Der Gral, schwarze Madonnen und die Ketzer

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1 Der Gral, schwarze Madonnen und die Ketzer – Spuren der Wirklichkeit Herbert Blaser

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Exposé zur Arbeit Herbert Blasers über die Gralsthematik

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Der Gral, schwarze Madonnen und die Ketzer –

Spuren der Wirklichkeit

Herbert Blaser

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Der Gral, schwarze Madonnen und die Ketzer – Spuren der Wirklichkeit

„So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eigenen Sohn gab, auf dass alle die an

ihn glauben, nicht verloren gehen.“

Johannes 3, 16 1. Einleitung Seit dem Anfang des römischen Christentums am Konzil von Nicäa, bis zur Säkularisierung des Staates durch Napoleon Bonaparte, wird die Geschichte der Liebe Gottes vom praktizierten Widerspruch geprägt, dass die Verteidigung der „einzigen und allein selig machenden Wahrheit“ mit Gewalt, Unterdrückung, Folter und Ausgrenzung bewerkstelligt werden musste. Dieses Handeln steht im grösstmöglichen Gegensatz zu der Bergpredigt und zu den überlieferten Worten des Rabbiners Jesus von Nazareth, der unmissverständlich zu Frieden, Demut, Armut und Nächstenliebe aufrief.

„Liebet Eure Feinde, und betet für die, die euch verfolgen.“

Matthäus 5, 44

„Du sollst deinen Nächsten lieben wie Dich selbst.“

Matthäus 19, 19

Weiter stehen solche Worte im nicht nahvollziehbaren Konflikt zu den Albigenserkriegen, zu den Hexenverbrennungen, zu den Reformationskriegen, zu der Erschliessung der Sklavenmärkte durch die christlichen Seefahrer, zu der Ausbeutung christlicher Handelsunternehmer von Frauen, Kindern und Armen, zu dem Terror in Irland, zu dem versteckten Glaubenskrieg westlicher Weltmächte gegen die „Achse des Bösen“. Solche Worte sind nicht in Einklang zu bringen mit dem Weg des pompösen Radikalegoismus, den ein Teil der Christenheit eingeschlagen hat. Der andere Teil der Christen predigte Nächstenliebe und Verzicht und wurde dafür nicht selten mit dem Tod oder mit Gefängnis und Verfolgung bestraft. Von ihren angeblichen Glaubensbrüdern. Das wäre dann die Geschichte der Ketzer, Freimaurer und Katharer, die alle ein anderes Christentum, vor allem aber eine andere Religionsinterpretation verlangten. „Der Gral, schwarze Madonnen und die Ketzer – Spuren der Wirklichkeit“ soll als Film diesem Phänomen folgen und versuchen, in der Tradition und in der Geschichte des römischen Christentums die Antwort auf die Frage zu finden, wie eine Bergpredigt zu den Schlachtfeldern und Folterverliesen der christlichen Kriegsherren führen konnte.

