Der Besuch im Carcer - m.ngiyaw-ebooks.org · Es schlug Zwei. Der Di rek tor des städ ti schen Gym...

45
Ernst Eckstein Der Besuch im Carcer. ngiyaw eBooks n

Transcript of Der Besuch im Carcer - m.ngiyaw-ebooks.org · Es schlug Zwei. Der Di rek tor des städ ti schen Gym...

Ernst Eckstein

Der

Besuch im Carcer.

ngiyaw eBooksn

Als Vorlage diente:

Ernst EcksteinDer Besuch im Carcer

Verlag von Fr. Thiel, Leipzig, 50. Auflage 1882 Cover: Zeichnung von G. Sundblad.

Original-Illustrationen von G. Sundblad.

ngiyaw eBooks unterliegen dem Copyright, außer für die Teile, die public domain sind.

Dieses ebook (pdf) darf für kommerzielle oder teil-kommerzielle Zwecke weder neu veröffentlicht, kopiert, gespeichert, angepriesen, übermittelt,gedruckt, öffentlich zur Schau gestellt, verteilt, noch irgendwie andersverwendet werden ohne unsere ausdrückliche, vorherige schriftliche

Genehmigung. Eine gänzlich nicht-kommerzielle Verwendung ist jedochgestattet, solange das ebook (pdf) unverändert bleibt.

ngiyaw eBooks werden Ihnen as-is ohne irgendwelche Garantien undGewährleistungen angeboten.

© 2007 Peter M. Sporer für ngiyaw eBooks.Földvári u. 18, H – 5093 Vezseny ([email protected]).

Erstellt mit Corel Ventura 10, das die Corel Deutschland GmbH.freundlich zur Verfügung gestellt hat.

Gesetzt in der Baskerville Book.

n

ngiyaw eBooksn

Ernst Eckstein

Der Besuch im Carcer

Es schlug Zwei. Der Di rek tor des städ ti schen

Gym na si ums, Dr. Samu el Hein zer ling,

wan del te mit der ihm ei ge nen Wür de in den

Schul hof und er klomm lang sam die Stie ge.

Auf der Trep pe be geg ne te ihm der Pe dell, der

eben ge läu tet hat te und sich nun in sei ne Pri vat -

ge mä cher ver fü gen woll te, wo es al ler lei häus li -

che Ar bei ten zu er le di gen gab.

»Äst nächts vor ge fal len, Quadd ler?« frag te der

Di rek tor, – den de vo ten Gruß des Va sal len

durch ein sou ver änes Kopf nic ken er wi dernd.

»Nein, Herr Di rek tor.«

»Hat der Herr Bi blä ot hä kar noch nächt öber

die be wu ß ten Bän de re sol värt?«

»Nein, Herr Di rek tor.«

»Goot, so gä hen Sä noch heu te hi nö ber und er -

kon di gen Sä säch, wä säch die se An ge lä gen heit

ver hält … Noch eins. Der Prä ma ner Rompf

fehlt seit ei ni gen Ta gen. Ver fö gen Sä säch doch

ein mal in sei ne Woh nung und es war in der -

öberzeugen Sä säch, ob er wärk lich krank ist!

Ich zweif le fast …«

»Ent schul di gen Sie, Herr Di rek tor, der Rumpf

ist wie der da; ich sah ihn vor hin über den Hof

kom men.«

»Non, om so bäs ser.«

Der ge neig te Le ser ver zei he die ei gent hüm li -

che Or tho gra phie, mit der wir die ge flü gel ten

Wor te des Gym na si al herr schers zu Pa pier brin -

gen. Herr Dr. Samu el Hein zer ling sprach al ler -

dings nicht ganz so ab norm, als un se re Schreib -

wei se ver mu then las sen könn te: al lein das deut -

sche Laut sy stem gibt uns kein Mit tel an die

Hand, die spe ci fisch Heinzerling’sche Klang far -

be ge nau er zu ver sinn li chen. Ich, der be schei de -

ne Er zäh ler, habe sel ber hun dert mal den Vor trä -

gen des Herrn Di rek tors in stum mer An dacht

ge lauscht und den Heinzerling’schen Vo ka lis -

mus so zu sa gen zu mei nem Lieb lings stu di um er -

ho ben. So lan ge un ser arm se li ges Al pha bet nicht

ei ge ne Zei chen für Zwit ter lau te zwi schen i und

e, zwi schen u und o u. s. w. be sitzt, so lan ge

wird der Hi sto rio graph, der sich mit Herrn

Dr. Samu el Hein zer ling be schäf tigt, die von uns

vor ge schla ge ne Recht schrei bung adop ti ren müs -

sen.

Der Herr Di rek tor sag te also: »Non, om so bäs -

ser!« und schritt über den lan gen Cor ri dor den

Pfor ten sei ner Pri ma zu.

Samu el war heu te un ge wöhn lich frü he ge kom -

men. In der Re gel hielt er an der Theo rie des

aka de mi schen Vier tels fest. Die ß mal hat te ihn

ein häus li cher Zwist, über den wir aus be greif li -

cher De li ka tes se den Schlei er der Ver schwie gen -

heit brei ten, schon vor der Zeit aus dem be hag li -

chen Sor gen stuh le ge trie ben, in wel chem er sei -

nen nach mit täg li chen Kaf fee zu schlür fen pfleg -

te. Nur so er klärt es sich, daß die Pri ma ner noch

nicht dar an ge dacht hat ten, nach Art der Gem -

sen ihre üb li che Wa che aus zu stel len.

Der Herr Di rek tor ver nahm be reits auf dem

Cor ri dor ei nen Hei den lärm. Vier zig dröh nen de

Keh len schrie en »Bra vo!« und »Da Capo!«

Samu el run zel te die Stir ne.

Jetzt ver stumm te das Chor ge brüll, und eine

kla re, schnei di ge Stim me be gann in ko mi schem

Pa thos:

»Non, wär wollen’s för die ß mal goot sein

lassen. Sä ha ben säch wä der ein mal nächt ge hä -

rig vor be rei tet, Hep pen hei mer! Äch bän sähr on -

zof rä den mät Äh nen! Sät zen Sä säch!«

Don nern der Ap plaus.

Der Di rek tor stand wie ver stei nert.

