Veränderung beschreibt, ohne dass ein Urteil über deren Kausalität notwendig ist.

    4 Die systematische Entwicklung der Szenarien beruht in der Regel auf einer Konsistenz- und Konfliktanalyse. Im einfachsten Falle geschieht diese intuitiv mit der Arbeit am sog. morphologischen Kasten. Vorteil eines sol-chen intuitiven Vorgehens ist die Möglichkeit, partizipativ und diskursiv gemeinsam mit einer größeren Gruppe in einem Diskussionsprozess die Szenarien zu erarbeiten. Nachteile bestehen darin, dass so häufig recht schematische "best and worst case"-Szenarien entstehen. Fließt zudem eine relativ hohe Zahl von zu beach-tenden Faktoren in die Szenariokonstruktion ein, können bei einem solchen intuitiven Vorgehen leicht Szena-rien übersehen werden, die sich nicht auf den ersten Blick als "Verlängerung der Gegenwart" erschließen. Um dies zu vermeiden, wurde hier eine systematische Entwicklung der Szenarien mit Hilfe einer softwaregestütz-ten Konflikt- und Konsistenzanalyse gewählt.

  • Einleitung

    8

    Umfeldanalyse: Erfassung und Beschreibung der wesentlichen Trends;

    Szenariokonstruktion:

    o Trendbewertung und –auswahl: In einem kriteriengeleiteten Prozess werden die Trends ausgewählt, die in die Szenariokonstruktion eingehen;

    o Trendcharakterisierung: Die Trends werden in Bezug auf ihre Beeinflussbarkeit und die Einschätzbarkeit ihres weiteren Verlaufs charakterisiert. Diese Charakterisierung spielt bei der Erarbeitung der sog. Ausprägungen der Schlüsselfaktoren eine wichtige Rolle (s.u.);

    o Bildung der Schlüsselfaktoren: Aus den verbliebenen Trends werden Schlüsselfakto-ren gebildet, d.h., inhaltlich zusammengehörige Trends werden gebündelt. Dadurch geschieht auch eine notwendige Reduktion der Komplexität. Schlüsselfaktoren sind die für die Forschungsfrage wesentlichen Einflussfaktoren, die das Themengebiet und seine künftige Entwicklung wesentlich bestimmen bzw. charakterisieren5.

    o Erarbeitung der Ausprägungen der Schlüsselfaktoren: Für die verschiedenen Schlüs-selfaktoren werden sog. Ausprägungen, d.h. alternative zukünftige Entwicklungslinien, erarbeitet. Mit Hilfe der Trendcharakterisierung wurden Schlüsselfaktoren dahinge-hend bewertet, inwieweit unterschiedliche Entwicklungen überhaupt anzunehmen sind.

    Szenarienauswahl und -beschreibung

    o Konsistenz- und Konfliktanalyse: Es wird überprüft, ob und wie die jeweiligen Ausprägungen der Schlüsselfaktoren miteinander vereinbar (konsistent) sind.

    o Auswertung der Konsistenzanalyse und sich daraus ergebende Szenarien: Die Ergeb-nisse der Konsistenz- und Konfliktanalyse werden ausgewertet. Aus der Kombination derjenigen Ausprägungen, die miteinander einen hohen Grad an Konsistenz aufwei-sen, ergeben sich die allgemeinen und (raum-)übergreifenden Szenarien.

    Die detaillierte Darstellung dieser Arbeitschritte befinden sich im Anhang. Weiteres Material da-zu ist im Band "Materialien" zusammengestellt.

    Ergebnisse

    In der Trendauswertung und –auswahl gehen 41 von 50 Trends in die Szenariokonstruktion ein, d.h. knapp 20% (10 Trends) werden nicht berücksichtigt.

    Die verbleibenden Trends waren als "aktiv" zu charakterisieren, wenn sie schwer zu beeinflus-sen und keine bzw. kaum Akteure erkennbar sind, die die Entwicklung des Trends gezielt und bewusst lenken könnten. "Passive" Trends unterliegen in ihrer Entwicklung klar abgrenzbaren Akteursgruppen. Darüber hinaus wurde geprüft, ob für die verbleibenden Trends bezüglich ihrer weiteren Entwicklung in der Literatur Einigkeit besteht. Dann wurden diese Trends als "sicher" (= externer Treiber) bezeichnet.

    Bei der Bündelung der Trends ließen sich 9 Schlüsselfaktoren bilden:

    Demografischer Wandel

    Globalisierung der Märkte

    Gesamtwirtschaftliche Entwicklung

    Lebenswelten / Freizeit

    Ressourcennutzung

    Verkehr

    Politischer Strukturwandel

    5 Zum Beispiel wurden die Trends "Langfristiger Bevölkerungsrückgang", "Alterung der Bevölkerung", "Anhal-

    tende Zuwanderung", "Demografische Disparitäten bleiben bestehen" und "Anhaltende Binnenwanderungen in die alten Bundesländer" zu dem Schlüsselfaktor "Demografischer Wandel" aggregiert.

  • Einleitung

    9

    Siedlungsstrukturelle Entwicklung

    Landwirtschaft

    Die Schlüsselfaktoren "Demografischer Wandel" und "Globalisierung der Märkte" gehen als ex-terne Treiber mit nur einer Ausprägung in die Szenariokonstruktion ein.

    Die Trends, die bei der Erarbeitung der Wirkungen der Szenarien auf Natur und Landschaft eine besondere Berücksichtigung finden, sind:

    Zunehmende Zerschneidung der Flächen

    Anhaltender Strukturverlust – Nivellierung der Landschaft

    Ungebremster Verlust von Arten und Biotopen

    Steigender Flächenanteil der Schutzgebiete

    Aus der Konsistenz- und Konfliktanalyse wurden vier "Rohszenarien" erarbeitet, die sich aus den stimmigsten Kombinationen der Ausprägungen (=Entwicklungsrichtungen) der Schlüssel-faktoren ableiten. Durch sie ist einerseits eine noch handhabbare Vielfalt an Szenarien gesichert und gleichzeitig eine genügend große Spannbreite an denkbaren Zukünften – über "best" und "worst case" Szenarien hinaus – sicher gestellt.

    Abb. 2: Überblick über das Vorgehen bei der Szenarioerstellung

    Vorgehen bei der Szenarioerstellung

    Umfeldanalyse

    Wie wirkt sich demografischer Wandel aus? Was bewirkt er in anderen Feldern? Welche weiteren Trends beeinflussen das soziale, politische, ökonomische, ökologische,

    technologische und kulturelle Umfeld? Welche Erkenntnisse bestehen zu diesen Trends, zu ihrer bisherigen wie zukünftigen Entwick-

    lung, zu ihren Folgen und Auswirkungen auf Natur und Landschaft?