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2. Unser Zugang zum Thema Spätestens seit der Verfilmung des „da Vinci-Code“ von Dan Brown ist die Gesellschaft für das Thema und das Phänomen des heiligen Gral sensibilisiert. Dan Brown’s Abhandlung des Themas beleuchtet jedoch nur den polemisierenden Gedanken an eine Blutslinie Christi, er behandelt nicht die praktischen Folgen, die das Bewusstsein um die menschliche Herkunft des Rabbiners von Nazareth für das Dogma der römischen Kirche gehabt hätte. Und damit auch für den ganzen Verlauf der hegemonieorientierten Kirchengeschichte. H. Blaser ist in einer evangelikalen Glaubenssekte aufgewachsen. Mit Bibelseminaren und Bibelschulen wurde er auf die Laufbahn in einer christlichen Gemeinde vorbereitet. Im Zusammenhang mit der christlich orientierten Theatertruppe „Like Living Stones“ kam er mit der Theaterwelt in Berührung. Nach drei Jahren Jugendarbeit in der Pfingstgemeinde Bern entschloss er sich für eine Laufbahn im „weltlichen Theater“ und verliess die Gemeindearbeit und das Glaubensdogma. In der Folge lernte und arbeitete er im Theaterseminar in Bern, spielte in der Theaterfalle in Zürich und erfuhr seine weitere Ausbildung an der Schule des Igal Perry in New York. H. Blaser arbeitet seit nunmehr siebzehn Jahren als freischaffender Künstler und wurde während dieser Zeit immer wieder von den christlichen Glaubensfragen eingeholt. Ein mehrmonatiger Aufenthalt in Valencia und Alpuente / Spanien brachte ihn mit der Gralsgeschichte zusammen. Frau Doktor Amparo Rodriguez Sambonet, Geschichtsprofessorin und Bürgermeisterin von Alpuente, machte ihn auf die Diskrepanz in der Geschichte dieser Reliquie aufmerksam. H. Blaser entdeckte in der Auseinandersetzung mit der Gralslegende die Möglichkeit, seine Fragen an den christlichen Glauben zu beantworten. Die Antworten haben aber einen auffälligen Zusammenhang mit Ansichten und Interpretationen von Ketzern und Häretikern. Das war dann der Anstoss, zu einer mehrjährigen Recherche über dieses Thema. „Nein und Amen“ der Professorin Uta Ranke-Heinemann, „Der Jakobsweg“ von Monika Hauf, „Im Keller des Heiligtums“ des Universitätsdozenten für Religionswissenschaften Adolf Holl, „Gleichgewicht oder Hegemonie“ des verstorbenen Marburger Geschichtsprofessors Ludwig Dehio und „Der heilige Gral und seine Erben“ von Lincoln, Baigent und Leigh, war die Richtung weisende Literatur bei Blasers Nachforschungen. Weitere Denkanstösse resultieren aus einem wissenschaftlichen Kongress des Staats – Ministeriums der Landes Regierung Baden – Württemberg aus dem Jahr 1995 mit dem Inhalt „Was hält die moderne Gesellschaft zusammen? Individualismus, Verantwortung, Gemeinschaft im 21. Jahrhundert“. Im Oktober 2009 erscheint sein Buch „Ich fand den heiligen Gral – meine Reise zum Abgrund Gott“ beim Novum-Verlag in Neckenmarkt, Wien, München, Sopron. Das Werk wird an der Frankfurter Buchmesse erstaufgelegt. Der geplante Dokumentarfilm „Der Gral, schwarze Madonnen und die Ketzer – Spuren der Wirklichkeit“ folgt in seiner Veranlagung diesen literarischen Vorgaben.

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3. Valencia

In der spanischen Stadt Valencia werden zwei Feste gefeiert, die in ihrer Präsentation eine fast unerklärliche Diskrepanz in der römisch- christlichen Geschichtsbetrachtung aufzeigen: das Fallas und das Corpus Christi. - Das Fallas ist ein dreitägiges Frühlingsfest ähnlich der uns bekannten Fasnacht, an dem das gemeine Volk die Gelegenheit hat, in närrischem Treiben seine Kritik an Staat und Kirche kund zu tun. Auf den grossen Plätzen der Stadt werden in wochenlanger Kleinstarbeit meterhohe Skulpturen aus Holz und Pappe errichtet. Es sind durchwegs Karikaturen zum politischen Geschehen des vergangenen Jahres. Sie sind handwerklich betrachtet einzigartig und von grösster künstlerischer Qualität. Erstaunlicherweise werden diese Meisterwerke mit Feuerwerkskörpern und Brennholz gefüllt. Während den drei Tagen des eigentlichen Festes ziehen Gruppierungen und Verbände aus Valencia und seiner Umgebung musizierend durch die Stadt. Die Gruppen werden von ihren Frauen und Stammesrepräsentantinnen (Falleras) angeführt. Diese Falleras tragen grosse Blumengarben zu der Kathedrale der Stadt, mit den Blumengestecken wird dort eine zwölf Meter hohe Marienstatue aus Holzverstrebungen behangen. Am Ende der drei Tage präsentiert sich dann die „Mutter der Verzweifelten“ in wunderbarer Pracht. Am dritten Tag, genau um Mitternacht, zieht eine Prozession von zwölf Männern in geschlossenen Kapuzen von Statue zu Statue und setzt die Kunstwerke mit ihren grossen Fackeln in Brand. Die Stadt gleicht in dieser Nacht einem Flammeninferno der mittelalterlichen Inquisition, alle Zweifel und jede Kritik werden bedingungslos eingeäschert. Zurück bleibt nur die Muttergottes aus prächtigen Blumen, ihre Schönheit wird nicht angetastet. Auf dem Rücken ihrer wallenden Toga strahlt die Abbildung des heiligsten Gegenstandes der römisch- christlichen Kirche, der seit 1437n. Chr. in der Capilla del Santo Caliz - der Kapelle des heiligen Kalixtus - in der Kathedrale von Valencia ausgestellt wird: dem „CALIX DOMINI NOSTRI JESU CHRISTI“, dem Becher des heiligen Grals. An Fronleichnam wird in den Strassen von Valencia ein weiteres Fest gefeiert, das einen Bezug zu den Kritikern und den Häretikern des römisch- christlichen Imperiums herstellt: das Corpus Christi. An diesem Fest werden biblische Szenen aufgeführt, einige markante Begebenheiten wurden vor dem Fest mit Skulpturen szenisch dargestellt, diese Formationen werden auf grossen Wagen durch die Stadt gezogen. Ein Figurenpaar ist sehr auffällig und schlägt die Brücke zu dem Mysterium der schwarzen Madonnen, die seit den Kreuzzügen für Unruhe im christlichen Glaubensbekenntnis gesorgt haben: auf einem der Wagen wird das Elternpaar Jesu als schwarzhäutig dargestellt. Maria und Josef als Schwarzafrikaner, dies in einer Umgebung, die nicht von dem afrikanischen Voodoo Haitis geprägt worden ist. Eine sehr provokante Darstellung der Herkunft Christ, deren offensichtliche Ungewissheit sich ebenso im Becher des heiligen Grals wieder spiegelt, wie die Unsicherheit darüber, welchen gesellschaftlichen Stand Jesus verkörperte.