Bei den Göt tern Grie chen lands, – das war er

selbst, wie er leib te und leb te …! Ein we nig ca ri -

cirt, – aber doch so täu schend ähn lich, daß nur

ein Ken ner den Un ter schied her aus zu füh len ver -

moch te! Eine sol che Blasphe mie war denn

doch, – dem Sprüch wort zum Trot ze, – noch

nicht da ge we sen! Ein Schü ler erf rech te sich, ihn,

den sou ver änen Be herr scher al ler Gym na si al an -

ge le gen hei ten, ihn, den Ver fas ser der »La tei ni -

schen Gram ma tik für den Schul ge brauch, mit

be son de rer Rück sicht auf die obe ren Clas sen«,

ihn, den re nom mir ten Päd ago gen, Aes the ti ker

und Kan tia ner, von der ge weih ten Höhe sei nes

ei ge nen Ka the ders aus lä cher lich zu ma chen!

Proh pu dor! Ho nos sit au ri bus! Das war ein Streich,

wie er nur in der See le des Erz-Spitz bu ben Wil -

helm Rumpf zur Rei fe ge lan gen konn te!

»Wol len Sä ein mal et was näh men, Möric ke«,

fuhr die Stim me des pflicht ver ges se nen Schü lers

fort … »Was, Sä send on wohl? Gott, wenn mer

jon ge Leu te in Äh rem Al ter sa gen, sä send on -

wohl, so macht das ei nen sähr öblen Ein druck.

Knä bel, schrei ben Sä ein mal än’s Ta ge boch:

›Möric ke, zom Öber sät zen auf ge for dert, war on -

wohl‹ ….«

Jetzt ver moch te der Di rek tor sei ne Ent rü stung

nicht län ger zu be mei stern.

Mit ei nem ener gi schen Ruck öff ne te er die

Thü re, und trat un ter die erschroc kenen Zög lin -

ge, wie der Leu un ter die Ga zel len heer de.

Er hat te sich nicht ge täuscht.

Es war in der That Wil helm Rumpf, der grö ß -

te Tau ge nichts der Clas se, der sich so fre vel haft

an der Ma je stät ver gan gen hat te. Erst seit vier

Wo chen zähl te die ser Mensch zu Samu el Hein -

zer lings Schü lern, und schon ge bühr te ihm vor

al len Ben geln, vom Pri mus bis zum Ul ti mus, die

Kro ne! Mit hoch ge zo ge nen Va ter mör dern, auf

der Nase eine gro ße, pa pie re ne Bril le, in der Lin -

ken ein Buch, in der Rech ten das tra di tio nel le

Blei stift chen hal tend, – so stand er auf dem

Katheder und woll te eben eine neue Got tes lä ste -

rung aus sto ßen, als der tief be lei dig te Di rek tor

auf der Schwel le er schien.

»Rompf!« sag te Samu el mit Fas sung, –

»Rompf! Sä gä hen mer zwei Tage än den Car cer.

Kne bel, schrei ben Sä ein mal än’s Ta ge boch: –

›Rompf, we gen kän di schen, on wör di gen Be näh -

mens mät zwei Ta gen Car cer be straft.‹ – Hep -

pen hei mer, ro fen Sä den Pe del len!«

»Aber Herr Di rek tor …!« stam mel te Rumpf,

in dem er die Pa pier bril le in die Ta sche steck te

und auf sei nen Platz zu schritt.

»Kei ne Wä der re de!«

»Aber ich woll te ja nur, ich dach te …«

»Sei en Sä ställ, sag’ äch Äh nen!«

»Aber er lau ben Sie gü tigst …«

»Kne bel, schrei ben Sä ein: – ›Rompf wä gen

wä der setz li chen Be tra gens mät ei nem wei te ren

Tage Car cer be legt.‹ – Äch bän’s möde, mich

äwig mät Äh nen her om zo schla gen. Schä men

soll ten Sä säch in den Grond Äh rer Sää le hä -

nein! Pfoi und aber mals pfoi!«

»Au dia tur et al te ra pars, Herr Di rek tor. Ha ben

Sie uns die se Leh re nicht stets an’s Herz ge legt

…?«

»Goot! Sä sol len nächt sa gen, daß ich mei nen

Prän cä pien on treu wär de. Was ha ben Sä zo Äh -

rer Ent schol di gong an zo föh ren?«

»Ich kann nur ver si chern, Herr Di rek tor, daß

ich durch aus nichts Un ziem li ches be ab sich tig te.

Ich ge dach te mich le dig lich ein we nig in der Mi -

mik zu üben.«

»Öben Sä Äh ren la tei ni schen Stäl und Ähre

grä chi sche Gram ma täk!«

»Das thu’ ich, Herr Di rek tor. Aber ne ben der

Wis sen schaft hat doch auch die Kunst ihre Be -

rech ti gung.«

»Das habe äch nä in mei nem Lä ben gel äug net.

Wol len Sä ätwa Ähre Al bern hei ten för Konst

aus gä ben? Jä den falls äst däse Konst sähr brod -

los.«

»O, bit te, Herr Di rek tor!«

»Sei en Sä ställ. Wenn Sä so fort fah ren, so wär -

den Sä öber korz oder lang Schäff broch lei den.

Knipcke, sehn Sä ein mal nach, wo der Hep pen -

hei mer mit dem Pe del len bleibt.«

»Ach, für die ß mal, Herr Di rek tor« flü ster te

Rumpf in schmeich le ri schem Tone, – »für dies -

mal könn ten Sie mir die Stra fe noch er las sen.«

»Nächts da! Sä gäh’n än den Car cer. Doch wär

wol len ons dorch dä sen Zwäs chen fall än ons rer

Ar beit nächt stä ren las sen. Hutz ler, re pe tä ren Sä

ein mal …«

»Herr Di rek tor, ich war beim Vor über set zen

nicht zu ge gen. Hier ist mein Zeug niß.«

»So! Sä wa ren wä der ein mal krank. Wäs sen

Sä, Hutz ler, Sä sänd auch öf ter krank als …«

»Lei der, Herr Di rek tor. Mei ne schwäch li che

Con sti tu tion …«

»Schwäch läch? Sä, schwäch läch? Non, hä ren

Sä ein mal, Hutz ler, äch woll te, jä der Mänsch on -

ter der Son ne wäre so schwäch läch wä Sä! Faul

sänd Sä, aber nächt schwäch läch …«

»Faul? Aber ich kann doch nicht wäh rend ei -

nes Fie ber an falls …«

»Äch kän ne das! Sä wär den wä der ein mal zo

väl Bär ge tron ken ha ben. Re pe tä ren Sä ein mal,

Gil de mei ster.«

»Fehlt!« rie fen sechs Stim men zu gleich.

