Der Gute Gott Und Das Leid - Johannes Hartl

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Der gute Gott und das Leid Der gute Gott und das Leid Dr. Johannes Hartl _____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Der menschlichen Grundfrage des Leidens kann kein Mensch sich dauerhaft entziehen. Allerdings unterscheiden sich die Konzepte, wie man mit dem Leiden umgeht, stark voneinander. Nur der Glaube an Gott vermag im Licht des menschlichen Leidens überhaupt Hoffnung zu geben. Eine echte Glaubensantwort ist aber immer das Ergebnis eines Lern- und Leidensprozesses und ist sehr verschieden von religiösen Scheinantworten. 1. Woher kommt das Leid (warum)? - Gott wollte eine Welt ohne Leid. - Immens viel Leid ist vom Menschen verursacht. - Durch die zentrale Stellung des Menschen in der Schöpfung wurde diese von seinem Fall auch beeinträchtigt. Die Schöpfung ist „gegen uns“. 2. Warum lässt Gott es zu? - Weil Gott die freie Liebesantwort des Geschöpfes möchte, „robotische“ Liebe widerspricht seinem Wesen. - Gott kann keinen Widerspruch in sich selbst erschaffen. Unfreie Freiheit ist ein Widerspruch wie ein quadratischer Kreis. - Durch freien Willen ist Leid möglich, doch auch Mut, Großzügigkeit, Tapferkeit, Liebe und alles Edle. - Aber ist es dennoch ungerecht, dass ein kleines Kind leiden muss? Wir sind nicht in einer Position, das beurteilen zu können, weil wir nicht das Ende gesehen haben, zu dem hin Gott alles erschaffen hat. 3. Leiden kann bewirken: - mehr Geduld (Röm 5,3-5) - tiefere Beziehungen - verändert Prioritäten und Einstellungen - Weisheit („Es ist das eine, eine intellektuelle Erklärung zu haben, doch etwas anderes, einen Weg durch das Leid gefunden zu haben.“) >> Gott gibt uns genau das, um was wir gebeten hätten, wenn wir gewusst hätten, was er weiß. 1 4. Wie können wir damit umgehen? 2 Viktor Frankl: das Leben stellt Fragen an uns, wir müssen darauf eine Antwort geben. Individuelles Leid trifft jeden jedoch dort, wo er nicht darauf vorbereitet ist. Die folgenden Antworten sind also alle nur halbwahr: a) der Gerechte leidet weniger Die Hoffnung, das „Universum würde für mich eine Ausnahme machen“ entspringt unserem überzüchteten Ego. Gott ist nicht meine Versicherung gegen Leiden und Sterben, sondern er ist dem Leidenden nahe (Ps 34,19; Phil 4,6). b) aus Leiden lernt man etwas Leiden an sich ist nicht positiv und auch nicht lehrreich. Es bringt zum Vorschein, was im Herzen ist und kann bitter oder milder machen. Es ist weise, für sich selbst und Leidende um Bewahrung davor zu bitten, im Leiden zu verzweifeln oder zu verbittern. c) Leiden hat einen Sinn Teil des Leidens ist ein Moment der Sinnlosigkeit, die in der Bibel nicht aufgelöst wird. Klagen, Zweifeln und Trauern sind wichtig und dürfen sein! Leichtfertige Erklärungen des Leidens können mehr verletzen als helfen (vgl. das Buch Hiob). Leiden und Tod konfrontieren den Menschen radikal mit seiner Begrenztheit und „Sinnlosigkeit“ (vgl. Röm 8,20f.!). Auch mein eigenes Leiden wirkt nicht erlösend: hier verwechsle ich mich mit Jesus. Nur die Liebe und der Glaube an die Auferstehung inmitten des Todes verwandelt das Leiden zu etwas Fruchtbarem. Meistens sind unsere Wunden tiefer, als wir meinen. Ein vorschnelles „passt schon wieder“ weicht dem echten Prozess aus. d) Leiden ist illegal Es gibt eine falsche, rein seelische Loyalität mit dem Leidenden, die so groß ist, dass sie Gott anklagt. Dem Leidenden hilft es aber nichts, wenn ich mit ihm verzweifle. Es gibt eine Art des Mitschwingens mit dem Leidenden, die den Leidenden entmündigt, sich selbst überfordert und Gott anklagt. >> Die wichtigste Antwort auf das Leiden ist tiefere Gottesfurcht. Er macht alles schön zu seiner Zeit (Koh 3,11) und wird alle Tränen abwischen (Offb 21,4). Der Weg zu dieser Haltung ist ein Prozess, der nur im echten Leben stattfindet und nicht durch Kopfwissen abgekürzt werden kann. Dieser und viele andere Gedanken dieses Vortrags sind aus: Keller, Timothy: Walking with God through Pain and Suffering, London 2013 1 Weitere Aspekte zu diesem Thema: Hartl, Johannes: Wenn die Seele weint. Glauben wenn es weh tut, Cap! 2014 2

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Der gute Gott und das LeidDr. Johannes Hartl_____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Der menschlichen Grundfrage des Leidens kann kein Mensch sich dauerhaft entziehen. Allerdings unterscheiden sich die Konzepte, wie man mit dem Leiden umgeht, stark voneinander. Nur der Glaube an Gott vermag im Licht des menschlichen Leidens überhaupt Hoffnung zu geben. Eine echte Glaubensantwort ist aber immer das Ergebnis eines Lern- und Leidensprozesses und ist sehr verschieden von religiösen Scheinantworten.