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4. Der heilige Gral (graal = altfranzösisch für Becher oder Krug) Die heutige Gralsforschung kennt drei ernst zu nehmenden Denkrichtungen, die entweder von der Wissenschaft oder von der Religionsgeschichte bestätigt werden und die sich oberflächlich gesehen widersprechen, die aber im Ursprung ihrer Aussage das Gleiche beinhalten – was diese Arbeit zeigen wird:

- Die römische Kirche sagt, dass der Gralsbecher in Valencia der Becher des Joseph von Arimathäa sei, darin er das Blut des sterbenden Jesus aufgefangen hätte. Dieser Becher wurde vom Haus Aragon dem Bischof von Valencia überreicht, der Bischof Alfonso de Borja liess ihm 1437n. Chr. eine Kapelle in der Kathedrale von Valencia errichten, bevor er am 8. April 1455 zum Papst Klixtus III gewählt wurde und die Päpste – Dynastie der Borgias begründete. Die wissenschaftliche Untersuchung des Exponates hat ergeben, dass die kostbare Schale tatsächlich zweitausend Jahre alt ist.

- Der englische Historiker und Gralsforscher Richard Barber behauptet, der

heilige Gral sei ein literarisches Motiv des Chrétiens von Troyes und behandle die Suche nach der verlorenen Wahrhaftigkeit des königlichen Herrscheranspruchs über Land und Leute. Die Politik im Mittelalter war nicht säkularisiert, das heisst, Könige, Kaiser, Richter und Machthaber agierten nur im Namen Gottes und des Christentums. „Gott, das Volk und der König sind eins“ so hätte der kategorische Imperativ der europäischen Herrscherkasten geheissen, die Feudalherrschaften versanken aber im Sumpf der Dekadenz und des Egoismus. Im Namen Gottes. Von dem Widerspruch zwischen der Lehre Christi und den Taten der christlichen Diktatoren handle die Legende des Parzifal und des heiligen Grals, so der Mittelalterforscher. Diese Theorie trifft sich mit der Tatsache, dass am Konzil von Troyes das Christentum seinen grösstmöglichen Widerspruch verbrieflicht erhielt, als die Tempelritter 1128n. Chr. zu einem Mönchsorden geweiht wurden und damit das Töten im Namen Gottes den Status des Gottesdienstes bekam. Bernhard von Clairevaux segnete die Mörder im Dienste Gottes und verpastste ihnen einen moralischen Persilschein mit dem Aufruf Urbans II „Deus io volt“: Gott will es. 1190n. Chr. schrieb Chrétiens von Troyes als erster Literat über den heiligen Gral.