    Szenariokonstruktion

    Auswahl und Charakterisierung der Trends, die in die Entwicklung der Szena-rien einfließen (auf Basis der Informationen aus der Umfeldanalyse)

    Bündelung der Trends in Schlüsselfaktoren (für die zukünftige Entwicklungzentrale Faktoren)

    Entwicklung denkbarer zukünftiger Entwicklungen der Schlüsselfaktoren (Aus-prägungen)

    Szenarienauswahl und -beschreibung

    Systematische Erarbeitung konsistenter, plausibler Kombinationen denkbarer zukünftiger Ent-wicklungen

    Konsistente, umfassende Bilder verschiedener möglicher Zukünfte Darstellung alternativer Rahmenbedingungen im Jahr 2015 unter den Bedingungen des

    demografischen Wandels Grundlage und Rahmen für die Konkretisierung der Szenarien für die verschiedenen

    Raumtypen

  • Einleitung

    10

    2.2.2 Vorgehensweise: Ableitung von Folgen für den Naturschutz

    Aus den Rohszenarien lassen sich direkt kaum griffige Folgen für Naturschutzfragen ableiten, da die erarbeiteten Rahmenbedingungen übergreifend für das ganze Bundesgebiet gelten. Das ist u.a. darauf zurückzuführen, dass sich die den Szenarien zugrunde liegenden Trends regional sehr unterschiedlich manifestieren. Beispielsweise finden Bevölkerungsverluste und Alterung nicht gleichmäßig verteilt im gesamten Bundesgebiet statt, dem Durchschnittswert liegen lokal z.T. sogar gegensätzliche Entwicklungen zugrunde. Ähnliches gilt für Naturschutzfragen, die abhängig von räumlichen Besonderheiten sehr unterschiedlich ausfallen können.

    Daher war es notwendig, für die weitere Arbeit im Forschungsvorhaben eine Konkretisierung in die räumliche Ebene durchzuführen. Dazu wurden nach einer eigenen Vorgehensweise "Raum-typen" entwickelt, die im Sinne der Szenariomethodik geeignet sind, zukünftige Aufgaben für den Naturschutz zu verdeutlichen. Mit dem Begriff "Raumtyp" soll ausgedrückt werden, dass es dabei nicht um konkrete räumliche Beispiele geht (wie z.B. die Auswahl konkreter Kreise), son-dern dass neuartige, besonders "extreme" räumlich gebundene Ausgangsbedingungen für wei-tere Überlegungen genutzt werden sollen. Ziel war es somit, eine möglichst abstrakte Form von Raumtypen zu finden, die es erlauben, wesentliche Herausforderungen für den Naturschutz zu identifizieren.

    Zur Abgrenzung von Raumtypen wurden zwei Grundlagen genutzt:

    Raumordnungskategorien der Raumordnung: "Typen ländlicher Räume inkl. Verdichtungs-räume". Damit steht eine bundesweit einheitliche "Zustandsbeschreibung" der Räume mit einem hohem Aggregationsgrad vieler Themenbereiche zur Verfügung (BBR 2000).

    (Gesicherte) Prognose über die Bevölkerungsentwicklung bis 2015, basierend auf Kreisda-ten. Die Bevölkerungsentwicklung ist zwar streng genommen Teil der Szenarien. Da sie a-ber als relativ gesichert angesehen werden kann, kann sie als wesentliche Randbedingung für die räumliche Entwicklung eingesetzt werden. Zudem kann nur durch die räumliche Dar-stellung der Bevölkerungsentwicklung auf die regional sehr unterschiedlichen Entwicklungs-tendenzen eingegangen werden (BBR 2003a).

    Durch die Überlagerung der extremsten Bevölkerungsentwicklungsprognose (starke Zunahme oder starker Schwund) mit den Raumkategorien wurden 16 sich unterscheidende Raumtypen ermittelt6.

    Für die weitere Arbeit war es notwendig, eine überschaubare Anzahl von Raumtypen für die Konkretisierung der Szenarien auszuwählen. Die zugrunde gelegten Kriterien waren:

    Häufigkeit des Raumtyps

    Verteilung des Raumtyps in der BRD

    Flächenanteil des Raumtyps

    "Neuigkeitswert" des Raumtyps

    6 Raumtypen mit Bevölkerungsschwund (mehr als 7,5%): Schrumpfender ländlicher Problemraum, Schrump-

    fender entwicklungsschwacher ländlicher Raum, Schrumpfendes ländliches Gebiet, Schrumpfendes ländliches Gebiet bei Verdichtungsraum, Schrumpfender Verdichtungsraum;

    Raumtypen mit Bevölkerungsschwund 2,5% bis 7,5%: Ländlicher Problemraum mit Schrumpfungstendenz, Entwicklungsschwacher ländlicher Raum mit Schrumpfungstendenz, Ländliches Gebiet mit Schrumpfungsten-denz, Ländliches Gebiet bei Verdichtungsraum mit Schrumpfungstendenz, Verdichtungsraum mit Schrump-fungstendenz;

    Raumtypen mit sehr starker Bevölkerungszunahme (mehr als 7,5%): Stark wachsender ländlicher Problem-raum, Stark wachsender entwicklungsschwacher ländlicher Raum, Stark wachsender Verdichtungsraum;

    Raumtypen mit starker Bevölkrungszunahme (bis 7,5%): Wachsender ländlicher Problemraum, wachsender entwicklungsschwacher ländlicher Raum, Wachsender Verdichtungsraum.

  • Einleitung

    11

    Dabei wurden die Kriterien "Neuigkeitswert" und "Verteilung im Raum" höher gewichtet, um ei-nerseits möglichst neuartige Rahmenbedingungen berücksichtigen zu können und andererseits Raumtypen auszuwählen, die flächig groß genug sind, um damit die Relevanz der daran aufge-zeigten Herausforderungen für den Naturschutz zu unterstreichen und die nicht z.B. auf ein Bundesland beschränkt sind.

    Nach diesem Vorgehen sind die in der folgenden Abbildung dargestellten Raumtypen für die weitere Bearbeitung ausgewählt worden:

    Abb. 3: Ausgewählte Raumtypen zur weiteren Bearbeitung

    Schrumpfender ländlicher Problemraum

    Schrumpfender Verdichtungsraum

    Schrumpfendes ländliches Gebiet

    Wachsender ländlicher Problemraum Quelle: BBR 2000, eigene Darstellung

    N

  • Einleitung

    12

    Schrumpfender ländlicher Problemraum

    Ein ländlicher Raum mit sehr geringer Bevölkerungs- und Siedlungsdichte, einer unzurei-chenden wirtschaftlichen Entwicklung, gravierenden Problemen auf dem Arbeitsmarkt und Defiziten in der Versorgung mit Infrastruktureinrichtungen wird bis 2015 mehr als 7,5% an Bevölkerung verlieren.

    Schrumpfender Verdichtungsraum

    Ein Raum mit mehr als 150.000 Einwohnern, hoher Siedlungsdichte und überdurchschnittli-cher Nutzung als Siedlungs- und Verkehrsfläche, wird bis 2015 mehr als 7,5% der Bevölke-rung verlieren.

    Schrumpfendes ländliches Gebiet

    Ein ländlicher Raum ohne Anpassungs- oder Entwicklungsprobleme (erfolgreiche Entwick-lung von Arbeitsplätzen im sekundären und tertiären Sektor) wird bis 2015 mehr als 7,5% der Bevölkerung verlieren.

    Wachsender ländlicher Problemraum

    Ein ländlicher Raum mit sehr geringer Bevölkerungs- und Siedlungsdichte, einer unzurei-chenden wirtschaftliche Entwicklung, gravierenden Problemen auf dem Arbeitsmarkt und Defiziten in der Versorgung mit Infrastruktureinrichtungen wird bis 2015 mehr als 7,5% an Bevölkerung dazu gewinnen.

    Zu den Raumtypen wurden weitere Kennzeichen ermittelt, die für die Fragestellung: welche Auswirkungen auf Naturschutzfragen lassen sich ableiten? von Bedeutung sind. Als Grundlage dienten dabei verfügbare Informationen in kartografischer Darstellung mit für die Fragestellung relevanten Informationen. Durch Überlagerung jeden Raumtyps mit den folgenden ausgewähl-ten Themen wurde untersucht, inwieweit sich weitere signifikante Aussagen treffen lassen.