Samu el schüt tel te miß mut hig das Haupt.

»Weiß Kei ner, wa rom der Gil de mei ster fehlt?«

»Er hat Ka tarrh!« ant wor te te ei ner der sech se.

»Ka tarrh! Wä äch so alt war, hat te äch nä mals

Ka tarrh. Aber wo bleibt denn der Knipcke und

der Hep pen hei mer? Schwarz, gehn Sä ein mal

hin aus, kom men Sä aber gleich wä der!«

Schwarz ging und kam nach zehn Mi nu ten

mit dem Pe del len und den bei den Com mi li to -

nen zu rück.

»Herr Quadd ler war mit Ta pe zi ren be schäf -

tigt«, sag te Hep pen hei mer in ach tungs vol lem

Tone; »er mu ß te sich erst ein we nig um klei den.«

»So! und dazo brau chen Sä eine hal be Ston de?

Quadd ler, äch fän de, Sä wär den nach läs sig äm

Dän ste!«

»Sie ent schul di gen ganz ge hor samst, Herr Di -

rek tor, aber die Her ren sind erst vor zwei Mi nu -

ten an mei ne Thü re ge kom men.«

»Oh!« rie fen die drei Pri ma ner wie aus ei nem

Munde.

»Non, äch wäll das nächt wei ter on ter so chen!

Här, näh men Sä ein mal da den Rompf, ond föh -

ren Sä ähn auf den Car cer. Rompf, Sä wär den

säch an stän dig be tra gen und nächt alle Augen -

bläc ke nach dem Pe del len ro fen, wä das vor

acht Ta gen ge schehn ist. Quadd ler, Sä las sen

säch durch nächts be stäm men, den Rompf auf

die Vor flur zo las sen! Wenn ähm wä der schlächt

wärd, so mag er das Fän ster öff nen. Am Bä sten

äst’s, Sä sät zen ähm al les Nöt hi ge hin ein in die

Zäl le, und las sen die Thö re ein för alle Mal ver -

schlos sen. Frei tag Abend kömmt er wä der her -

on ter.«

»Schön, Herr Di rek tor.«

»Das Äs sen kön nen Sä säch dorch ei nen Äh -

rer Freun de be sor gen las sen. Ver stan den?«

Rumpf nick te.

»So! und non fort mät Äh nen!«

»Es ist also wirk lich Ihr Ernst, Herr Di rek tor,

mich für eine künst le ri sche Lei stung …«

Samu el Hein zer ling lach te mit männ lich-päd -

ago gi scher Wür de.

»Sä sänd ein drol li ger Kauz, trotz al ler Äh rer

On ge zo gen hei ten. Aber hel fen kann äch Äh nen

nächt. So lan ge Sä mär nächt dart hun, was Ähre

an gäb li che könst le ri sche Lei stung notzt und

frommt, – ganz ab ge se hen von Äh rer on ziem li -

chen Ten denz, – so lan ge wär den Sä säch in’s

On ab än der li che fö gen mös sen. Ma chen Sä jetzt,

daß Sä hä nauf kom men!«

Wil helm Rumpf biß die Lip pen auf ein an der,

mach te kehrt und ver schwand mit Quadd ler in

der Däm me rung des Cor ri dors.

»Was ha ben Sie ei gent lich ver bro chen, Herr

Rumpf?« frag te der Pe dell, als sie die Trep pe hin -

an schrit ten.

»Nichts.«

»Aber ver zei hen Sie gü tigst, Sie müs sen doch

was ge macht ha ben?«

»Ich habe nur das get han, was der Di rek tor be -

stän dig thut.«

»Wo so?«

»Nun, ge ben Sie ein mal wohl Acht: Sä hen Sä,

mein lä ber Quadd ler, der Rompf ist ein Tau ge -

nächts und ver dänt eine exem pla ri sche Zäch ti -

gong.«

»Herr Gott mei nes Le bens!« stam mel te der Pe -

dell, bei de Hän de über dem Kopf zu sam men -

schla gend. »Nein, wer mir ge sagt hät te, daß so et -

was mög lich sei … Aber das ist ja or dent lich

grau lich, Herr Rumpf! Weiß der ewi ge Him mel,

wenn ich Sie nicht mit mei nen ei ge nen Au gen

vor mir sähe, ich wür de schwö ren, des ge stren -

gen Herrn Di rek tors per sön li che Stim me ge hört

zu ha ben! Tau send noch ’mal, das muß ich sa -

gen! Sie können’s noch weit brin gen in der Welt!

Wis sen Sie, da war ich ein mal drü ben bei Lotz

in der Bier stu be, da war auch so ein Zau ber -

künst ler, der mach te Ih nen Al les nach, was Sie

woll ten, Vo gel gezwit scher und Pfer de wie hern,

Hun de ge bell und Hoch zeits pre dig ten. Aber so

wie Sie hat er mich doch nicht aus Rand und

Band ge bracht!«

»Glaub’s, glaub’s, lä ber Quadd ler!« ver setz te

Rumpf, im mer noch den Di rek tor imi ti rend.

»Und das ha ben Sie in sei ner Ge gen wart auf ge -

führt? Nein, hö ren Sie ein mal, Nichts für un gut

Herr Rumpf, aber Al les am rech ten Ort. So was

ge ziemt sich nicht, und der Herr Di rek tor ha ben

alle Ur sa che, im höch sten Gra de un ge hal ten zu

sein.«

»Mei nen Sä?«

»Ich muß Sie recht schön bit ten, Ihr Spiel jetzt

sein zu las sen. Es ver trägt sich nicht mit dem

Ernst mei nes Am tes. Wol len Sie ge fäl ligst hier

her ein spa zie ren!«

»Mät Ver gnö gen …!«

»Herr Rumpf, ich wer de dem Herrn Di rek tor

sa gen, Sie hät ten noch nicht ge nug an der Ih nen

dik tir ten Stra fe …«

»Was gäht Sä mei ne Stra fe an, Sä al ter när ri -

scher Quadd ler!«

»Was mich Ihre Stra fe an geht? Nichts! Aber es

geht mich viel, sehr viel an, ob Sie fort fah ren,

den Herrn Di rek tor in re spekt wid ri ger Wei se zu

ver spot ten.«

»Ich kann ma chen, was ich will.«

»Das kön nen Sie nicht.«

»Doch, Quadd ler. Äch kann spre chen, wä

mär’s paßt, und wäm’s nächt ge fällt, der dröckt

säch oder hält säch die Oh ren zo.«

»Nun, war ten Sie!«

»Wor auf?«

»Ich wer de dem Herrn Di rek tor Be richt er stat -

ten.«

»Sa gen Sie ei nen schö nen Gruß von mir.«

»Sie wer den sich wun dern.«

Quadd ler dreh te den Schüs sel um und tapp te

lang sam die Trep pe hin un ter.