- Lincoln, Baignet und Leigh verfechten in ihrem wegweisenden Werk „Der heilige Gral und seine Erben“ die Theorie, dass der Gral hermetisch von einer familiären Verwandschaft und einer erblichen Blutslinie des Jesus von Nazareth erzähle (sang real). Diese Theorie wird von Esoterikern und Freimaurerlogen gleichermassen verfochten und beruht unter anderem auf der Tatsache, dass Jesus als mutmasslicher König der Juden dem Hause Davids und der Nachkommenschaft Judas entstammte und in der Bibel als „Eckstein des Hauses Israel“, als Stein Zions bezeichnet wird. Er sei der Stein des Anstosses der vom Himmel fiel und den die Bauleute verworfen hätten (Matthäus 21,42; Paulus 9,33; Apostelgeschichte 4, 10).

Allen Denkrichtungen ist gemeinsam, dass sich die Legende des heiligen Grals offensichtlich um die Abstammung, sprich die familiäre Identität des Jesus von Nazareth rankt. Diese Abstammung wird nicht nur durch den prachtvollen Becher verkörpert, sondern auch durch seinen behaupteten Inhalt – dem sagenumwobenen

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Blut des Rabbiners Jesus von Nazareth. Blut verkörpert den Stammbaum, das Erbe. Die geschichts- und religionsrelevanten Gralsfragen lauten schlicht und einfach: Wer war Jesus Christus? Warum muss er Gottes eigener Sohn sein? 5. Schwarze Madonnen

In der Kirchengeschichte gibt es ein zweites Phänomen, welches still und fast unbeachtet von der grossen Kontroverse um die Abstammung des Rabbiners von Nazareth zeugt: die Darstellung der schwarzen Madonnen. Von Bielefeld über Köln nach Einsiedeln, Ascona, Bologna, Venedig, Malta oder Frankreich; es gibt über 100 anerkannte Statuen und Abbildungen, deren Sinn die Darstellung des negroiden Ursprungs von der Familie des behaupteten Erlösers ist (wissenschaftliche Untersuchungen schliessen Patina und Korrosion aus). In Les Saintes-Maries-de-la-mer wird eine schwarze Frau als die Tochter Jesu verehrt, in Mailand wurde eine „Madonna Oriente“ als Mutter Gottes angebetet. Überall in Europa finden sich Exponate der geschichtlichen Tatsache, dass das ursprüngliche Volk der Juden mit der semitischen Völkerwanderung als Steinbearbeiter nach Ägypten kam und sich von dort als vertriebene Anhängerschaft des Monotheismus Echnatons auf den Weg in die Wüste machte. Das ist auch die Geschichte der heutigen Äthiopier welche behaupten, sie wären das tatsächliche Volk der Juden und sie würden die verschollene Bundeslade im Höhenheiligtum Äthiopiens versteckt halten. Das Oberrabinat in Jerusalem musste sie 1975 als Zweig der Juden anerkennen und ordnete diese Linie dem Stamm Dans zu. Die Tatsache, dass sie im Gegenzug zu den anderen Stämmen absolut schwarz sind, muss wohl einem Wunder Gottes oder einem Seitensprung des Erzvaters entsprechen. Auf der einen Seite gibt es nun die christliche Behauptung, Jesus sei weiss, König der Juden und Stammhalter Judas; auf der anderen Seite ist Jesus schwarz, Rabbiner, Verkünder der Menschenrechte und Stammhalter Dans. Für beide Behauptungen gibt es Gründe: die einen sind stammesgeschichtlicher Natur, die anderen kirchengeschichtlicher. Sein Blut (seine genetische Abstammung) war einmal mehr Träger dieser Information. Interessant ist aber, dass sich beide Interpretationen am Berg Montserrat und in Santiago di Compostela in Spanien treffen. Dort soll der heilige Jakobus den Magier Hermes Trismegistos getötet haben. Hermes Trismegistos war ägyptischer Gelehrter und vertrat die Ansichten der Allversöhnung, die auf der sagenhaften Smaragdtafel der Weisen eingraviert seien. Gemäss diesem Glauben ist alles Gott und Gott ist in Allem, der Mensch befindet sich auf einem Weg der Selbsterkenntnis durch die ewige Transformation des Seins, sprich durch die Reinkarnation (I. N. R. I. = Igne natura renovatur integra: Durch Feuer wird die Natur erneuert). Dieser Glaube entsprach den Anhängern der Fruchtbarkeitskulte und den Verehrern der Muttergöttinnen, welche die Erde, die Morgenröte Aurora und das weibliche Prinzip per se als ein heiliges Schöpfungsprinzip verkörperten. Die Pantheisten verehrten die Alma Mater, die grosse Mutter, als ein göttliches, gleichberechtigtes Ur - Prinzip und sahen dies in der Tradition der vorderasiatischen Göttinnen Kybele, Astarte, Isis und Ischtar. Diese Göttinnen waren schwarz. Folgende Fragen drängen sich jetzt auf:

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Warum muss ein Glaube von versöhnender Kraft und grossem philosophischem Wert (Pantheismus) dem richtenden Dualismus des Christentums weichen (Jakobus tötet Hermes Trismegistos = Christentum verdrängt Pantheismus)? Warum macht ausgerechnet dieses hegemoniebestrebte Christentum aus Jesus einen Vertreter der weissen Rasse und des absoluten Patriarchats? Hat diese solar- zentralistische Entwicklung auch etwas mit der Entwicklung des Humanismus zu tun? 6. Patrimonium Petri / Die Tempelritter

Jede uns bekannte Hochkultur hängt mit Sklavenhaltung, Expansionskrieg und gewaltsamer Vereinheitlichung von dem Moral- und Verhaltenskodex des zu verwaltenden Volksgebietes zusammen. Das zerfallende römische Reich suchte instinktiv eine Möglichkeit, den fortschreitenden Machtverlust aufzuhalten. Die Geschichte zeigt, dass die Religion das gesuchte Mittel war, um den römischen Machthaushalt „umzuschichten“, das heisst, aus einer Militär- und logistisch orientierten Verwaltungsmacht ein übergeordnetes Polisrecht zu formen, welches mittels Lehensherrschaft, Leibeigentum und Steuereinnahmen zu einer Weltmacht anwachsen konnte. So entwickelte sich das erste römische Reich zum zweiten Reich, in dem die Sonne nie unterging: zum heiligen römischen Reich deutscher Nation des Habsburgers Karl V. Dabei schaffte der Religionsgedanke das scheinbar Unmögliche, nämlich verschiedenste Völker und Kulturen gleichermassen in Pflicht zu nehmen und sich dergestalt im Namen Gottes und des Kaisers oder Königs die nötigen Produktionsfaktoren Kapital, Boden und Arbeit so zu sichern, dass diese Verteilung selbst Revolutionen überlebte und mit dem Kolonialismus und dem Industriealismus den Grundstock zu unserer heutigen Weltordnung bildete. Bei genauem Analysieren dieses Prozesses wird schnell einmal klar, dass dieses römische Christentum die Kulturen und Religionen nicht einfach verdrängte, sondern in sich aufnahm. Das erleichterte die Identifikation der zu vereinnahmenden Völker ungemein. 297n.Chr wurde der Manichäismus verboten, obwohl seine Lehre des wertenden Dualismus (Kampf Gut gegen Böse) von Rom übernommen wurde. Damit sicherte sich Rom die Glaubensidentifikation im grössten Teil des Mittelmeerraums. 303n.Chr wurde das essenische Christentum verboten und mit seiner Aussage der Gleichheit und Brüderlichkeit dem Reich einverleibt, damit sprach Rom sein unendliches Heer von Leibeigenen und Sklaven an. 381n.Chr. wurde der Arianismus bei Todesstrafe verboten, weil er behauptete, dass Jesus lediglich ein Mensch war. Nur die konstruierte Gottgleichheit Christi konnte einen Bezug zum babylonischen Talmud herstellen (Opfer des erstgeborenen Sohnes, Blutopfer) und damit die hegemoniesüchtigen und patriarchalen Gesetze des alten Testamentes wichtiger werden lassen, als die Botschaft des Friedens vom Rabbiner aus Nazareth. Dabei war schon die Lehre der göttlichen Dreieinigkeit (Trinität) mit der arischen Völkerwanderung ins Zweistromland gelangt und hatte mit dem Judentum ursprünglich gar nichts zu tun. Ihre Symbolsprache stammt aus den Veden. 596n.Chr. liess Papst Gregor der Grosse den keltischen Schamanismus und die Verehrung der Muttergöttinnen der römischen Liturgie beifügen. So entstanden der gregorianische Gesang und die Verehrung der heidnischen Alma Mater, der Mutter Gottes, welche eigentlich die göttliche Erde verkörpert. Das machte Gregor den Grossen zum reichsten Grossgrundbesitzer seiner Zeit und der „patrimonium petri“, der Grundbesitz Gottes, umfasste mit seinen Verwaltungsbezirken ein Gebiet, das fast eineinhalb Mal so gross war, wie das alte römische Reich.