    Altersstruktur

    Waldanteil

    Natürliche Produktionsvoraussetzungen für die Landwirtschaft

    Lage zu Agglomerationen

    Landschaftsattraktivität

    Ausstattung mit Schutzgebieten

    Die Vorgehensweise und die daraus ermittelten weiteren Kennzeichen sind im Folgenden an ei-nem Beispiel dargestellt. Die Unterlagen für alle Raumtypen befinden sich im Materialband.

  • Einleitung

    13

    Abb. 4: Karten für die Ermittlung weiterer Kennzeichen; Beispiel "Schrumpfender ländlicher Problemraum"

    Altersstruktur: für den Raumtyp lässt sich eine Ten-denz zu stärkerer Überalterung als im Schnitt erken-nen

    Altersanteile der Altergruppe 60-100 in Prozent im Jahr 2015 23,3 - 25,4

    25,4 - 27,4

    27,4 - 29,5

    29,5 - 31,5

    31,5 - 33,5

    Waldanteil: Der Waldanteil ist eher gering

    Anteil Wald an der Gesamtfläche in Pro-zent

    bis unter 10

    10 bis 30

    30 bis 40

    40 und mehr

    Natürliche Produktionsvoraussetzungen für die Landwirtschaft sind schlecht bis durchschnittlich

    schlecht

    gut

  • Einleitung

    14

    Lage zu Agglomerationen: dieser Raumtyp liegt ent-fernt von Agglomerationen

    Agglomerationsräume

    Landschaftsattraktivität: keine Besonderheiten (es lassen sich keine signifikanten Übereinstimmungen erkennen)

    Attraktivitätsindex (Bundeswert = 100)*

    bis unter 74

    74 bis 92

    92 bis 111

    111 und mehr

    * Der Attraktivitätsindex stellt eine additive Verknüpfung folgender am Bundeswert normierter, gleichgerichteter Indikatoren dar: Zerschneidungsgrad, Übernachtun-gen im Fremdenverkehr, Beurteilung des Bewaldungsgrades, Reliefenergie, Wasserflächen und Küsten, erholungsrelevante Flächen, Kältereiz.

    Schutzgebiete: keine Besonderheiten (es liegt eine durchschnittliche Ausstattung mit Schutzgebieten vor)

    alle Schutzgebiets-kategorien

    D L E

    B H

    F

    S M

    HR

    HB HH

    ´ Q ll BBR B 2000 L d h ft tt kti ität

    Legende

  • Einleitung

    15

    Für die Konkretisierung der Rohszenarien wurde für jeden Raumtyp eine Tabelle entwickelt, die die Kennzeichen des Raumes laut der raumordnerischen Definition sowie die nach obigen Schema abgeleiteten Kennzeichen enthält (s. folgende schematische Beispieltabelle). An-schließend wurde anhand der Schlüsselfaktoren jedes der 4 Szenarien überprüft, ob die darin enthaltenen Annahmen aufgrund der Raumkennzeichen abgeändert werden mussten. Insge-samt ergaben sich so 16 Tabellen (4 Szenarien jeweils angewendet auf die 4 ausgewählten Raumtypen) mit auf die Raumtypen bezogene konkretisierte Szenarien (s. auch Kap. 3.2.1 bzw. Materialien).

    Anschließend wurde aus den konkretisierten Szenarien jeweils Folgen für naturschutzrelevante Fragen abgeleitet. Dabei wurden sowohl die Trends aus dem Fokusbereich "Natur und Land-schaft" als auch die ermittelten Handlungsfelder des Naturschutzes (s. Kap. 4.1) berücksichtigt.

    Abb. 5: Schematische Beispieltabelle zur Konkretisierung der Szenarien für die Raumtypen

    Szenario 1

    Demografi-scher Wandel

    Globalisierung der Märkte

    Lebenswelten / Freizeit

    Ressourcen-nutzung

    usw. Schlüsselfaktoren

    Ausprägung

    Kennzeichen des Raumtyps x

    Ausprägung laut Szenario 1

    Ausprägung laut Szenario 1

    Ausprägung laut Szenario 1

    Ausprägung laut Szenario 1

    usw.

    Charakterisierung des Raums als Raumordnungskategorie

    Kennzeichen A

    Kennzeichen B

    Weitere ermittelte Kennzeichen

    Kennzeichen x

    Skizze denkbarer Abweichungen zur Ausprägung

    Skizze denkbarer Abweichungen zur Ausprägung

    Skizze denkbarer Abweichungen zur Ausprägung

    Skizze denkbarer Abweichungen zur Ausprägung

    Skizze denkbarer Abweichungen zur Ausprägung

    Folgen für naturschutz-relevante Fragen

    Die ermittelten Folgen wurden für jede Tabelle nach den Übergeordneten Handlungsfeldern "Ar-ten und Biotopschutz", "Ressourcenschutz", Kulturlandschaft und Erholung" sowie ergänzend zu "Internationale Abkommen" zusammengefasst. Auf dieser Basis erfolgten weitere Bünde-lungsschritte, um wesentliche, in den verschiedenen Raumtypen und unter den verschiedenen Rahmenbedingungen (= Szenarien) immer auftretende Aufgaben für den Naturschutz heraus-zuarbeiten. Diese wurden als Chancen und Probleme bzw. offene Fragen zusammenfassend dargestellt.

    Für die weitere Arbeit wurden in erster Linie Chancen und Probleme berücksichtigt, die zum ei-nen innerhalb eines Raumtyps unter allen Szenarienbedingungen auftragen. Zum anderen wur-den ein Schwerpunkt auf diejenigen Chancen und Probleme gesetzt, die innerhalb eines Szena-rios bei allen Raumtypen auftraten und neuartige Fragestellungen für den Naturschutz beinhal-ten. Durch die Fokussierung auf Fragestellungen, die unter den verschiedensten Bedingungen in der Szenarioarbeit ableitbar waren, konnte erreicht werden, dass Fragestellungen für den Na-turschutz herausgearbeitet wurden, die sehr wahrscheinlich in Zukunft relevant sein werden.

    Die auf diesem Weg erarbeiteten Fragestellungen für den Naturschutz waren die Grundlage für die abschließende Darstellung von Handlungsoptionen für den Naturschutz.

  • Zukunftsbilder auf Bundesebene

    16

    3 Zukunftsbilder

    Die Entwicklung von Szenarien, mit deren Hilfe mögliche Folgen für den Naturschutz im Jahr 2015 abgeleitet werden sollen, basiert auf einer sog. Umfeldanalyse. In ihr werden wesentliche Trends im Bereich demografischer Wandel sowie in anderen relevanten Bereichen erfasst und für die Szenariokonstruktion nutzbar gemacht. Auf dieser Informationsbasis werden mit Hilfe der in Kapitel 2 erläuterten Szenariomethodik vier Szenarien auf der Ebene des Bundes entwickelt, die denkbare, plausible und konsistente Rahmenbedingungen im Jahr 2015 darstellen.

    In einem zweiten Schritt werden die erarbeiteten Szenarien konkretisiert, indem sie auf unter-schiedliche Raumtypen angewendet werden. Durch die Einbeziehung räumlich gebundener Un-terschiede in den Entwicklungen ist es erst möglich, differenzierte Folgen für Naturschutzfragen abzuleiten.