1. Woher kommt das Leid (warum)?- Gott wollte eine Welt ohne Leid. - Immens viel Leid ist vom Menschen verursacht. - Durch die zentrale Stellung des Menschen in der Schöpfung wurde diese von seinem Fall auch

beeinträchtigt. Die Schöpfung ist „gegen uns“.

2. Warum lässt Gott es zu?- Weil Gott die freie Liebesantwort des Geschöpfes möchte, „robotische“ Liebe widerspricht seinem Wesen. - Gott kann keinen Widerspruch in sich selbst erschaffen. Unfreie Freiheit ist ein Widerspruch wie ein

quadratischer Kreis. - Durch freien Willen ist Leid möglich, doch auch Mut, Großzügigkeit, Tapferkeit, Liebe und alles Edle. - Aber ist es dennoch ungerecht, dass ein kleines Kind leiden muss? Wir sind nicht in einer Position, das

beurteilen zu können, weil wir nicht das Ende gesehen haben, zu dem hin Gott alles erschaffen hat.

3. Leiden kann bewirken:- mehr Geduld (Röm 5,3-5)- tiefere Beziehungen - verändert Prioritäten und Einstellungen- Weisheit („Es ist das eine, eine intellektuelle Erklärung zu haben, doch etwas anderes, einen Weg durch

das Leid gefunden zu haben.“)>> Gott gibt uns genau das, um was wir gebeten hätten, wenn wir gewusst hätten, was er weiß.1

4. Wie können wir damit umgehen? 2Viktor Frankl: das Leben stellt Fragen an uns, wir müssen darauf eine Antwort geben. Individuelles Leid trifft jeden jedoch dort, wo er nicht darauf vorbereitet ist. Die folgenden Antworten sind also alle nur halbwahr: a) der Gerechte leidet wenigerDie Hoffnung, das „Universum würde für mich eine Ausnahme machen“ entspringt unserem überzüchteten Ego. Gott ist nicht meine Versicherung gegen Leiden und Sterben, sondern er ist dem Leidenden nahe (Ps 34,19; Phil 4,6).b) aus Leiden lernt man etwasLeiden an sich ist nicht positiv und auch nicht lehrreich. Es bringt zum Vorschein, was im Herzen ist und kann bitter oder milder machen. Es ist weise, für sich selbst und Leidende um Bewahrung davor zu bitten, im Leiden zu verzweifeln oder zu verbittern. c) Leiden hat einen SinnTeil des Leidens ist ein Moment der Sinnlosigkeit, die in der Bibel nicht aufgelöst wird. Klagen, Zweifeln und Trauern sind wichtig und dürfen sein! Leichtfertige Erklärungen des Leidens können mehr verletzen als helfen (vgl. das Buch Hiob). Leiden und Tod konfrontieren den Menschen radikal mit seiner Begrenztheit und „Sinnlosigkeit“ (vgl. Röm 8,20f.!). Auch mein eigenes Leiden wirkt nicht erlösend: hier verwechsle ich mich mit Jesus. Nur die Liebe und der Glaube an die Auferstehung inmitten des Todes verwandelt das Leiden zu etwas Fruchtbarem. Meistens sind unsere Wunden tiefer, als wir meinen. Ein vorschnelles „passt schon wieder“ weicht dem echten Prozess aus. d) Leiden ist illegal Es gibt eine falsche, rein seelische Loyalität mit dem Leidenden, die so groß ist, dass sie Gott anklagt. Dem Leidenden hilft es aber nichts, wenn ich mit ihm verzweifle. Es gibt eine Art des Mitschwingens mit dem Leidenden, die den Leidenden entmündigt, sich selbst überfordert und Gott anklagt.

>> Die wichtigste Antwort auf das Leiden ist tiefere Gottesfurcht. Er macht alles schön zu seiner Zeit (Koh 3,11) und wird alle Tränen abwischen (Offb 21,4). Der Weg zu dieser Haltung ist ein Prozess, der nur im echten Leben stattfindet und nicht durch Kopfwissen abgekürzt werden kann.

Dieser und viele andere Gedanken dieses Vortrags sind aus: Keller, Timothy: Walking with God through Pain and Suffering, London 20131

Weitere Aspekte zu diesem Thema: Hartl, Johannes: Wenn die Seele weint. Glauben wenn es weh tut, Cap! 20142