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Als die Templer dann 1170n. Chr. die Gottgleichheit Jesu in Frage stellten, wurde erst am 4.Lateranenkonzil 1215n.Chr. beschlossen, dass sich der Wein im Becher des Abendmahls in das Blut Christi verwandeln würde. So wurde diese Transsubstination ein Symbol für den Herrschaftsanspruch Gottes auf Erden, der von den Tempelrittern verwaltet worden ist. Dabei betrieben die Templer im Auftrag des Papstes eine Urbank, deren Währung im ganzen Reich gültig war. Der christliche Glaube muss sich so die Frage gefallen lassen, ob sein vermischtes Dogma tatsächlich einen Bezug zu der behaupteten Wahrheit des „Sohnes Gottes“ hat. 7. Die einzig und allein selig machende Wahrheit

„Der Herr weiss die Frommen aus der Versuchung zu erretten, die Ungerechten aber festzuhalten für den Tag des Gerichts, um sie zu strafen.“

2. Petrus, 2 Vers 9

„...und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und Herr der Könige auf Erden! Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von

unseren Sünden mit seinem Blut.“ Offenbarung, 1 Vers 5

„Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt

zum Vater denn durch mich.“ Johannes 14, Vers 6

„Bringt den ganzen Zehnten in das Vorratshaus“

Maleachi 3, Vers 10

Gemäss den Verkündern der „frohen Botschaft“ hat der Gottvater seinen eigenen Sohn am Kreuz von Golgatha geopfert, damit dessen Blut den wahrhaft Gläubigen von der Todesstrafe befreit, die unweigerlich auf die Feinde Gottes wartet. Durch die Taufe wird der Mensch dem Volk Gottes eingegliedert und den zehn Geboten verpflichtet. Dieses Glaubens - Instrumentarium verfügt über eine gewiefte Logik, mittels Unterwerfung (idealisiertes Blutopfer), Erhebung (Taufe), Verhaltenskontrolle (zehn Gebote) und Steuerzwang (zehnter Teil des Ertrags), das stellvertretende Reich Gottes auf Erden zu bauen und zu verwalten. In dieser Logik hat es keinen Platz für Nächstenliebe oder Gerechtigkeit, die Bergpredigt des Nazareners wird einer machtorientierten Dogmatik bedingungslos unterworfen. Diese Dogmatik hatte bereits viele Gesichter, sie wurde bedenkenlos den Bedürfnissen ihrer Verwalter angepasst, umso mehr, als während mindestens tausendfünfhundert Jahren christlich orientierter Feudalherrschaft, über 80% der „Bekehrten“ weder Lesen noch Schreiben konnten. Dieser Umstand bestärkt die Vermutung, dass der Glaube an die „einzige Wahrheit“ missbraucht wurde, um mit jenseitigen Versprechungen das irdische Verhalten der Machthaber zu rechtfertigen. Und das willentlich verursachte Leid der „Besteuerten“ heuchlerisch zu trösten. So dürfte die Gegenthese zur „Botschaft des Erlösers“ aussehen. Diese Gegenthese wird durch unbequeme Wahrheiten gestützt: Das unbefleckte Empfängnis (immaculate conceptio) zum Beispiel, wurde erst am 8. Dezember 1854 (!) zum kirchlichen Dogma erklärt, weil sich die Theologen unter dem Druck von Aufklärung und Reformation in nicht vereinbare Widersprüche zwischen der gepredigten Allmacht Gottes und der unvermeidlichen Erbsünde durch den Fall