    3.1 Zukunftsbilder auf Bundesebene: Szenarien für 2015

    3.1.1 Die Umfeldanalyse: heutige und zukünftige Entwicklungen / Trends

    In der Umfeldanalyse werden wesentliche heute bereits zu beobachtende Entwicklungen be-schrieben. Die Trendbeschreibungen in der Umfeldanalyse enthalten jeweils Informationen zur bisherigen wie zur zukünftigen Entwicklung, zu Ursachen und Folgen, zu Wechselwirkungen mit anderen Trends sowie zu Auswirkungen auf Natur und Landschaft und zu Handlungsansätzen (vgl. Kapitel 2). Unterteilt ist die Umfeldanalyse in sieben verschiedene Fokusbereiche: Demo-grafischer Wandel, Siedlungsstrukturelle Entwicklung, Mobilität, Individuum und Gesellschaft, Natur und Umwelt, Wirtschaft, Politik.

    Sie erfasst nicht nur demografische Trends, sondern auch Entwicklungen in anderen Feldern, da der demografische Wandel sich dort niederschlägt und Entwicklungen in diesen Feldern di-rekte oder indirekte Wirkungen auf Natur und Landschaft haben (können). Zum Beispiel wirken sich wirtschaftliche Entwicklungen in Regionen auf die Raumnutzung aus, Werteeinstellungen von Individuen bestimmen u.a. ihr Freizeitverhalten, das sich wiederum räumlich niederschlägt, die Familienformen und Lebensstile bestimmen die Wohnfläche pro Person mit und damit den Flächenverbrauch usw. Die Angaben in der Umfeldanalyse beziehen sich, soweit nicht anders gekennzeichnet, auf Daten für Deutschland.

    Bisher liegen wenig Forschungsergebnisse zu Auswirkungen des demografischen Wandels auf Natur und Landschaft vor. Ebenso sind seine Auswirkungen auf andere Themenbereiche, und damit auch indirekte Wirkungen auf Natur und Landschaft, kaum erfasst oder eingeschätzt. Die Literatur bezieht sich bislang im wesentlichen auf die Folgen des demografischen Wandels auf die sozialen Sicherungssysteme und das langfristige Wirtschaftswachstum. Durch die Umfeld-analyse wird daher das denkbare Spektrum der direkten und indirekten Auswirkungen des de-mografischen Wandels auf Natur und Landschaft eingeschätzt.

    Übersicht: Fokusbereiche und zugehörige Trends

    Die folgenden Trends, sortiert nach thematischen Schwerpunkten (Fokusbereiche), sind im Rahmen der Arbeit herangezogen worden:

    Fokus Demografischer Wandel

    o Langfristiger Bevölkerungsrückgang o Alterung der Bevölkerung o Anhaltende Zuwanderung o Anhaltende Binnenwanderungen in die alten Bundesländer o Starker Bevölkerungsverlust in verstädterten und ländlichen Räumen in den neuen

    Bundesländern

  • Zukunftsbilder auf Bundesebene

    17

    o Bevölkerungsgewinne in verstädterten und ländlichen Räumen in den alten Bundes-ländern

    Fokus Siedlungsstrukturelle Entwicklung

    o Anhaltende Suburbanisierung o Rückbau in Städten

    Fokus Mobilität

    o Anstieg des Straßenverkehrsaufkommens o Steigender Anteil des Luftverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen o Geringfügiger Anstieg des öffentlichen (Personen-)Verkehrs o Rückgang von verkehrsbedingten Luftverunreinigungen mit Ausnahme der Kohlendi-

    oxid (CO2)-Belastung o Zunahme von verkehrsbedingtem Lärm

    Fokus Individuum und Gesellschaft

    Subfokus Freizeitverhalten

    o Zunahme von Kurzreisen o Kürzer werdende Urlaubsreisen o Mehr Zeit – mehr Geld – mehr Kultur – mehr Reisen; Freizeitverhalten von Senioren

    Subfokus Werte- und Lebensstilentwicklung

    o Zunehmende Individualisierung und Diversifizierung der Lebensstile o Auf hohem Niveau stagnierendes Umweltbewusstsein o Flexibilisierung des bürgerschaftlichen Engagements

    Subfokus Gemeinschafts- und Familienformen

    o Sinkende Haushaltsgröße bei steigender Haushaltszahl

    Fokus Natur und Umwelt

    o Zunehmende Zerschneidung der Flächen o Anhaltende/r Flächenverbrauch / -versiegelung für die Schaffung von Siedlungs- und

    Verkehrsfläche (SuVF) o Steigender Flächenanteil der Schutzgebiete o Ungebremster Verlust von Arten und Biotopen o Anhaltender Strukturverlust - Nivellierung der Landschaft o Leichte Zunahme der Waldflächen o Stagnation des Waldschadenzustands auf hohem Niveau o Anhaltend hoher Energieverbrauch o Zunehmende Nutzung regenerativer Energien o Stagnierende Ressourceninanspruchnahme auf hohem Niveau bei anhaltend hoher

    Bedeutung von Ressourcenschonung o Zunehmende Anzahl und Schwere von Naturkatastrophen o Anhaltender Klimawandel

    Fokus Wirtschaft

    o Globalisierung der Märkte o Steigende Bedeutung von Dienstleistung und Information (Tertiarisierung / Quartarisie-

    rung) o Rückläufiges Wirtschaftswachstum o Flexibilisierung von Arbeitsformen o Fortschreitende Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) o Biotechnologien / Life Sciences gewinnen an Bedeutung

  • Zukunftsbilder auf Bundesebene

    18

    Subfokus Land- und Forstwirtschaft

    o Geringfügige Abnahme der Flächen für landwirtschaftliche Nutzung o Intensivierung und Spezialisierung der Landwirtschaft bei wachsenden Betriebsgrößen

    und Abnahme der Anzahl der Betriebe o Steigende Anteile des Ökolandbaus in der Landwirtschaft o Steigender Export in die ehemaligen Ostblockländer in der Landwirtschaft o Rückgang der Agrarsubventionierung o Wachsende Bedeutung der Multifunktionalität der Land- und Forstwirtschaft o Ökologisierung der Land- und Forstwirtschaft

    Fokus Politik

    o Kompetenzwandel der Nationalstaaten o Verstärkte ökonomische und soziale Austauschprozesse in Folge der EU-

    Osterweiterung o Umbau der sozialen Sicherungssysteme o Zunehmende Bedeutung von Regionen o Abbau und Privatisierung von Dienstleistungen und Einrichtungen von Bund, Ländern

    und Kommunen

    3.1.2 Kurzfassung der Trends

    Zu jedem Trend liegt eine ausführliche Beschreibung vor, bei der bisherigen Entwicklungen, Ur-sachen / Hintergründe der Entwicklung und Folgen aus den beschriebenen Entwicklungen be-rücksichtigt werden. Weiterhin werden Aussagen zum weiteren Verlauf des Trends gemacht und Wechselwirkungen mit anderen Trends bzw. Auswirkungen auf Natur und Landschaft skiz-zenhaft zusammengestellt, soweit sie ohne weitergehende Recherchen verfügbar waren.

    Alle genannten Trends sind in ausführlicher Form im Materialenband vorhanden. An dieser Stel-le werden Kurzbeschreibungen aufgeführt, um einen Überblick über die Faktoren zu geben, die in die Szenarien mit eingeflossen sind.