Im Saa le der Pri ma ward in zwi schen eif rig So -

pho kles in ter pre tirt. Hep pen hei mer ver deutsch -

te ge ra de zum grö ß ten Ju bel der über müt hi gen

Sip pe das Weh ge schrei des unglück lichen Phi -

lok te tes:

»Ai, Ai, Ai, Ai …«

Der Di rek tor Samu el Hein zer ling fiel ihm in

die Rede:

»Sa gen Sä ›Au, Au, Au, Au‹. Das ›Ai‹ als In ter -

jek tion des Schmer zes äst sprach wäd rig.«

»Ich dach te, ›Au‹ sei bloß bei kör per li chen

Schmer zen ge bräuch lich«, be merk te Hep pen hei -

mer.

»Non, dän ken Sä väl leicht, Phi lok tet habe

bloß gei stig ge lät ten? Sä schei nen mär den Gang

der Tra gö die ohne son der li che Auf merk sam keit

ver folgt zu ha ben.«

»Herr Di rek tor, es klopft!« sag te Kne bel.

»Sähn Sä ein mal nach, Knipcke!«

Knipcke eil te zu öff nen.

»Was? Sä, Quadd ler? Wa rom stä ren Sä ons

schon wä der? Fas sen Sä säch korz!«

»Ich woll te mir gü tigst er lau ben, er ge benst zu

ver mer ken, der Pri ma ner Rumpf spricht noch

im mer so, wie von we gen wes halb Sie ihn be -

straft ha ben.

»Was? Er sätzt die Co mö die fort? Non, äch

wär de die er for der li chen Maß re geln zu er grei -

fen wäs sen! Knä bel, schrei ben Sä ein mal ein, –

oder nein, las sen Sä‘s lä ber! Es äst goot, Quadd -

ler. Hep pen hei mer, fah ren Sä fort. Also: ›Au, au,

au, au,‹ nächt: ›Ai, ai, ai, ai‹. Das Fol gen de kön -

nen Sä etwa mät: ›Ach, ihr äwi gen Göt ter!‹ oder

mät ›All mäch ti ger Häm mel‹ wä der ge ben!«

Hep pen hei mer er le dig te sein Pen sum zu des

Di rek tors leid li cher »Zof rä den heit«. Nach ihm

über setz te Schwarz »on ge nö gend«. Dann er -

scholl Quaddler’s Klin gel. Der Ver fas ser der la -

tei ni schen Gram ma tik für den Schul ge brauch er -

klär te den Un ter richt für ge schlos sen. In der

Thü re er schien Dok tor Klu fen bre cher, der Ma -

the ma tik leh rer, der die Pri ma von drei bis vier

über die Ge heim nis se der ana ly ti schen Geo me -

trie zu un ter hal ten hat te. Samu el Hein zer ling

reich te dem »ge schätz ten Herrn Col le gen« her -

ab las send, aber nicht ohne ein ge wis ses hu ma -

nes Wohl wol len, die grüb chen rei che Rech te

und ver füg te sich dann nach dem Di rek to ri al -

zim mer, wo er sich nach denk lich auf sei nem

Amts- und Dienst ses sel nie der ließ.

Quadd ler ging in zwi schen an’s Werk, die freie

Stun de ge hö rig aus zu nut zen. Rü stig stülp te er

den Pin sel in den Klei ster topf und be strich eine

Ta pe ten brei te nach der an de ren mit duf ten der

Kle be ma te rie.

Wil helm Rumpf aber saß gäh nend auf der

Prit sche und ver si cher te im Selbst ge spräch, er

sei das Gym na si um mit sei nen un mo ti vier ten

Frei heits be schrän kun gen bis über die Oh ren

müde.

Herr Samu el Hein zer ling krau te sich jetzt in

den Loc ken, rück te die gro ße Bril le mit den run -

den Glä sern zu recht und schüt tel te zwei, drei,

vier mal das päd ago gi sche Haupt.

»Ein mä ser ab ler Jon ge, die ser Rompf!« mur -

mel te er vor sich hin … »Aber äch glau be fast,

auf dem Weg der Güte äst mähr bei ihm aus zu -

rich ten, als mit Ge walt und Stren ge. Äch wäll

ähm ein mal ärnst-nach drock samst in’s Ge wäs -

sen rä den! Scha de om ähn! Er ge hört zo mei nen

be gab te sten Schö lern!«

Er klin gel te.

Nach drei Mi nu ten er schien Anny, Quadd lers

sech zehn jäh ri ge Toch ter. Sie war au gen schein -

lich im Be griff, ei nen Aus gang zu ma chen; da für

sprach das ko ket te Fe der hüt chen, das sich an -

mut hig auf ih ren dunk len Loc ken wieg te, und

das bun te Shawltuch, das ihre vol len Schul tern

um fing.

»Sie be feh len, Herr Di rek tor?« frag te sie mit ei -

ner gra ziö sen Ver beu gung.

»Wo ist Ihr Va ter?« flü ster te Samu el mit ei ner

für sei ne Ver hält nis se au ßer or dent lich rei nen

Aus spra che des »i«.

»Er klei stert. Ha ben Sie et was zu be sor gen,

Herr Di rek tor?«

»So, er klei stert. Na, dann wäll äch ähn nächt

stö ren in sei ner Klei ste rei. Es äst nächts Be son de -

res, Anny. Der Kar zer schlös sel stäckt ja?«

»Ich wer de ein mal gleich fra gen, Herr Di rek -

tor.«

Wie ein Reh eil te das Mäd chen die Trep pe hin -

un ter. Nach we ni gen Se kun den war sie wie der

zur Stel le.