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Satans verstrickten. In dieser Zeit wurden auch die Freimaurer verboten, die in ihrer Philosophie dem Pantheismus nahe stehen und in Jesus einen Verkünder der Menschenrechte aus königlichem Geblüt, aber keinen Sohn Gottes sehen. Sie erachten den christlichen Glauben als ein Machtinstrument, das seinen Ursprung bei den Ägyptern und Babyloniern hat. Jesus Christus, König der Welt und Retter der Menschen: Göttliche Wahrheit oder irdisches Konstrukt – das ist hier die Frage. Die andere Frage stellt sich aber genau so stark, ob denn die Errungenschaften der Moderne möglich gewesen wären, ohne die zentralistische Ausrichtung der Religion? 8. Die Ketzer Neben der feudalen Geschichte des römischen Christentums gibt es eine Parallelgeschichte, die Geschichte der Ketzer. Diese Ketzer verlangten alle gleichermassen ein anderes Christentum, sie predigten Machtverzicht, Gewaltverzicht, Demut, Bescheidenheit; wie der Mensch Jesus von Nazareth. Der Film wirft die berechtigte Frage auf, warum die Kirche ausgerechnet diese Ur- christlichen Grundsätze mit dem Tod bestrafte. Erstaunlicherweise ging mit diesen Grundsätzen die häretische These Hand in Hand, dass Jesus lediglich ein Mensch mit göttlicher Erkenntnis, aber kein Sohn Gottes gewesen sei. Diese These war als Arianismus bereits am Konzil von Nicäa vertreten, für 22 Jahre war sie sogar die römische Reichsreligion (359n.Chr. - 381n.Chr.), bis sie am Konzil von Konstantinopel bei Todesstrafe verboten wurde und den feudalistisch orientierten Lehren des Athanasius das Feld überliess. Die Vertreter des verbotenen Christentums wurden künftig mit dem Ketzertod bestraft. Ihre Erben, die Bogomilen, waren die Vordenker der Hussiten, die mit den 4. Prager Artikeln und dem berühmten Prager Fenstersturz die Reformation vorantrieben. Mit anderen Worten: Der Glaube an die göttliche Dreieinigkeit musste den Glauben an den Menschen Jesus von Nazareth mit Tod und Schwefel verfolgen. So ist die Leidensgeschichte der Ketzer zeitgleich die Geschichte des „anderen Christentums“, des Christentums nämlich, welches auf Gewalt, Macht, Verwaltung und Todesstrafe verzichtete; verzichtete zu Gunsten von Demut, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Es ist die unterdrückte Geschichte des essenischen Christentums und seines bekanntesten menschlichen Predigers, des jüdischen Rabbiners Jesus von Nazareth. Seine Lehre wurde in ihrer Konsequenz als Ketzerei abgetan. Erstaunlich, denn er selber soll ja der Sohn Gottes gewesen sein. Folgende Ketzergruppierungen werden im Film portraitiert (chronologisch):

- Die Katharer (Köln und Südfrankreich) - Die Albigenser (Toulouse) - Die Calixten (Prag) - Die Waldenser (Norditalien und Alpenübergang) - Die Täufer (Emmental)

Auffallend bei allen Ketzerbewegungen waren die unüberhörbaren Forderungen nach sozialer Gleichheit und irdischer Gerechtigkeit. Die äusserten sich in verschiedensten Formen, unter anderem in dem Aufruf zu:

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a) Verzicht auf weltlichen Besitz (Katharer) b) Laienpredigt (Waldenser...das Seelenheil ist nicht von einer Institution abhängig) c) Säkularisierung des Kirchenbesitzes (Albigenser und Calixten) d) Gewaltverzicht (Täufer) Diese Forderungen waren in allen Gruppierungen verschieden gewichtig verteilt und fanden sich in den politischen Forderungen der Hussiten und in den 4 Prager Artikel wieder. Leider konnte weder die Reformation, noch die Aufklärung, einen nachhaltigen sozialen Umschwung bewirken, weil die Säkularisierung der Kirchenmacht zu Gunsten des ohnehin an der Macht partizipierenden mittleren Adels in Europa ausfiel, der sofort nach dem Schisma auf die feudalen Strukturen zurückgriff. Und auf das bewährte „Wort Gottes“ als grenz- und völkerübergreifenden Verhaltenskodex. Dieses Wort Gottes ist nicht eine einzige und einmalige Lehre, sondern in seiner Veranlagung tief synkretistisch. Hatte damit die Bibel einen globalisierenden, und am Schluss gar demokratisierenden Grundcharakter, der dem modernen Verständnis von Verantwortung und Nachhaltigkeit entgegenkam? Oder entspringt das humanistische Gedankengut den Lehren der Ketzern und Ungläubigen, die in der geistigen und irdischen Autonomie ihre Maxime sahen und diese dem Religions- und Machtstaat der römisch- katholischen Kirche dauernd entgegenhielten? Denn die ursprünglichen Ketzer griffen die konzilgetrimmte Bibel und die römische Kirche ganz an. Für sie war die Dreieinigkeit eine Lüge und Jesus sei lediglich ein Prediger mit göttlicher Eingebung gewesen. Umso genauer und ernster nahmen sie seine Worte. Sie vertraten eine Welt jenseits von Machtzentren, Statussymbolen, Hegemoniegelüsten und Verwaltungsabsichten. Ihre asketische Lehre verwies die Kirche auf den Platz eines berechnenden Lügenmolochs. So wurden sie sowohl für den Klerus, wie auch für den Staat, zum unbequemen Dorn im Fleisch. Die Kirche antwortete alsdann mit ihrem schrecklichsten Instrument: Sie beauftragte die Dominikaner mit der Anwendung des Hexenhammers, das heisst, mit Folter und Tod versuchte sie die autonomen Gruppierungen auszulöschen. Wohl sprach die Kirche dabei von Gotteslästerung, meinte aber ganz offensichtlich bürgerlichen Ungehorsam und öffentlich geäusserter Zweifel an der Berechtigung der sakralen Hierarchien. So repräsentiert der Streit um die Gottgleichheit Jesu (resp. der Streit um seine Identität symbolisiert durch sein Blut, sprich seiner vererbten Abstammung) den Widerspruch zwischen den Worten seines essenischen Christentums und den Hegemonialbestrebungen der christlich- kirchlichen Machtmaschine. Die Indizien beider Glaubensrichtungen sind eindeutig und verraten gleichzeitig die Absicht ihrer Anhänger. Folgt der Geschichtsbetrachter der Legende des heiligen Grals, so folgt er den Spuren häretischer Ketzer und gleichzeitig der unübersehbaren Blutspur der Inquisition. So gesehen hängt die chronologische Aufzeichnung der örtlichen Spurensuche des heiligen Grals mit der Entwicklung der Ketzerbewegungen zusammen - und mit dem unübersehbaren Flammenmeer der Dominikanermönche. Das kirchliche Christentum: Bedeutet es Liebe und Gerechtigkeit für alle Menschen – oder bedeutet es Macht und Ordnung für seine Benutzer? Kann es eine Symbiose zwischen Macht und Menschlichkeit geben?

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20. Quellen- und Literaturnachweis

„Der grosse Kulturfahrplan“, Werner Stein – Herbig Verlag „Daten der Geschichte“, Hermes Handlexikon Econ Taschenbuchverlag GmbH „Die grossen Ereignisse der Weltgeschichte“, Bertelsmann, Reinhard Mohn OHG „Alchemie und Mystik“, Alexander Roob; Benedikt Taschen Verlag GmbH „Nein und Amen“, Uta Ranke Heinemann; Wilhelm Heyne Verlag „Der Tempel und die Loge“ Baigent, Leigh - Bechtermünz Verlag „Der heilige Gral und seine Erben“ Lincoln, Baigent, Leigh - Bastei Lübbe „Gleichgewicht oder Hegemonie“ Ludwig Dehio - Manesse Bibliothek „Die heilige Schrift“ - Elbefelder Handkonkordanz „Neues Testamemt“ Internationaler Gideonbund „Manifest des evolutionären Humanismus“ M. Schmidt Salomon Alibri „Fragen zur Weltpolitik“, Carl Friedrich von Weizsäcker – Reihe Hanser „Im Keller des Heiligtums“ Adolf Holl - Kreuz Verlag „Der Verrat am Selbst“ Arno Gruen - dtv „Der Wahnsinn der Normalität“ Arno Gruen - dtv „Der Mensch und seine Symbole“ Carl Gustav Jung „Kritik der reinen Vernunft“ Immanuel Kant - suhrkamp „Deutsche Geschichtsphilosophie“, Kurt Rossmann – dtv „Zeichen und Symbole“, Könemann Verlagsgesellschaft GmbH „Museion 2000 Jahrgang“, Ausgabe Nr. 3 „Atlas der Philosophie“,dtv „Das Konzil und seine Folgen“ Galli / Moosbrugger C. J. Bucher AG „Was hält die moderne Gesellschaft zusammen?“ Wissenschaftlicher Kongress der Landesregierung Baden-Württemberg.

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