    Fokus Demografische Entwicklung

    Langfristiger Bevölkerungsrückgang

    Die Bevölkerung Deutschlands wird langfristig zurückgehen, von 82,56 Mio. Ende 2002 (je nach Höhe der Zuwanderung) auf etwa 80 bis 82 Mio. im Jahr 2015, bis 2025 sogar auf et-wa 77 bis 79 Mio., danach wird der Rückgang noch deutlicher. Schon seit 1989 ist in den neuen Bundesländern ein dramatischer Rückgang der Bevölkerung zu verzeichnen (um 2 Mio. bis 1999 durch Wanderungsverluste an die alten Bundesländer und Sterbeüberschüs-se).

    Alterung der Bevölkerung

    Der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter sowie der Kinder und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung sinkt in Deutschland, während der Anteil der Älteren steigt (1999 war der Anteil der Älteren über 59 Jahre an der Gesamtbevölkerung erstmals höher als der An-teil der jungen Bevölkerung unter 20 Jahre). Heute sind etwa 55% der Bevölkerung 20-59 Jahre alt, 21% bis 19 Jahre, 23,5% über 59 Jahre, und davon 7% über 74. Im Jahr 2015 werden etwa 27% Ältere (mit einem deutlich auf über 10% gestiegenen Anteil der über 74jährigen) nur noch 18% jungen Menschen unter 20 Jahren gegenüber stehen. Jeder 10. Bundesbürger ist dann 75 Jahre oder älter.

  • Zukunftsbilder auf Bundesebene

    19

    Anhaltende Zuwanderung

    Zuwanderung ist stark von politischen Maßnahmen und der politischen Situation in den je-weiligen Herkunftsländern der Zuwanderung (z.B. Kriege, Naturkatastrophen, etc.) beein-flusst; daher schwanken die Wanderungssalden (Verrechnung von Zu- und Fortzügen) auch für die Bundesrepublik Deutschland stark, besonders im letzten Jahrzehnt aufgrund politi-scher Entwicklungen. In den letzten Jahren ist wieder eine deutlich höhere Zahl von Zu- als Fortzügen zu beobachten, und trotz schlechter Prognostizierbarkeit wird für die nächsten Jahrzehnte mit anhaltender Zuwanderung gerechnet.

    Anhaltende Binnenwanderungen in die alten Bundesländer

    Die starken Binnenwanderungen von den neuen in die alten Bundesländer, die zu Beginn der 90er Jahre zu verzeichnen waren, sind zwar insgesamt zurückgegangen, dennoch bleibt der Wanderungssaldo (Verrechnung von Fort- und Zuzügen) für die neuen Bundesländer negativ, und es wird erwartet, dass diese Tendenz zunächst bestehen bleibt (im Jahr 1999 ergab sich für die neuen Bundesländer ein Wanderungsverlust von 3 Personen je 1000 Ein-wohner, für die alten Bundesländer ein Wanderungsgewinn von 0,7 Personen).

    Starker Bevölkerungsverlust in verstädterten und ländlichen Räumen in den neuen Bundesländern

    Der Bevölkerungsverlust in den neuen Bundesländern verläuft am stärksten in verstädterten und ländlichen Räumen, während die Agglomerationsräume7 weniger stark Bevölkerung ver-lieren. Die Zahl der Bevölkerung in den verstädterten Räumen ist zwischen 1990 und 2000 um 8,3% zurückgegangen, in ländlichen Räumen um 7,4%, während sie in den Agglomera-tionsräumen um "nur" 1,3% abnahm. Ebenso ist ein besonders starker Rückgang der Fertili-tät in den weniger verdichteten Räumen zu verzeichnen, wo daher der Alterungsprozess der Bevölkerung am frühesten eintreten wird. Gerade ländliche peripher gelegene Räume in den neuen Bundesländern verzeichnen die geringsten Bevölkerungsdichten und sind langfristig am stärksten von Bevölkerungsverlusten betroffen.

    Bevölkerungsgewinne in verstädterten und ländlichen Räumen in den alten Bundesländern

    In den alten Bundesländern haben vor allem verstädterte und ländliche Räume steigende Bevölkerungsanteile zu verzeichnen, während die Agglomerationsräume weniger gewinnen. Damit verringert sich hier das demografische Gefälle (=hohe Bevölkerungsdichte im Umland der verdichteten Räume im Gegensatz zu dünn besiedelten ländlichen Räumen als Konse-quenz u.a. des Suburbanisierungsprozesses) zwischen diesen Raumtypen leicht, während es sich in den neuen Bundesländern verstärkt.

    Fokus Siedlungsstrukturelle Entwicklung

    Anhaltende Suburbanisierung

    Die Ansiedlung von Wohnbevölkerung und Gewerbe im suburbanen Raum hält weiter an, und der Wohnungsprognose 2015 des BBR zufolge geht die Nachfrage nach Ein- und Zwei-familienhäusern im suburbanen Raum nicht zurück.

    Rückbau in Städten

    Als eine Konsequenz des Rückzugs der Bevölkerung aus vielen Städten (Stichworte: Bevöl-kerungsrückgang, Umzug in den suburbanen Raum), werden Gebäude in der Stadt abgeris-

    7 Hier wird mit der Unterscheidung von verschiedenen siedlungsstrukturellen Regionstypen (Agglomerations-

    räume, verstädterte Räume, ländliche Räume) nach der Definition des BBR gearbeitet; siehe zur Abgrenzung dieser Regionstypen (BBR 2002a: 2 ff).

  • Zukunftsbilder auf Bundesebene

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    sen8. Dabei werden unterschiedliche Ziele verfolgt: Attraktivitätssteigerung von Vierteln, Inf-rastrukturanpassung, Aufwertung der Altbausubstanz, Abriss maroder Bausubstanz. Beson-ders Städte in den neuen Bundesländern sind betroffen, hier hat der Rückbauprozess be-reits begonnen. Betroffen vom Rückbau sind außer der Bausubstanz Infrastruktureinrichtun-gen.

    Fokus Mobilität

    Anstieg des Straßenverkehrsaufkommens

    Das Straßenverkehrsaufkommen steigt beständig. Der Straßengüterverkehr betrug 1980 125,4 Mrd. tkm (=Tonnenkilometer9), im Jahr 2000 waren es bereits 346,3 Mrd. tkm. Das Personenverkehrsaufkommen auf der Straße, gemessen in Mrd. Personenkilometern10, ist im selben Zeitraum von 551,5 auf 808,5 gestiegen (jeweils die Summe von öffentlichem Straßenpersonenverkehr und motorisiertem Individualverkehr).

    Steigender Anteil des Luftverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen

    Der Anteil des Luftverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen ist in den letzten Jahren stetig gewachsen (aktuelle Wachstumsrate: 5%; UBA 2003c: 55) und lässt aufgrund der zuneh-menden Billigflugangebote einen noch stärkeren Anstieg für das Jahr 2002 und die kom-menden Jahre erwarten.

    Geringfügiger Anstieg des öffentlichen (Personen-) Verkehrs (ÖV)

    Trotz vielfältiger Ansätze ist es bisher nicht gelungen, den Anteil des ÖV am gesamten Personenverkehrsaufkommen merklich zu erhöhen. Von 1995 bis 2000 erhöhte sich die Zahl der mit ihm zurückgelegten Personenkilometer lediglich von 184,4 Mrd. auf 195,1 Mrd. und die Zahl der mit ihm beförderten Personen stieg im selben Zeitraum von 9.884 Mio. auf 9.985 Mio. 1960 lag die Zahl der durch den ÖV beförderten Personen bei 7.561 Mio.