»Ja wohl, Herr Di rek tor, die Schlüs sel stec ken,

so wohl der zum Vor flur, wie der zur Zel le. Be feh -

len Sie sonst et was?«

»Nein, äch dan ke.«

Anny ver ab schie de te sich. Lä chelnd blick te

Samu el ihr nach.

»Ein rei zen des Kind!« mur mel te er vor sich

hin. »Ich gäbe väl da rom, wenn mei ne Win frie -

de nur halb so väl sa voir väv re be sä ße – von Is me -

nen ganz zo ge schwei gen. Dä ser Quadd ler äst

ein pa ga nus, ein homo in cul tus, und des sen ohn ge -

ach tet ver stäht er es, eine Cha ri tin groß zo zä hen,

wäh rend äch, der fein ge bäl de te Ken ner des clas -

si schen Al tert homs, äch, der homo, coi näl ho ma ni

alie nom äst, nächt äm stan de bän, eine mei nes Bäl -

dongs gra des wör di ge Nach kom men schaft zo er -

zie len.«

Er strich sich ei ni ge Male über das glat tra sir te

Kinn, nahm dann sei nen Hut vom Tisch und

klomm die Stie ge zum Car cer hin an.

Wil helm Rumpf war höch lich über rascht, als

sich schon nach so kur zer Ge fan gen schaft die

Thü re in den An geln dreh te. Sein Stau nen er -

reich te je doch den Ze nith punkt, als er in dem un -

er war te ten Be su cher den Di rek tor Samu el Hein -

zer ling er kann te.

»Non, Rompf?« sag te der eh ren fe ste Päda -

goge.

»Was wün schen Sie, Herr Di rek tor?« ent geg -

ne te der Schü ler im Tone ei ner re so lu ten Ver -

stockt heit.

»Äch woll te mäch ein mal er kon di gen, ob Sä in

säch gähn und ein sähn, daß sol che Pue ri li tä ten

der Auf ga be des Gym na si ums und dem in dä -

sen Mau ern herr schen den Gei ste voll stän dig zo -

wä der lau fen …«

»Ich bin mir nicht be wußt …«

»Was, Rompf? Sä wol len säch noch auf die

Hän ter bei ne stel len? Sähn Sä ein mal, was wör -

den Sä wohl sa gen, wenn Sä an mei ner Stel le wä -

ren! Wör den Sä nächt dä sen on ar ti gen, öber -

möt hi gen Wäl helm Rompf aus Gams wei ler

noch ganz an ders bei den Oh ren näh men? Hä?«

»Herr Di rek tor …«

»Das sänd doch Kän der ei en, wä man sä ei nem

an stän di gen jon gen Mann aus goo ter Fa mä lie

nächt zot raut! Wäs sen Sä was? Beim näch sten

dom men Streich wär de äch Sä re le gä ren!«

»Re le gi ren …?«

»Ja, Rompf! Re le gä ren! Drom gähn Sä än säch

und las sen Sä dä On ge zo gen hei ten, die Äh nen

wahr haf tig kei ne Ehre ma chen … Äch wä der ho -

le Äh nen: sät zen Sä säch ein mal an mei ne Stel le!

…«

Wil helm Rumpf ließ das Haupt nach denk lich

auf die Brust sin ken. Er fühl te, daß die an ge droh -

te Re le ga tion nur noch eine Fra ge der Zeit sei.

Mit ei nem mal zuck te ein dia bo li scher Ge dan ke

durch sein Ge hirn.

»Wenn ich denn ein mal fort ge jagt wer den

soll,« sprach er zu sich selbst, »so mag es denn

auch mit Eclat ge sche hen!«

Er lä chel te, wie der ver bre che ri sche Held ei -

nes Sen sa tions ro mans nach ge lun ge ner Mis set -

hat zu lä cheln pflegt, und sag te im Tone ei ner be -

gin nen den Zer knir schung:

»Sie mei nen, Herr Di rek tor, ich sol le mich an

Ihre Stel le ver set zen …?«

»Ja, Rompf, das mei ne äch.«

»Gut, wenn Sie’s denn nicht an ders ha ben wol -

len, so wün sche ich viel Ver gnü gen!«

Und da mit sprang er zur Tür hin aus, dreh te

den Schlüs sel um und über ließ den ar men Di rek -

tor sei nem un ver hoff ten Schick sale.

»Rompf! Was fällt Äh nen ein! Äch re le gä re Sä

noch heu te! Wol len Sä augen bläck läch öff nen!

Augen bläck läch, sage äch!«

»Äch gäbe Äh nen här mät zwei Ston den Kar -

zer«, ant wor te te Rumpf mit Wür de. »Sä ha ben

sälbst ge sagt, äch sol le mäch an Ähre Stel le ver -

sät zen.«

»Rompf! Es ge schäht ein On glöck! Ein On -

glöck, sage äch! Öff nen Sä! Äch be fäh le es Äh -

nen!«

»Sä ha ben nächts mähr zo be fäh len! Äch bän

gä gen wär tig där Dä rek tor! Sä sänd der Prä ma -

ner Rompf! Sei en Sä ställ! Äch dol de kei ne Wä -

der rä de!«

»Lä ber Rompf! Äch wäll’s Äh nen för däs mal

noch ver zei hen. Bit te, ma chen Sä höbsch auf. Sä

sol len mät ei ner ge lin den Stra fe dorch kom men.

Sä sol len nächt re le gärt wer den. Ich ver spre che

es Äh nen! Hä ren Sä?«

Der »läbe Rompf« hör te nicht. Er hat te sich lei -

se über den Vor flur ge schli chen und eil te jetzt

die Trep pe hin ab, um sieg reich zu ent wei chen.

Als er an der Tür des Pe del len vor über kam,

pack te ihn eine pric kelnde Idee.

Er leg te das Auge an’s Schlüs sel loch. Quadd -

ler stand just auf der Lei ter, den Rüc ken nach

der Pfor te ge kehrt, und müh te sich, ei nen

schwer be klei ster ten Ta pe ten strei fen an die

Wand zu kle ben. Wil helm Rumpf klink te ein we -

nig auf und rief mit dem schön sten

Heinzerling’schen Ac cent, der ihm zu Ge bo te

stand, in’s Zim mer:

»Äch gehe jetzt, Quadd ler. Be ob ach ten Sä mär

den Rompf. Der Mänsch be trägt säch wä on sän -

näg. Er er frächt säch noch äm mer, sei ne äm pär -

tä nen ten Spä ler ei en zu trei ben. Blei ben Sä jetzt

nor ro hig auf Äh rer Lei ter. Äch woll te Äh nen

nor noch sa gen, daß Sä ähm on ter kei ner Be dän -

gong öff nen! Der Bor sche wäre äm Stan de, Sä

öber den Hau fen zo rän nen und –

mär-nächts-där-nächts – dorch zo gehn! Hä ren

Sä, Quadd ler?«

»Wie Sie be feh len, Herr Di rek tor. Ent schul di -

gen Sie nur gü tigst, daß ich hier oben …«

»Sä sol len ro hig blei ben, wo Sä sänd, ond

Ähre Klei ste rei erst fer tig ma chen. Adiö!«

»Ganz ge hor sam ster Die ner, Herr Di rek tor.«

Wil helm Rumpf stieg nun mehr die Trep pe

wie der hin an und be trat die Re gio nen des Car -

cers.

Samu el Hein zer ling tob te fürch ter lich. Jetzt

schien er auch die Klin gel zu ent dec ken, denn in

dem sel ben Augen blic ke, da Rumpf sich hin ter ei -

nen ge wal ti gen Klei der schrank der Pe del len fa -

mi lie barg, er scholl ein wü ten des Ge läu te, gell

und schrill, wie das Krei schen em pör ter Wald-

und Was ser teu fel.

»Zo Höl fe!« stöhn te der Schul mann, – »zo Höl -

fe! Quadd ler, äch brän ge Sä von Amt ond Brod,

wann Sä nächt augen bläck läch her auf kom men!

Zo Höl fe! Foi er! Foi er! Mord! Ge walt that! Zo

Höl fe!«

Der Pe dell, durch das un aus ge setz te Ge klin gel

an sei nen Be ruf ge mahnt, ver ließ sei ne Pri vat be -

schäf ti gung und er schien auf dem Vor flur des

Ge fäng nis ses. Der heim tüc kische Pri ma ner

schmieg te sich fe ster in sein Ver steck. Samu el

Hein zer ling hat te sich er schöpft auf die Prit sche

ge setzt. Sein Bu sen keuch te; sei ne Na sen flü gel

ar bei te ten im Tem po ei nes rü sti gen Bla se balgs.

»Herr Rumpf«, sag te Quadd ler, in dem er wie

war nend wi der die Tür der Zel le poch te, »es

wird al les no tirt!«

»Gott sei Dank, Quadd ler, daß Sä da sänd! Öff -

nen Sä mär! Dä ser mä ser able Karl sperrt mäch

här ein … Es äst häm mel schrei end!«

»Ich sage Ih nen, Herr Rumpf, die Spä ße wer -

den Ih nen schlecht be kom men! Und daß Sie

den Herrn Di rek tor ei nen mi se ra blen Kerl nen -

nen, das werd’ ich mir be son ders ver mer ken!«

»Aber Quadd ler, sänd Sä denn ver röckt?« ei -

fer te Samu el im Tone der höch sten Ent rü stung.

»Zom Hen ker, äch sage Äh nen ja, daß der

Rompf, der elen de Ge säl le, mäch här ein ge -

spärrt hat, als äch ähn be so chen und ähm äns

Ge wäs sen rä den woll te! Ma chen Sä jätzt kei ne

Om stän de. Öff nen Sä!«

»Sie müs sen mich für sehr dumm hal ten, Herr

Rumpf. Der Herr Di rek tor hat eben noch mit

mir ge spro chen und mir streng stens an be foh len,

Sie un ter kei ner Be din gung her aus zu las sen.

Und nun be tra gen Sie sich an stän dig, und las sen

Sie das Klin geln, sonst häng’ ich die Schel le ab.«

»Quadd ler, äch brän ge Sä äns Zocht haus wä -

gen wä der recht li cher Frei heits be rau bong.«

»Hö ren Sie ein mal, wis sen Sie, wenn ich mir

eine Be mer kung er lau ben darf, so ist das ewi ge

Nach ah men des Herrn Di rek tors recht kin -

disch, neh men Sie mir’s nicht übel. Es ist wahr,

der Herr Di rek tor spre chen ein we nig durch die

Nase, aber so ein dum mes Ge klö ne, wie Sie’s da

zu sam men quat schen, so machen’s der Herr Di -

rek tor noch lan ge nicht. Und nun sag’ ich Ih nen

zum letz ten Mal, ver hal ten Sie sich ru hig, und

be neh men Sie sich, wie es sich ge ziemt …«

»Aber äch wä der ho le Äh nen auf Ähre ond

Sälägkeit, der schänd lä che, nä der träch tä ge Bor -

sche hat den Schlös sel hän ter mär her om ge -

dreht, ähe äch noch wo ß te, was er vor hat te!

Quadd ler! Mänsch! Äsel! Sä mös sen mäch doch

er kän nen! Tun Sä doch Ähre Oh ren auf!«

»Was? Esel nen nen Sie mich? Mensch nen nen

Sie mich? Ei, wis sen Sie was, da fragt sich’s doch

noch sehr, wer von uns bei den der grö ß te

Mensch und der grö ß te Esel ist. So was lebt

nicht. Nennt so ein grü ner Jun ge ei nen al ten, ehr -

li chen Mann ei nen Esel! Selbst Esel! … Ver ste -

hen Sie mich? Aber war ten Sie nur!«

»Ein Äsel sänd Sä ond ein Och se dazo!« stöhn -

te Hein zer ling ver zwei felnd. »Sä wol len also

nächt öff nen?«

»Ich den ke nicht dar an.«

»Goot! Sehr goot!« ächzte der Schul mann mit

ver lö schen der Stim me. »Sehr goot! Äch blei be

also äm Car cer! Hä ren Sä Quadd ler? Äch blei be

äm Car cer!«

»Es soll mich freu en, wenn Sie zur Ver nunft

kom men. Aber nun las sen Sie mich un ge scho -

ren. Ich habe mehr zu tun, als Ihre Pos sen mit

an zu hö ren!«

»Quadd ler!« rief Samu el wie der hef ti ger. »Äch

sit ze ro hig Ston de för Ston de ab! Ver stä hen Sä?

Ston de för Ston de! Wä ein on ge zo ge ner Jon ge

er dol de äch däse em pö ren de Schmach! Hä ren

Sä, Quadd ler?«

»Ich gehe jetzt. Ar bei ten Sie was.«

»Hei li ger Häm mel, mär schwän delt der Ver -

stand! Bän äch denn wärk lich toll ge wor den!