    Rückgang der verkehrsbedingten Luftverunreinigungen mit Ausnahme der Kohlendioxid (CO2)-Belastung

    Global wird der Anteil des Autoverkehrs an der Umweltbelastung zwar steigen (2002: rd. 4,4 Mrd. t CO2-Äqivalent; 2030: über 10 Mrd. t CO2-Äquivalent). In Deutschland hingegen ist seit einigen Jahren ein Rückgang der verkehrsbedingten Schadstoff-Emissionen erkennbar. Ei-ne Ausnahme stellt die verkehrsbedingte Kohlendioxid(CO2)-Belastung dar, die einen wach-senden prozentualen Anteil an den gesamten Kohlendioxid-Emissionen zu verzeichnen hat. Im Zeitraum zwischen 1992 bis 2000 stieg der Anteil von 19,2% auf 21,9% (Straßenverkehr zuzüglich übriger Verkehr) (BMVBW 2002b: 288).

    Zunahme von verkehrsbedingtem Lärm

    Der technische Fortschritt, der bei der Lärmminderung von Fahrzeugen in den letzten Jah-ren erzielt worden ist, wird durch den starken Anstieg des Verkehrsaufkommens überkom-pensiert. Die Lärmintensität des Einzelfahrzeuges hat abgenommen, die gesamte Lärmbe-lastung durch den Verkehr nimmt jedoch zu. Hier kommt insbesondere dem wachsenden Schwerlastverkehr eine tragende Rolle zu. Die Hauptlärmquelle stellen heute die Reifen-

    8 Die Rückbauprozesse wie die ihr zugrundeliegende Problematik des Bevölkerungsverlust betreffen selbstver-

    ständlich auch ländliche Räume – diese Entwicklung ist bisher wenig in der Literatur erfasst, so dass hier der Schwerpunkt auf den Städten liegt.

    9 Tonnenkilometer= Produkt aus Transportmenge in Tonnen und der Beförderungsentfernung. 10 Ein Personenkilometer bezeichnet einen Kilometer, den eine Person zurückgelegt. Fahren mehrere Personen

    in einem Fahrzeug, wird die zurückgelegte Strecke entsprechend multipliziert: Eine Person in einem Auto fährt 100 (Personen-)Kilometer, drei Personen fahren 300.

  • Zukunftsbilder auf Bundesebene

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    und Fahrbahngeräusche dar, die ab einer Geschwindigkeit von 40 km/h die Motorengeräu-sche übertreffen.

    Fokus Individuum und Gesellschaft

    Subfokus Freizeitverhalten

    Zunahme von Kurzreisen

    Die Nachfrage nach Kurzreisen steigt. Im Jahr 2001 verzeichneten Kurzreisen aus dem eu-ropäischen Ausland nach Deutschland ein Plus von 14%. Viele Kurzreisen dienen der Mini-Erholung in der Natur, wahlweise mit oder ohne sportliche Aktivitäten (Segeln, Reiten, Rad-fahren, Schwimmen, etc.). Die Zunahme von Städtetourismus hält kontinuierlich an.

    Kürzer werdende Urlaubsreisen

    Während die Zahl der Urlaubsreisen, die pro Jahr unternommen werden, in den letzten Jahr-zehnten gestiegen ist, hat sich zugleich die durchschnittliche Dauer der Urlaubsreisen ver-kürzt. So ist seit den 70er Jahren die durchschnittliche Urlaubsdauer von 13 Tagen auf 11 Tage gesunken und wird bis 2015 weiter auf 8 bis 10 Tage fallen (Opaschowski 2002).

    Mehr Zeit – mehr Geld – mehr Kultur – mehr Reisen. Freizeitverhalten von Senioren

    Das Freizeitverhalten der Älteren verändert sich deutlich. Immer mehr Senioren verbringen einen großen Teil ihres Ruhestands aktiv und verfügen über höhere Finanzmittel als frühere Generationen. Sie sind mobiler, gesünder, reiseerfahrener und -freudiger als frühere Senio-rengenerationen. Vor allem in den Bereichen Reisen und Kultur stellen sie ein hohes Nach-fragepotenzial dar.

    Subfokus Werte- und Lebensstilentwicklung

    Zunehmende Individualisierung und Diversifizierung der Lebensstile

    Steigende Unabhängigkeit und ein höheres Bildungsniveau haben die Wahlchancen des In-dividuums in bezug auf Arbeit und Arbeitszeit, Freizeitgestaltung, Lebens-, Wohn- und Fami-lienform beträchtlich erhöht, weswegen sich die Vielfalt der Lebensstile erhöht hat. Mittels einer Lebensstiltypologisierung können beispielsweise Einstellungen der einzelnen Gruppen identifiziert werden, wie z.B. die "aktiven Ruheständler" (19% der Gesamtbevölkerung) mit einem hohen Interesse an Naturbewahrung im Gegensatz zu "sportlich Urbanen" (21% der Gesamtbevölkerung), die Naturschutz keinen besonderen Stellenwert beimessen.

    Auf hohem Niveau stagnierendes Umweltbewusstsein

    Umweltschutz hat sich zu einer festen Größe im Wertesystem der heutigen Gesellschaft entwickelt und behauptet seit Jahren seinen Rang als gesellschaftlich relevante Aufgabe. Auch wenn Umweltschutz nicht mehr zu den Top-Themen zählt, halten 93% der Befragten der Studie "Umweltbewusstsein in Deutschland 2002" Umweltschutz für "wichtig" oder sogar "sehr wichtig".

    Flexibilisierung des bürgerschaftlichen Engagements

    Sowohl die Strukturen als auch die Formen bürgerschaftlichen Engagements wandeln sich. Es wird zunehmend flexibler, partizipativer und projektgebundener. Traditionelle Formen wie klassische Vereinsarbeit, Mitgliedschaft in Parteien usw. spielen zwar weiterhin eine große Rolle, doch zusätzlich entstehen neue Formen.

  • Zukunftsbilder auf Bundesebene

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    Subfokus Gemeinschafts- und Familienformen

    Sinkende Haushaltsgröße bei steigender Haushaltszahl

    Die durchschnittliche Haushaltsgröße (=durchschnittliche Zahl der Personen pro Haushalt) sinkt kontinuierlich, während die Zahl der Haushalte zunimmt. Diese Entwicklung spiegelt sich im steigenden Anteil der kleineren Haushalte mit ein oder zwei Personen und einem sinkenden Anteil der größeren Haushalte mit drei oder mehr Personen. Die durchschnittliche Haushaltsgröße ist in Deutschland von 1991 bis 2002 von 2,27 auf 2,14 Personen pro Haushalt gesunken, während die Zahl der Haushalte um 10% auf 38,7 Mio. gestiegen ist.

    Fokus Natur und Umwelt

    Zunehmende Zerschneidung der Flächen

    Die Zergliederung der 35.703.100 ha großen Gesamtfläche Deutschlands in immer kleinere Areale nimmt zu. In NRW beispielsweise nahm die Fläche unzerschnittener, verkehrsarmer Räume im Zeitraum von 1988 bis 1998 um die Hälfte (von 7 auf 3,3%) ab.