Mänsch, so goc ken Sä doch wä näg stens ein mal

dorchs Schlös sel loch! Dann wär den Sä ja sä hen

…«

»Ja wohl, da mit Sie mir in die Au gen bla sen,

wie neu lich! Das fehl te mir noch! …«

»Non denn, so gehn Sä zom Teu fel. Mät der

Domm heit kämp fen Göt ter sälbst ver gä bens!

Aber komm’ äch Äh nen her aus! komm äch Äh -

nen her aus! Äch gäb’s Äh nen schrift lich: Sä

sänd zom Läng sten Pä däll ge wä sen!«

Quadd ler tapp te är ger lich die Stie ge hin un ter.

Die ser Rumpf war wirk lich ein Aus bund von

Im per ti nenz! Esel hat te er ihn ge nannt: Don ner

und Do ria! Seit Frau Ka thin ka Quadd ler das

Zeit li che ge seg net, war der glei chen nicht vor ge -

kom men …!

Ja, ja, die Her ren Pri ma ner!

Samu el Hein zer ling maß in zwi schen mit gro -

ßen Schrit ten die Zel le. Sei ne gan ze Er schei nung

ge mahn te an den afri ka ni schen Lö wen, den

mensch li che Ge winn sucht in den Kä fig ge -

bannt, ohne die stol ze, ur wüch si ge Kraft sei ner

ed len Na tur bre chen zu kön nen. Die Hän de auf

dem Rüc ken, das Haupt mit der grau en Mäh ne

weh müt hig auf die rech te Schul ter ge neigt, die

Lip pen fest auf ein an der ge preßt, – so wan del te

er auf und nie der, auf und nie der, – die dü ster -

sten, men schen feind lich sten Ge dan ken im Ge -

müt he wäl zend.

Plötz lich spiel te ein brei tes Voll monds lä cheln

über sei ne Züge.

»Es äst ond bleibt doch ko mäsch!« mur mel te

er vor sich hin. »Wahr haf tig! Wenn äch nächt so

on mät tel bar bei der Ge schäch te be thei ligt wäre,

äch könn te sä amö sant fän den …«

Er blieb ste hen …

»Ge reicht mär däse Öber li stung ei gent lich zur

Schan de? Prö fe Däch, Samo ël! Hat nächt ein be -

kann ter Kö näg dem Die be, der ihm eine Uhr

steh len woll te, ei gen hän dig die Lei ter ge hal ten?

Äst nächt selbst Först Bäs marck von bos haf ter

Hand rän ke voll er wei se ein ge rä gelt wor den?

Hon dert an drer Fäl le nächt zo ge dän ken! Ond

doch be gäg net die Wält ge schäch te be sag tem Kö -

nig mät Hoch ach tong. Ond doch gilt Först Bäs -

marck nach wä vor för den be deu tend sten Dä -

plo ma ten Europa’s! Nein, nein, Samo ël! Dei ne

Wör de als Schol mann, als Bör ger, als ge bäl de ter

Den ker lei det nächt äm ge räng sten on ter

däser pein li chen Sä toa tion! Be ro hi ge Däch,

Samoël …«

Er setz te sei ne Pro me na de in be frie dig ter Stim -

mung fort. Bald aber un ter brach er sich von

Neu em.

»Aber mei ne Prä ma ner!« stam mel te er er blei -

chend. »Wenn mei ne Prä ma ner er fah ren, daß

äch auf dem Car cer ge säs sen habe! On er trä glä -

cher Ge dan ke! Mei ne Au to rä tät wäre ein för

alle Mal da hän! Ond sä wär den es er fah ren! Sä

mös sen es er fah ren! Äch bän ein för alle Mal däs -

cre dä tärt! O ähr Göt ter, wa rom habt ähr mär

das get han!«

»Herr Di rek tor,« flü ster te jetzt eine wohl be -

kann te Stim me an der Zel lent hür … »Sie sind

noch lan ge nicht di scre di tirt! Ihre Au to ri tät steht

noch in vol lem Flo re …«

»Rompf!« stam mel te Samu el. – »Schänd li cher,

gott ver ge ß ner Mänsch! Öff nen Sä! Augen bläck -

lich! Be trach ten Sä säch als mo ra lisch ge ohr -

feigt! Sä hen Sä säch för drei fach re le gärt an!«

»Herr Di rek tor, ich kom me, um Sie zu ret ten!

Be lei di gen Sie mich nicht!«

»Zo rät ten? Wel che On ver schämt heit! Auf ma -

chen sol len Sä, oder …«

»Wol len Sie mich ru hig an hö ren, Herr Di rek -

tor? Ich ver si che re Sie, Al les wird sich aus glei -

chen.«

Samu el über leg te.

»Goot«, sag te er end lich. »Äch wäll mäch her -

ab las sen … Rä den Sä …«

»Se hen Sie, ich woll te Ih nen nur zei gen, daß

mei ne Kunst doch nicht so ganz ohne prak ti sche

Be deu tung ist … Ver zei hen Sie, wenn ich da bei

schein bar die vor züg li che Hoch ach tung und

Ver eh rung ver let zen mu ß te, die ich Ih nen aus

voll stem Her zen zu zol len mir freu dig be wußt

bin.«

»Sä sänd ein Schelm, Rompf!«

»Herr Di rek tor … Wie wär’s, wenn Sie mir

die Car cer stra fe er lie ßen, die Dro hung be treffs

der Re le ga tion zurück nähmen und mir er laub -

ten, über al les Vor ge fal le ne das streng ste Still -

schwei gen zu be ob ach ten …?«

»Das gäht nächt! … Ähre Stra fe mös sen Sä ab -

sit zen …«

»So? Na, dann le ben Sie wohl, Herr Di rek tor.

Klin geln Sie nicht zu viel!«

»Rompf! Hä ren Sä doch! Äch wäll Äh nen was

sa gen … Rompf!«

»Bit te …!«

»Sä sänd in vä len Be zä hun gen ein on ge wöhn -

lä cher Mänsch, Rompf … ond da wäll äch ein -

mal eine Aus nah me ma chen … Öff nen Sä nor!«

»Er las sen Sie mir die Car cer stra fe?«

»Ja.«

»Wer den Sie mich re le gie ren?«

»Nein, än Teu fels Na men.«

»Ge ben Sie mir Ihr vä ter li ches Wort, Herr

Direktor!«

»Rompf, was on ter stähn Sä säch …«

»Ihr vä ter li ches Wort, Herr Di rek tor!«

»Goot! Sä haben’s!«

»Ju pi ter Ul tor ist Zeu ge.«

»Was?«

»Ich rufe die Göt ter zu Zeu gen an.«

»Ma chen Sä auf!«

»Gleich, Herr Di rek tor. Sie tra gen mir’s aber

auch ganz ge wiß nicht nach?«

»Nein, nein, nein! Wär den Sä mäch non bald

her aus las sen?«

»Sie er thei len mir vol le Ab so lu tion?«

»Ja, on ter der Be dän gung, daß Sä Nä man dem

er zäh len, wä schwär Sä säch ver gan gen ha ben.

Ich habe Äh nen ja ge sagt, äch hal te Sä för ei nen

on ge wöhn lä chen Män schen, Rompf …«

»Ich dan ke Ih nen für die gute Mei nung. Mein

Eh ren wort: so lan ge Sie Di rek tor des städ ti -

schen Gym na si ums und Or di na ri us der Pri ma

sein wer den, soll kei ne ver rä te ri sche Sil be über

mei ne Lip pen glei ten!«

Und da mit dreh te er den Schlüs sel um und öff -

ne te …

Wie der Uhland’sche Kö nig aus dem Thur -

me, so stieg Samu el Hein zer ling an die freie Him -

mels luft. Tief hol te er Atem. Dann strich er sich

mit der Rech ten über die Stirn, als ob er sich be -

sin ne …

»Rompf,« sag te er, »äch ver ste he Spaß …

Aber … nächt wahr, Sä tun mär den Ge fal len,

mäch nächt wä der mi misch zo co pä ren? Sä …

Sä ma chen dä Ge schäch te zo ähn läch!«

»Ihr Wunsch ist mir Be fehl!«

»Goot!! Ond non ma chen Sä, daß Sä hi non ter

kom men. Es äst noch nächt drei Vär tel. Sä kön -

nen noch am On ter rächt teil neh men!«

»Aber wür de man nicht stut zen, Herr Di rek -

tor? Je der mann weiß, daß Sie mir drei Tage Car -

cer dik tiert ha ben …!«

»Goot! Äch gähe mät Äh nen.«

So eil ten sie sel ban der die Trep pe hin ab.

»Quadd ler!« rief der Di rek tor in’s Erd ge -

schoß.

Der Pe dell er schien an der un ter sten Win -

dung und frag te dienst be flis sen, was der Ge bie -

ter zu ver lan gen ge ru he.

»Äch habe dem Rompf aus ver schäd nen Grön -

den dä drei Tage ge schänkt«, sag te Samu el.

»Ah …! Drum sind der Herr Di rek tor noch

ein mal zurück gekommen … Hm … Ja, aber was

ich sa gen woll te, der Herr Rumpf war gar nicht

ru hig in sei ner Zel le. Nichts für un gut, Herr

Direktor, aber er hat ge schimpft wie ein Rohr -

spatz …«

»Las sen Sä’s goot sein, Quadd ler. Äch wäll dä -

ß mal aus ganz be son de ren Mo tä ven Gna de för

Recht er ge hen las sen. Sä kön nen den Car cer -

schlös sel ab zä hen!«

Quadd ler schüt tel te be frem det das Haupt.

»So!« sag te Samu el. »Ond non kom men Sä

mät nach der Prä ma, Rompf!«

Sie wan del ten über den Cor ri dor dem Schul -

saa le zu. Der Di rek tor klopf te.

»Ent schol di gen Sä, Herr Kol le ge,« flü ster te er

ein tre tend im weich sten Moll, des sen sein wür -

de vol les Or gan fä hig war … »äch brän ge da den

Rompf wä der. Kne bel … Sä er lau ben doch, lä -

ber Herr Klu fen bre cher …? Kne bel! Schrei ben

Sä äns Ta ge booch: ›Man sah säch be wo gen,

dem Rompf in An be tracht sei nes auf räch täg

reui gen Be näh mens die in der vo ri gen Ston de

däk tär te Car zer stra fe zo er las sen.‹ … So! Ond

non wäll äch nächt wei ter stä ren, ver ehr ter Herr

Col le ge … Ha ben Sä’s, Kne bel? … ›däk tär te

Car cer stra fe zo er las sen … ‹«

»Wol len Sie nicht Platz neh men, Herr Di rek -

tor?« frag te der höf li che Ma the ma ti ker.

»Äch dan ke ver bänd lichst, äch habe för heu te

ge nog ge säs sen … Rompf, äch er war te, daß Sä

das Ge löb niß der Bäs se rung in jä der Hän sächt

erf öl len. Adieu, Herr Col le ge.«

Sprach’s und ver schwand in den la by rin thi -

schen Gän gen des Schul ge bäu des. – – – – –

– – Wil helm Rumpf hielt sein Ver spre chen

auf’s Ge wis sen haf te ste.

Er co pir te von jetzt ab nur noch die übri gen

Leh rer: Samu el Heinzerling’s ge weih te Per sön -

lich keit war ihm hei lig und un ver letz lich.

Auch be wahr te er das un ver brüch lich ste Still -

schwei gen, bis der Di rek tor im Herb ste des sel bi -

gen Jah res auf wie der hol tes An su chen in den

Ru he stand ver setzt wur de.

Erst dann er fuhr die jauch zen de Pri ma den

Her gang je ner un er war te ten Ver söh nung.

Rumpf’s »auf räch tä ge Reue« war für die lach -

lu sti ge Be völ ke rung des Städt chens eine Quel le

un end li cher Hei ter keit. Un ter de nen, die sich

am mei sten über die Far ce amü sir ten, be fand

sich der jo via le Di rek tor Samu el Hein zer ling,

der treff li che Au tor der la tei ni schen Schul gram -

ma tik.

Möge es ihm ver gönnt sein, noch recht oft

beim schäu men den Gla se zu er zäh len, wie er

den gott lo sen Schelm »Wäl hälm Rompf« auf

dem Car cer be such te … »Rompf« sei ner seits

wird je nes schö ne Ren con tre im Ge bie te Quadd -

lers nie ver ges sen, und soll te er so alt wer den

wie Grill par zer.