    Anhaltende/r Flächenverbrauch / -versiegelung für die Schaffung von Siedlungs- und Verkehrsfläche (SuVF)

    Der Flächenverbrauch stagniert derzeit bei ca. 130 ha täglich. Eine Trendrechnung des BBR prognostiziert, dass der Flächenverbrauch in den nächsten Jahren um durchschnittlich 120 ha täglich zunimmt. Ein großer Anteil der Flächen wird in SuVF umgewandelt, wobei der Versiegelungsgrad dieser Form der Flächennutzung bei ca. 50% liegt (Zunahme der SuVF im Zeitraum 1997 bis 2001: 188.700 ha).

    Steigender Flächenanteil der Schutzgebiete

    Der Flächenanteil der Naturschutzgebiete an der Gesamtfläche Deutschlands ist im Zeit-raum von 1990 bis 1999 von 1,3% auf 2,6% gestiegen. Ihre Anzahl ist von 4.114 im Jahr 1990 auf 6.588 im Jahr 1999 gewachsen. Auch andere Schutzgebietstypen haben flächen-bezogene Zuwächse zu verzeichnen11.

    Ungebremster Verlust von Arten und Biotopen

    Der Verlust und die Gefährdung von Arten und Biotopen sind weltweite Probleme, die vor al-lem auf die Konsequenzen menschlicher Aktivitäten zurückgeführt werden. Problematisch ist nach wie vor die Datenlage, dennoch herrscht weitgehende Übereinstimmung darüber, dass global der Verlust von Arten und Biotopen in den letzten Jahrzehnten in zuvor unge-kanntem Tempo fortschreitet (UNEP 2002; WBGU 2000: 21). Dies gilt auch für Deutschland.

    Anhaltender Strukturverlust - Nivellierung der Landschaft

    Beeinträchtigungen der Biodiversität und des Naturhaushaltes haben zu einer Vereinheitli-chung und Verarmung der Landschaft geführt. In der Folge ist die Erholungsqualität der Landschaft gesunken. Die für die Erholung attraktiven Gebiete werden zunehmend kleiner, sodass eine Konzentration der Erholungs- und Freizeitnutzung auf diesen verbleibenden Flächen stattfindet.

    Leichte Zunahme der Waldflächen

    Im Zeitraum von 1993 bis 1997 hat die Waldfläche in Deutschland um 0,4% zugenommen (entspricht 26.000 ha; BBR 2001b: 42), von 1997 bis 2001 ist sie noch einmal von 104.915

    11 Dieser Effekt ist aber in erster Linie auf die Wiedervereinigung und die damit gestiegenen Flächen zurückzu-

    führen. Getrennte Zahlen für Deutschland West und Ost liegen nicht vor.

  • Zukunftsbilder auf Bundesebene

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    km2 auf 105.314 km2 angestiegen (um 0,38%). Damit lag der Waldflächenanteil 2001 in Deutschland bei 29,5%. Die Gesamtzahl der Bäume auf dieser Fläche wird auf etwa 30 Mrd. geschätzt.

    Stagnation des Waldschadenzustands auf hohem Niveau

    Der Waldzustand in Deutschland stagnierte – grob gesprochen - im letzten Jahrzehnt. Lag der Anteil deutlicher Schäden (gemessen an der Kronenverlichtung) 1991 noch bei 30%, nahmen die Schäden in dieser Schadstufe bis 2002 auf 21% ab, der Anteil, der der Warnstu-fe zugeordnet wird, stieg hingegen von 38% in 1991 auf 44% im Jahr 2002 (BMVEL 2003: 10f).

    Anhaltend hoher Energieverbrauch

    Der Primärenergieverbrauch (PEV) schwankt in Deutschland im letzten Jahrzehnt zwischen 353,72 Mio. t Rohöleinheiten (RÖE) (1990) und 337,82 Mio. t RÖE (2000). Tendenziell ist ein leichter Rückgang erkennbar. Bis zum Jahr 2010 soll eine kurzfristige Erhöhung auf 347,2 Mio. t RÖE eintreten, die jedoch bis 2020 wieder absinkt (StBA 2002a: 370; Exxon 2001:1).

    Zunehmende Nutzung regenerativer Energien

    Etwa 6,2% des verbrauchten Stroms in Deutschland stammen aus erneuerbaren Energie-quellen. Die Stromerzeugung aus Windkraft betrug im Jahr 2000 9.200 Mio. kWh (eine Stei-gerung auf mehr als das Zweihundertfache seit Beginn der 1990er Jahre). Die Stromerzeu-gung mit Wasserkraft hat seit 1990 um 24% auf 20.500 Mio. kWh zugenommen (Umwelt-bundesamt 2002a: 15).

    Stagnierende Ressourceninanspruchnahme auf hohem Niveau bei anhaltend hoher Bedeu-tung von Ressourcenschonung

    Der Ressourcenverbrauch bzw. die Ressourceninanspruchnahme12 in Deutschland stagniert auf hohem Niveau. Zugleich hat die Ressourcenschonung, insbesondere durch die Bemü-hungen um eine nachhaltige Wirtschaftsweise, hohe Bedeutung.

    Zunehmende Anzahl und Schwere von Naturkatastrophen

    Die Anzahl der weltweiten Naturkatastrophen hat sich in den letzten 50 Jahren vervierfacht. Eine deutliche Zunahme verzeichnen die exogen verursachten Naturkatastrophen. Dieser Trend zeigt sich auch in Deutschland (108 Naturkatastrophen im Zeitraum 1970-1979; 194 Naturkatastrophen im Zeitraum 1989-1998) (Münchner Rück 2000: 7).

    Anhaltender Klimawandel

    Trotz Unklarheiten über den weiteren Verlauf des Klimawandels sowie über seine Ursachen gilt die globale Erwärmung als zentrales Phänomen inzwischen als belegt (Hauchler et al.: 344). Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist ein Anstieg der globalen Mitteltemperatur um etwa 0,7°C beobachtet worden (Hauchler et al.: 344). Laut den Szenarien des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist eine weitere Erwärmung um bis zum 2,9°C bis 2100 möglich.

    12 Unter Ressourcenverbrauch wird zwar auch die Inanspruchnahme von Flächen gefasst, diese wird hier jedoch

    aufgrund ihrer hohen Bedeutung für Natur und Landschaft getrennt behandelt (siehe Trends "Zunehmende Zerschneidung der Flächen" sowie "Anhaltende/r Flächenverbrauch/-versiegelung zu Schaffung von Sied-lungs- und Verkehrsfläche"). Separat behandelt wird zudem das Thema Energie sowie die verkehrsbedingten Belastungen und CO2-Emmissionen (siehe Trends "Zunahme von verkehrsbedingtem Lärm" sowie "Rückgang von verkehrsbedingten Luftverunreinigungen mit Ausnahme der CO2-Belastung").

  • Zukunftsbilder auf Bundesebene

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    Fokus Wirtschaft

    Globalisierung der Märkte

    Das Ausmaß der globalen wirtschaftlichen Verflechtungen und Austauschbeziehungen nimmt weiter zu, u.a. mit den Folgen einer räumlichen Erweiterung und Beschleunigung des Marktgeschehens. Deutschland als zweitstärkste Exportnation der Welt ist in besonderem Maße von den Veränderungen betroffen.

    Steigende Bedeutung von Dienstleistung und Information (Tertiarisierung / Quartarisierung)

    Der Anteil der Dienstleistungen an der Bruttowertschöpfung betrug in Deutschland im Jahr 2001 bereits 68,8%. Von 1991 bis 2001 ist die Bruttowertschöpfung der öffentlichen und pri-vaten Dienstleister von 286,5 Mrd. auf 404,2 Mrd. EUR angestiegen, wobei die Wissens- und Informationsdienstleistungen den höchsten Zuwachs zu verzeichnen haben (StBA 2002c: 245) .

    Rückläufiges Wirtschaftswachstum

    Die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für den Zeitraum von 1970 bis 2001 dokumen-tieren eine kontinuierliche Abschwächung des Wirtschaftwachstums in Deutschland. Wäh-rend die durchschnittliche jährliche Veränderung zwischen 1970 und 1980 noch +2,8% be-trug, betrug sie im Zeitraum von 1980 bis 1991 lediglich +2,6% und zwischen 1991 und 2001 nur noch +1,5%.

    Flexibilisierung von Arbeitsformen

    Durch flexibilisierte Arbeitszeiten und Arbeitsorganisation, variierende Arbeitsorte sowie sich wandelnde Arbeitsanforderungen werden starre Beschäftigungsformen zunehmend abge-löst. Telearbeit, Teilzeitarbeit, Arbeitszeitkonten, geringfügige und befristete Beschäfti-gungsverhältnisse, Leiharbeit, Projektarbeit, neue Formen der Selbständigkeit ("Intrapreneu-re"), sind nur einige Stichworte. Ein Beispiel: Die Teilzeitquote in Deutschland erhöhte sich von 14% 1991 auf knapp 21% 2001; für 2010 wird eine Teilzeitquote von 29% prognosti-ziert.

    Fortschreitende Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)

    Gestützt von Innovationen im Technologiefeld IKT dringen entsprechende Anwendungen in immer neue Anwendungsbereiche vor und vergrößern in bereits existierenden ihren Ein-fluss, ihre Ausbreitung und ihr Marktvolumen. Mit einer jährlichen, globalen Wachstumsrate von etwa 9% im Zeitraum zwischen 1993 und 2001 liegen die IKT weit über dem durch-schnittlichen Wachstum, das z.B. für die OECD-Staaten im selben Zeitraum bei ca. 2,5% lag. In Deutschland ist im Zeitraum zwischen 1999 bis 2001 eine zunehmende Ausstattung der Privathaushalte mit IKT zu verzeichnen (Beispiel: Waren im Jahr 1999 im Durchschnitt 10,7% der Haushalte mit Internetanschluss und Online-Diensten ausgestattet, so waren es 2001 bereits 27,3%) .

    Biotechnologien / Life Sciences gewinnen an Bedeutung

    Die Biotechnologien (BT), weiter gefasst Life Sciences (Lebenswissenschaften), hatten in den letzten Jahren ein deutliches Wachstum zu verzeichnen und gelten als eins der zentra-len Technologie- und Forschungsfelder des 21. Jahrhunderts. Die breit gefächerte Anwen-dung reicht von ihrem Einsatz in der Medizin (rote BT), Landwirtschaft (grüne BT) und in der maritimen Produktion (blaue BT) bis hin zur Anwendung in Industrie und Umwelttechnik (graue oder auch weiße BT). Die hohe Innovationsdynamik der BT ist oftmals abhängig von der anderer Disziplinen (v.a. Informationstechnologien) und macht eine Einschätzung und Erhebung der Folgen des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen (GVO) auf Mensch und Natur in den meisten Fällen schwierig.

  • Zukunftsbilder auf Bundesebene

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    Subfokus Land- und Forstwirtschaft

    Geringfügige Abnahme der Flächen für landwirtschaftliche Nutzung

    Im Zeitraum von 1997 bis 2001 ist die Fläche für landwirtschaftliche Nutzung von 54,1% der Gesamtfläche Deutschlands auf 53,5% zurückgegangen, was einer absoluten Abnahme von 210.800 ha entspricht.

    Intensivierung und Spezialisierung der Landwirtschaft bei wachsenden Betriebsgrößen und Abnahme der Anzahl der Betriebe

    Aufgrund von wirtschaftlicher Umstrukturierung unterliegen der primäre Sektor und somit auch die Betriebszahlen der Landwirtschaft einem deutlichen Rückgang. Gab es 1991 bun-desweit noch 541.376 Betriebe (mit ≥ 2 ha Landfläche, im folgenden als LF), betrug ihre Zahl im Jahr 2001 nur noch 411.800 Betriebe (DBV 2003: 30, 96), während die Größe der Betrieb wächst. Zugleich findet eine zunehmende Spezialisierung und Intensivierung der Landwirtschaft statt.

    Steigende Anteile des Ökolandbaus in der Landwirtschaft

    Der Anteil des ökologischen Landbaus und die Anzahl ökologisch arbeitender Betriebe sind in den vergangenen Jahren langsam, aber kontinuierlich gewachsen. Der Anteil der ökologi-schen Landwirtschaft an der Gesamtbetriebszahl in der Landwirtschaft lag 1995 bei 1,05% (5866 Betriebe), 2002 bei 3,72% (14.702 Betriebe) (DBV 2003: 66; Eurostat 2001c: 3).

    Steigender Export in die ehemaligen Ostblockländer in der Landwirtschaft

    Die MOEL (mittel- und osteuropäischen Länder) incl. Russland sind unter den Drittländern im Bereich Agrarimport und -export für Deutschland größte und bedeutendste Absatzregion mit einem Anteil von 42%. Die Exporte beliefen sich 1993 auf rd. 2,33 Mrd. EUR, 2001 auf 3,1 Mrd. EUR. Die Importe von dort lagen 1993 bei 1,24 Mrd. EUR, 2001 bei 2,3 Mrd. EUR (DBV 2003: 49; BMVEL 1998).

    Rückgang der Agrarsubventionierung

    Die Agrarsubventionierungen sowohl des Bundes als auch der EU sinken. Der Agrarhaus-halt des Bundes beträgt 2003 rd. 5,68 Mrd. EUR (-16 Mio. EUR z. Vorjahr; DBV 2003: 111). Der Anteil des EU-Agrarhaushalts am EU-Gesamthaushalt betrug 1985 noch rd. 70%, im Jahr 2002 nur noch 46,3% (DBV 2003: 135f). In der EU erfolgt zugleich ein agrarpolitischer Richtungswechsel: weg von Marktstützungsausgaben, hin zu Direktzahlungen und zur Um-setzung der Agenda 2000. (DBV 2003: 138)

    Wachsende Bedeutung der Multifunktionalität der Land- und Forstwirtschaft

    Die Ansprüche an und die Bedeutung von Land- und Forstwirtschaft unterlagen in den letz-ten Jahren einem deutlichen Wandel. Land- und Forstwirtschaft gelten nicht mehr als reine Produktionsbetriebe, sondern ihre weiteren gesellschaftlichen Aufgaben gewinnen zuneh-mend an Bedeutung, wie z.B. ökologische und landschaftsästhetische Funktionen, Schutz- und Regenerationsfunktionen sowie kulturelle Funktionen (Multifunktionalität von Land- und Forstwirtschaft) (DBV 2003: 35ff; Sinabell 2001: 248f).

    Ökologisierung der Land- und Forstwirtschaft

    Mit der Bedeutungszunahme des Prinzips der Nachhaltigkeit ist die Ökologisierung der Land- und Forstwirtschaft weiter vorangetrieben worden. So ist in der Landwirtschaft das Konzept der "guten fachlichen Praxis" gesetzlich verankert, und eine